Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

Wenn eine solche Forderung sogar ohne einen Gegenfinanzierungsvorschlag aufgestellt wird, kann man dies nur noch als unseriös bezeichnen. Wir lehnen deshalb den Antrag der CDU ab. - Bitte sehr, Herr Rolfes, Sie können jetzt fragen.

Herr Rolfes, ich möchte Ihnen nun die Gelegenheit geben, zu fragen. Bitte schön!

Herr Abgeordneter, Sie haben gerade gesagt, dass Sie es nicht zulassen werden, dass Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Ist Ihnen denn der Sachverhalt ausreichend bekannt, dass keine direkten Subventionen, sondern privat-rechtliche Verträge mit den Gartenbaubetrieben - mit den Speditionen ist das etwas anders gelagert - vorliegen? Was wollen Sie denn konkret tun, wenn die Wettbewerbsverzerrungen es nicht zulassen wollen?

Ich denke,

(Rolfes [CDU]: Denken Sie das, oder tun Sie das?)

dass Bundesregierung und Landesregierung diese Sachverhalte im Einzelnen aufklären und dafür sorgen werden, dass es diese Wettbewerbsverzerrungen auf europäischer Ebene nicht geben wird.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentore gibt es nicht nur im Fußball, sondern auch in

der Politik. Die dürftige Anwesenheit der CDUFraktion im Plenum zeigt ja, dass Sie selber begriffen haben, dass diese Antiöko-Kampagne oder KO-Steuer-Kampagne ein klassisches politisches Eigentor geworden ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Rolfes [CDU]: Bei Ihnen ist auch nur die Hälfte da!)

Herr Kollege, eines hat die CDU damit bewiesen: Die Behauptung, dass inzwischen der Umweltschutz auch in der Christdemokratie genauso gut verankert ist wie bei den Grünen - das ließt man ja überall -, haben Sie in den vergangenen Monaten eindrucksvoll widerlegt.

Ich bin Ihnen aber für die Kampagne geradezu dankbar, denn Sie haben den Grünen und auch der rot-grünen Bundesregierung eine wunderbare Vorlage geliefert, das Instrument Ökosteuer erstens noch einmal zu erläutern und zweitens in einigen Bereichen zu korrigieren. Eine solche zweite Chance bekommt man ja nicht in jedem Fall geboten. Für uns war dies eine gute Chance, weil die sozialen Unwuchten, die es gegeben hat, diskutiert werden konnten. Wir sind nun mit einigen Maßnahmen auf einem sehr guten Weg, diese Ökosteuer so zu gestalten, dass sie tatsächlich ökologisch sinnvoll und sozial ausgewogen ist. Der Anlass Ihrer Kampagne, den Sie gewählt hatten, also der Preisanstieg für Rohöl, war meiner Meinung nach für Ihr Ansinnen völlig daneben. Nicht Ihre Kampagne ist nämlich verstanden worden, sondern der tiefe Sinn und Zweck der Ökosteuer, die Verteuerung von Energie. Es gibt wohl kein besseres Szenario, um zu zeigen, dass man teure Ressourcen wie Rohöl nicht weiter so verschleudern darf, wie das die westlichen Industrienationen gemacht haben. Ich kann Ihnen wirklich nur sagen: Sie haben mit Ihrer Kampagne ganz schlecht gelegen. Wenn man sich nun umhört - ich habe viele Infostände in der Zeit Ihrer Kampagne gemacht, die sehr gut besucht waren -, dann kann man nur feststellen, dass jeder Vernünftige im Land genau weiß, dass es richtig ist, Energie zu verteuern.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Gut, dass man es so einteilen kann: vernünftig unvernünftig!)

