Protokoll der Sitzung vom 31.03.2000

(Beifall bei allen Fraktionen - Adam [SPD]: Ganz schnell!)

Meine Damen und Herren, ich kann dem Vorstand der Bahn AG nur raten, den Niedersächsischen Landtag ernst zu nehmen, und es nicht damit abzutun,

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

dass ihn solch eine Entschließung nicht beeindrucken würde. Ich empfehle dem Vorstand jedenfalls dringendst, solche Entschließungen sehr ernst zu nehmen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Frau Pawelski [CDU]: Richtig!)

Meine Damen und Herren, damit dieser Entschließungsantrag auch einen Sinn hat, wollen wir sofort darüber abstimmen.

(Frau Pawelski [CDU]: Jawohl!)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Pawelski, Sie haben das Wort.

Frau Pawelski:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, welche Begehrlichkeiten die EXPO bei vielen weckt. Da gab es in Hannover einen Oberbürgermeister - nein, den gibt es sogar noch -, der wollte eine Kehrtaxe einführen. Bezahlen sollte das natürlich die EXPO. Da gibt es in Hannover Hoteliers, die wollen während der EXPO-Zeit die Preise für die Übernachtung verdoppeln und wundern sich dann sicherlich, dass die Gäste ausbleiben, weil das keiner bezahlen kann.

Und jetzt, meine Damen und Herren, gibt es die Bahn AG, die die Preise für die Fahrten mit einem ICE von und nach Hannover um bis zu 24 DM verteuern will. Nicht für die EXPO-Besucher auch das wäre zu verurteilen -, nein, es wird eine Strafe für die Hannoveranerinnen und Hannoveraner und für die Menschen, die in der Region wohnen. Es wird eine Strafe für die Menschen, die z. B. mit dem ICE morgens aus Göttingen nach Hannover zur Arbeit fahren, die aus Braunschweig kommen, aus Wolfsburg, aus Magdeburg, für Menschen, die nach Hamburg fahren, um Freunde zu besuchen, die hierher zur Arbeit kommen müssen. Sie alle werden jetzt bestraft, weil wir hier die EXPO haben.

Meine Damen und Herren, erinnern wir uns doch daran: Die EXPO hat das Motto „Mensch - Natur Technik“. Wir wollten doch alle zusammen, dass die Menschen möglichst ihren Wagen zu Hause lassen und mit der Bahn fahren. Wenn ich jetzt mehr Geld bezahlen soll für eine Fahrt z. B. nach Wolfsburg, dann nehme ich mein Auto und lasse die Bahn Bahn sein. Wollen wir das? Will das die Bahn AG? - Das kann es doch wohl nicht sein!

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur Abzockerei, was die Bahn AG macht, das ist Wegelagerei, und das lassen wir uns nicht gefallen!

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ich warte jetzt eigentlich darauf, dass die Lufthansa sagt: Unsere Flüge nach Hannover werden

teurer. Wir müssen ja auch mehr Menschen transportieren.

Die Begründung der Bahn ist ja abenteuerlich. Die Bahn sagt zur Begründung - man höre und staune -: Es soll vermieden werden, dass sich zu viele Besucher einfach in einen Zug setzen und hierher kommen. Meine Damen und Herrn, Planwirtschaft pur ist das! Ich dachte, das hätten wir schon längst hinter uns gebracht. Das gab es mal in einem anderen Bereich.

Wie kann ein Unternehmen, das demnächst an die Börse gehen will, die Preise erhöhen, weil es Angst hat, dass zu viele Menschen in seinen Zügen sitzen? Das würde bedeuten, dass Kaufhof und Karstadt und Liebe und Kaiser, wie die Geschäfte hier alle heißen, die Preise kräftig erhöhen, weil sie Angst haben, die Hannoveraner und die anderen Gäste könnten hier einkaufen. Wo kommen wir denn da hin? Was ist das für ein Ansinnen?

(Zuruf von der SPD: Die Hotels!)

- Die habe ich schon erwähnt. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie es auch kapiert.

Man könnte ja befürchten, dass die Bahn demnächst im Bahnhof ein Schild aufhängt mit der Aufschrift: „Vorsicht, Sie betreten jetzt die EXPOStadt Hannover. Bleiben Sie lieber zu Hause.“ Ich verstehe es langsam nicht mehr!

