- Ja, richtigerweise haben Sie das gemacht, und wir haben das jetzt richtigerweise auch in unserem Vorschlag gemacht, Herr Klare. Wo besteht denn an der Stelle der Dissens? - Da besteht nirgends ein Dissens.
(Klare [CDU]: Wissen Sie, was Sie hier vor drei Monaten dazu erklärt ha- ben? In der Rede vor drei Monaten haben Sie etwas anderes gesagt! - Bu- semann [CDU]: Wir sind immer ein paar Monate weiter als ihr! - Plaue [SPD]: Gestern standen Sie noch ei- nen Schritt vor dem Abgrund, heute sind Sie schon einen großen Schritt weiter!)
Jetzt kommt es: Der qualitative Vorschlag, der auch in unserem Vorschlag steckt, muss Ihnen allerdings Sorgen machen für die Dialogphase. Ich bin dem Ministerpräsidenten außerordentlich dankbar dafür, dass wir jetzt das Thema Ganztagsschule und Ganztagsangebote weiterführend aufnehmen.
Sie werden sehen, welche bildungspolitische und familienpolitische Komponente darin steckt. Ihnen ist ja bei der Verlässlichen Grundschule erst sehr spät klar geworden, wie wichtig es für Frauen, für Familien und natürlich auch für die Kinder ist, dass es solche Angebote gibt, nämlich verlässliche Zeiten und jetzt dazu noch Mittags- und Nachmittagsangebote: Da sollten Sie sich wirklich vor einer Dialogphase fürchten.
Es wird natürlich ein großes Vorhaben sein, dies zu finanzieren. Wir werden in der nächsten Zeit Vorschläge vorlegen. Es wird darum gehen, wie viele Nachmittagsangebote welcher Art zu machen sind.
Ich meine, dass uns diese familienpolitische Weichenstellung - machen Sie sich darüber nicht lustig; Sie werden das noch sehen - endlich an die europäischen Standards heranführen wird und dass wir bundesweit Spitze in diesem Bereich werden.
Fünftens. Wir haben auch immer gesagt - das kommt auch in Ihrem Vorschlag vor -, dass die Anbindung der 5. und 6. Klassen an das Gymnasium natürlich noch andere Möglichkeiten eröffnet als die des Schulversuchs der letzten zwölf Jahre, auch über Schulzeitgestaltung nachzudenken.
Von daher werden wir auch hier zu diskutieren haben, wie diese Verkürzung auszusehen hat, an welcher Stelle sie stattfinden muss. Aber ich will deutlich sagen: Für uns Sozialdemokraten wird es immer darum gehen, Chancengleichheit, Durchlässigkeit und Leistungsorientierung gemeinsam sicherzustellen.
Eines muss man Ihnen, glaube ich, auch deutlich machen: Nach allen Prognosen benötigen wir in Deutschland deutlich mehr höherwertige Ab
Mit unserem Modellvorschlag sind wir in dieser Frage auf dem richtigen Weg. Dabei wird es selbstverständlich darum gehen, dass die Leistung stimmt. Deshalb haben wir z. B. Leistungsüberprüfungen vorgesehen und andere Maßnahmen ergriffen - die Sie aber auch ablehnen -, und deshalb wird es bei der Debatte darüber, wie wir das organisieren, auch immer um eine Verbindung mit Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung gehen.
Ihre Anträge heute tragen dazu leider überhaupt nichts bei. Aber aufgrund Ihrer sonstigen Vorschläge - Sie haben ja einen Gesamtvorschlag entwickelt - kommen wir vielleicht doch noch gemeinsam ins Gespräch. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt gegenwärtig erhebliche Unruhe in der Schullandschaft. Diese Unruhe war ursprünglich nicht in Strukturdebatten begründet, sondern darin, dass die Unterrichtsversorgung unzureichend ist und dass Stunden ausfallen.
Ich kann Ihnen sagen: An der Schule, an der meine Kinder unterrichtet werden - einer Schule, die ich für sehr leistungsfähig und sehr förderungswürdig halte, einer Gesamtschule nämlich -, gibt es dieses Problem auch. Dieses Problem muss gelöst werden. Die Eltern und die Kinder brauchen eine bessere Unterrichtsversorgung. Natürlich brauchen wir auch eine Qualitäts- und Strukturdebatte, weil es nie einen statischen Zustand gibt.