Wichtig ist in dem Zusammenhang auch, dass die Entfernungspauschale vernünftig verankert wird. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich zu Protokoll geben, dass wir es nicht richtig finden, wenn

die finanziellen Folgen der Beschlüsse der Bundesregierung auf die Schultern der Länder abgewälzt werden. Wir wollen, dass die Landesregierung im Bundesrat fordert, dass die Entfernungspauschale vom Bund finanziell zu tragen ist. Wir wollen nicht, dass im Zusammenhang mit der Entfernungspauschale irgendwelche Deals gemacht werden. Wir wollen auch nicht, dass da etwas verrechnet wird. Ich denke hier insbesondere an die ungeklärte Aufteilung des EXPO-Defizits.

(Frau Körtner [CDU]: Es kommt doch gar nicht darauf an, was ihr wollt!)

- Ich glaube nicht, Frau Körtner, dass es nicht darauf ankommt, was wir wollen. Wenn Sie meinen, man sollte als Opposition nichts mehr zu dem sagen, was einem wichtig ist, dann können Sie das beherzigen.

Ich bin vor einigen Wochen bei VW gewesen und kann Ihnen sagen, dass aus der Forschungsabteilung und aus dem Unternehmensvorstand heraus ein eindeutig positives Signal für die Ökosteuer und für eine lenkende Ordnungspolitik mit dem Instrument Ökosteuer gegeben worden ist. Ich bin auch ziemlich begeistert von dem gewesen, was bei VW in den letzten Monaten vonseiten der Forschung neu in Gang gesetzt worden ist. Die ehrgeizigen Projekte, die dort z. B. zum Thema neue Kraftstoffe, zum Thema neue Antriebe und neue Motoren verfolgt werden, haben mich begeistert. Die Aussage, dass eine Ökosteuer solche technischen Entwicklungen forciert, widerlegt ja das, was Sie noch bei der letzten Beratung dieses Antrags behauptet haben, dass nämlich die Ökosteuer für die Automobilkonzerne schlecht sei.

Wir werden den Antrag der CDU-Fraktion ablehnen und der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kollege Schwarzenholz erhält jetzt für seine Wortmeldung eine Redezeit von bis zu zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Weltbild, das Frau Harms eben gezeichnet hat, ist virtuell und entspricht nicht der Realität. Die Ökosteuer von SPD und Grünen verdient ihren Namen

nicht. Sie ist nicht ökologisch. Sie ist auch nicht sozial. Sie wird in den Umfragen von etwa zwei Dritteln bis drei Vierteln der Bevölkerung in dieser Form abgelehnt. Es gibt keinen Zweifel daran, dass es einer echten Ökosteuer als Instrument zum Umweltschutz bedarf. Was aber funktioniert nicht? - In einem Flächenland wie Niedersachsen funktioniert es z. B. nicht, wenn den Leuten das Autofahren verteuert wird, ihnen gleichzeitig alternative Möglichkeiten aber nicht angeboten werden, sondern die InterRegio-Verbindungen sogar noch wegfallen und andere Nahverkehrsmöglichkeiten in der Fläche nicht existieren. Jugendliche akzeptieren nicht, dass ihnen über den Benzinpreis der Geldbeutel weiter geschmälert und Mobilität genommen werden, es aber nicht gleichzeitig Möglichkeiten für eine umweltfreundliche Mobilität gibt. Deshalb ist es richtig, wenn der Minister Eichel und der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Loske, im Bundestag erklären, dass die Einnahmen sinnigerweise für ökologische Projekte verwendet werden müssten und in der Rentenfinanzierung völlig fehl sind. Die Menschen können auch nicht begreifen, dass ein Großteil der Einnahmen, die sie über die Ökosteuer bezahlen, letztendlich bei den Industrieunternehmen landen, die auf diese Weise entlastet werden und keinen Anreiz bekommen, sich ökologischer zu verhalten, weil sie bei der Zahlerseite wiederum privilegiert sind und mit minderen Steuersätzen rechnen können oder gar ganz frei gestellt werden.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, was die CDU hier macht - ich habe es schon einmal gesagt -, ist eine populistische Kampagne. Was Sie - zumindest Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin - aber machen, ist eine dauerhafte Beschädigung der Umweltinstrumente dadurch, dass man hier eine Zweckenfremdung vornimmt und auf diese Weise die Glaubwürdigkeit der Verteuerung von ökologischen Instrumenten destabilisiert. Deshalb sage ich für mich und auch für meine Partei, für die PDS: Wir sind bereit, die Ökosteuer mitzutragen, aber nur auf der Basis, dass diese Mittel auch tatsächlich für den ökologischen Umbau eingesetzt werden.

