Protokoll der Sitzung vom 21.06.2000

Herr Aller, wenn Sie mir versprechen, dass Sie hier jetzt nicht noch lange reden, stimmen wir Ihrem Antrag auch zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Trotzdem hat Herr Minister Aller jetzt das Wort, meine Damen und Herren.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass Herr Golibrzuch Probleme bei der Steuerreform hat, kann ich gut verstehen. Er muss ja das verteidigen, was seine Kolleginnen und Kollegen auf der Bundesebene schon beschlossen haben, und das ist das, was Finanzminister Eichel im Augenblick als Gesetzentwurf vertritt. Hier in Niedersachsen muss er dafür sorgen, dass der Landeshaushalt durch die Steuerreform nicht so belastet wird, dass er verfassungswidrig wird. Genau in dieser Bandbreite verhandelt die Niedersächsische Landesregierung verantwortlich im Landesinteresse.

Herr Dinkla, Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Selbstfinanzierungseffekte von Steuerreformen haben immer dazu gedient, vorsorglich zu rechnen und darauf hinzuweisen, dass durch die Steuerreform, wenn sie denn so klappt, wie man sie sich vorstellt, die Steuern in die Kassen gespült werden. Wir haben aber die Zeitungleichheit zu berücksichtigen und müssen, bis diese Situation hoffentlich eintritt, ein paar Haushalte verabschieden. Die sind nach Recht und Gesetz aufzubauen und haben sich nach den Eckdaten zu richten, die sich ableiten aus dem Bund,

aus den Steuerschätzungen und anderen Dingen mehr. Dieses Argument mag somit zwar langfristig zählen, und darauf kann man auch setzen, es hilft uns aber nicht bei der steuerpolitischen Bewertung und bei der Aufstellung unserer Haushalte.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Die zweite Frage ist die nach der Option und nach den Möglichkeiten, durch eine Anhörung hier noch neue Argumente in die Diskussion zu bringen. Herr Dinkla, es macht nun wenig Sinn, dass sich die CDU noch mit Gutachten und anderen Stellungnahmen schlau macht, während der Vermittlungsausschuss sich schon mit der Thematik auseinandersetzt. Das Verfahren läuft inzwischen. Herr Ministerpräsident Gabriel und ich verhandeln für Niedersachsen im Vermittlungsausschuss.

Sie sind ja eigentlich schlau, weil Sie als CDU den Vorstoß der Bayern und der anderen Südländer unterstützt haben, der in der Tat so teuer ist, dass er von keinem Bundesland, das nicht „Bayern“ oder „Baden-Württemberg“ heißt, finanziert werden kann, und der die Kommunen - das wissen Sie auch - in Teufels Küche brächte. Deshalb seilen sich ja inzwischen auch Bundespolitiker von den ursprünglichen Eckdaten ab, die sie selber in die Welt gesetzt haben.

Ich habe hier die „Süddeutsche Zeitung“ vom 21./22. Juni. Darin wird unter der Überschrift „Merz irritiert Freund und Feind“ lang abgehandelt, wie denn die Orientierungslosigkeit bei der CDU inzwischen aussieht. Nun ist Herr Merz ja ausgewiesener Steuerfachmann der CDU/CSUBundestagsfraktion gewesen, bevor er in sein neues Amt gekommen ist. Er hat gefordert „runter mit dem Spitzensatz bei der Einkommensteuer auf 35 %“, er hat viele andere Dinge gefordert, die unbezahlbar waren. Offensichtlich kommt nun eine Trendwende, und es heißt, man könne ja auch über Spitzensätze bei der Einkommensteuer zwischen 42 % und 43 % reden, was ja zu begrüßen ist.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Das ist eine Größenordnung, über die man sich unterhalten kann, wenn die Gegenfinanzierung passt.