Meine Damen und Herren, früher gab es ja die gute alte Bundesbahn. Jetzt ist es die Bahn AG, eine Aktiengesellschaft, die aber noch nicht an der Börse gehandelt wird. Wer ist eigentlich Eigentümer des Aktienpaketes? Da die Bahn AG ja in jeder Beziehung auf der Höhe der Zeit ist, habe ich mal im Internet nachgeguckt. Da habe ich gelesen: Vorstandsvorsitzender Dr. Johannes Ludewig. Ich habe das gestern aus dem Internet herausgezogen. Ich habe in Erinnerung, dass seit Wochen oder Monaten schon ein gewisser Hartmut Mehdorn Vorstandsprecher ist. Aber man ist halt so richtig auf der Höhe der Zeit und hat es immer noch nicht geschafft, das Internet umzustellen.

(Zuruf von der SPD: Das ist wie mit dem InterRegio, der kommt immer zu spät!)

Und wer sitzt da im Aufsichtsrat? - Meine Damen und Herren, ein gewisser Dr. Friedel Neuber. Der ist ja recht bekannt; er soll großen Einfluss in der Bundesrepublik haben. Außerdem sind darin drei

Staatssekretäre der Bundesministerien; alle SPD. Es ist außerdem ein grüner Abgeordneter darin. Es sitzen acht Gewerkschaftsmitglieder im Aufsichtsrat. Ich weiß ja, dass der Aufsichtsrat keinen direkten Einfluss auf die Geschäftsentwicklung einer Aktiengesellschaft hat. Aber er könnte denen doch zumindest mal auf die Finger klopfen und sagen: Meine lieben Vorstandsmitglieder, was ihr hier macht, bringt uns nicht weiter. Es schadet der Bahn, es schadet dem Image der Bahn.

Darum kann ich mich dem, was Herr Biel hier gesagt hat, nur anschließen: Packt die Sachen in den Müll, macht eine vernünftige Preispolitik in Niedersachsen, vor allem in Hannover.

Eine Bitte schicke ich noch hinterher. Es kann auch nicht sein, dass es das „Schöne-WochenendTicket“ überall in Niedersachsen gibt, aber nicht hier in Hannover. Wir werden wieder bestraft. Dann wundern sich manche darüber, dass es in Hannover Leute gibt, die die EXPO nicht haben wollen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Der Dritte im Bunde ist Herr Hagenah!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass sich der Landtag heute offenbar einmütig auf unseren Vorschlag hin gegen diese absurde Tarifgestaltung der Bahn während der EXPO wenden wird. Das ist zumindest ein machtvolles Signal von hier aus. Es ist schließlich ein Unding, dass die Bahn ihr Monopol ausnutzt und während einer Zeit besonders großer Nachfrage nicht Rabatte gewährt, wie das in der Marktwirtschaft sonst üblich ist, sondern Zuschläge verlangt. Das ist übrigens nicht Planwirtschaft, Frau Pawelski, sondern das ist das Ausnutzen einer Monopolstellung, weil dort die Marktwirtschaft noch nicht Einzug gehalten hat.

(Zurufe von der CDU)

- Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Bahn waren wir schon die ganze Zeit.

(Eveslage [CDU]: Und jetzt auch für die EXPO; das ist gut!)

Der fraktionsübergreifende Widerstand bietet immerhin eine Chance, hier Einhalt zu gebieten.

Dennoch muss ich darauf hinweisen, dass manche, die hier heute Krokodilstränen weinen, selber ein Teil des Problems sind. Die Engpässe und die Finanzierungsprobleme im öffentlichen Personennahverkehr während der EXPO sind nicht unabwendbar und sind uns auch nicht von der Bahn einfach ohne Grund auferlegt, sondern sie sind künstlich hergestellt. Ursache ist letztlich die sonst übliche, hier aber mangelnde finanzielle Beteiligung des Veranstalters EXPO GmbH an den erforderlichen zusätzlichen Verkehren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nachdem sich die verantwortliche Politik, Herr Fischer, entschieden hatte, der EXPO GmbH diese Kosten zu ersparen, hätte sie selbst für die Mehrkosten eintreten müssen. Das geschah aber nur halbherzig.

