Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

- Sie sind hervorragend! - hat heute Morgen in der EXPO-Debatte gesagt: Wenn Sie nicht lächeln können, sollten Sie keinen Laden aufmachen. - Ich bitte Sie darum: Bringen Sie uns nicht zum Weinen, und erhalten Sie uns das Lächeln.

(Beifall bei der CDU - Wegner [SPD]: Die Opposition!)

Herr Kollege Coenen!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich als Mittelständler gehe davon aus, dass die gelebte Realität wichtiger ist als das, was auf dem Papier steht.

(Beckmann [SPD]: Alle Abgeordne- ten haben Zweitjobs in Unternehmen bei euch! Da kommen einem wirklich die Tränen! Abgeordnete, Unterneh- mer!)

In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf die Auswirkungen zu sprechen kommen, die das im Zuge der Steuerreform geänderte Zugriffsrecht der Betriebsprüfer auf die EDV für viele Betriebe hat. So sollen veraltete Hard- und Software sage und schreibe zehn Jahre aufbewahrt werden

(Möllring [CDU]: Hört, hört!)

und durch entsprechendes Personal dem Finanzamt zugänglich sein. Als sei dies noch nicht teuer genug, würde dadurch dem Fiskus eine weit umfangreichere Einsicht in Firmendaten eröffnet, als es für die Erfüllung steuerrechtlicher Aufgaben notwendig ist. Ganz zu schweigen davon, dass dieses Verfahren technisch kaum umsetzbar ist, verletzt es nach meiner Ansicht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

(Zuruf von Bontjer [SPD])

Doch damit nicht genug. Auch die Gesetzesänderung zu den 630-Mark-Jobs kann in dieser Form von uns nicht hingenommen werden, weil sie doch beträchtliche Mängel aufweist. So sind nach einer Studie des Bundes der Steuerzahler in den ersten beiden Monaten nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes 1,4 Millionen der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse aufgelöst werden. Aber nur für die Hälfte wurde Ersatz gefunden.

Dem steht ein Anstieg der Schwarzarbeit gegenüber. So werden nun rund 1 Million Menschen mehr schwarz beschäftigt und bezahlt, vor allem im Gastronomie- und Hotelgewerbe. Ein so eklatanter Anstieg der Schwarzarbeit kann doch nicht im Sinne des Gesetzgebers liegen.

(Beifall bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund kann ich nur sagen, dass sich jedes Gesetz von drei Seiten betrachten lässt, nämlich von einer wissenschaftlichen, von einer

juristischen und von einer vernünftigen Seite. Wir setzen auf die vernünftige Seite

(Zustimmung von Frau Pawelski [CDU])

und fordern die Gesetzgeber auf, unsere Denkanstöße bei der Steuerreform mit zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU)

Es freut mich doch, dass der Vortrag von Oskar Negt anlässlich des Geburtstags unseres Herrn Präsidenten Früchte getragen hat und dass wir ihn auch in unserer täglichen Arbeit hier berücksichtigen.

Kollege Wiesensee, bitte! - Die CDU-Fraktion hat noch 7 Minuten und 45 Sekunden Redezeit.

(Unruhe)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Möhrmann, eine Sache möchte ich einmal richtig stellen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Sie gehen immer davon aus, dass Veräußerungsgewinne in fünf Jahren besteuert werden können. Das ist nicht richtig. Es gibt eine Fünftelung. Sie müssen in dem Jahr, in dem Sie veräußert haben, ein Fünftel des Ertrags oder Gewinns der Steuer unterwerfen, und diese Steuer ist dann mal fünf zu nehmen. Das hat nur in ganz bestimmten Konstellationen einen Steuerspareffekt, nämlich wenn man sonst Verluste macht oder ganz, ganz geringe sonstige Einkünfte hat. Also, mit fünf Jahren würde ich an Ihrer Stelle nicht mehr rechnen. Der Herr Finanzminister hat das ja hier auch schon einmal so vorgetragen. Das ist nicht richtig.

Meine Damen und Herren, Steuergerechtigkeit wird ja von uns allen angestrebt. Steuergerechtigkeit kann nur durch einfache Gesetzgebung erreicht werden. Wenn wir uns einmal ansehen, was in den letzten Jahren an Steuerreformen vorgelegt worden ist, dann kann man beim besten Willen nicht feststellen, dass das einfacher und unbürokratischer geworden ist; ganz im Gegenteil.

Ich habe Ihnen bereits am 31. März von § 2 Abs. 3 berichtet, in dem das Einkommen beschrieben

wird. Da hieß es, dass sämtliche Einkünfte das Einkommen ergeben. Dem hat man jetzt einige Zeilen, und zwar mehr als 30, hinzugefügt. Ich lese Ihnen jetzt nur einmal den ersten Satz dieses Zusatzes vor: „Bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte sind zunächst jeweils die Summen der Einkünfte aus jeder Einkunftsart, dann die Summe der positiven Einkünfte zu ermitteln; die Summe der positiven Einkünfte ist, soweit sie den Betrag von 100.000 Deutsche Mark übersteigt, durch negative Summen der Einkünfte aus anderen Einkunftsarten nur bis zur Hälfte zu mindern.“ - Dann geht das so weiter.