Dass er gleichzeitig beginnt, ein Ultimatum für den Vermittlungsausschuss zu stellen, und zwar betreffend das Halbeinkünfteverfahren - Herr Golibrzuch hat eben darauf hingewiesen -, deutet eher darauf hin, dass die CDU zwei strategische Optionen im

Vermittlungsausschuss hat. Die eine ist: Sie wollen auf Zeit spielen und die gesamte Steuerreform verzögern, damit sie nicht zum 1. Januar 2001 in Kraft treten kann. Das kann in Deutschland nun überhaupt niemand wollen, schon gar nicht die Wirtschaft, schon gar nicht diejenigen, die den Arbeitsmarkt zu vertreten haben, auch die Landesregierung nicht. Deshalb werden wir diese Strategie natürlich nicht mitmachen. Die andere ist: Beim Halbeinkünfteverfahren sozusagen ein Instrument in die Diskussion zu bringen, das die Steuerreform erst europatauglich macht, halte ich für geradezu aberwitzig. Von daher liegt die CDU möglicherweise einige Wochen hinter dem zurück, was eigentlich aktuelle Sachlage ist.

Im Sinne der Empfehlung des Ausschusses werden wir uns unterstützt fühlen und im Vermittlungsausschuss die Interessen des Landes so auch wahrnehmen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Darum schließe ich die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung.

(Unruhe)

- Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit! - Ich halte Sie damit einverstanden, meine Damen und Herren, dass wir nur über die Beschlussempfehlung des Ausschusses abstimmen und dass die in die Ausschussberatung einbezogenen Änderungsanträge damit erledigt sind.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in der Drucksache 1695 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Keine Stimmenthaltung. Ich stelle fest, dass die Mehrheit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen gefolgt ist.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

- Meine Damen und Herren, ich kann erst fortfahren, wenn etwas mehr Ruhe eingekehrt ist.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Nationalparke „Niedersächsisches Wattenmeer“ und „Harz“ - Nachhaltigen Naturschutz miteinander aktiv weiterentwickeln Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/1655

(Anhaltende Unruhe)

Eingebracht wird der Antrag vom Herrn Kollegen Inselmann. Bitte schön, Herr Inselmann! Aber beginnen Sie bitte erst dann, wenn etwas mehr Ruhe eingekehrt ist.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zu dem Antrag zu Tagesordnungspunkt 26 in der Drucksache 14/1655 - ein Thema, das uns schon öfter beschäftigt hat. Es geht um die Nationalparke „Niedersächsisches Wattenmeer“ und „Harz“.

Ich will eine Bemerkung zur Ausgangslage machen, Frau Pruin.

(Frau Pruin [CDU]: Warum gleich „Frau Pruin“? Hier ist eine ganze Ge- sellschaft!)

Wir haben im Juni 1999 ein Gesetz verabschiedet - mit Bezugnahme auf eine Verordnung der früheren Regierung Albrecht. Hintergrund war das Urteil zum Nationalpark „Elbtalaue“. Wir wollten für die Nationalparke „Niedersächsisches Wattenmeer“ und „Harz“ eine höhere Rechtssicherheit erreichen. Zusage war, die Verordnungen im Gesetzgebungsverfahren im Verhältnis von 1:1 umzusetzen, und das haben wir auch getan, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der CDU: Was? - Frau Pruin [CDU]: Oh!)

In dem Verfahren hat es aber auch eine Vielzahl von sehr positiven Anregungen und Hinweisen, aber auch Bedenken, insbesondere von den Inseln, gegeben, die durchaus ernst zu nehmen waren. Wir haben gesagt: Die wollen wir aufnehmen, und dazu bietet sich ein Verfahren an. - Dieses Verfahren, das dann auch beschlossen worden ist, werde ich gleich skizzieren. Heute liegt die Antwort der Landesregierung auf den Beschluss des Landtags, der Bericht als Ergebnis des Verfahrens, auch vor.

Ich will an einem Beispiel deutlich machen, worum es eigentlich ging. - Die Insel Langeooge hatte bei dem Verfahren der Regierung Albrecht 1985 Vorschläge zur Änderung eingebracht. Diese Vorschläge sind allesamt im Verfahren verschwunden und konnten nicht umgesetzt werden. Seit 1986 versucht nun die Insel Langeooge

(Ontijd [CDU]: „Langeoog“ heißt die! - Zurufe von der CDU: Langeoog!)

