Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

Die Antwort lautet ganz eindeutig - ich wiederhole meinen Satz -: Die Region muss nicht 135 Millionen DM aufbringen, wie sie zugesagt

hat, sondern nur 105 Millionen DM, weil wir die Ergebnisse, die wir da haben, mit der Region teilen wollen. - Das ist ganz eindeutig. Dazu haben wir ein Verfahren verabredet, und so machen wir das. Das dient dazu, die Torpedierungsversuche gegen die Autobahn durch Abgeordnete der CDU/CSU im Deutschen Bundestag zu verhindern.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

In dem Satz waren offenbar Semikola enthalten.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wir kommen damit zu

c) Ein links, zwei rechts, drei fallen lassen Kabinettsumbildung in Niedersachsen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/2002

Das Wort hat die Kollegin Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben dieses Thema für die Aktuelle Stunde heute nicht etwa beantragt, um uns wirklich schon mit der neuen Aufstellung des niedersächsischen Kabinetts auseinander zu setzen. Das wäre zu früh, wäre auch unfair gegenüber den Neuen, die da kommen sollen. Ich will dazu nur drei Anmerkungen machen.

Von Herrn Pfeiffer meinen wir, dass er eigentlich ein Aktivposten sein könnte - wenn die Fraktion ihn denn unterstützen würde - gegen die Law-andorder-Mentalität, die unser Ministerpräsident in der Innenpolitik immer wieder an den Tag legt, wobei er auch immer wieder den Schulterschluss mit Herrn Stoiber sucht.

Über Frau Trauernicht wollen wir heute nur unsere Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass der „Spiegel“ in dieser Woche mit einem schlecht recherchierten Artikel an die Öffentlichkeit gegangen ist und dass das, was im „Spiegel“ über Frau Trauernicht zu lesen war, nur Äußerungen neidischer hanseatischer Genossen gewesen sind. Ich hoffe jedenfalls nicht, dass dieser Filz aus der Hansestadt jetzt ins Land Niedersachsen hineinwächst.

Es bleibt noch Frau Knorre. Dazu nur die folgende Anmerkung: Bei dieser - ja - bedenklichen Nähe zwischen der Preussag und der Niedersächsischen Landesregierung, die immer wieder kritisiert worden ist und die wir im Zusammenhang mit der Arbeit des Arbeitsdirektors der Preussag hier als Landtagsabgeordneter kritisiert haben, muss man aufpassen, dass diese Personalentscheidung vor dem Hintergrund der aktuellen neuen Diskussion, der neuen Vorwürfe gegen die Preussag und des Vorgehens der Preussag rund um den Verkauf in Salzgitter nicht ein durchaus missverständliches Signal sein könnte.

(Möllring [CDU]: Das kann man wohl sagen!)

Aber jetzt zu der Frage, warum wir es eigentlich für nötig halten, die Vorgänge der letzten Tage, eigentlich der letzten Monate, an prominenter Stelle in diesem Landtag zu diskutieren. Wir wollen darüber reden, weil wir den Ablauf insgesamt für wirr und einer Landesregierung nicht für angemessen halten.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir halten den Umgang mit Ministern in diesem Kabinett für illoyal

(Zustimmung bei der CDU)

und eigentlich auch nicht für im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der CDU)

Wir machen uns Gedanken darüber, wie die Interimszeit zwischen dem heutigen Tage und dem nächsten Plenartagungstermin bzw. Berufungstermin ausgefüllt werden soll. Wir finden, dass die Pulverisierung der Regierungsfraktion gefährliche Formen annimmt. Den Umgang, der in dieser ganzen Sache der Kabinettsumbildung mit der Öffentlichkeit gepflegt worden ist, halten wir für skandalös.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Gabriel, was war eigentlich das Ziel dieser Kabinettsumbildung? - Sie erinnern sich sicherlich noch selbst an Ihre Reformideen.

(Decker [CDU]: Das ist Geschwätz von gestern!)

Aber geht es hier wirklich um eine Reform? Wo sind denn diese energischen und tiefen Schnitte ins eigene Fleisch, die Sie früher angekündigt haben? Ich meine, dass Ihnen in den vergangenen Monaten einiges von Ihrem ehemals jugendlichen Ehrgeiz abhanden gekommen ist

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

und dass Sie große Chancen für strukturelle Veränderungen verpasst haben. Ging es um eine Verjüngung der Kabinettsmannschaft? - Die erste Frage ist dann natürlich, warum der älteste Minister, der auch als Europaminister bisher keine herausragende Rolle spielt, bleiben darf.

(Widerspruch bei der SPD)

Ging es vielleicht darum, dass Sie mehr Frauen in das Kabinett holen wollten? Auch von dieser Vermutung konnte man etwas lesen. Aber warum musste dann die dienstälteste und bewährteste Frau gehen? Ist es richtig, dass Sie Frau Merk noch versprochen haben, dass sie bleiben könne? Warum musste ein Wolf Weber, der noch vor wenigen Wochen hoch gelobt wurde, gehen?

