Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

In diesem Zusammenhang müssen wir auch einmal darüber sprechen, wie der Geschichtsunterricht heute in der Praxis abläuft. Es ist so, dass insbesondere der Geschichtsunterricht aus vielerlei Gründen oftmals von fachfremden Lehrkräften abgehalten werden muss. Das führt dazu, dass vielleicht nicht gerade der hochinteressante Unterricht geboten werden kann, der eigentlich notwendig wäre, um den Schülerinnen und Schülern eine solch schwierige Materie zu vermitteln.

Bei dieser Gelegenheit müssen wir auch darüber reden, wie sichergestellt werden kann, dass in dem Kontext der gesamten Bandbreite der Geschichte die richtigen Inhalte vermittelt werden, sodass es hier keine Beliebigkeit gibt.

Wir müssen auch darüber reden, dass gerade in Nebenfächern oftmals Stunden ausfallen. Wenn ein Schulleiter in die Situation gerät, Unterricht ausfallen lassen zu müssen, weil er zu wenig Lehrer hat, dann lässt er natürlich nicht Deutsch oder Mathematik ausfallen, sondern dann fällt Geschichte aus. Das ist bedauerlich. Wir brauchen den verpflichtenden Unterricht in dem Fach Geschichte, und zwar gegeben von gut ausgebildeten Lehrkräften. Nur dann können unsere jungen Leute überzeugend gegenhalten, wenn z. B. Lügen über die Vernichtung der Juden in Deutschland erzählt werden.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen sehr kritischen Aspekt einbringen. Wir haben gerade über den Haushaltsansatz für die Landeszentrale für politische Bildung diskutiert. Vor dem Hintergrund der Brandanschläge auf jüdische Gotteshäuser ist es ein falscher Weg, die Haushaltsmittel für Schulfahrten nach Bergen-Belsen zu kürzen. Darüber sind wir uns wohl einig. Wir müssen intensive Bemühungen darauf richten, die jetzt verlorenen Haushaltsmittel eventuell wieder zurückzuholen. Das Interesse an Geschichtsunterricht wird vor allem über Betroffenheit und über die Schaffung aktueller Bezüge erzeugt. Durch die Besuche in Bergen-Belsen erzeugen die Geschichtslehrer diese Betroffenheit. Es gibt den aktuellen Bezug, und nicht zuletzt müssen wir, wie gesagt, alles daransetzen, dass das wieder in den Haushalt eingestellt wird.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Situation der jungen Menschen, die sich in einer persönlichen und beruflichen Perspektivlosigkeit befinden. 100.000 junge Menschen verlassen unsere Schulen ohne einen Abschluss, d. h. im Prinzip auch ohne Chance auf einen Beruf, der sie ausfüllt. Wenn uns Berufsschuldirektoren heute sagen, dass die Hälfte der jungen Menschen, die im BVJ unterrichtet werden, direkt aus der Schule in die Sozialhilfe gehen, dann müssen bei uns hier die Alarmglocken läuten. Genau das Potential dieser jungen Leute wird von Rechtsradikalen rekrutiert, wenn ich das einmal so sagen darf, und zwar mit einfachsten Versprechungen. Jeder, der sich, was seine Lebensperspektiven anbetrifft, in einer gesicherten Position befindet, kann diese Versprechungen nur als lächerlich empfinden, aber derjenige, der sich in einer ausweglosen Lebenssituation befindet, nimmt so etwas eben auf, saugt das in sich auf und kann verblendet werden.

Das Dritte sind die fehlenden Wertmaßstäbe. Insbesondere junge Menschen suchen Antworten nicht nur auf lebenspraktische Fragen und auf lösbare Probleme, sondern sie stellen auch lebensbedeutsame, so genannte letzte Fragen wie etwa: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? - Die Schulen haben den Auftrag, hierbei Orientierung zu geben, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich bezweifle, dass unsere Schulen angesichts der bestehenden schwierigen Rahmenbedingungen und der Masse von Aufgaben, die ihnen außerhalb von Erziehung und Bildung noch übertragen werden, dazu heute in der Lage sind.

