Protokoll der Sitzung vom 31.03.2000

Zu dem Zeitpunkt der Genehmigung lagen uns, wie gesagt, Hannoversch Münden und Nienburg vor. Eben sagte mein Referent - er muss das aber noch einmal genau durchzählen -, bisher seien rund zehn Anträge aufgelaufen.

Damit ist die Fragestunde beendet. Es ist 10.17 Uhr. Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach § 47 Abs. 6 der Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

Bevor wir mit dem nächsten Tagesordnungspunkt beginnen, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 30: Erste Beratung: Europaweiter autofreier Tag am 22. September 2000 - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1491

Die Redezeiten sind vereinbart: SPD und CDU bis zu zehn Minuten, Grüne bis zu zehn Minuten und Landesregierung bis zu fünf Minuten. Die Einbringung wird vom Herrn Kollegen Wenzel vorgenommen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen, am 22. September dieses Jahres findet zum dritten Mal der autofreie Tag in Europa statt. Es hat in einzelnen Ländern auch schon früher autofreie Tage gegeben, aber im europäischen Rahmen koordiniert wird das das dritte Mal der Fall sein.

Am 4. Februar dieses Jahres fand in Brüssel die Auftaktkonferenz zur Information der Städte und Kommunen statt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Bei dieser Gelegenheit haben u. a. auch die Umweltminister von Frankreich und Italien Stellung bezogen. 1999 haben sich in Frankreich 65 Städte beteiligt, in Italien mehr als 90 Städte. Aber auch viele Kommunen und Städte in Deutschland, in den Niederlanden, in Dänemark, Belgien und Großbritannien waren beteiligt.

(Möllring [CDU]: Welche Kommune war das in Deutschland?)

Am Aktionstag sollen Teile von Städten einen Tag lang dem öffentlichen Verkehr, den Fußgängern

und den Radfahrern zur Verfügung gestellt werden; alternative Fortbewegungsmittel und Antriebssysteme sollen präsentiert und getestet werden.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, die Menschen gewinnen für diesen autofreien Tag - das ist die Herausforderung, das ist das Ziel dieser Aktion. Die Kommunen, die Gemeinden und die Städte überzeugen, dass in dieser Aktion eine Chance liegt. Es geht nicht darum, etwas gegen das Auto zu machen, sondern es geht darum, für umweltfreundliche Mobilität zu werben. Es handelt sich dabei um eine gigantische Marketingaktion für Bus und Bahn, für Fahrrad, für Skater und Fußgänger.

Aber Sie wissen auch - meine Kollegen werden das hier sicherlich ansprechen -, dass der 22. September ein Werktag ist und am 22. September in Hannover die EXPO stattfindet. Es handelt sich sicherlich um eine ganz besondere Herausforderung, wenn man diese Aufgabe angehen will und wenn sich beispielsweise Hannover an dieser Aktion beteiligen würde.

(Biel [SPD]: Ihr dürft gar nicht von der EXPO reden! Ihr wolltet die doch gar nicht! - Senff [SPD] - zu Biel [SPD] -: Er will sie doch gerade ka- puttmachen!)

- Ihr könnt dazu ja gleich etwas sagen.

Ich finde, dass dieser Tag ein wichtiger Impuls für die Diskussion über eine zukunftsfähige Mobilität in diesem Lande, aber auch europaweit ist. Ich meine, dass es vielleicht auch spannend wäre, sich mit Fragen, die jetzt noch offen sind und bei denen sich der Eine oder Andere fragt, wie sich seine Stadt oder Gemeinde daran beteiligen könnte, inform einer Internetwerkstatt auch seitens des Landtages zu befassen. So könnte man z. B. nach Vorschlägen und nach den besten Ideen, nach den besten Wegen suchen und sich als Landtag bereit erklären, eine solche Aktion ideell, aber vielleicht auch materiell zu unterstützen. Das wäre meines Erachtens ein guter Ansatz. Ich würde mich freuen, wenn die anderen Fraktionen im Landtag das Projekt im Grundsatz unterstützen würden.

Wir sind uns bewusst, dass es nicht ausreicht, von oben herab vorzuschreiben, dass wir das machen wollen, sondern dass dies der Zustimmung und Unterstützung der Kommunen, der Städte und der Menschen bedarf, die sich an diesem Tag beteiligen sollen. Wir möchten auch die öffentlichen

Verkehrsträger dafür gewinnen, an diesem Tag die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zumindest zum halben Preis anzubieten, weil ich meine, dass das ein wirklich wegweisender Beitrag wäre. Vielleicht geht es auch noch preiswerter. In einigen anderen Ländern war das an diesem Tag sogar kostenlos möglich. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Somfleth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche auch für viele Mitglieder meiner Fraktion, wenn ich sage, dass wir die Aktion eines europäischen autofreien Tages im Grundsatz begrüßen.