- Langeoog -, dem Land Niedersachsen zu erklären, auch Ihnen, Frau Pruin,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

warum 1986 Fehler gemacht worden sind.

(Frau Pruin [CDU]: Keine Fehler!)

Wir meinen, dass ein Teil der Forderungen der Insel berechtigt ist. Wir haben gesagt: Wir wollen die umsetzen; wir müssen ein Verfahren finden, um da entgegenzukommen. - Und das ist passiert, meine Damen und Herren.

Was war die Zusage? - Die Bedenken, Anregungen und Hinweise aufzunehmen und die Regierung zu beauftragen, einen Bericht darüber anzufertigen, vor Ort Gespräche über Kompromisslinien, die entwickelt werden sollten, zu führen, das alles dem Parlament in Form eines Berichtes vorzulegen, damit das Parlament im Gesetzgebungsverfahren darüber entscheiden kann, wie damit umgegangen werden soll. Die Landesregierung hat auch pünktlich zum Stichtag 1. Juni diesen Bericht vorgelegt und uns als Gesetzgeber Empfehlungen gegeben.

Wir schlagen jetzt vor, in ein Gesetzgebungsverfahren einzutreten, meine Damen und Herren. Wir werden im September, nach der Sommerpause, einen Gesetzentwurf betreffend das Gesetz über die Nationalparke „Niedersächsisches Wattenmeer“ und „Harz“ vorlegen. Das Gleiche, was ich gerade am Beispiel der Insel Langeoog geschildert habe, war nämlich auch das Problem im Harz. Dort hat es ebenfalls Schwierigkeiten gegeben. Bei der Erstfassung der Verordnung sind Dinge nicht berücksichtigt worden. Ich nenne nur einmal als Beispiel den großen Parkplatz in Torfhaus - immer wieder ein Ärgernis im Harz. Keinem normalen Menschen kann man erklären, dass der zum Nationalpark gehört, meine Damen und Herren. Man kann sicherlich sagen, dass der herausgenommen werden muss. Das vereinfacht auch die Probleme

für die Gemeinde. Deshalb haben wir gesagt: Auch das nehmen wir in dem Verfahren auf.

Es gibt weitere Anregungen und Bedenken aus dem Harz, die in dem Bericht ebenfalls aufgeführt sind, die die Landesregierung in Gesprächen aufgearbeitet hat und zu denen uns die Landesregierung Empfehlungen gibt. Das alles soll Bestandteil des Gesetzentwurfs sein, den wir im September 2000, nach der Sommerpause, einbringen werden. Da kann das ins Verfahren gegeben und von uns eingearbeitet werden.

Insofern, Frau Pruin, sind auch Ihre Sorgen völlig unberechtigt, Sie könnten sich nicht einbringen. Sie als Parlamentarierin in der Opposition sind genauso wie wir als Parlamentarier in der Regierungsfraktion Herr oder Frau des Verfahrens. Wir bringen uns in den Gesetzentwurf ein. Wir nehmen die Bedenken auf. Wir machen auch noch eine Anhörung dazu, Frau Pruin.

(Frau Steiner [GRÜNE]: Das ist doch Augenwischerei, Herr Inselmann! - Frau Pruin [CDU]: Das ist gar nicht wahr! Lesen Sie doch die Zeitungen! - Frau Ortgies [CDU]: Herr Insel- mann, das ist wieder nicht wahr, was Sie sagen!)

- Frau Pruin, ich kann nicht verstehen, warum Sie als Parlamentarierin sich selbst ad absurdum führen. Wenn es etwas gibt, bei dem Sie als Parlamentarierin mitwirken können, dann ist das ein Gesetzentwurf und nicht eine Verordnung; denn die Verordnung macht die Regierung. Wenn wir als Regierungsfraktion Ihnen als Opposition schon entgegenkommen und sagen „Wir wollen ein Gesetzgebungsverfahren im Parlament machen“,

(Ontijd [CDU]: Aus anderen Gründen macht ihr das doch!)

dann sollten Sie das dankbar annehmen und nicht so tun, als seien Sie entmachtet worden!

(Zuruf von der CDU: Schreien Sie doch nicht so!)