Protokoll der Sitzung vom 20.06.2000

Wir werden den Entwurf ablehnen. Die Ablehnung begründet sich im Wesentlichen mit der Neuregelung im Asylbewerberleistungsgesetz.

(Glocke des Präsidenten)

Es geht um die Pro-Kopf-Abrechnung zulasten des Landes, die prinzipiell sicherlich sinnvoll ist, weil sie zielgenauer ist und das Kostenrisiko auf das Land verlagert. Unsere Kritik entzündet sich an der Kostenpauschale von 6.885 DM, die den Kommunen nach wie vor einen finanziellen Anreiz zur Abschiebung bietet. Das ist, weil es nämlich humanitäre Erwägungen zurückdrängt, für uns nicht akzeptabel. Die Ablehnung durch uns ist darüber hinaus unabhängig von der Bewertung der Einzelmaßnahmen auch als Kritik am Gesamtergebnis dieser Kommissionsarbeit zu verstehen, über die wir an anderer Stelle noch einmal reden werden. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Kollege Schünemann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf ist ein erneuter Beweis dafür, dass die Landesregierung seit 1990 die Interessen der Kommunen nicht nur ignoriert, sondern sogar mit Füßen tritt.

(Beifall bei der CDU – Mühe [SPD]: Glaubst du das selbst?)

- Herr Kollege Mühe, das werde ich Ihnen sogar noch beweisen. – Seit 1990 hat diese Landesregierung, die SPD-geführte Landesregierung, den Kommunen 8 Milliarden DM entzogen und vorenthalten. Die Landesregierung ist zweimal vom Staatsgerichtshof verurteilt worden, weil sie einen verfassungswidrigen kommunalen Finanzausgleich vorgelegt hat.

(Coenen [CDU]: Das dritte Mal kommt!)

In wenigen Monaten wird das zum dritten Mal geschehen. Dennoch waren die kommunalen Spitzenverbände damit einverstanden, in der FAGKommission mitzuarbeiten, weil sie nämlich gedacht haben, irgendwann müsse der Knoten einmal durchgeschlagen werden. Sie haben trotz allem der Landesregierung Vertrauen geschenkt. Aber das, was jetzt mit dem Abschlussbericht und vor allem mit dem Gesetzentwurf vorgelegt wird, bedeutet einen Schlag in das Gesicht der Kommunen und insbesondere der kommunalen Spitzenverbände.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Ministerpräsident Schröder und Ministerpräsident Glogowski haben acht, sogar neun Jahre lang das Vertrauen der Kommunen missbraucht. Jetzt hat der neue Ministerpräsident Gabriel die Chance gehabt, ein neues Kapitel aufzuschlagen, auf die Kommunen zuzugehen, zu versuchen, sie vernünftig auszustatten. Was jetzt aber gemacht worden ist, meine Damen und Herren, spottet wirklich jeder Beschreibung, weil nämlich nicht nur dieses neue Gesetz den Zustand der Verfassungswidrigkeit verschlimmert, sondern weil darüber hinaus auch der Umgang mit den kommunalen Spitzenverbänden unglaublich ist. In der Gesetzesbegründung ist gesagt worden, dass der Gesetzentwurf im Konsens mit den kommunalen Spitzenverbänden eingebracht worden sei. Das ist eindeutig falsch!

(Eveslage [CDU]: Gelogen!)

Ich habe im Innenausschuss die Vertreter der Landesregierung aufgefordert, zu sagen, wie dieser Vorwurf widerlegt werden könne. Nichts ist gekommen. Meine Damen und Herren, damit ist eindeutig klar: Die Landesregierung hat in diesem Fall die kommunalen Spitzenverbände getäuscht und die Öffentlichkeit sowie die Abgeordneten

dieses Parlamentes in diesen Dingen belogen. Das ist ein unglaublicher Vorgang.

(Beifall bei der CDU)

Worum geht es im Detail? - Zum Teil ist schon darauf hingewiesen worden. Schon vor gut einem Jahr stand fest, dass die Kostenerstattung für die EDV-Arbeitsplätze mit 3.000 DM viel zu gering ist. Schon damals hat auch die Landesregierung gesagt, dass sie alle EDV-Arbeitsplätze mit einem höheren Betrag berücksichtigen wolle. Deshalb hat die Kommission zu dieser Frage getagt.