Die wachsende Vielfalt der Standpunkte, Lebensentwürfe und Weltanschauungen in einer international geprägten und technisierten Welt macht mehr Orientierung erforderlich. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den Religionsunterricht verweisen. Dem Religionsunterricht kommt hierbei eine ganz besondere Bedeutung zu. Der grundgesetzlich verankerte Religionsunterricht hat sich als Orientierungs- und Sinngebungsinstanz bewährt, und er muss erhalten bleiben. Ich möchte das noch bekräftigen: Je stärker sich der Religionsunterricht der biblischen Botschaft und dem Versöhnungsauftrag zuwendet, umso wirksamer immunisiert er gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn wir uns darüber einig sind, dass das so ist, dann müssen wir auf den

Missstand, dass an manchen Schulen gar kein Religionsunterricht mehr gegeben wird, aber auch viel deutlicher, als wir das schon tun, hinweisen.

An unseren Schulen muss sich doch noch viel tun das ist wohl deutlich geworden, und das unterstützen Sie und wir gemeinsam; in dieser Frage wird es wohl einen gemeinsamen Antrag geben -, damit Gewalt und Rassismus kein Nährboden gegeben wird. Über gute Bildung erhält man die Urteilskraft, die Selbständigkeit, die Verantwortungsbereitschaft, die Toleranz, die Kultur- und Weltoffenheit, die Problemlösungskompetenz und die Kreativität, die den Menschen gemeinschaftsfähig machen. Erziehung zu Gewissenhaftigkeit und moralischer Urteilskraft dient der inneren Stabilität und der Selbständigkeit. Das alles steht gegen Dummheit, gegen Perspektivlosigkeit und gegen Werteverlust.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

(Zustimmung bei der CDU und der SPD)

Nun erhält Frau Kollegin Litfin das Wort. Bitte sehr!

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich sagen, wir alle müssen gemeinsam aufpassen, dass wir das Problem Rechtsradikalität und die Probleme, die unsere nichtdeutschsprachigen Mitbürger und Mitbürgerinnen in diesem Lande haben, nicht auf eine falsche Art und Weise vermischen. Denken Sie bitte immer daran: Dass es Rechtsradikalität gibt, liegt nicht daran, dass wir hier nicht integrierte Ausländer und Ausländerinnen haben. Latent war Rechtsradikalität bei uns immer vorhanden. In den letzten Jahren hat sich nur ein Klima entwickelt, in dem sich Rechtsradikalität artikulieren kann, in dem sie aus ihren Ecken herauskommen kann, in dem sie, wie wir das mit Schrecken beobachten, auch zuschlagen kann.

Die Opfer dieser Rechtsradikalen sind immer Menschen, die anders sind. Es sind nicht nur Ausländer und Ausländerinnen, sondern Opfergruppen sind auch - das dürfen wir nicht vergessen Schwule und Lesben. Das ist in diesem Hause bisher noch nicht erwähnt worden, ist auch in der Resolution, die wir in der letzten Plenarsitzung hier

verabschiedet haben, nicht vorgekommen, was mir Leid tut, weil ich meine, dass dann, wenn wir alle Opfergruppen gemeinsam benennen würden, deutlicher würde, dass sich, wenn es diese Opfergruppen nicht gäbe, die Rechtsradikalen andere Opfergruppen, andere Menschen suchen würden, die anders sind,

(Beifall bei den GRÜNEN)

um ihre Anschläge zu verüben und um ihre Politik noch hoffähiger zu machen. Trotzdem bin ich froh, dass wir so ernsthaft wie noch nie über die Integration nichtdeutschsprachiger Mitbürger und Mitbürgerinnen in unserer Gesellschaft geredet haben. Wir alle gemeinsam sind jetzt in der Lage, zu artikulieren, dass es in diesem Bereich Defizite gibt und dass wir als Gesellschaft verstärkte Anstrengungen unternehmen müssen, um das Zusammenleben mit nichtdeutschsprachigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern harmonischer zu organisieren, als wir es bisher trotz unserer jahrzehntelangen Migrationserfahrungen geschafft haben.

