Protokoll der Sitzung vom 22.06.2000

Das ist doch ein unlauterer Vorgang.

Meine Damen und Herren, ich will gerne einräumen, dass es bei dem Nachbargesetz, dem Heimgesetz, durchaus eine offensive Debatte darüber gibt, das Interesse von Trägern auf Anmeldung von Besuchen zurückzudrängen und zu sagen: Es geht um die Bewohner und um die Patienten, und es kann nicht mehr eine Anmeldung beim Träger erfolgen. Im Heimgesetz will man das korrigieren. Das kann man eventuell auch im PsychKG korrigieren. Aber dann, meine Damen und Herren,

komme ich zu derselben Empfehlung, dass Sie hier nicht solche Anträge stellen, sondern dann müssen Sie eine Novellierung des von Ihnen so eingebrachten PsychKG begehren. Dann müssen wir im Ausschuss darüber reden, ob wir das anpassen wollen, weil sich die Meinung zu solchen Sachverhalten verändert hat.

Aber, Frau Pothmer - wir sind nun wirklich kollegialen Umgang gewohnt -, es ist unfair, hier in der Art und Weise, wie Sie das hier anlegen, eine solche Debatte gegen die Ministerin zu führen.

(Beifall bei der SPD - Adam [SPD]: Richtig!)

Die Ministerin hat bisher in allen Einzelfällen - da können sie ihr nun wirklich nichts anhaben -, in denen es um Pflegebedürftige, chronisch Kranke oder ähnliche Fälle ging, sehr darauf insistiert, dass Patienten- und Bewohnerrechte auch gegen Träger durchgesetzt werden. Diese Ministerin hier für Dinge in Anspruch zu nehmen, die wir ihr vorgegeben haben, ist nicht in Ordnung.

Langer Rede kurzer Sinn - ich habe meinen Kollegen versprochen, hier nicht mehr als fünf Minuten zu beanspruchen -: Das Thema bedarf der intensiven Erörterung. Sie von der CDU-Fraktion wollen offensichtlich Ihre Meinung aus der Vergangenheit korrigieren. Sie von den Grünen wollen Ihren damaligen Antrag korrigieren.

(Frau Pawelski [CDU]: Wir haben seit 1990 nie eine andere Meinung ge- habt!)

Wir brauchen offensichtlich eine Debatte über das PsychKG. Stellen Sie Anträge, die das voranbringen. Dann sind wir Ihre Gesprächspartner, und dann werden wir sicherlich auch Wege finden. Aber überinterpretieren Sie hier nicht einen Hinweis an Außenstehende, die etwas zu beachten haben, was im Gesetz steht.

Letzte Bemerkung, meine Damen und Herren: Die Besuchskommission muss die Ermessensentscheidung bezüglich des Einzelfalls, in dem sie Grund hat, unangemeldet zu besuchen, innerhalb der Besuchskommission erörtern und für sich begründen. Das muss sie nicht dem Ministerium und auch nicht dem Träger gegenüber begründen - das steht auch nicht in dem Brief -, sondern das muss sie bestenfalls dem Ausschuss für Psychiatrie gegenüber begründen, dem sie Bericht erstatten muss.

(Zuruf von der CDU: Fünf Minuten!)

Der Ausschuss mag „unangemeldete Besuche“ dann in seinem Bericht an das Ministerium aufnehmen. Aber es steht nirgendwo geschrieben oder ist gesagt worden,

(Zuruf von der CDU: Fünf Minuten!)

dass diese Ermessensabwägung der Besuchskommission und die zur Entscheidung führende Begründung dem Ministerium vorzulegen sei. Das ist also eine Überinterpretation.

Ansonsten herrscht bei uns viel Unterstützung für die Besuchskommission, aber sie muss sich an das derzeitige Recht halten. Wenn Sie das ändern wollen, dann müssen Sie das PsychKG novellieren, und dafür wollen wir im Ausschuss streiten.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Pothmer hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Sie haben noch eine Redezeit von eineinhalb Minuten.

(Zuruf von der SPD: Sie will sich ent- schuldigen!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will in aller Ruhe die Punkte abarbeiten, die hier angesprochen worden sind.

Erstens hat die Ministerin gesagt, sie habe überhaupt kein Recht, der Besuchskommission etwas anzuweisen, weil die Besuchskommission an Weisungen nicht gebunden sei.

(Frau Pawelski [CDU]: Eben!)