Aber wenn ich mir die Aufgaben angucke, die wir im Bildungssystem zu lösen haben, dann stelle ich erst einmal fest, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht das Problem hat, dass es hier zu wenig Haupt- oder Realschüler gibt, sondern dass die Zahl der Hochschulabsolventen hier im inter
Das ist nicht nur eine Frage der so genannten internationalen Konkurrenzfähigkeit, sondern auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, denn damit werden Lebenswege vorprogrammiert. Wenn Länder wie Spanien und Griechenland hier höhere Quoten vorweisen können als Deutschland, frage ich mich natürlich, wo da der Wurm liegt. Der Wurm liegt nicht darin, dass wir hier eine Orientierungsstufe haben und diese zu kurz, nämlich nur auf zwei Jahre, angelegt ist, sondern der Wurm liegt darin, dass wir die Kinder nicht ausreichend begabungsgerecht nach vorne bringen. In Deutschland erreichen zu wenig Kinder höhere Bildungsabschlüsse bzw. erreichen zu viele Kinder zu niedrige Bildungsabschlüsse, obwohl das eigentlich an ihren Möglichkeiten vorbei geht.
Da frage ich mich - auch aus der Erfahrung eines Elternteils von Kindern, die in eine Gesamtschule gehen -: Welche Erfahrungen machen wir denn da? - Von der CDU wird hier die Behauptung aufgestellt, die Gesamtschule sei gescheitert. Ich kann feststellen, dass die Gesamtschulnachfrage in Niedersachsen gegenwärtig nicht befriedigt werden kann. Die Gesamtschulen lehnen immer noch jede Menge Kinder ab, die sie nicht aufnehmen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, Sie nehmen den Elternwillen ernst. Sie haben doch bei der Landesregierung eingefordert, sie solle endlich den Elternwillen akzeptieren. Wie ist das denn hier mit dem Elternwillen? - Der Elternwille wird in diesem Bereich nicht befriedigt.
Die Gesamtschulen leisten Hervorragendes. Gucken Sie sich doch einmal an, wie viele Kinder die Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe ins Abitur bringen, die an anderen Schulen diese Chance nicht bekommen hätten, weil sie die Abzweigung nicht bekommen hätten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mir jetzt allerdings den Vorschlag des Kollegen Gabriel angucke, den die Ministerin eben in einer Art Salonakt für sich mit übernommen hat, dann komme ich nicht zu dem Ergebnis, dass diese Zielvorstellung, zu gerechteren und besseren Bildungsabschlüssen zu kommen, damit erreicht wird. Was macht der Kollege Gabriel? - Er greift einen Teil der Vorstellungen der CDU, die das Bildungssys
tem der 60er-Jahre wieder inthronisieren will, auf, indem er anstatt einer Dreiklassengesellschaft eine Zweiklassengesellschaft einführt. Wer das Gymnasium ab der 4. Klasse wieder einführen will, der nimmt in Kauf, dass die Grundschullehrer in der 4. Klasse darüber entscheiden, welchen Bildungsweg die Kinder zukünftig gehen werden.
- Ja, aber Sie haben das doch eben selbst kritisiert. Gabriel schlägt ernsthaft vor, dass den Kindern zwangsweise verordnet wird, in welche Schulform sie in der 5. Klasse zu gehen haben. Das ist doch ein Zweiklassenbildungssystem! Dieses Zweiklassenbildungssystem wird nicht dadurch aufgehoben, dass die Kinder, denen die 5. Klasse einer bestimmten Schulform zwangsweise verordnet worden ist, dann in der 7. Klasse theoretisch die Chance haben zu wechseln. Vielmehr wird es, wie es bei den Gymnasien jetzt auch schon festzustellen ist, die Tendenz geben, die eigene Aufzucht, sage ich mal, das Erziehungswerk der eigenen 5. und 6. Klasse, zu privilegieren und sehr negativ darauf zu reagieren, wenn Schülerinnen und Schüler aus der 5. Klasse einer anderen Schulform aufsteigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage mich, wo das sozialdemokratisch ist.
Für sozialdemokratisch und sogar für sozial hielte ich es allerdings, darüber nachzudenken, die Orientierungsstufe zeitlich zu verlängern und die Kooperationsformen mit anderen Schulformen zu erweitern. Das wäre ein Weg in die richtige Richtung. Das würde die Begabtenförderung ermöglichen, das würde Chancen erhöhen, das wäre eine fortschrittliche Bildungspolitik. Der Weg, ein Zweiklassenschulsystem einzuführen, ist aus meiner Sicht bildungspolitisch reaktionär und populistisch gegenüber der rechten Opposition, die hier offensichtlich die Hoheit über den Stammtischen hat.
