Protokoll der Sitzung vom 30.03.2000

(Frau Zachow [CDU]: Noch nicht?)

weil sie selbst eine ganze Menge auf den Weg bringen. Aber wenn sie das Bedürfnis hätten, dann stünden wir jederzeit gern zur Beratung zur Verfügung.

Frau Ortgies zur zweiten Frage!

Herr Minister, ich frage Sie: Wann und in welcher Weise hat Ihnen der Bürgermeister mitgeteilt, dass große finanzielle Schwierigkeiten, wenn nicht eventuell sogar ein Konkurs, in Bad Grund anstehen?

Herr Minister!

Frau Ortgies, ich habe mit meinem Kollegen Wolfgang Domröse über diese Fragen nicht gesprochen. Das ist auf dem Dienstweg, über Bezirksregierung, Ministerium, Kommunalaufsicht, an mich herangetragen worden.

(Frau Ortgies [CDU]: Das habe ich nicht gefragt! Ich habe gefragt, wann und in welcher Weise das dem Land Niedersachsen mitgeteilt wurde! - Gegenruf von Adam [SPD]: Nein! - Große Unruhe)

- Nein, Frau Ortgies, Sie haben gefragt - ich bitte um Nachsicht -, wann der Kollege Domröse mich darauf angesprochen hat. Darauf wollte ich Ihnen gern sagen: Ich habe mit Wolfgang Domröse ganz speziell über das Problem nicht gesprochen. Das ist ganz normal auf dem Dienstweg gelaufen. Ich war dienstlich mit der Sache befasst. Persönlich haben wir uns damit nicht auseinander gesetzt.

Um die Frage zu beantworten, wann das Ministerium das erste Mal damit in Berührung gekommen ist,

(Adam [SPD]: Das war nicht die Fra- ge, Herr Minister! - Beckmann [SPD]: Das hat sie nicht gefragt!)

müsste ich in die Akten sehen. Da gibt es lange Vorgänge über viele Jahre.

(Möllring [CDU]: Also Domröse und Sie nicht!)

Wortmeldungen zu weiteren Zusatzfragen liegen nicht mehr vor. Damit ist die Beantwortung der ersten Dringlichen Anfrage beendet.

Ich rufe jetzt auf

b) Nach dem Versagen von Atomaufsicht und TÜV im Atomkraftwerk Unterweser: Funktioniert die Kontrolle bei Glaskokillen und Konrad-Abfällen? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1500

Frau Harms stellt die Dringliche Anfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auseinandersetzung um gefälschte Sicherheitsdokumentationen für plutoniumhaltige MischoxidBrennelemente, hergestellt bei British Nuclear Fuels in Windscale/Sellafield, hat in den vergangenen Wochen ständig neue erstaunliche Erkenntnisse in die Öffentlichkeit gebracht. Die Tatsache, dass PreussenElektra bereits im September 1999 auf Manipulationen in der Dokumentation

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

der im Atomkraftwerk Esenshamm eingesetzten Brennelemente aufmerksam gemacht worden war, ohne davon die Atomaufsicht im Niedersächsischen Umweltministerium zu unterrichten, war einer der Höhepunkte des Skandals. Übertroffen wurde dies noch von den Erklärungen des TÜV Nord, der für das Umweltministerium als Gutachter in Windscale/Sellafield tätig ist. Der TÜV Nord kommt zu der Schlussfolgerung, dass sein Auftrag und seine Prüfmethoden es nicht ermöglichen, Fälschungen von Messergebnissen oder Manipulationen zu entdecken.

Nur zwei Jahre nach dem Skandal um kontaminierte CASTOR-Behälter erlebt damit die Öffentlichkeit erneut, dass es um die hoch gepriesene deutsche Sicherheitsphilosophie schlecht bestellt ist, weil die Atomaufsicht ihren Aufgaben einfach nicht gewachsen ist. Umweltminister Jüttner will nun in einem Gutachten klären lassen, wie zukünf

tig das Versagen seiner Aufsicht und Gutachter verhindert werden kann.