(Wegner [SPD]: Das ist doch ver- ständlich!)

Das ist also eine Vereinfachung des Steuerrechts!

(Wegner [SPD]: Wir machen das, damit die ganze Abschreiberei mal aufhört, Herr Wiesensee! Das ist doch ganz verständlich!)

- Nein, damit hat man das eben noch nicht erreicht, Herr Wegner.

Man hat dann noch den § 2 b eingefügt. Darin geht es darum, negative Einkünfte aus der Beteiligung an Verlustzuweisungsgesellschaften und ähnlichen Modellen zu verhindern.

(Zuruf von Wegner [SPD] - Gegenruf von Möllring [CDU]: Bundessteuer- blatt lesen und nicht nur den „Vor- wärts“!)

Das ist auch eine Steuervereinfachung in Ihrem Sinne.

(Wegner [SPD]: Das ist auch richtig! - Gegenruf von Wulff (Osnabrück) [CDU]: Melden Sie sich doch zu Wort, Herr Wegner!)

Nur: Es ist keine Vereinfachung. Man könnte das auch viel einfacher regeln. Dazu sind Sie offensichtlich nicht in der Lage oder nicht willens.

Wenn ich mir dann den Paragrafen ansehe, in dem es um den Schuldzinsenabzug geht, dann stelle ich fest, dass man da das Gleiche gemacht hat. Da hat man 30, 40 Zeilen hinzugefügt. Wenn Steuerrechtler, ob nun im freien Beruf oder bei den Finanzämtern, bewerten sollen, wie sie bei den einzelnen Dingen jetzt verfahren sollen, dann erleiden die ganz schön Schiffbruch.

Wenn ich mir § 5 ansehe, dann stelle ich fest: Da wird es sogar ganz gemischt. Da werden, meine ich jedenfalls, sogar ideologische Dinge hineingebracht, indem gesagt wird: Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile sind nicht zulässig. - Das hat nun mit Steuerrecht an sich nichts zu tun. Das ist eine rein ideologisch begründete Regelung, die hier doch im Steuerrecht untergebracht wird.

Angesichts dieser Dinge können wir, meine ich, nicht von einer Vereinfachung reden.

Bei der Unternehmenssteuerreform geht das ja noch weiter. Herr Möhrmann hat sich über das Optionsmodell und einiges andere mehr geäußert. Das Optionsmodell, das von der überwiegenden Zahl der im Bundestag angehörten Experten abgelehnt worden ist - es sind nur ganz wenige gewesen, die dem etwas abgewinnen konnten -, soll ja nun, wie man so hört, doch eingeführt werden. Das wird weit reichende Folgen haben, nicht nur steuerrechtlicher, sondern auch gesellschaftsrechtlicher Art. Wenn das Personengesellschaften übergestülpt wird, dann gibt es so viele Probleme, die verwaltungsmäßig kaum in den Griff zu bekommen sind. Darüber, glaube ich, sind wir uns auch einig.

Die Anrechnung des doppelten Gewerbesteuermessbetrages wird auch noch einige Probleme aufwerfen, die gar nicht von der Hand zu weisen sind.

Halbeinkünfteverfahren: Da wird gesagt, der Rest unterliegt dem Progressionsvorbehalt. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass die Betriebsausgaben oder Werbungskosten, die damit im Zusammenhang stehen, nicht abgesetzt werden dürfen. Was passiert mit denen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen? - Dazu wird nichts gesagt. Das darf dann praktisch nicht geltend gemacht werden, sodass derjenige, der versteuert, doch höher besteuert wird, als es eigentlich sein dürfte.

(Zustimmung von Rolfes [CDU])

Ob die Zahlen bei Ihrem Beispiel so stimmen, Herr Möhrmann, weiß ich nicht. Da müssten Sie vielleicht noch ein bisschen nachbessern.

(Zustimmung bei der CDU)

Steuergerechtigkeit wird mit dieser Unternehmenssteuerreform nicht erreicht, eher konterkariert. Da

muss meines Erachtens erheblich nachgebessert werden.

(Beifall bei der CDU - Wulff (Osna- brück) [CDU]: Im Nachbessern sind sie ja relativ gut geworden!)

Herr Kollege Möhrmann hat noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

(Wernstedt [SPD]: Frau Präsidentin!)

Herr Wiesensee, ich bestreite gar nicht, dass es natürlich Fälle gibt, die ganz schwierig zu lösen sind, und dass ich mir auch wünsche, wir könnten das weiter vereinfachen.