Meine Damen und Herren, schnell wurde klar, dass mehr Geld bereitgestellt werden müsse. Weil die Ansage lautete „Keine müde Mark mehr für die Kommunen“, hat man krampfhaft versucht, dies auszugleichen. Deshalb hat man sich willkürlich angeschaut, welche Maßnahmen aus dem Bereich des übertragenden Wirkungskreises herausgenommen werden könnten, um Einsparungen vorzunehmen. Willkürlich hat man die Kostenerstattung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz herausgegriffen. Alle anderen Punkte aus dem Bereich des übertragenden Wirkungskreises hat man völlig unbehelligt gelassen. Man hat noch nicht einmal eine Kostenanalyse gemacht.

(Coenen [CDU]: Skandal!)

Insofern war sehr schnell klar, weshalb man so vorgegangen war: Nur um den Kommunen etwas aus der einen Tasche zu nehmen und ihnen vielleicht auf der anderen Seite etwas zu geben. – Das ist die Politik dieser Landesregierung seit zehn Jahren!

(Beifall bei der CDU)

Die kommunalen Spitzenverbände haben in ihrer Stellungnahme eindeutig dargestellt, dass auch dieses Vorgehen verfassungswidrig ist. Einerseits nehmen Sie die Kostenerstattungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz heraus, andererseits kürzen sie aber zusätzlich die Schlüsselzuweisungen. Sie haben schon wieder nicht kapiert, dass man zwischen Artikel 57 – Kostenerstattung für Aufgaben des übertragenden Wirkungskreises – und Artikel 58, in dem es um die normale Ausstattung nach dem kommunalen Finanzausgleich geht, unterscheiden muss. Das hat der Staatsgerichtshof zweimal festgestellt. Erneut legen Sie einen Gesetzentwurf vor, der verfassungswidrig ist. Insofern wird das Urteil des Staatsgerichtshofs in wenigen Monaten sicherlich eindeutig ausfallen.

(Coenen [CDU]: Die sind nicht lern- fähig!)

Schauen Sie sich doch einmal die Kostenermittlung an. 1996 hat man die Kosten für die Aufgaben des übertragenden Wirkungskreises analysiert. Statt sich des gleichen Systems zu bedienen, haben Sie jetzt gesagt: Das kann man ja vergleichen. – Also wird man die Kostenanalyse völlig anders vornehmen, um wieder zu täuschen. Das können wir in keiner Weise hinnehmen, meine Damen und Herren! Wenn Sie schon Kosten ermitteln, müssen Sie das nach dem gleichen System machen wie 1996. So, wie Sie hier vorgehen, ist dies überhaupt nicht akzeptabel. Das ist wirklich ein Schlag in das Gesicht der Kommunen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, allein an diesem Punkt wird deutlich, dass das, was vorgelegt worden ist, systemwidrig, verfassungswidrig und in höchstem Maße unseriös ist.

Meine Damen und Herren, das ist ein weiteres Kapitel in dem Regierungshandbuch der SPDgeführten Landesregierung unter der Überschrift „Tricksen, täuschen und überheblich grinsen“. So arbeiten Sie. Das werden wir nicht weiter akzeptieren!

(Beifall bei der CDU)

Nun komme ich noch einmal zu den Erstattungen für die EDV-Arbeitsplätze. 3.000 DM sind vor einem Jahr festgesetzt worden. Nun hat sich die Kommission auf 7.100 DM für jeden Arbeitsplatz, also für insgesamt 14.380 Arbeitsplätze, verständigt. Meine Damen und Herren, da das nicht in Ihre Kalkulation passt, haben Sie, obwohl dies in der FAG-Kommission Konsens war, gesagt: Das ist uns zu hoch. Wir nehmen einfach die Zahlen von 1996, nämlich 11.000 Arbeitsplätze. Insofern kommen Sie auf nur 5.500 DM pro bestehendem EDV-Arbeitsplatz. Meine Damen und Herren, auch hier wird wieder deutlich, dass Sie nicht seriös herangehen, dass Sie die kommunalen Spitzenverbände täuschen wollen. Zuerst haben Sie in der FAG-Kommission zugestimmt, anschließend haben Sie das aber wieder zurückgenommen. Das ist kein Weg!