Nicht nur bei der Fertigung von MOXBrennelementen in England hat es Fälschungen gegeben. Meldungen vom Wochenende zufolge gab es auch in der französischen MOX-Anlage in Cadarache eine Datenpanne bei der Qualitätskontrolle. Es ist zu befürchten, dass auch hier gefälscht wurde, und der Verdacht liegt nahe, dass es auch bei der Herstellung von Uran-Brennelementen in Russland, von Glaskokillen in Frankreich oder zukünftig von Atommüllgebinden, die für die Einlagerung in Schacht Konrad vorgesehen sind, zu Manipulationen gekommen ist oder kommen kann und die Spezifikationen nicht eingehalten sein könnten.

Wir fragen dazu die Landesregierung:

1. Wie und von wem werden die Ergebnisse der Kontrolle von Aufsicht und Gutachtern zur Herstellung von Uran-Brennelementen in Elektrostal in Russland, der hochradioaktiven Glaskokillen in La Hague und der schwach- und mittelaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung überprüft?

2. Welche Auswirkungen hat die Unsicherheit über das Funktionieren der Atomaufsicht auf die Annahme von Glaskokillen aus Frankreich im Transportbehälterlager Gorleben und auf das Genehmigungsverfahren Schacht Konrad?

3. Welche Alternativen zum TÜV gibt es bei Gutachtensaufträgen für Kontrollaufgaben in ausländischen Anlagen?

Die Antwort gibt Umweltminister Jüttner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 14. Januar dieses Jahres ist mein Haus damit befasst, den Sachverhalt zum Thema „Brennelementefertigung in Sellafield und die Folgen“ aufzuklären. Bis zum 18. Februar lag kein Hinweis auf Fälschungen in Bezug auf das Kernkraftwerk Unterweser vor. Der Bericht der britischen Atomaufsicht hat die Dimension von Verfehlungen, von fehlender Sicherheitskultur und von Fälschungen erst abschließend aufgedeckt und einen ersten Hinweis auf mögliche Fälschungen der Papiere von Brennelementen, die in Deutschland eingesetzt sind, gegeben.

Seit dem 22. Februar haben wir Klarheit, dass auch im Kernkraftwerk Unterweser Brennelemente mit gefälschten Papieren ausgestattet waren. Obwohl nach heutigem Kenntnisstand Gefährdungen nicht bestanden haben, da eine spezifikationsgerechte Fertigung bei den KKU-Brennelementen augenscheinlich gegeben war, liegt hiermit ein neuerlicher Fall von gravierendem Fehlverhalten in der Atomwirtschaft vor, der - auch das sei angemerkt – auch die Praxis einer optimalen Aufsicht auf den Prüfstand bringt.

Ich habe unmittelbar nach Bekanntwerden der Fälschungen die Arbeitskreisvorsitzenden der Landtagsfraktionen informiert und anschließend in vier Sitzungen ausführlich im Umweltausschuss referiert und zu allen Nachfragen zur Verfügung gestanden, sodass davon auszugehen ist, dass der Landtag bisher umfassend informiert worden ist. Das Gleiche gilt für das Bundesumweltministerium, das wir kontinuierlich informiert haben. Das Gleiche gilt auch für die Öffentlichkeit, die zu Recht beansprucht, über derartige Vorgänge im Detail Kenntnis zu bekommen. Wir haben auf die Betreiber eingewirkt, die in Rede stehenden Brennelemente auszutauschen. Dies haben sie vollzogen. In einer abschließenden Prüfung hätten wir das gegebenenfalls auch anordnen können. Ich habe darüber hinaus eine Reihe von gutachterlichen Stellungnahmen in Auftrag gegeben. Das umfassende TÜV-Gutachten ist gestern den Mitgliedern des Umweltausschusses unmittelbar, nachdem wir es erhalten hatten, ins Fach gelegt worden. Wir werten es gegenwärtig aus. Am nächsten Montag besteht in der Umweltausschusssitzung die Möglichkeit, hier zu Bewertungen zu kommen und weitere Nachfragen zu beantworten. Ich beabsichtige – Frau Harms hat in ihrer Anfrage schon darauf hingewiesen –, ein Gutachten zur Optimierung der Aufsicht in Auftrag zu geben.