Herr Kollege Busemann, ich weiß wirklich nicht, was Sie unter „Klassenkampf“ verstehen. Jedenfalls habe ich bei Ihnen davon nichts gemerkt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat heute Morgen in der Beantwortung einer Kleinen Anrage gesagt, die Landesregierung schätze den offenen Meinungsbildungsprozess.
Wir haben im letzten Jahr erleben dürfen, wie ein solcher offener Meinungsbildungsprozess bei der Landesregierung aussieht: Im letzten Jahr hat sich der Landeselternrat über die OS beschwert. Daraufhin hat die Ministerin gesagt, die OS habe in Niedersachsen Tradition - das hat der alte Kultusminister auch immer gesagt -, und sie bleibe erhalten. Auch Eckhard Fasold als schulpolitischer Sprecher hat gesagt, man halte an der Orientierungsstufe fest. Dann kam wieder der Ministerpräsident und hat seine anders lautende Meinung veröffentlicht. Dann kam die Ministerin und hat gesagt, sie sei der Meinung des Ministerpräsidenten. Dann kam die SPD-Fraktion und war auch der Meinung des Ministerpräsidenten. Und nachdem der Ministerpräsident dann eine ganz neue, ganz andere Meinung verkündet hat, erleben wir heute, dass die Kultusministerin jetzt, entgegen ihrer Antwort vor einigen Wochen, wieder der Auffassung des Ministerpräsidenten ist. Und auch die SPD-Fraktion spendet Beifall und ist der Meinung des Ministerpräsidenten, obwohl das vor einigen Wochen noch anders war.
(Ontijd [CDU]: Völlig richtig! - Koch [CDU]: Ich sage nur: Selbständigkeit der Fraktion und Glaubwürdigkeit!)
Also, der Ministerpräsident bildet seine Meinung, und die Prozession folgt ihm. Was in der Landesregierung stattfindet, ist also eine Meinungsbildungsprozession und kein Meinungsbildungsprozess.
Mit dieser Kritik wird die zuständige Ministerin leben müssen. Es ist nun einmal passiert, und wir als Opposition können es uns natürlich nicht entgehen lassen, darauf hinzuweisen. Der Kollege Busemann hat das getan, obwohl ich mir gewünscht hätte, dass wir einen fachlicheren Aufschlag gehabt hätten. Ich glaube, Herr Kollege Busemann, die Debatte wäre dann besser geworden.
uns mittlerweile darin einig, dass sich bei der 5. und 6. Klasse etwas verändern muss. Die zweijährige Schulform Orientierungsstufe soll es in Zukunft nicht mehr geben.
Ich glaube, davon können alle im Lande ausgehen. Der von einigen geführte Kampf für den Erhalt der Orientierungsstufe braucht nicht mehr geführt zu werden. Es wird sich etwas ändern. Wir setzen uns jetzt nur darüber auseinander, was sich ändern wird.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ist es doch gut und richtig, dass wir wissenschaftlichen Rat in Anspruch nehmen, erst einmal genau hingucken lassen, wie es in unserem Lande aussieht und wie die Alternativen aussehen könnten. Ich fürchte nur, dass diese Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden sagen können, was auch immer sie wollen. Die Entscheidung der Landesregierung scheint schon gefallen zu sein, und zwar in Richtung vierjährige Grundschule und anschließende Aufteilung der Kinder in die weiterführenden Schulen. Dies, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, widerspricht wirklich allem, was sozialdemokratische Schulpolitik je gewesen ist.
Die Ministerin hat sich hier hingestellt und hat gesagt, wir müssten uns den europäischen Standards angleichen. Im europäischen Ausland aber kennt fast niemand mehr eine vierjährige Grundschule mit einer anschließenden Aufteilung der Kinder in ein gegliedertes Schulwesen. Dort gehen alle Kinder in der Regel sehr viel länger miteinander zur Schule, als das hier in der Bundesrepublik Deutschland und somit auch in Niedersachsen der Fall ist. An dieser Stelle kann ich feststellen: Die einzige Fraktion, die hier in diesem Hause bezüglich der sechsjährigen Grundschule Europäerin ist, ist meine Fraktion. Alle anderen werden diesen Maßstäben nicht gerecht.