Protokoll der Sitzung vom 30.03.2000

Die benötigten Mittel aus dem ESF hat die Landesregierung mit ihrem Beschluss zum niedersächsischen Ziel-3-Programm bereits im November vergangenen Jahres zur Verfügung gestellt. Die Vorarbeiten sind jetzt abgeschlossen. Die Mittelfreigabe durch die Europäische Kommission ist erfolgt. Die Förderung kann nun beginnen. Deshalb bin ich dankbar, dass alle Fraktionen hier im Niedersächsischen Landtag durch ihre Beschlussfassung diesem Ziel mit einer so großen Schubkraft entsprechenden Ausdruck verleihen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Watermann.

Gibt es das wirklich, ein Projekt, bei dem alle gewinnen, bei dem es keine Verlierer und keine Unterlegenen gibt? - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute die Möglichkeit, über ein Projekt zu reden, bei dem es das wirklich gibt. JobRotation ist das Stichwort, eine gelungene Verbindung zwischen Struktur-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Und weil alle nur Vorteile davon haben - neudeutsch nennt man das einen Win-win-Modus -, wollen wir das voranbringen.

Qualifizierung und Arbeitsplatzsicherung in Niedersachsen - wie funktioniert JobRotation?

(Unruhe)

- Angesichts der Lautstärke, die zunimmt, weil nun alle abstimmen wollen, könnte man denken, die JobRotation hätte auch hier eingesetzt.

(Glocke des Präsidenten)

Hier geht es aber darum, dass wirklich etwas für kleinere und mittlere Unternehmen getan wird, dass Qualifizierungsmaßnahmen für Personal stattfinden und dass die, die Stellvertreterinnen und Stellvertreter sind, die Chance bekommen, sich im ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren, und damit die Möglichkeit erhalten, künftig ihren beruflichen Werdegang weiter zu entwickeln.

Angesichts des gemeinsamen Antrages ist davon auszugehen, dass wir dieses Projekt in den Mittelpunkt rücken wollen, weil wir der Meinung sind, dass schon viel geschehen ist, dass wir es aber nicht richtig wahrgenommen haben. Wir wollen auch mehr in den Mittelpunkt rücken, dass die Möglichkeiten der europäischen Förderung mehr genutzt werden sollten.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Aus diesem Grunde unterstützen wir natürlich diesen Antrag. Wir haben ihn in den Ausschüssen beraten, und ich wäre froh, wenn wir nach einer Begutachtung feststellen könnten, dass viele von dieser Schwerpunktsetzung profitiert haben.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Es ist doch gut, dass wir den Antrag eingebracht haben!)

Deswegen finde ich es gut, dass wir die JobRotation gemeinsam voranbringen wollen. - Vielen Dank.

Das Wort hat nun Kollege Bookmeyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Pothmer, es ist sicherlich richtig, dass dies als ein Schwerpunkt der Wirtschaftsförderung anzusehen ist. Dennoch möchte ich mein Hauptaugenmerk auf die Erwerbslosigkeit richten. Denn die Erwerbslosigkeit ist in ihrem seit langem bestehenden enormen Ausmaß eine der schlimmsten Geißeln unserer Zeit, mit all ihren negativen Begleiterscheinungen in den verschiedensten Bereichen, auf welche ich wegen der Kürze der Zeit nicht eingehen kann, die aber bekannt und in diesem Problemfeld stets mit zu bedenken sind.

Wollen wir ihr, der Geißel Erwerbslosigkeit, nicht erliegen - ich bin überzeugt, niemand in diesem Hause will das -, so kann unsere Antwort angesichts der sich geradezu atemberaubend verändernden Situation auf dem Arbeitsmarkt nur lauten: Bildung, Ausbildung und Fortbildung so qualifiziert, intensiv und weiterführend wie nur irgend möglich. Wo, wenn nicht hier, wären Initiativen, Energien und Gelder ebenso sinnvoll wie verantwortungsbewusst eingebracht? - Ich danke der Frau Ministerin für ihre Ausführungen, die ja

schon die Bereitstellung der Gelder angekündigt hat.

Im Interesse jeder und jedes Einzelnen wie auch des Gemeinwohls ist daher jede Initiative im Rahmen der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft zu begrüßen, welche der Geißel Erwerbslosigkeit Einhalt gebietet, insbesondere dann, wenn sie sowohl bisher Erwerbslosen als auch Erwerbstätigen zugute kommt.

