Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident hat gerade darauf hingewiesen, dass sich draußen in der Lobby Grundschüler an einer Aktion im Internet beteiligen. Das sind Schülerinnen und Schüler, die 1996, als die damalige Landesregierung die Informatik in Niedersachsen deutlich zurückgefahren hat, noch nicht einmal eingeschult waren bzw. gerade die ersten Schriftzeichen lernten.
Wir haben damals nicht nur in Hildesheim, sondern auch andernorts dagegen gekämpft, die Informatik zurückzuführen. Jetzt, nachdem Staatssekretär Andres Anfang des Jahres auf eine Anfrage der CDU im Bundestag noch geantwortet hat, es gebe keinen Bedarf an weiteren Informatikern in der Wirtschaft, und deshalb sollten Ausländer auch keine Papiere erhalten, mit denen sie hier arbeiten können, hat der Bundeskanzler entschieden, dass ausländische Informatiker und Ingenieure zugelassen werden.
- Nein, Herr Schröder ist nicht mein Bundeskanzler. Ich habe andere Vorstellungen von einem Bundeskanzler, als dass ich sagen würde, das ist meiner.
Eben dieser Bundeskanzler hat vor vier Jahren deutlich erklärt, die Informatik habe an der Universität keine Chance, und hat sie geschlossen. Auf meine damalige Anfrage hin hat Frau Schuchardt deutlich ausgeführt, dass sie die Informatik zurückfahren will, und sie hat wörtlich im Hinblick auf die CDU-Regierung, die vorher tätig gewesen war und den Informatikstudiengang u. a. in Hildesheim, aber auch in Clausthal-Zellerfeld und anderswo eingeführt hat, gesagt: Leider hat das Land damals zu viele Informatikstudienplätze geschaffen. - Das war die Meinung im Jahre 1996.
Unser jetziger Wissenschaftsminister, den ich bisher immer für geistig beweglich gehalten habe, stellt sich jetzt hin und sagt - vor wenigen Tagen wörtlich -, die dynamische Entwicklung habe damals niemand so vorausgesehen. Menschenskinder, Herr Oppermann, Windows 95 war damals schon eine Erfolgsgeschichte, und Sie erklären, das habe man nicht vorausgesehen!
- Was das damit zu tun hat, Herr Buß? Dass die Welt begriffen hatte, dass im Computer und in der Software, in allem, was Informatiker und Informatikingenieure herstellen und produzieren, die Zukunft liegt. Das hatten andere Länder, Indien z. B., begriffen. In Niedersachsen hat man aber einen erfolgreichen Informatikstudiengang geschlossen.
Sie wissen doch ganz genau, dass damals z. B. die Universität Hildesheim gesagt hat: Lasst uns doch den Informatikstudiengang behalten; wir bieten euch dafür einen anderen Studiengang an, den ihr schließen könnt, damit die gleiche Einsparung erzielt werden kann. - Es ging ja damals um Einsparungen. Was hat man damals gemacht? Man hat die Auslastung der Studienplätze gesehen. Herr Oppermann hat jetzt wieder darauf hingewiesen, dass damals die Auslastung nur rund 60 % betragen habe. Landesweit ist das richtig. ClausthalZellerfeld hatte, glaube ich, eine Auslastung von 37 %, Hildesheim eine von 87 %. Das spielt aber gar keine Rolle. Das ist nämlich nicht das Erfolgsgeheimnis eines Informatikstudienganges oder eines allgemeinen Studienganges. Wenn die Leute ihr Diplom bekommen haben - so muss man nämlich prüfen, ob richtig ausgebildet worden ist -, müssen Sie einmal sehen, wohin sie gehen, ob sie
in Hildesheim zum Rathaus gehen, um Sozialhilfe zu beantragen, oder ob sie sich in den Zug oder in das Auto setzen, um die sechs oder sieben Firmen abzufahren, die ihnen konkrete Arbeitsplatzzusagen gegeben haben.