Wir finden alles in allem, dass wenig Klartext gesprochen wurde und dass anstelle der Lobhudelei, die in den letzten Tagen in Erklärungen aus Regierungskreisen gepflegt wurde, doch deutlicher hätte gesagt werden müssen, aus welchen Gründen wer gehen muss und aus welchen Gründen wer neu in das Kabinett geholt wird.

Ich finde, dass Sie, Herr Gabriel, dem Ruf bzw. dem Ruf, den Sie gerne über sich verbreiten, nämlich dass Sie ein Mann der klaren Worte und des direkten Handelns sind, überhaupt nicht gerecht geworden sind. Sie haben eher dafür gesorgt, dass in den letzten Monaten in einer furchtbaren Gerüchteküche amtierende Minister, und zwar nicht nur die drei - ich kann Ihnen noch eine Reihe anderer nennen -, gar gekocht worden sind. Jetzt haben Sie diese drei, die Sie letztlich aus dem Kabinett herausschießen, auch noch so weit gedemütigt, dass sie freiwillig gegen ihren Willen Rücktrittsgesuche unterzeichnen müssen. Ich finde dieses Vorgehen bei aller Jugendlichkeit und Unerfahrenheit im Amt skandalös.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Möllring (CDU): Das ist die neue soziale Kälte!)

Das Wort hat der Abgeordnete Plaue.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Harms, das ist nun wirklich ein starkes Stück! Sie werfen dem Ministerpräsident, dem Kabinett und der Fraktion IIloyalität gegenüber Kabinettsmitgliedern vor. Sie stellen Abwahlanträge, diskutieren unterhalb der Gürtellinie über Personen und drücken dann auf die Tränendrüse. Das nimmt Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, doch niemand mehr ab.

(Beifall bei der SPD)

Die Tatsache, dass sich eine Kabinettsumbildung nicht nach der Melodie vollzieht „Die Alten haben abgedient, räumen ihren Schreibtisch, und morgen sind die Neuen da“, ist in Ihren Vorstellungen nicht enthalten. Es kommt in Ihrer Weltanschauung nicht vor, dass ein Wechsel, den ein neuer und junger Ministerpräsident in der Wahlperiode vornimmt, um sich sein Kabinett zusammenzustellen, auch so organisiert werden kann, dass die Leute einen Übergang finden können. Aber dann ist es eben so. Wir sind dabei, Normalität zu organisieren, und dabei bleiben wir.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Diese Kabinettsumbildung ist zunächst nach politischen und inhaltlichen Konzepten angelegt worden und danach nach Personen.

(Decker CDU: Erzähle mal!)

- Meine Damen und Herren, wenn Sie „Erzähle mal!“ dazwischen rufen, dann sage ich Ihnen Folgendes: Wenn Sie nicht verstanden haben, dass das Profil eines Kabinetts auch dadurch gesteigert werden kann, dass man sich z. B. Sachverstand von außen hereinholt, dass man z. B. einen Wechsel zwischen Wirtschaft und Wissenschaft auf der einen Seite und Politik auf der anderen Seite nicht nur immer verbal in Sonntagsreden fordert, sondern auch praktizieren kann, dann haben Sie Ihre eigenen Sonntagsreden nicht begriffen.

(Beifall bei der SPD - Möhrmann (SPD): Jawohl!)

Für das, was Siegmar Gabriel vorhat und was er gestern, vorgestern und in den Tagen davor entwi

ckelt und gemeinsam mit der Fraktion und mit der Landespartei besprochen hat, hat er die Zustimmung der Fraktion bekommen.

(Lachen bei der CDU - Zurufe - Un- ruhe)

Meine Damen und Herren, lassen Sie den Redner ausreden! - Bitte, Herr Plaue.

Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Wulff, brauche ich mir bei meinen Entscheidungen nicht den Rat des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes einzuholen, der mir vorgehalten hätte, dass das, was ich mache, falsch ist.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das Konzept ist überzeugend, und die Menschen, die gefunden worden sind, sind es auch. Ich sage deutlich, dass es auch in der Fraktion ministrable Abgeordnete gibt.

(Lachen bei der CDU und bei den GRÜNEN - Möllring (CDU): Wer denn?)

Aber im Interesse einer von mir eben genannten inhaltlichen Positionierung und im Interesse des von mir ebenfalls deutlich angesprochenen Austausches von Nichtpolitikerinnen und Nichtpolitikern in die Politik hinein ist dies eine vernünftige, eine gute und solide Entscheidung.

(Beifall bei den SPD)

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich die drei Noch-Kandidaten an! Alle drei sind Menschen, die es nicht nötig hätten, in die Politik zu gehen. Sie finden es offensichtlich attraktiv, zusammen mit Sigmar Gabriel und uns Politik zu gestalten. Ich sage, meine Damen und Herren: Sie haben Recht! - Dort die Agonie und hier die Attraktivität. So gehört sich das auch.