Herr Wenzel, Sie haben es ja schon gesagt: Im Februar dieses Jahres hat Frau Wallström zusammen mit neun Ministern der Mitgliedstaaten und Bürgermeistern aus vielen Städten Europas den Appell für einen europäischen autofreien Tag unterzeichnet. Ich muss aber darauf hinweisen, dass ein deutscher Minister nicht dabei war.

(Wenzel [GRÜNE]: Deswegen ja un- sere Initiative!)

Aber die Bundesregierung hat dieses Problem erkannt. Das hat unser Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung anlässlich der Weltwirtschaftskonferenz im Juni letzten Jahres in Köln auch festgestellt, als er sagte, dass es ihn mit großer Sorge erfülle, dass die Schadstoffemissionen heute trotz der Beschlüsse von Rio und Kyoto in vielen Industrienationen erheblich höher seien als 1990 und dass die Tendenz auch weiter ansteigend verlaufe.

Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass rund 45 % der Treibhausgase auf die G-8-Staaten zurückzuführen sind und dass der Verkehr die größte einzelne anthropogene Quelle für CO2-Emissionen geworden ist, lassen Sie mich zu Ihrer Information Folgendes sagen: Etwa 20 bis 25 % der globalen CO2-Emissionen gehen jetzt schon auf den Verkehr zurück, und bis zum Jahre 2003 werden sie gegenüber 1990 noch einmal um 60 % ansteigen. - Diese Zahlen zeigen deutlich, in welcher Verantwortung gerade die G-8-Staaten und auch die Bundesrepublik Deutschland stehen. Deshalb haben ja auch schon während der G

8-Umweltministerkonferenz im März vergangenen Jahres in Schwerin die Umweltminister verlautbaren lassen, dass sie wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen wollen, um die Emission von CO2 und anderen Treibhausgasen im Verkehrsbereich zu reduzieren.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Potentiale zur Emissionsreduktion konsequent zu nutzen, nämlich Senkung des Treib- und Kraftstoffverbrauchs, Verlagerung von Transporten auf umweltverträglichere Verkehrsträger und Einführung und verstärkte Nutzung - wir haben vorher schon darüber gesprochen - alternativer Treibstoffe und Antriebssysteme.

Aber neben dem Einsatz von fiskalischen und ökonomischen Instrumenten ist es unerlässlich, den Bürgerinnen und Bürgern ihre individuelle Verantwortung für den Klimaschutz deutlich zu machen. Hierfür bietet der europäische autofreie Tag meines Erachtens eine gute Gelegenheit. Die Initiatoren meinen ja, dass diese Aktion der Sensibilisierung der Bevölkerung für die Notwendigkeit, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern, dienen könne, und die Bürgerinnen und Bürger einen Eindruck davon erhalten könnten, welche Vorteile eine autofreie Umgebung haben kann. Sie könnten den ÖPNV in ihrer Regionen einmal kennen und nutzen lernen, was bei vielen ja noch gar nicht gegeben ist. Außerdem bietet die Vorbereitung eines solchen autofreien Tages eine gute Plattform, den Dialog über Verkehrsentwicklung und Städteplanung aufzunehmen.

Aber nun zu Ihrem Antrag. Wir sind uns sicherlich einig darin, dass wir versuchen müssen, für einen solchen autofreien Tag in Niedersachsen eine größtmögliche Akzeptanz in der Bevölkerung zu erzielen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der 22. September meines Erachtens für Niedersachsen ein denkbar ungünstiger Termin - Sie haben es erwähnt, Herr Wenzel -, denn es ist nicht nur ein Wochentag, sondern sogar ein Freitag, an dem viele,

(Biel [SPD]: Einmal ihr Auto nutzen, das sie die ganze Woche über stehen gelassen haben!)

die außer Haus gearbeitet oder gelernt haben, sich auf den Weg in das Wochenende machen. Außerdem ist, wie gesagt, EXPO-Zeit mit erwarteten 400.000 Besucherinnen und Besuchern pro Tag.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Intention Ihres Antrags, das Mobilitätsverhalten der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen zu ändern, weg vom Individualverkehr und hin zur Nutzung des ÖPNV, wird an solch einem Tag ohne Zweifel scheitern müssen. Selbst Klaus Daubertshäuser hat ja am Dienstag während des Parlamentarischen Abends auf meine Nachfrage gesagt, ein autofreier Tag in Niedersachsen während der EXPO würde einem Jahrhunderthochwasser gleichkommen, und weder Bus noch Bahn könnten an solch einem Tag die Massen, die ihr Auto dann stehen lassen sollten, bewältigen.

