Protokoll der Sitzung vom 22.06.2000

Bitte sehr, Frau Ministerin Merk!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bis Anfang der 90er-Jahre gab es lediglich an der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik in Hildesheim - -

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Frau Ministerin, ich bitte Sie, Ihre Antwort zu unterbrechen, und bitte die Kolleginnen und Kollegen, mit etwas mehr Ruhe und Disziplin zu folgen.

(Zuruf von der CDU: Das gilt auch für Herrn Reckmann!)

- Das gilt für alle hier in diesem Hause. - Frau Ministerin, ich bitte Sie, erst dann fortzufahren, wenn entsprechend Ruhe eingekehrt ist. - Bitte sehr, Frau Ministerin!

Bis Anfang der 90er-Jahre gab es lediglich an der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik in Hildesheim ein spezielles Angebot zur stationären Behandlung schutzbedürftiger Kinder und Jugendlicher für ganz Niedersachsen. Bereits die Fachkommission Psychiatrie hatte in ihrem 1992 vorgelegten Abschlussbericht diese Situation bemängelt und empfohlen, zusätzlich in den übrigen Regierungsbezirken Niedersachsens entsprechende Angebote zu schaffen. Dem ist mein Haus zügig nachgekommen, indem es an den in eigener Trägerschaft befindlichen kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen der niedersächsischen Landeskrankenhäuser Lüneburg und Königslutter zusätzlich entsprechende Versorgungsangebote geschaffen hat. Auch für den Regierungsbezirk Weser-Ems ist es nach längeren Verhandlungen gelungen, in der kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtung in Aschendorf bei Papenburg ebenfalls

ein solches Angebot zu etablieren, das nunmehr seit 1999 besteht.

Damit entspricht das derzeitige Versorgungsangebot zur Behandlung schutzbedürftiger Kinder und Jugendlicher in Niedersachsen zurzeit den Empfehlungen der Fachkommission Psychiatrie. An weiteren kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen in der Region Hannover und im Rotenburger Land werden Stationen zur Versorgung besonders schutzbedürftiger Kinder und Jugendlicher geschaffen. Inwieweit darüber hinaus ein weiter gehender Bedarf dieser zahlenmäßig relativ kleinen Klientel besteht, wird derzeit im Rahmen einer Bestands- und Bedarfserhebung geprüft. Die Bedarfserhebung wird voraussichtlich Mitte Juli abgeschlossen sein.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1 und 2: Die stationäre Versorgung Kinder und Jugendlicher mit psychischen Störungen ist im Raum Osnabrück grundsätzlich gesichert. Ob und inwiefern neben dem seit 1999 bestehenden Behandlungsangebot in Aschendorf bei Papenburg weiterer Bedarf besteht, im Osnabrücker Land einen geschlossenen Bereich an einer bestehenden kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung einzurichten, wird derzeit ermittelt, und im Juli wird ein Ergebnis vorliegen. Eine Entscheidung kann in der Tat erst mit der Auswertung des sehr komplexen Datenmaterials, was die Vernetzung der Einrichtungen anbelangt, erfolgen.

Danke schön, Frau Ministerin Merk. - Herr Kollege Schirmbeck, Sie möchten noch eine Zusatzfrage stellen.

Frau Präsidentin! Frau Ministerin, ich frage Sie: Heißt Ihre Betonung des Wortes „grundsätzlich“, dass die Versorgung im Osnabrücker Land nicht so sachgerecht ist wie in den anderen Landesteilen, in denen eine wohnortnahe Versorgung besteht?

(Groth [SPD]: Das hat Schnipkoweit damals alles zentralisiert!)

Frau Ministerin Merk, bitte!

Herr Abgeordneter, ich habe ganz bewusst das Wort „grundsätzlich“ so stark betont, und zwar deshalb, weil gerade jetzt eine Untersuchung durchgeführt wird. Sie läuft schon seit längerem. Es wurden ja mehrere Untersuchungen durchgeführt. Aschendorf-Papenburg kam hinzu, und nun muss das Datenmaterial erneut gesichtet werden. Deshalb sage ich „grundsätzlich“, weil es von Grundsätzen immer Abweichungen geben kann. Sie dürfen davon ausgehen, dass ich Sie im Juli informieren kann.

