Protokoll der Sitzung vom 22.06.2000

Frau Merk, das alles fällt in Ihre Verantwortung. Wieder einmal haben Sie versucht, Einfluss zu nehmen,

(Zuruf von der CDU: Wieder einmal!)

obwohl Zurückhaltung geboten gewesen wäre. Dies ist ein Affront, der, wie ich hoffe, von diesem Parlament zu Recht missbilligt wird.

Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat im letzten Jahr einen Antrag gestellt, die Heimaufsicht zu verbessern. Darin haben wir die Landesregierung aufgefordert:

„...darauf hinzuwirken, dass es zum gesetzlichen Regelfall wird, dass bei Wahrung der rechtsstaatlichen Prinzipien die Heimaufsicht auch ohne konkreten Anlass Heime unangemeldet besuchen und Unterlagen und Angaben anfordern kann.“

Meine Damen und Herren, es gibt keinen vernünftigen Grund, warum dies nicht auch bei der Besuchskommission nach dem PsychKG so sein sollte; denn wir wissen, dass die Wohlfahrtsverbände und natürlich auch die privaten Heimbetreiber den natürlichen Wunsch haben - das kann ich auch verstehen -, dass sich die Besuchskommissionen vorher anmelden. Wer hätte das nicht gern, dass Besuch vorher angemeldet wird?! Dann macht man das Haus sauber, putzt alles schön, macht alles in Ordnung.

(Unruhe bei der SPD)

Nur kann das doch nicht das sein, was Sie hier wollen.

(Dr. Schultze [SPD]: Ist das jetzt Sommertheater hier?)

- Das ist kein Sommertheater. Herr Dr. Schultze - wie schön, dass ich das mal so sagen kann -,

(Dr. Schultze [SPD]: Zehnmal haben Sie jetzt dasselbe gesagt!)

lesen Sie doch bitte mal die Berichte der Kommission! Dann müsste Ihnen manchmal schwindelig werden, wenn Sie zur Kenntnis nehmen, was in diesen Heimen passiert. Darum ist es so dringend notwendig, dass denen auf die Finger geklopft wird, und zwar auch unangemeldet. Besuchen Sie einmal die Heime unangemeldet!

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen nicht, dass Menschen weggeschlossen werden, wir wollen auch nicht, dass Menschen hinausgeschickt werden, wenn sich Besuch ankündigt, weil dann nicht kontrolliert werden kann, wie viele Menschen in Aufenthaltsräumen wirklich täglich leben müssen. Das passiert dann nämlich auch.

Frau Ministerin, es geht hierbei auch nicht um ein außergewöhnliches Misstrauen, wie Sie sagen. Wir alle wissen, dass in den Einrichtungen viele engagierte und fachlich hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind.

Aber gerade um deren Arbeit willen ist es so wichtig, sie nicht in Misskredit zu bringen. Es ist doch für uns alle wichtig, die schwarzen Schafe aufzudecken, anzuzeigen und anzuprangern. Deshalb brauchen wir unangemeldete Besuche. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr solcher unangemeldeten Besuche, ja, eigentlich müssten sie der Regelfall sein; denn gut geführte Heime haben doch nichts zu befürchten. Da sollte man doch eigentlich immer klingeln können.

(Beifall bei der CDU)

Die, die jetzt Angst haben, sind doch nur diejenigen, die möglicherweise - ich bin vorsichtig etwas zu verbergen haben.

Deshalb möchte ich den Mitgliedern der Besuchskommission ausdrücklich danken. Ohne ihre ehrenamtliche, zeitaufwendige und gewissenhafte Tätigkeit sähen die psychiatrische Beratung und die Landschaft in diesem Land eventuell ganz anders aus.

Aber was machen Sie, Frau Merk, anstatt die Arbeit der Besuchskommission zu unterstützen und im Konfliktfall vermittelnd als Moderatorin aufzutreten? - Sie setzen sich platt vor den Karren der Wohlfahrtsverbände und treten den Mitgliedern der Besuchskommission Hannover mit aller Kraft vor das Schienbein. Das haben Sie gemacht.

(Adam [SPD]: Du meine Güte! Wer soll das glauben?)

Haben Sie eigentlich einmal die Berichte der Kommission gelesen?