Die jeweiligen Mitglieder meiner Fraktion haben daher bereits in den verschiedenen Ausschussberatungen ihre Voten in dem Sinne abgegeben, dass wir dem Entschließungsantrag zur JobRotation zustimmen werden, und dies aus mehreren Gründen, von denen ich drei wesentliche benennen möchte.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Erstens. Durch die Verzahnung mit vornehmlich kleinen und mittelständischen Unternehmen besteht die Möglichkeit der konstruktiven, arbeitsmarktgerechten Hilfeleistung und Hilfestellung sowohl zur weiteren Qualifizierung im Berufsleben stehender Frauen und Männer als auch die des ersten Schrittes zur Eingliederung oder Wiedereingliederung derer, die ihren Arbeitsplatz verloren haben oder noch gar keinen bekamen. Dadurch, dass JobRotation weder an Betriebsgrößen noch an Ballungsregionen gebunden ist und in nahezu allen Branchen durchgeführt werden kann, ist sie insbesondere auch ein Instrument der arbeitsmaktpolitischen Förderung im ländlichen Raum, welches für einen Flächenstaat wie Niedersachsen als besonderes Kriterium herausragende Beachtung verdient.

Zweitens. JobRotation ist nach meinem Dafürhalten mehr, als der Begriff an sich vermuten lässt. Denn wer sich auf diesen Prozess einlässt, verharrt nicht auf demselben Niveau. Der Betrieb erlangt größere Wettbewerbsfähigkeit. Die bislang schon in dem Betrieb tätige Person erlangt eine höhere Qualifikation und festigt somit zumindest den bisher innegehabten Arbeitsplatz, eventuell erreicht sie damit sogar einen höherwertigen. Die „Stellvertreterin“ oder der „Stellvertreter“ tritt neu oder wieder in das Erwerbsleben ein und verschafft sich somit zumindest eine bessere Ausgangssituation für neue Bewerbungen, womöglich aber auch für den ersten oder einen neuen Arbeitsplatz. Die Arbeitsmotivation wie auch das Selbstwertgefühl dürften in einem nicht zu unterschätzenden Grad gesteigert werden, was wiederum auf vielfältige

Bereiche des persönlichen wie des gesellschaftlichen Lebens positiv ausstrahlt.

(Vizepräsident Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Von daher ist JobRotation mehr als nur ein Rotieren. Nach meinem Verständnis ist sie - ein besserer Begriff ist mir leider bislang nicht eingefallen eine positive arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitische Spirale, welche allen Beteiligten die Möglichkeit des Zutritts in eine neue Ebene eröffnet.

Drittens. Als Mitglied des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfragen und - wenn ich diese persönliche Fußnote mit einfließen lassen darf - als Vater von drei Töchtern und zwei Söhnen scheint mir JobRotation ein überaus geeignetes und daher begrüßens- wie auch unterstützenswertes Instrument zur Erhöhung der Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu sein.

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung von Frau Pothmer [GRÜNE])

Da hier meines Erachtens leider immer noch erheblicher Nachholbedarf besteht - man könnte trotz seit Jahrzehnten bestehender Gleichberechtigung auch von einem immer noch zu beklagenden und daher nach weiterem Abbau verlangenden Chancenmalus sprechen -, wäre dieses Argument allein schon hinreichend, um sich mit allem Nachdruck für die Förderung von weiteren JobRotationsProjekten einzusetzen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen möchte ich die Aktivitäten der CarlDuisberg-Gesellschaft würdigen, welche meines Erachtens auf diesem Gebiet in unserem Land wahrhaft Pionierarbeit geleistet hat.

Die zur Abstimmung anstehende Entschließung würde bei einer Annahme dieser Würdigung konkrete Ausgestaltung verleihen, eben indem der Landtag die Landesregierung auffordert, weitere JobRotations-Projekte zu initiieren, wobei hier nach den Worten der Ministerin alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollen, damit die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden, was wir mit Nachdruck unterstützen, mit den infrage kommenden Partnern entsprechende Rahmenbedingung zu vereinbaren und auf Bundesratsebene darauf hinzuwirken, dass Stellvertreterinnen und Stellvertreter ihrer Tätigkeit entsprechend entlohnt werden und Arbeitsverträge erhalten.

Abschließend läge mir sehr daran, dass erstens die zur Verfügung gestellten Mittel nicht zu sehr ei

nem wie auch immer gearteten „Organisationsapparat“, sondern im Wesentlichen tatsächlich den Betroffenen zugute kämen, dass zweitens aus zuvor dargelegten Gründen vor allem auch frauenfördernde Projekte eingerichtet würden und dass wir mit dieser Entschließung drittens möglichst viele niedersächsische Betriebe und Personen ermutigten - die Frau Ministerin hat von den Schwierigkeiten gesprochen -, sich den JobRotatations-Projekten zu öffnen, und zwar nicht nur auf den „offiziellen“ Wegen, sondern auch durch persönliche Gespräche in unseren jeweiligen Wahlkreisen vor Ort. Dann müsste es gelingen, JobRotation - wie Frau Pothmer es sagte - aus dem Schattendasein heraus- und flächendeckend als das einzuführen, was es aufgrund der bekannten Erfahrungen offensichtlich ist: ein hervorragendes Instrument positiver arbeitsmarktpolitischer Entwicklung, das den bislang erwerbslosen wie erwerbstätigen Frauen und Männern wie auch den Betrieben zugute kommt und somit in der Summe letztlich unserer Gesellschaft. - Haben Sie herzlichen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bevor wir zur Abstimmung kommen, habe ich die große Freude, zwei Kollegen sehr herzlich zum Geburtstag zu gratulieren und ihnen persönlich alles erdenklich Gute zu wünschen. Ich gratuliere dem Kollegen Dr. Stumpf, der heute 60 Jahre alt wird.