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen für Zusatzfragen zu Frage 8 vor. Wir haben die Frage hiermit abgearbeitet.

Ich stelle fest: Es ist 10.09 Uhr. Damit ist unsere Fragestunde für diesen Tagungsabschnitt beendet.

Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben. Ich bitte die Mitglieder der Landesregierung, die Antworten jetzt an der Bank der Landtagsverwaltung abgeben zu lassen, soweit das nicht bereits geschehen ist.

Ich rufe jetzt auf

noch: 23. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben Drs. 14/1685 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1698 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1707

Über die Ausschussempfehlungen zu den Eingaben in der Drucksache 1685, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen, haben wir bereits in der 53. Sitzung am 21. Juni 2000 entschieden. Wir beraten jetzt nur noch über diejenigen Eingaben aus der Drucksache 1685, zu denen die genannten Änderungsanträge vorliegen.

Wir treten in die Beratung ein. Kollege Busemann hat sich zu Wort gemeldet. Ich glaube, Sie sprechen zu zwei Eingaben.

(Busemann [CDU]: Jawohl!)

Bitte schön, Herr Kollege Busemann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, ich möchte mich hier zu zwei Eingaben äußern, nämlich zu den Eingaben 2125 und 2654. Ich möchte mit der Zweiten beginnen.

Wir hatten hier vor einigen Jahren eine sehr weitsichtige Landesregierung, die eine Vorstellung davon hatte, dass in Deutschland irgendwann viele Informatiker gebraucht werden. Sie hatte insofern überlegt: Dann richten wir in Hildesheim einen Fachbereich Informatik ein. - Dann gab es irgendwann eine andere Landesregierung, die noch im Jahr 1996 zu der merkwürdigen Auffassung kam, die Vorgängerregierung habe so genannte Fehlplanungen begangen, und sie hat diesen Fachbereich Informatik in Hildesheim eingestellt. Der damalige Ministerpräsident war Gerhard Schröder. Wer die letzten Monate verfolgt hat, weiß nun genau: In Deutschland, im Lande der Dichter und Denker, fehlen massenhaft Informatiker. Deshalb ist es doch logisch, dass sich vernünftige Leute in Hildesheim Gedanken machen. Da diese Fehlentscheidung im Jahr 1996 getroffen worden ist, wir aber Informatiker brauchen, kann es jetzt doch nur vernünftig sein, diesen Fachbereich Informatik in Hildesheim wieder einzuführen.

In diese Richtung geht auch das Begehren der Petenten. Angesichts der Diskussionen um Green Card und dergleichen mehr weiß ich nicht, warum man dagegen sein kann. Die Antragsteller und somit auch die CDU-Fraktion meinen, dass diese Eingabe hochgradig vernünftig und richtig ist, sodass sie von daher Berücksichtigung verdient. Deshalb möchte ich mich für meine Fraktion für einen solchen Beschluss stark machen.

Die Eingabe 2125 geht auf die Aktion Sorgentelefon der CDU-Fraktion vom September 1999 zurück. Diese Aktion hat zu erschreckenden Erkenntnissen geführt. In hunderten von Fällen haben sich Eltern, Lehrer und Beteiligte gemeldet, um darauf hinzuweisen, dass es im Lande gravierende Mängel bei der Unterrichtsversorgung gibt. Wir haben diese Fälle statistisch erfasst. Wir haben 150 Einzelfälle sortiert - nicht einmal alle Fälle; denn das Drama ist ja viel umfassender, als Sie es wahrhaben wollen - und diese zum Gegenstand einer Petition gemacht. Nun weiß ich sehr wohl: Wenn