Erstens. Die öffentlichen Besteller waren sehr zurückhaltend bei der Verkehrsbestellung. Ich kann Ihnen da einmal aus der aktuellen Zeitung der Bahn „DBRegio“ zitieren: „Insgesamt hat das Land Niedersachsen gegenüber dem späteren Regelbetrieb für die Phase der EXPO mit rund 700.000 Zugkilometern nur 10 % Mehrverkehr bestellt.“ - Das Land Niedersachsen, Herr Dr. Fischer!

Zweitens. Deshalb wurde zunächst auch mit Stillschweigen toleriert, dass sich die Bahn AG jetzt das fehlende Geld von den übrigen Kunden holt. Ein Beispiel ist das von Minister Fischer sanktionierte Hannover-Loch beim Wochenend-Ticket. Ein weiteres Beispiel, jetzt neu, ist der geplante Hannover-Aufschlag für ICE-Kunden. Herr Minister, diese Doppelbödigkeit macht Ihre Klagen über die eigenmächtige Abzockerei der Bahn hohl und unglaubwürdig. Diese „Haltet-den-DiebMentalität“ hilft uns überhaupt nicht weiter und bringt auch den Bahnkunden nichts. Sie hätten Einflussmöglichkeiten gehabt. Sie haben jetzt noch Einflussmöglichkeiten im Hinblick auf das „Schöne-Wochenend-Ticket“.

Aber, meine Damen und dann, auch unser gemeinsamer Antrag ist leider eher eine Petition als ein wirkungsvoller Hebel. Politisch ist die Bahn von uns im ICE-Bereich nicht zu einem Verzicht auf Zuschläge zu zwingen. Wir müssen hier also möglichst viel Geschlossenheit zeigen und ordentlich Wirbel machen, damit der Bahn eine Korrektur der

Fehlentscheidung am Ende lukrativer erscheint als die Beibehaltung des EXPO-Strafzolls. Das hat ja schon ganz ordentlich begonnen.

Wenn das nicht hilft, bleibt uns nur noch der formaljuristische Weg. Hier besteht ein wettbewerbswidriges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung und eine Ungleichbehandlung von EXPOBesuchern und Pendlern aus der Region und in die Region. Daraus leiten wir den Verdacht des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung der DB AG ab.

(Frau Pawelski [CDU]: Kartellamt!)

- So ist es. - Das Wettbewerbsbeschränkungsgesetz erlaubt uns damit die Anrufung des Bundeskartellamtes.

(Frau Pawelski [CDU]: Ist schon pas- siert!)

Wenn unser Beschluss nicht weiter hilft, müssen wir dort die Interessen der Bahnkunden durchsetzen. Ich hoffe, dass die Bahn klug genug ist, es nicht zu einem derart imageschädigenden Verfahren kommen zu lassen. Wir Grünen wollen die Bahn aufbauen und stützen, aber wir tolerieren dabei nicht derart absurde lokale Strafgelder.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für bis zu zwei Minuten hat jetzt der Kollege Schwarzenholz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der niedersächsische Wirtschaftsminister hat im letzten Tagungsabschnitt eindrucksvoll und unter Beschimpfung eines Teils der Abgeordneten, die dem widersprochen hatten, dargelegt, warum es marktwirtschaftlich notwendig ist, die Marktsituation, die die EXPO bietet, dazu zu nutzen, der Bahn zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Er hat sehr genau dargelegt, warum das 35-DM-Ticket im größten Teil Niedersachsens - es geht nicht um ein Hannover-Loch, Kollege Hagenah - nicht gelten soll. Dass er diese Rabattierung für den Raum Hannover - Hannover, Braunschweig und alles, was darum herum liegt, wird gleich mit abgestraft vorübergehend abschaffen wollte, wurde von der Bahn AG aufgegriffen. Die haben das Signal ver

standen, die haben Sie beim Wort genommen, die haben logisch zu Ende gedacht, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Minister Fischer, und das auf die Fernverkehrspreise übertragen. Was die Bahn AG hier macht, ist absolut logisch. Das ist die Fortsetzung der politischen Vorschläge, die der Wirtschaftsminister dieses Landes hier selbst vorgetragen hat.

(Zuruf von den GRÜNEN)