So ist es doch gewesen: Die Informatik-Abgänger in Hildesheim und anderswo hatten nicht nur Angebote, sondern ganz konkrete Zusagen. Ich kenne jemanden, der sechs konkrete Zusagen hatte. Er konnte sich seinen Arbeitsplatz aussuchen. Keiner von diesen Absolventen hat auch nur einen Tag auf einen Arbeitsplatz warten müssen, während Sie weiter an anderen Studiengängen festhielten.
Eines wollte ich noch sagen. Es ist ja nicht das Versagen des Studienganges, und es ist auch nicht das Versagen der Studenten, wenn dieser Studiengang nicht hundertprozentig ausgelastet ist. - Inzwischen ist er es übrigens. - Es ist vielmehr auch ein Versagen des damaligen Kultusministers. Herr Präsident, das will ich einmal deutlich sagen. Wenn man das Abitur mit dem Leistungsfach Sport oder Musik oder Geschichte machen kann, dann darf man sich nicht wundern, wenn Ingenieurstudiengänge, in denen man naturwissenschaftliche Vorkenntnisse haben muss, nicht angenommen werden.
Ich will noch eines sagen: Wir erwarten von unseren Kindern, dass sie, wenn sie einen Fehler gemacht haben, diesen Fehler einsehen und in Zukunft korrigieren. Warum können wir das nicht auch einmal in der Politik machen?
Warum sagen wir nicht einmal: „1996 ist in Niedersachsen ein Fehler gemacht worden.“? Wir haben an der Universität Hildesheim noch die Infrastruktur. Die Bücher liegen da noch rum, weil anderswo noch keine neue Bibliothek gebaut worden ist.
- Nein, Herr Domröse, gehen Sie da einmal hin. Sie könnten hier innerhalb kürzester Zeit den Bedarf für Informatikstudienplätzen wieder aufbauen. Wir wollen sie nirgendwo anders abbauen. Wir wollen zusätzliche aufbauen. Denn es kann doch nicht sein, dass sich ein Land wie Deutschland den Sachverstand ständig nur im Ausland einkauft,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zu dem Thema Informatik eigentlich einen ernsthaften Debattenbeitrag erwartet.
- Wir kommen doch gleich noch zu diesem Thema. - Haben Sie wirklich niemand anderes als Herrn Möllring, den Sie zu diesem Thema vorschicken können? Was Sie, Herr Möllring, hier eben vorgetragen haben, war wirklich nur reine Polemik. Darüber hinaus haben Sie sich nur mit dem alten Thema Hildesheim befasst. Ich möchte dazu zwei Anmerkungen machen und im Anschluss daran auch noch einen Diskussionsbeitrag zum Thema liefern.
Der Studiengang Informatik in Hildesheim war ganz überwiegend auf Programmstellen aufgebaut. Es gab dort 23 feste Stellen, aber auch 25 Programmstellen. Das heißt, die alte CDULandesregierung hatte diesen Studiengang Ende der 80er-Jahre mithilfe des Hochschulsonderprogramms - Möllemann 1 - aufgebaut. Sie haben auf Möllemann 1 gesetzt. Sie haben die Informatik in Hildesheim aber auf Sand gebaut; denn wenn Sie diese wirklich ernsthaft hätten aufbauen wollen, dann hätten Sie feste Stellen dort hingebracht und diese im Haushalt etatisiert, statt einen ganzen Fachbereich nur mit Überlastmitteln zu betreiben. Das ist das eine Argument.
Die Art und Weise, in der Sie Hildesheim vermarkten, Herr Möllring, hat nun auch die „Hildesheimer Zeitung“ angemessen kommentiert. Da Sie mit der Informatik jetzt auch im „Spiegel“ und bei Sabine Christiansen vertreten sind, schreibt die „Hildesheimer Zeitung“ zu dieser erstaunlichen Karriere: Hildesheims Auftritt auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin misslang. Grund:
Wir sagen nicht, was wir haben. Hildesheims Auftritt hingegen im politischen Berlin - Informatik - glückte. Grund: Wir zeigen, was wir nicht mehr haben. - Ich kann nur sagen, Herr Möllring: Wenn Sie so weiter machen, tun Sie Ihrer Heimatstadt keinen Gefallen.
Wir sind mit der Universität darüber im Gespräch, wie wir dort neben dem funktionierenden Ergänzungsstudiengang Informationstechnologie eine informationswissenschaftliche Fundierung der Lehrerausbildung auf den Weg bringen können.