Außerdem bezieht sich die Kostenerstattung nur auf das Jahr 2000, nicht aber auch auf 1999. Wiederum betrügen Sie die Kommunen. Das ist un

glaublich, meine Damen und Herren! Dies werden wir Ihnen auch in Zukunft nicht durchgehen lassen.

(Zustimmung bei der CDU)

Lassen Sie mich, weil meine Redezeit abläuft, nur noch eine Bemerkung zu dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion machen, der hier beschlossen werden soll.

Bei den Bedarfszuweisungen sollen 25 Millionen DM für das Jahr 2000 und für das Jahr 2001 draufgesetzt werden. Zunächst könnte man ja den Eindruck gewinnen, das sei eine sehr gute Lösung. Aber auch hier finden wir das gleiche Prinzip: Auf der einen Seite nehmen, auf der anderen Seite ein bisschen draufsatteln.

Wenn ich zunächst die Schlüsselzuweisungen um den gleichen Betrag, nämlich um 25 Millionen DM, kürze, und dann im Wahljahr 2001 die Kommunen, die dadurch noch mehr geschwächt werden, mit einem großen Scheck bedenke, werden die Kommunen sehr schnell sehen, was dahinter steckt, und sie werden das nicht durchgehen lassen.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist eindeutig verfassungswidrig! Er ist eindeutig unseriös! Die Kommunen in diesem Lande werden Sie das im September 2001 spüren lassen: Meine Damen und Herren von der SPD, Sie werden, wenn Sie so weiter machen, aus den Rathäusern in diesem Lande weggefegt. Davon bin ich ganz fest überzeugt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sollte ich tatsächlich überheblich gegrinst haben, so möchte ich mich in aller Form entschuldigen. Das tut mir fürchterlich Leid.

Nach dem Kriegsgeschrei des Herrn Schünemann, das wohl seine Unfähigkeit überdecken sollte, mit einem solch komplexen Thema umzugehen, möchte ich den Versuch unternehmen, noch ein paar Argumente zu bringen. Herr Schünemann, Sie hätten übrigens eine ganze Menge lernen können, wenn Sie in der FAG-Kommission dabei geblieben

wären. Dann hätten Sie hier sachkundig etwas beitragen können. Diejenigen, die sich nach einigen Sitzungen verabschieden, können natürlich auch nicht sonderlich viel zu diesem Thema beitragen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bei dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf geht es in erster Linie um die Schaffung eines gerechteren und effizienteren Systems bei der Abgeltung von Kosten, die unseren Kommunen durch die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen entstehen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt sind. Ein Teil dieser Kosten wird bereits nach dem Niedersächsischen Aufnahmegesetz abgegolten. Diese Kosten sind daher nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs. Hier geht es um die Abgeltung der Kosten für Flüchtlinge, für die keine Erstattung nach dem Aufnahmegesetz erfolgt. Dies sind im Wesentlichen abgelehnte Asylbewerber oder geduldete Ausländerinnen und Ausländer, die zuvor kein Asylverfahren betrieben haben.

Zum Ausgleich der Kosten für die Leistungen an diese Flüchtlinge, die dadurch entstehen, erhielten die Kommunen bisher - das ist hier auch beklagt worden - Zuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichssystems. Das System der Zuweisung für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises bietet keine Möglichkeit, auf Veränderungen der Zahl der geduldeten Flüchtlinge und damit auf Kostenschwankungen angemessen und schnell zu reagieren. Daher soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein Erstattungssystem eingeführt werden, das der tatsächlichen Kostenentwicklung flexibel Rechnung trägt.

Darüber hinaus soll die unterschiedliche Kostenbelastung der einzelnen Kommunen zielgenauer berücksichtigt werden, weil es letztlich wesentlich gerechter ist. Für jeden geduldeten Flüchtling, der sich im Jahresmittel in dem jeweiligen Landkreis oder der jeweiligen kreisfreien Stadt aufgehalten hat, wird das Land eine Pauschalabgeltung von jährlich 6.885 DM zahlen. Diese Pauschale ist auf der Grundlage der tatsächlichen Ausgaben der Kommunen im Jahre 1998 und der Zahl der geduldeten Flüchtlinge, die sich im Durchschnitt des Jahres in Niedersachsen aufgehalten haben, ermittelt worden. Die Berechnungen meines Hauses sind auf der Grundlage von Statistiken und Registern angestellt worden, die auf Meldungen der

Kommunen beruhen. Das die Pauschale von 6.885 DM geringer ist als die nach dem Aufnahmegesetz gezahlte von 7.600 DM, kann nicht überraschen. Die Pauschale nach dem Aufnahmegesetz ist das Ergebnis einer Mischkalkulation. Mit ihr werden die Ausgaben auch für Flüchtlinge und Emigranten abgegolten, die nach dem Bundessozialhilfegesetz leistungsberechtigt sind und für die daher höhere Aufwendungen zu erbringen sind.