Über das gültige Regelwerk hinaus, meine Damen und Herren, sind unsere Gutachter darüber hinaus verpflichtet worden, vor dem Einsatz von Brennelementen zusätzliche Prüfungen vorzunehmen. Das kann nur eine vorübergehende Lösung sein. Nach meiner Meinung muss das Regelwerk, auf das sich die Gutachter bei ihrer Arbeit stützen, selbst verändert werden. Dies setzt eine einheitliche Vorgehensweise und damit eine nationale Regelung voraus. Es ist schon bemerkenswert, dass die Aufsicht, die gewährleisten soll, dass Fehler nicht passieren, diesen Anforderungen möglicherweise systematisch nicht gerecht werden kann. Dann befindet sich selbst eine optimale Aufsicht in

der Situation, dass sie das, was die Öffentlichkeit gegebenenfalls beansprucht, nicht bedienen kann eine ganz ungewöhnliche Situation, die öffentlich diskutiert gehört.

Vor dem Hintergrund auch der Reorganisation der Energiewirtschaft, in deren Zuge auch die Kernenergieenergieaktivitäten zusammengefasst werden sollen – hier geht es um VEBA und VIAG –, werde ich im Detail prüfen lassen, wie künftig die Verantwortlichkeiten aufseiten der Betreiber sichergestellt werden. In diesem Gutachten werde ich auch prüfen lassen, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen sich daraus für die Arbeit der Atomaufsicht inklusive der Begutachtung unter diesen veränderten Bedingungen ergeben.

So viel zu den in Sellafield gefertigten Brennelementen für das Kraftwerk Unterweser.

Die Missstände in Sellafield haben das Umweltministerium veranlasst, umgehend auch die anderen Hersteller von Brennstofftabletten für niedersächsische Atomkraftwerke hinsichtlich der Übertragbarkeit der Fehler zu überprüfen. Dazu gehört unter anderem die Brennelementefertigungsanlage der Cogema im französischen Cadarache. Erste Ergebnisse erwarte ich noch für morgen. Ein Mitarbeiter meines Ministeriums ist gemeinsam mit Gutachtern gegenwärtig in Cadarache vor Ort. Diese Prüfung wurde übrigens bereits vor Bekanntwerden eines Datenfehlers in der genannten Firma vom Niedersächsischen Umweltministerium in Auftrag gegeben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Bei der russischen Firma MSZE läuft zurzeit ein Teil der Fertigung von vier UranBrennelementen. Teilkomponenten wurden von der ANF hergestellt. Während der Zeit der Herstellung der Pellets und der Brennstabbefüllung Anfang Februar war der TÜV Nord als Gutachter zugegen und hat bei der Befüllung der Brennstäbe eine kontinuierliche Kontrolle durchgeführt. Das geht über die KTA-Regeln hinaus, die nur stichprobenartige Kontrollen vorsehen. Die Assemblierung, d. h. das Zusammenführen der Brennstäbe zu Brennelementen, ist noch nicht erfolgt. Die Stellungnahme des TÜV Nord steht noch aus. Sie wird insbesondere auf die Kontrollen bei den einzelnen Fertigungsschritten, auf die Zuverlässigkeit und auf mögliche Mängel in der Qualitätssicherung eingehen.

Sie fragen auch, meine Damen und Herren, nach den Glaskokillen, die hochradioaktives Material aus der Wiederaufarbeitung beinhalten. Für die Kontrolle über die Herstellung der Glaskokillen ist neben den zuständigen französischen Aufsichtsbehörden das Bundesamt für Strahlenschutz für die Einhaltung der Abfallspezifikation zuständig. Das BfS hat mit dieser Aufgabe die Produktkontrollstelle im Forschungszentrum Jülich betraut.