Um die in Ihrem Antrag angestrebten Ziele zu erreichen, müssen wir nach einem Tag nach dem Ende der EXPO suchen,

(Senff [SPD]: Heiligabend!)

möglichst an einem Sonntag, der als Einstieg in dieses Projekt die nötige Akzeptanz finden könnte. Ich meine, dass wir in Niedersachsen wegen der EXPO eine Ausnahme machen sollten und nicht den 22. September, sondern einen anderen Tag aussuchen sollten. Das wird Aufgabe der Diskussionen in den Fachausschüssen sein.

Ich beantrage, dass diese Diskussionen nicht, wie vom Ältestenrat vorgesehen, federführend im Umweltausschuss, sondern im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr geführt werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Es hat jetzt Frau Zachow das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Als ich von diesem Antrag der Grünen hörte, hatte ich spontan gedacht, dass der 22. September ein Sonntag sei und wir einen autofreien Sonntag machten. So etwas kennen wir. Teilweise hat das Symbolcharakter gehabt. Der Eine oder der Andere hat sicherlich auch darüber nachgedacht, ob er sein Fahrverhalten vielleicht ändern kann, denn der meiste Pkw-Verkehr findet in der Freizeit statt und ist nicht berufsbedingt.

Insofern wäre ein Sonntag sehr sinnvoll. Aber ein Blick in den Kalender zeigte mir dann, dass das ein Freitag ist. Da habe ich gedacht, ob vielleicht heute

der 1. April sei. Das war aber auch verkehrt. Heute ist der 31. März.

Da ich aus Wolfsburg komme, habe ich mir dann überlegt: Ungefähr 50 % der Mitarbeiter von VW sind Pendler. Wie soll an einem solchen Tag der Betrieb aufrecht erhalten werden? Dies ist sehr problematisch. Das schafft der ÖPNV nicht. Vielleicht kommen wir irgendwann einmal dahin, aber am Freitag, dem 22. September 2000, sind wir garantiert nicht in der Lage, den Betrieb aufrecht zu erhalten.

Ich habe natürlich auch an die EXPO gedacht. Freie Autobahnen rund um Hannover haben den Reiz, dass alle mit dem Fahrrad zur EXPO kommen können. Aber, meine Damen und Herren, so kommen wir doch nicht weiter.

Solch ein autofreier Tag hat Symbolcharakter, soll aber nicht nur ein Symbol sein, sondern mehr bewirken. Wenn dem so ist, müssen wir ihn auch an einem Tag durchführen, an dem wir halbwegs Akzeptanz erreichen, und nicht an einem Tag, bei dem wir von vornherein wissen, dass es in die Schiene des Lächerlichen kommt.

Über autofreie Tage kann man also nachdenken, aber in einem Flächenland garantiert nicht über autofreie Freitage bzw. Arbeitstage. Unsere Stoßrichtung muss eine andere sein. Wir müssen uns nach wie vor überlegen, wie die Abgase der Fahrzeuge vermindert werden können, wir müssen uns - da stimme ich meiner Vorrednerin, Frau Somfleth, völlig zu - nach wie vor bemühen, den Verbrauch der Fahrzeugflotten zu verringern. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Auch da dürfen wir nicht an Symbolen kleben bleiben. Ich halte es vielmehr für richtig, den gesamten Verbrauch zu senken.

Außerdem ist natürlich auch zu fragen: Wie erreichen wir alternativen Nahverkehr? Es kann nicht Sinn der Übung sein, dass im Nahverkehr alles per Pkw geregelt wird. Das schaffen unsere Städte irgendwann nicht mehr.

Wir müssen diesbezüglich viel tun. Aber gerade im Hinblick auf die EXPO ist in Hannover Gott sei Dank eine ganze Menge getan worden. Das war ja auch die große Chance für Hannover. Dies ist übrigens der Grund, weshalb ich nie begriffen habe, dass die Grünen so vehement gegen die EXPO gekämpft haben.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns vernünftig an diese Sache herangehen, Symbole heraussuchen, die wirklich tragen, und nicht mit Gewalt in einem Flächenland an einem Freitag einen autofreien Tag durchführen, mit dem wir ganze Wirtschaftsbereiche lahm legen. - Herzlichen Dank.