(Groth [SPD]: Das haben Sie schon gefragt!)

Dann müssten Sie eigentlich zur Kenntnis genommen haben, was in den Heimen passiert ist und was die Kommission aufgedeckt hat. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann reden Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen.

Frau Ministerin, man kann über die Art und Weise, wie Sie agieren - in Ihrer Rede haben Sie ja kein Stück zurückgenommen, sondern Ihr Handeln im Gegenteil noch verteidigt - nur mit dem Kopf schütteln. Sie reagieren wieder einmal mit dem Holzhammer. Das ist Ihre Art und Weise, Politik zu machen. Ich bedaure das sehr.

Wir werden dem Antrag der Grünen zustimmen, und ich hoffe, dass Sie das auch machen werden,

damit, wie ich schon sagte, das Thema noch vor der Sommerpause hier im Parlament erledigt werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Groth.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Aber jetzt einmal eine eigenständige Haltung!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass es hilfreich wäre, wenn der Eine oder Andere noch einmal ein bisschen nachlesen würde.

(Frau Pawelski [CDU]: Ich habe es gelesen und Gespräche geführt!)

Erstens möchte ich zum zitierten Schreiben sagen, dass das Ministerium darum gebeten hat, die Termine herzugeben, weil das Ministerium nach dem PsychKG auch ein Recht hat, an Besuchen teilzunehmen. Es hat gebeten, die Information darüber herzugeben, wann die Kommission welche Besuche macht.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Nein!)

Sie haben das in einen völlig anderen, unzutreffenden Zusammenhang gestellt, um über Frau Ministerin Merk hier so sprechen zu können, wie Sie das wollten. Lesen Sie den Brief noch einmal im Kontext;

(Beifall bei der SPD - Frau Pawelski [CDU]: Hergabe!)

dann werden Sie feststellen, dass Sie sich geirrt haben.

Zweitens. Wir sind nicht dafür, hier sofort über den Antrag abzustimmen. Es besteht dringender Beratungsbedarf im Ausschuss.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen einmal zwei, drei Sätze zur Chronologie. Es gab - Frau Ministerin hat das gerade gesagt - 1977 einen Antrag der SPD, als Regelfall unangemeldete Besuche in das Gesetz zu schreiben. Die CDU hat das abgelehnt. Sie wollte das nicht haben.

(Frau Pawelski [CDU]: Dann machen Sie das doch jetzt!)

Ich will Ihnen ja gerne folgen, damit heute eine neue Lage hergestellt werden kann, aber dann müssen wir am Schluss ernsthaft über das PsychKG nachdenken.

Außerdem gab es einen gemeinsamen Antrag der Grünen und der Sozialdemokraten von Ende 1994, in dem ausdrücklich steht - das ist die Drucksache 13/2000, und das ist heute geltendes Recht, das die Ministerin heute hier zitiert hat -, dass der Regelfall der angemeldete Besuch und der unangemeldete die begründete Ausnahme sein soll. Das haben Sie doch mit beantragt, Frau Pothmer. Nun machen Sie der Ministerin einen Vorwurf daraus,

(Oh! bei der SPD)

dass sie die Anwender des Gesetzes bittet, die Regelungsnormen, die Sie mitgesetzt haben, nun auch zu beachten.

(Frau Pawelski [CDU]: Das haben wir doch gesagt!)

Aber das können Sie doch nicht der Ministerin vorhalten. Ich würde ja die Logik begreifen, wenn Sie sagen würden:

(Frau Pawelski [CDU]: Vielleicht ist es notwendig, dass die Besuche unan- gemeldet sind!)

„Die Hannoversche Besuchskommission“ - der Sie, Frau Pothmer, ja angehören - „arbeitet in hohem Maße patientenzentriert. Sie macht also Patientenschutz zu ihrem Thema. Sie ist beispielhaft in bestimmen Akzentsetzungen. Das wollen wir stützen.“ Dann müssten wir das Gesetz ändern.

Wir können doch einer Ministerin nicht vorhalten, dass sie unsere Regeln anwendet, die wir ihr ins Gesetz geschrieben haben.

(Beifall bei der SPD)

Das ist doch ein unlauterer Vorgang.