Aber wir müssen uns auch fragen: Was leben wir denn vor? Was wird denn in den Schulen vorgelebt? Kinder, deren Herkunft nicht deutsch ist, werden doch nicht als Bereicherung, sondern als Problem empfunden. Wir haben es doch bis heute nicht geschafft, darauf hinzuweisen, dass Vielfalt - gerade angesichts der Globalisierung - gut ist, dass Vielfalt das Gegenteil von Einfalt ist und dass Vielfalt etwas ist, das wir anstreben müssen. Wir haben es nicht geschafft, die Vielfalt in unseren Schulen positiv und nutzbringend für uns zu sehen. Dabei stelle ich immer wieder fest, dass die Kinder - insbesondere kleine Kinder - zunächst sehr offen sind. Als mein Sohn noch relativ jung war, hat er mir einmal gesagt: Warum fragst du mich denn, ob das ein Türke ist. Das ist ein Hildesheimi, der ist hier in der Nordstadt geboren. Woher seine Eltern kommen, ist doch ganz egal. Er ist hier groß geworden, und er ist ein Hildesheimer und kein Türke. - Das hat mich damals ziemlich beeindruckt.

(Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

Ich höre von Kindern und Jugendlichen immer wieder, dass sie es zunächst nicht als Problem empfinden, dass sie mit Kindern zusammen sind, die anders sind als sie, sondern dass sie bereit sind, von ihnen zu lernen. Aber was lassen wir in den Schulen zu, und was lassen wir allgemein in der

Gesellschaft an Lernprozessen voneinander zu? Unser Bestreben geht doch eher dahin, dass Migranten- und Migrantinnenkinder von deutschen Kindern lernen. Umgekehrt findet das aber nur sehr selten statt.

Was muss eigentlich in Schulklassen bei einzelnen Kindern und Jugendlichen für ein Lernprozess stattfinden, wenn sie herausbekommen, dass einer ihrer Mitschüler abgeschoben werden soll, wenn sie sich gemeinsam dagegen aussprechen, dass dieser Freund, den sie schätzen gelernt haben und mit dem sie keine Partnerschaft oder Patenschaft haben, Silva Seeler, sondern eine Freundschaft, abgeschoben werden soll? Welche Lernprozesse laufen ab, wenn die Kinder und Jugendlichen erfahren, dass alle ihre Bitten und Aktionen, die sie für dieses ausländische Kind veranstalten, ins Leere laufen und der Staat sagt: „Dieses Kind gehört nicht zu uns, es muss zurück in sein Heimatland.“? Ich meine, dies sind auf keinen Fall Bildungsprozesse, die dazu führen, den Integrationsgedanken zu stärken, sondern eher zum Gegenteil.

Es ist ein sehr weites Feld, das wir zu bearbeiten haben. Ich bin der SPD-Fraktion dankbar dafür, dass wir anfangen, dieses Feld mit einem Einzelaspekt zu bearbeiten, nämlich dem, was in Schulen stattfindet.

Ich wäre froh und glücklich, wenn wir zu den nächsten Plenarsitzungen je einen Antrag zu anderen Fachbereichen hätten, die wir gemeinsam bearbeiten, bzw. dazu, was wir dort unternehmen wollen, damit wir die Rechtsradikalität in unserer Gesellschaft wieder eindämmen können und uns gemeinsam auf den Weg zu einer offenen und freien, akzeptierenden und vielfältigen Gesellschaft begeben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Ältestenrat hat empfohlen, den Antrag zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Kultusausschuss sowie zur Mitberatung an die Ausschüsse für Jugend und Sport, für innere Verwaltung sowie für Wissenschaft und Kultur zu

überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Für bessere Abschreibungsbedingungen und gegen eine Verschlechterung der Nutzungsdauer von Anlagegütern - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1893

Der Antrag wird von dem Kollegen Dinkla eingebracht, dem ich das Wort erteile.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich nicht einfach, den Übergang von „Gewalt und Rassismus“ auf „Abschreibungsbedingungen“ zu schaffen. Aber ich werde es versuchen.