- Herr Fischer, auch Sie wissen - spätestens seit der CeBIT -, dass in Deutschland in der Informationswirtschaft 75.000 Fachkräfte fehlen. Aber nicht nur in Deutschland, sondern überall in Europa fehlen Fachkräfte, Herr Wulff. Auch in den Vereinigten Staaten fehlen sie. Dort fehlen 350.000 Computerfachkräfte. Sie wollen ja wohl nicht behaupten, dass die Vereinigten Staaten das Internet verschlafen hätten. Sie werden feststellen: Sogar in Indien ist die Nachfrage nach Computerexperten größer als das Angebot. Deshalb ist sehr zweifelhaft, ob aus Indien eine große Anzahl von Computerexperten nach Deutschland kommen wird, um uns in dieser Situation zu helfen.
(Frau Harms [GRÜNE]: Wenn die diese Debatte hier verfolgen, kommen sie bestimmt nicht! - Eveslage [CDU]: Reden Sie mal nicht von Indien, son- dern von Hildesheim!)
Der erste Grund: Das Internet hat sich so rasant entwickelt, wie es vor fünf Jahren in der Tat noch niemand vorausgesehen hat - außer natürlich der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag. Die Hälfte der Unternehmen, die heute Computerexperten einstellen möchten, gab es vor vier bis fünf Jahren noch gar nicht. Die andere Hälfte der Unternehmen, die es schon gab, hat keine Computerexperten eingestellt, sondern diese Unternehmen haben Mitte der 90er-Jahre ganz andere Signale ausgegeben. Diese haben gesagt: Wir brauchen diese Fachkräfte nicht. - In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen gern einmal jemanden zitieren, der Ihnen das bestätigen kann.
- Nein, das stand im „Spiegel“. - Herr Zehetmair, der bayerische Wissenschaftsminister, sagte Folgendes: „Mitte der 90er-Jahre haben nicht einmal die besten Informatiker der TU München einen Job bekommen.“ - Herr Möllring, der Herr Zehetmair ist ein kluger Mann. Der hat das richtig analysiert.
Die Zahl der Studienanfänger ist in der Zeit um bis zu 50 % gesunken. Nun kann man in einer solchen Situation natürlich einen Fehler machen. Wenn die Wirtschaft sagt, sie stelle nicht ein, die Zahl der Studienanfänger sinkt und die Kapazitäten nicht ausgelastet sind, dann ist natürlich die Versuchung groß zu sagen: Wir bauen auch die Kapazitäten ab.
Nein. - Diesen Fehler haben wir in Niedersachsen nicht gemacht, sondern ganz im Gegenteil. Wir haben die Informatikkapazitäten an den Universitäten von 567 Anfängerplätzen auf 662 - das ist ein Plus von 15 % - und an den Fachhochschulen von 303 Anfängerplätzen auf 688 - das ist ein Plus von 130 % - ausgebaut. Wohlgemerkt: Viele dieser neuen Studiengänge - insgesamt 40 neue Informatikstudiengänge seit 1990 - sind in einer Zeit entwickelt und genehmigt worden, in der die Zahl der Studienanfänger sank. Wir haben uns antizyklisch verhalten. Deshalb haben wir heute auch ein so gutes Angebot.
An der Universität Braunschweig ist der neue Studiengang Computational Sciences in Engineering eingerichtet worden. In Hannover entsteht im kommenden Wintersemester der neue Studiengang Angewandte Informatik. In Göttingen entsteht ein neuer Studiengang in Kombination aus Bio-, Geound Umweltinformatik. Alle aus eigener Kraft. Das zeigt übrigens, meine Damen und Herren, dass die Hochschulen im Rahmen der Innovationsoffensive in der Lage sind, sich marktgerecht zu verhalten, Mittel umzuschichten und neue Angebote zu unterbreiten.
Ich komme zum Schluss. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Informatik ist in Niedersachsen aber nicht nur quantitativ erweitert worden, sondern auch qualitativ. Wir haben sie modernisiert. Wir machen nicht mehr nur technische Informatik.