Meine Damen und Herren, die Schaffung eines Systems, das für hier sich aufhaltende geduldete Ausländerinnen und Ausländer anstelle einer Abgeltung im kommunalen Finanzausgleich die Zahlung einer personenbezogenen Pauschale vorsieht, ist mehr als bloß die Änderung eines Zahlungsmodus. Mit der Verlagerung aus dem kommunalen Finanzausgleich und der personenbezogenen pauschalen Erstattung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekennt sich das Land - das möchte ich hier hervorheben - gezielt zur Finanzverantwortung für alle Flüchtlinge ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Soweit ich unterrichtet bin, gibt es kein anderes Bundesland, das in dieser Weise - ich hebe hervor: zeitlich unbefristet - die Ausgaben der Kommunen für geduldete Flüchtlinge mit einer personenbezogenen Pauschale abgilt. Die Kostenbelastung durch diesen Personenkreis wird von den Kommunen seit Jahren beklagt. Ich bin daher davon überzeugt, dass die Kritik an der Neuregelung bald verstummen wird, denn es ist eine gerechte Regelung, die nicht nur sinnvoll, sondern - das hat auch der Landesrechnungshof hervorgehoben - notwendig ist.

Meine Damen und Herren, neben dieser zentralen Neuregelung enthält das Gesetz eine Anpassung der Personalkosten entsprechend der Tariferhöhungen sowie eine Erhöhung der Kosten der EDVAusstattung für Arbeitsplätze in den Kommunen, die mit der Erfüllung von Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises befasst sind, auf 7.100 DM pro Jahr. Leider ist an diesen Punkten festzustellen, dass die Auseinandersetzungen um den kommunalen Finanzausgleich mit unveränderten Positionen fortgeführt werden. Dabei hat der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik zu erheblichen Personaleinsparungen geführt, was sich daran erkennen lässt, dass die prozentualen Steigerungen der Personalkosten der Kommunen erheblich hinter den prozentualen Steigerungen der Vergütung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zurückgeblieben sind. Rationalisierungspotentiale sind bei den Kommunen insgesamt

ausgeschöpft worden, und zwar nicht nur bei der Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben.

Meine Damen und Herren, der Änderungsantrag der SPD-Fraktion sieht eine befristete Aufstockung der Bedarfszuweisungen um 25 Millionen DM vor. Diese Regelung ist sinnvoll, weil auch nach der grundlegenden Neuregelung des kommunalen Finanzausgleiches in Niedersachsen nach wie vor Probleme existieren, die nicht mit dem allgemeinen Ausgleichssystem aufgabengerecht bewältigt werden können. Einen Teil dieser Probleme haben wir in der Tat durch die Neuregelung des kommunalen Finanzausgleiches gelöst. Ich erinnere nur daran, dass durch die Teilmassenbildung für die kreisfreien Städte, für die kleineren dieser Gruppe, eine Benachteiligung bestand, die zum Teil nur durch Bedarfszuweisungen ausgeglichen werden konnte.

Herr Klein, Ihrer Anmerkung, dass hier eine Kasse geschaffen würde, mit der man segnend über das Land fährt und überall dort, wo man Wahlkampf machen will, etwas verteilt, möchte ich nur mit einem Hinweis begegnen: Wir haben bisher - hierüber bin ich sehr froh - in unserem Bedarfszuweisungssystem unsere Bedarfszuweisungen nach Maßstäben und Kriterien verteilt, die gerecht sind und zu keinen Klagen und ähnlichen Dingen geführt haben. Deswegen können Sie sicher sein, dass wir diese Bedarfszuweisungen auch für den Zweck, den ich Ihnen genannt habe, nämlich um Strukturprobleme zu lösen, ausgeben werden.