Das Niedersächsische Umweltministerium ist als Aufsichtsbehörde für das Transportbehälterlager in Gorleben zuständig und überwacht die Einhaltung der Annahmebedingungen. Rein praktisch geschieht das durch Sachverständige des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt, der die von der Cogema ausgestellten Datenblätter der Glaskokillen prüft und anhand von Dosisleistungsmessungen verifiziert. Es liegen uns keinerlei Hinweise auf manipulierte Ergebnisse oder Protokolle vor.

Für die in La Hague lagernden mittelaktiven Abfälle, die nach den Planungen der früheren Bundesregierung im Schacht Konrad endgelagert werden sollen bzw. in die Zwischenlager nach Gorleben kommen, besteht ebenso wie bei den hochradioaktiven Glaskokillen ein zweistufiges Verfahren. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist für die Einhaltung der bisher vorläufigen Endlagerbedingungen zuständig und hat deshalb das Verfahren für die Konditionierung der Abfälle zu prüfen. Im Hinblick auf die Zwischenlagerung im Abfalllager Gorleben kontrolliert das Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg, dass die Annahmebedingungen für das Zwischenlager eingehalten werden. Dies wird ebenso wie bei den Glaskokillen unter Einschaltung des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt geschehen. Eine Beladung dieser Abfälle in Gussbehälter soll in La Hague erfolgen. Derzeit gibt es hierzu noch keine Zeitplanung.

Zu Frage 2: Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Kontrolle für die Annahme von Glaskokillen aus Frankreich nicht funktioniert. Die Bedingungen für die Annahme von Glaskokillen im Transportbehälterlager Gorleben sind, wie eben dargestellt, geregelt und in der Praxis erprobt. Was das Genehmigungsverfahren zu Schacht Konrad angeht, so würde ein möglicher positiver Planfeststellungsbescheid die Endlagerbedingungen und die Produktkontrolle festschreiben. Diese Regelungen müssten dann vom Bundesamt für Strahlenschutz als Betreiberin eingehalten und von ihr als zuständiger Aufsichtsbehörde in Form der Eigenüberwachung zugleich kontrolliert werden.

Zu Frage 3: Neben den fünf größeren TÜVOrganisationen in Deutschland kommt eine Reihe anderer Gutachter und Gutachterorganisationen für Kontrollaufgaben in ausländischen Anlagen infrage. Namen dazu sind in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Harms vom November 1999 – das ist die Drucksache 14/1114 - aufgelistet. Außerdem kommen je nach Aufgabenstellung weitere, u. a. auch ausländische, Gutachter in Betracht. Im Übrigen wird die Gutachterauswahl durch das Vergaberecht geregelt.

Wir kommen zu den Nachfragen. Es beginnt Herr Hoppenbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, immer dann, wenn derartige Vorkommnisse, wie Sie es eben genannt haben, geschehen, gibt es zwei, die dazu beigetragen haben, nämlich zum einen eine Firma, die schlampig arbeitet, und zum anderen eine Überwachungsbehörde, die das zulässt. Vor diesem Hintergrund habe ich zwei Fragen.

Erstens. Wann sind Sie zum ersten Mal vom Bundesumweltminister, der ja eher informiert gewesen sein soll, auf die Vorkommnisse in Sellafield aufmerksam gemacht worden?

(Inselmann [SPD]: Das wissen Sie doch! Das hat der im Umweltaus- schuss erzählt! - Gegenruf von Möll- ring [CDU]: Ist Ihnen das peinlich?)

Zweitens. Welche Gespräche zwischen der PreussenElektra und dem Umweltministerium in Niedersachsen haben zwischen dem 8. November und Ende Januar in Bezug auf Sellafield stattgefunden?

(Möllring [CDU]: Eine gute Frage!)

Herr Jüttner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass ich alle Fragen, die ich jetzt beantworten darf, bereits im Ausschuss für Umweltfragen habe beantworten können. Aber es ist

das Recht des Landtages, das auch in der Öffentlichkeit abzufragen.