Stimmt, kann ich dazu nur sagen. Dann fragt sich aber, in welchem Zusammenhang ein Brief aus Ihrem Hause vom 16. Mai an die Träger der freien Wohlfahrtspflege steht, in dem es heißt: „Im Namen von Frau Ministerin Merk möchte ich Ihnen für Ihr oben genanntes Schreiben danken. Ich habe Ihren Hinweis zum Anlass genommen, die Besuchskommission für den Regierungsbezirk Hannover per Erlass nochmals auf die bestehende Rechtslage hinzuweisen.“

(Frau Pawelski [CDU]: Noch schlim- mer!)

Per Erlass, meine Damen und Herren! Sie haben mit der Besuchskommission überhaupt nicht per Erlass umzugehen. Das ist auch ein Zeichen dafür, welches Verhältnis Sie zu der Besuchskommission haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU- Dr. Domröse [SPD]: Brigitte, red‘ nicht solchen Blödsinn! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Zweitens. Die Ministerin hat gerade gesagt, sie würde in keiner Weise einseitig die Rechtsauffassung der LAG der freien Wohlfahrtspflege übernehmen. Auch dazu zitiere ich noch einmal aus einem Brief: „Dankenswerterweise haben Sie im oben genannten Schreiben sich unserer Rechtsauffassung zu unangemeldeten Besuchen der Besuchskommission auf der Grundlage des § 30 Abs. 4 Satz 2 PsychKG angeschlossen“, und zwar vollständig angeschlossen, meine Damen und Herren. Man kann sagen, wie dieses PsychKG, wie dieser Artikel auszulegen ist. Dabei kann es aber auch einen Interpretationsspielraum geben.

(Plaue [SPD]: Nein! Von dem, was hier vorgetragen worden ist, kein Stück!)

Ich habe den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst in dieser Sache angesprochen. Der Gesetzgebungsund Beratungsdienst hat mir deutlich gemacht, dass die Besuchskommission selber die Begründung für sich liefern muss.

(Groth [SPD]: Das werde ich Ihnen im Ausschuss erklären!)

Weil das so ist, frage ich Sie: Wenn die Besuchskommission Hannover mehrfach zu dem Ergebnis kommt, dass ein unangemeldeter Besuch angemessen, richtig und notwendig ist, warum geht dann die Ministerin davon aus, dass sich diese Besuchskommission nicht auf dem Boden von Recht und Gesetz bewegt? Das ist die entscheidende Frage.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Warum übernimmt die Ministerin in dieser Sache die Interpretation der Wohlfahrtsverbände?

(Zuruf von Frau Jahns [CDU]: Das ist eine Anmaßung der Ministerin!)

Warum stellt sie sich einseitig auf ihre Seite? Das ist die alles entscheidende Frage.

(Frau Körtner [CDU]: Die hat sie überhaupt nicht beantwortet! - Gegen- rufe von der SPD)

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich frage Sie: Hat es mit der Besuchskommission Hannover jemals im Sinne der Patienten Probleme gegeben? - Das Gegenteil ist der Fall. Trotzdem schreitet die Ministerin in dieser Sache ein. Das, Herr Groth, ist das Problem, das wir hier zu bearbeiten haben. Dafür brauchen wir keine Gesetzesänderung, weil das Gesetz das Vorgehen der Besuchskommission deckt.

(Frau Pawelski [CDU]: Eben! - Frau Jahns [CDU]: Es ist eindeutig gere- gelt!)

Ich will hier noch einmal sagen:

Frau Pothmer, kommen Sie bitte zum Schluss!

Zweimal haben wir im Ausschuss für psychiatrische Angelegenheiten darüber beraten.

(Plaue [SPD]: Sie haben sich als je- mand entlarvt, der seine eigene Mei- nung nicht kennt!)

Zweimal hat sich der Ausschuss - er ist das maßgebliche Organ in dieser Sache

(Frau Pawelski [CDU]: So ist es!)

hinter das Vorgehen der Besuchskommission gestellt.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Frau Präsidentin, sie muss zum Schluss kommen! Das gibt es doch nicht! - Adam [SPD]: Gibt es hier noch eine Geschäftsordnung?)

Darauf kommt es an. Trotzdem schreitet die Ministerin ein und lässt es zu Situationen kommen, bei denen sich die Einrichtungsträger mit einem Zettel hinstellen und sagen: Ihr kommt hier nicht rein!

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Der Kollege Dr. Winn hat sich noch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich die Debatte verfolge, dann frage ich mich, wie hier mit den Schutzbefohlenen umgegangen wird. Es ist wirklich unglaublich, was hier passiert!

(Beifall bei der CDU)