(Beifall)

Alles Gute und vor allem einen schönen Tag!

Das Gleiche wünsche ich dem 17 Jahre jüngeren Herrn Kollegen Schwarz. Auch Ihnen alles erdenklich Gute!

(Beifall)

Ferner nehme ich jetzt Gelegenheit, die Beschlussfähigkeit des Hauses festzustellen, was ja manchmal auch nicht so einfach ist.

Schließlich kommen wir nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 17. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen in der Drucksache 1476 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 18: Einzige (abschließende) Beratung: Kulturwirtschaft in Niedersachsen stärken Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/315 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 14/1477

Dieser Antrag war am 10. November 1998 an den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur zur Beratung und Berichterstattung überwiesen worden. Berichterstatterin ist die Kollegin Frau Schwarz.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 14/1477 empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Wissenschaft und Kultur, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer geänderten Fassung anzunehmen.

Gegenstand des Entschließungsantrages ist die Aufforderung an die Landesregierung, Maßnahmen zur gezielten Förderung der Kulturwirtschaft zu entwickeln. Hierfür solle die Landesregierung zunächst eine aktualisierte Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Bedeutung des kulturellen Sektors erstellen und parallel dazu erste Branchengespräche mit den beteiligten Akteuren aufnehmen. Zur weiteren Entwicklung der Branche solle dann zu Beginn des Jahres 2000 in Niedersachsen ein erster Kulturwirtschaftstag durchgeführt werden.

Vor Beginn der Beratungen über diesen Antrag, der dem Ausschuss für Wissenschaft und Kultur direkt überwiesen worden war, beschloss der federführende Ausschuss, auf eine öffentliche Erörterung des Antrages zu verzichten und stattdessen eine Anhörung in öffentlicher Sitzung durchzuführen. An der Anhörung nahmen insgesamt zehn Institutionen teil. Den Mitgliedern des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr wurde die Teilnahme hieran anheim gestellt.

Im Verlauf der weiteren Beratungen im federführenden Ausschuss für Wissenschaft und Kultur erklärte eine Vertreterin der Fraktion der SPD, dass sich ihre Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf einen gemeinsamen Formulierungsvor

schlag für eine Beschlussempfehlung verständigt hätten. Diesen erläuterte sie wie folgt:

Da es schon Vorarbeiten der gemeinsamen Landesplanung Bremen/Niedersachsen und die Studien des IES und des NIW zur wirtschaftlichen Bedeutung des Kultursektors gebe, seien beide Fraktionen darüber einig geworden, dass nicht noch einmal eine große Erhebung durchgeführt werden solle. Vielmehr solle man sich auf regionale Branchengespräche und Handlungsprojekte zur Stärkung der Entwicklungspotentiale konzentrieren und die insoweit schon vorhandenen Aktionsprogramme fortentwickeln. Die Ministerien für Wissenschaft und Kultur sowie für Wirtschaft, Technologie und Verkehr sollten künftig Kulturwirtschaftstage veranstalten, auf denen sich die in diesem Feld arbeitenden Branchen präsentieren könnten. Des Weiteren sollten die Bereiche Kulturwirtschaft und Tourismus, unter Einbeziehung von EU-Programmen, miteinander verbunden werden. Ebenso sei es beiden Fraktionen wichtig, auch den Aspekt der Berufsqualifizierung und Weiterbildung in die Entwicklung der Kulturwirtschaft einzubeziehen.

Der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schloss sich den Ausführungen der Vertreterin der Fraktion der SPD inhaltlich voll an.

Eine Vertreterin der Fraktion der CDU bedauerte, dass ihre Fraktion in die zwischen den beiden anderen Fraktionen geführten Gespräche nicht einbezogen worden sei, erklärte aber, dass auch ihre Fraktion den vorgelegten Formulierungsvorschlag mittragen werde. Dennoch schlage sie vor, in die Aufzählung der Sektoren auch die darstellende und die unterhaltende Kunst aufzunehmen. Da sich diese Sektoren zum Teil selbst trügen, müssten sie zwar nicht in jedem Fall gefördert werden, sie würden mitunter aber einen wirtschaftlichen Sekundareffekt in der Region entfalten.