eine Petition dieses Umfangs das Kultusministerium erreicht, dann ist damit eine Menge Arbeit verbunden. Ungeachtet unserer Unzufriedenheit über das Ergebnis will ich aber dennoch sagen: Dank an das Kultusministerium, Frau Ministerin, weil Ihre Leute gearbeitet haben und die entsprechende Antwort dann irgendwann gekommen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Antwort umfasst 55 Seiten. Sie verdient eigentlich eine umfassende Beleuchtung und Diskussion. Dann wäre der Vormittag aber geplatzt. Deshalb will ich ihnen jetzt nur sagen: In dem einen oder anderen Fall haben sich die Probleme geregelt. Durch die gesamte Petition zieht sich aber wie ein roter Faden, dass im Lande gravierende Unterrichtsausfälle zu verzeichnen sind: im berufsbildenden Bereich, im Sonderschulbereich, im allgemein bildenden Bereich. Hier gibt es nicht nur geringe Abweichungen von der statistischen und der Regierungsvorgabe, sondern gravierende Abweichungen von 80 % und mehr. Wir haben es hier mit Lehrermangel zu tun. Fachlehrer fehlen. Fachspezifischer Unterricht fällt in dramatischem Ausmaß aus. Sie können jetzt jeden Einzelfall durchbeten. Da fehlt es an naturwissenschaftlichem Unterricht. Da fehlt es an Musik. Da fehlt es an Religion usw. Veränderungen in der Stundentafel, Nichtverfügbarkeit von Lehrkräften, die kurzfristig irgendwo anders gebraucht werden - diese Missstände könnten wir hier anhand zahlreicher Einzelfälle beleuchten und belegen.

Nun will ich einmal Folgendes sagen: Sinn einer Petition ist, dass die Bürger, mitdenkende Verantwortliche im Lande, eine Regierung auf ein bestimmtes Problem aufmerksam machen,

(Meinhold [SPD]: Der Bürger waren Sie doch!)

vor allem, wenn es mit der Rechtslage nicht in Einklang zu bringen ist, Herr Meinhold. Man erwartet nun, dass nach Beratung einer Petition gesagt wird, „Problem erkannt“, und dem Parlament mitgeteilt wird: Problem behoben. - Der Sinn einer Petition ist nicht, dass die Regierungsseite sagt: Wir haben das Problem auf hohem Niveau durchleuchtet, und ihr kriegt nun eine Absage auf hochgradigem bürokratischen Niveau. Es tut uns Leid, wir können es nicht ändern. Ist nun mal so. Anderen geht es noch schlechter. - Das kann nicht Sinn einer Petition sein. Es ist das hochgradige Recht eines Parlamentes, zu sagen: Hier gibt es Problemfälle. Die Leute haben Recht. - Dann muss

das Parlament auch einmal sagen. Die Petition ist zu berücksichtigen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Der Bürger Busemann als Abgeord- neter verkleidet!)

Herr Kollege Golibrzuch, Sie haben sich zu der Eingabe 2654 gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als der Studiengang Informatik vor vier Jahren in Hildesheim geschlossen worden ist, gab es für diesen Schritt zwei Argumente. Erstens wurde gesagt, die Nachfrage sei angeblich zu gering. Heute wissen wir aber, dass dies falsch war. Zweitens wurde gesagt, man wolle eine Konzentration auf die vorhandenen Standorte in Braunschweig und Oldenburg vornehmen. Wir wissen heute, dass auch dies leider nicht richtig war. Jetzt, da zusätzliche Plätze geschaffen werden, geht man aber nicht, was vernünftig und kostengünstig wäre, in Braunschweig und Oldenburg daran, die vorhandenen Kapazitäten aufzustocken, sondern man gründet in Hannover und in Göttingen neue Studiengänge. Das ist das Gegenteil einer Schwerpunktsetzung, das Gegenteil einer seriösen Hochschulentwicklungsplanung. Deshalb fühlt man sich in Hildesheim zu Recht über den Tisch gezogen und von dieser Landesregierung nicht ernst genommen.

Ich möchte ein zweites Argument anführen. Die Hildesheimer wollen ja gar nicht – anders, als es in der Petition steht -, dass der alte Studiengang Informatik wieder eingerichtet wird. Sie wollen vielmehr eine Kompensation in der Weise, dass der Weiterbildungsstudiengang Informationsmanagement, den man mit Eigenmitteln aus der Mathematik und der Informatik weitergeführt hat, mit Unterstützung der Landesregierung ausgebaut und zum einen für die Ausbildung, für die Lehrerfortbildung in der Informatik und zum anderen für die Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt ECommerce angeboten wird. Das ist sinnvoll.