Das Letzte, was Wirtschaft, Industrie und Mittelstand gegenwärtig in einer Phase des sensiblen Aufschwungs brauchen können, ist eine realitätsfremde Verschärfung der Abschreibungstabellen als staatlich verordnetes Programm zur Drosselung von Investitionen. Damit würde das, was als zartes Pflänzchen Hoffnung aus der Steuerreform sprießt und zum Teil im Hinblick auf Erleichterungen erst im Jahr 2005 greift, wieder konterkariert.

Interessant ist dabei immer wieder die politische Begründung, dass sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom November 1997 quasi ein Handlungszwang zur Verschärfung der Abschreibungsmöglichkeiten ergebe, der umgesetzt werden müsse. Dies ist schlicht und ergreifend falsch, meine Damen und Herren. Diese Beweisführung ist unzutreffend, weil die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber nicht zum Handeln auffordern kann und dies in diesem speziellen Fall auch nicht getan hat. Insofern sollte die Politik auch ehrlich bleiben, weil die erwähnte BFHEntscheidung zu Mietwagen wirklich einen Sonderfall darstellt.

Die bisherigen Vorschläge des BMF gehen weit über den Anwendungsbereich der Entscheidungsgründe des Urteils hinaus und verschärfen in der Wirtschaft, bei der Industrie und vielen aktiven Investoren das Gefühl, der Staat will sich sozusagen über die kalte Küche weitgehend das wieder

holen, was er durch das Steuersenkungsgesetz an Erleichterungen versprochen hat. Für weite Bereiche der Wirtschaft - insbesondere für den großen Bereich der Personengesellschaften und Einzelunternehmer - sind das bislang Versprechungen, weil die hoch gepriesenen Steuererleichterungen erst im Jahr 2005 voll zur Geltung kommen.

Wenn man nun bereits über die Verschärfung der AfA mit Wirkung ab Januar 2001 auch für die Bereiche Handel, Handwerk und Gewerbe nachdenkt, die in absehbarer Zeit noch gar keine spürbaren Vorteile erhalten, ist das schon ein starkes Stück und zeigt, wie wenig Gespür man in dieser Regierung für die Belange des Mittelstands hat.

(Beifall bei der CDU)

Im Klartext heißt das: Die Bundesregierung will Instrumente haben, die die Firmen zu einer höheren Gewinnausweisung zwingen.

Lassen Sie mich auch noch etwas zu der ständigen Behauptung sagen, die Abschreibungsbedingungen in Deutschland seien im europäischen und internationalen Vergleich unverhältnismäßig gut und ordentlich. Die schlichte Wahrheit ist: Wir sind auch hier nur Mittelmaß. Hätte sich das BMF mit den ersten Überlegungen zu den AfA-Tabellen durchgesetzt, hätte Deutschland die mit Abstand schlechtesten Abschreibungsbedingungen gehabt. Jetzt Neuregelungen zu schaffen, die uns als Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb zurückwerfen, wäre fast ein Schildbürgerstreich.

Wir können uns wahrlich auch keine weiteren politisch selbst gestrickten Wettbewerbsnachteile leisten. Davon haben wir wahrlich bereits genug: im Speditionsgewerbe, bei den Gärtnereien, in der Landwirtschaft und in vielen anderen Bereichen - vom Etikettenschwindel Ökosteuer ganz zu schweigen, der auch zum Schaden und Nachteil des Wirtschaftsstandorts Deutschland im rotgrünen Alleingang umgesetzt worden ist. Dafür gibt es Beispiele.

Es bleibt mir unverständlich, weshalb man bei der AfA-Nutzungsdauer in den neuen Tabellen nicht wenigstens versucht, eine stärkere Harmonisierung anzupeilen. Bestimmte Verarbeitungsmaschinen haben in Frankreich und in den Niederlanden eine Nutzungsdauer von fünf Jahren und werden in diesem Zeitraum abgeschrieben. In Deutschland ist dies nach den bisherigen Plänen nach 18 Jahren der Fall. Teilweise sind die neuen Abschreibungstabellen also geradezu ein Anachronismus. Das zeigt

auch einen Blick auf die internationale Konkurrenz. Ein Flugzeug ist in Großbritannien nach vier Jahren und in den USA nach sieben Jahren abgeschrieben. Deutsche Luftfahrtgesellschaften haben den Flieger nach geltendem Recht 14 Jahre in den Büchern stehen. Künftig sollen es nach den bisherigen Plänen des BMF 25 Jahre sein. Hier hat wohl der Verteidigungsminister Scharping mit den Einsatzjahren der Phantom-Flieger Pate gestanden.

Wenn ich mir überlege, dass gerade die Luftfahrt im Interesse der Fluggäste ein Bereich mit höchstem Sicherheitsstandard sein muss, darf das so nicht Wirklichkeit werden, meine Damen und Herren.

Es gibt viele andere Beispiele, die belegen, dass wieder einmal alles mit deutscher Perfektion im Detail mit entsprechender Präzision und Differenzierung mit unterschiedlichsten Regelungen festgelegt werden soll: von Verkaufstresen über Passbildautomaten bis hin zu Toilettenkabinen auf Rollen. Hier wird die bisherige Nutzungsdauer von fünf auf zwölf oder 15 Jahre erhöht.

Meine Damen und Herren, ob das deutsche Finanzwesen daran genesen kann, dass bei den Toilettenkabinen die Abschreibungsbedingungen verschlechtert werden, daran habe ich große Zweifel.

(Beifall bei der CDU)

Eine Beschäftigungstherapie für Steuerberater, Betriebsprüfer und Firmeninhaber mit vorprogrammiertem Streit bei Betriebsprüfungen wird das Ergebnis sein. Warum um alles in der Welt nutzen wir nicht auch hier die große Chance zur Verwaltungsvereinfachung? - Alle Reden zur durchgreifenden Vereinfachung bei der Steuerreform haben eigentlich nur noch „Servus“-Qualität nach dem Motto: wisch und weg. Die meisten Länder unternehmen gar nicht wie Deutschland den Versuch, Abschreibungsgesetze in komplizierten, aus über 100 verschiedenen und in der Nomenklatur häufig veralteten Abschreibungstabellen festlegen zu wollen. Abschreibungsbedingungen, meine Damen und Herren, sind Wettbewerbsbedingungen. Sie müssen einfach, durchschaubar und auch pragmatisch festgelegt sein. Wenn der Gesetzgeber so wie jetzt anfängt, Abschreibungsbedingungen als Gegenfinanzierung für eine Steuerreform zu missbrauchen, dann kann das nur schief gehen.

Eines darf nämlich nicht vergessen werden: Durch die Absenkung der degressiven Abschreibung von 30 % auf 20 % im Steuersenkungsgesetz ist ja bereits eine deutliche Verschlechterung mit einem Belastungsvolumen für die Wirtschaft von 13,4 Milliarden DM eingetreten. Es gibt viele Beispiele dafür. Durch alle Zeitungen geht das Beispiel von dem Druckereibesitzer mit der Druckmaschine, der bislang bei einer Investition von 600.000 DM nach altem Recht im Anschaffungsjahr 180.000 DM abschreiben konnte und jetzt nur noch rund 90.000 DM abschreiben kann. Der Steuer- und Liquiditätsnachteil kann eben nicht deutlicher sein. Er setzt sich auch über die Jahre fort. Die Liquiditäts- und Zinsnachteile aus der Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen sind gravierend. Das ist so, und das kann man nachvollziehen. Wer ein bisschen von Wirtschaft Ahnung hat, der weiß das auch. Deshalb sollte die Bundesregierung auch aufhören, immer wieder zu beteuern, sie wolle eigentlich die Veränderung der AfA-Tabellen auf den Wert von insgesamt 3,5 Milliarden DM begrenzen. Im Ergebnis werden diese Auswirkungen wesentlich gravierender sein, weil Investitionen nicht nur zeitlich verschoben werden, sondern viele kleine und mittlere Unternehmen Investitionen ganz streichen werden. Deshalb sehe ich die Gefahr, dass die jetzigen Belastungen schöngerechnet werden, um Akzeptanz zu erreichen. Die konkreten Auswirkungen werden dann insgesamt über die Jahre hinweg ein politischer Tiefschlag werden, der zum bösen Erwachen führen wird.