Dazu hat sich die Landesregierung bislang aber leider nicht geäußert. Im Gegenteil, in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses haben wir erfahren, dass im Zusammenhang mit der Initiative „Schulen ans Netz“ - also dort, wo es unter ande

rem auch um die Lehrerfortbildung geht - leider Gottes ein Verein gegründet wird, der überhaupt keine inhaltliche Zusammenarbeit mit dem NLI oder dem Kultusministerium vorsieht, sondern hier gibt es ein Kuratorium, dem der Ministerpräsident vorsitzt. Das läuft über die Staatskanzlei. Es gibt eine neue Geschäftsführung für 300.000 DM. Bislang ist keinerlei Zusammenarbeit mit dem NLI oder mit der Universität Hildesheim vorgesehen.

Von daher haben wir die große Befürchtung, dass die Landesregierung auch das, was sich die Universität jetzt als Ausgleich für den geschlossenen Studiengang Informatik wünscht, wieder nicht umsetzen wird. Von daher sagen wir an dieser Stelle nicht „Berücksichtigung“; denn das hieße, Informatik wieder einrichten. Wir sagen an dieser Stelle vielmehr „Material“. Wir wollen, dass dieser Vorschlag, der aus Hildesheim kommt und auch vom dortigen Kreisausschuss getragen wird, in dem meiner Kenntnis nach auch SPD-Abgeordnete vertreten sind, unterstützt wird. Wir wollen, dass dieser Weiterbildungsstudiengang Informationsmanagement in Hildesheim ausgebaut wird. Wir sehen dafür bisher keine Grundlage in den Planungen der Landesregierung. Wir wollen deshalb, dass der Landtag dem an dieser Stelle Nachdruck verleiht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Domröse, auch Sie sprechen jetzt zu der Eingabe 2654.

(Plaue [SPD]: Endlich einer, der et- was davon versteht! - Gegenruf von Möllring [CDU]: Er hat schon beim letzten Mal bewiesen, dass er das nicht weiß!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Möllring, Sie fangen schon wieder damit an, genau das zu tun, was Sie schon nach der letzten Aktuellen Stunde getan haben: Durch Geschichtsklitterung, durch Falschwiedergabe dessen, was ich hier gesagt habe, versuchen Sie, in Hildesheim den Eindruck zu erwecken, wir hätten den Hildesheimern Vorwürfe gemacht. Lesen Sie sich einmal meine Rede durch. Ich habe das in Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt aktuell getan. Wir haben mitnichten Vorwürfe erhoben.

Meine Damen und Herren, wir stehen vor der Situation, dass wir inzwischen in fast jeder Plenarsitzung das Thema Hildesheim behandeln. Ich frage mich wirklich allen Ernstes, wem wir damit einen Gefallen tun wollen. Den Hildesheimern jedenfalls nicht.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb müssen Sie es sich jetzt leider gefallen lassen, dass ich Ihnen noch einmal eine Geschichtsstunde gebe.

(Busemann [CDU]: Das steht aber nicht in der Tagesordnung! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Ja, ja, ich weiß, dass Sie das stört. - Wir haben gestern ausführlich über zehn Jahre Ende der Albrecht-Regierung geredet. Ihr damaliger Ministerpräsident Albrecht hatte 1988 eine Hochschulstrukturkommission ins Leben gerufen, um sich Handlungsperspektiven für die Zeit nach 1990 an die Hand geben zu lassen. So lautete der Auftrag. Dass das seine und Ihre Abschlussbilanz wird, konnte er damals zugegebenermaßen nicht ahnen. Jetzt aber ist es Ihre Abschlussbilanz. Ich empfehle Ihnen dringend, jedes Mal, bevor Sie hier Hildesheim durch das Plenum tragen und nicht wissen, ob Sie den Hildesheimern damit einen Gefallen tun oder nicht, in diese Abschlussbilanz hinein zu gucken. Jetzt lese ich Ihnen ein paar Zeilen daraus vor.