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratungen zu diesem Tagesordnungspunkt.

(Minister Aller meldet sich zu Wort)

- Herr Minister Aller, auch für einen Minister gilt: Wenn die Beratungen geschlossen sind, sind sie geschlossen. Ich möchte jetzt aber einmal eine Ausnahme machen. Bitte sehr, Herr Minister!

Herr Präsident, ich bitte um Verständnis. Aber ich sitze rechts von Ihnen, und da gucken Sie vielleicht nicht so intensiv hin.

Herr Minister, damit wir das einmal klarstellen: Sie kennen aus Ihrer parlamentarischen Tätigkeit, wie die Geflogenheiten bei der Abgabe von Wortmeldungen sind. Wenn diese Geflogenheiten nicht eingehalten werden, können Sie nicht davon ausgehen, dass das Präsidium erkennt, wer noch reden möchte. Wenn Sie Ihre Wanderungen hier unterbrochen hätten, hätten wir die Möglichkeit gehabt, Ihre Wortmeldung zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bitte Sie nun, mit Ihrer Rede zu beginnen.

Herr Präsident, in Anerkennung dessen, was Sie gesagt haben, möchte ich jetzt wenige Worte zum Thema sagen. - Zunächst möchte ich mich dem Kollegen Schwarzenholz zuwenden, der hier gerade wieder eine Legendenbildung versucht hat zur Rolle der Ökosteuer, wie sie genannt wird, und zur Bedeutung dieser Ökosteuer im Zusammenhang mit dem Steuerpaket, das in den letzten Monaten verabschiedet worden ist. Jeder, der von der CDU zu dem Thema spricht, und auch Sie, Herr Schwarzenholz, tun so, als sei die Ökosteuer in der diskutierten Konzeption völlig neu und erst in den letzten Wochen ohne jede Vordiskussion erfunden worden. Das aber ist falsch. Die Konzeption der Ökosteuer - auf der einen Seite Belastung von Energiepreisen, auf der anderen Seite aber Umlenkung der Einnahmen steuerlicherseits in die Sozialabgaben, um die Arbeit preiswerter zu machen wird schon seit Jahren diskutiert und wird vom Grundsatz her auch von allen getragen. Kurzfristig haben dies aber einige vergessen, weil es populistisch ist, jetzt so zu tun, als sei die Ökosteuer - aus dem gesamten Steuerpaket herausgenommen - eine Fehlsteuer. Das aber ist falsch. Deshalb können die Zahlen, die bis zum Jahr 2003 hinterlegt sind, aus

den Haushalten und aus den mittelfristigen Finanzplanungen nicht wegdiskutiert werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Dinkla, Sie wissen das besser als viele andere in diesem Hause. Wer die Ökosteuer so, wie sie jetzt angelegt ist, neutralisieren, abschaffen oder stoppen will, muss die entsprechenden Milliardenbeträge an anderer Stelle mobilisieren. Wir reden über fast 100 Milliarden DM, die den Sozialversicherungen über die Ökosteuer zugeleitet werden sollen. Wenn Sie das nicht wollen, müssen Sie andere Steuererhöhungen oder andere Steuermehreinnahmen anbieten, um eine Deckung zu erzielen. Die haben Sie aber nicht. Ich habe nicht gehört, dass Sie die Mehrwertsteuer erhöhen wollen. Das wäre doch eine Alternative: CDU für höhere Mehrwertsteuer statt für Ökosteuer. - Das wäre ja eine ehrliche Antwort. Sie könnten aber auch sagen: Wir erhöhen die Schulden oder senken die Nettokreditaufnahme nicht. - Aber auch das haben Sie nicht gefordert. So lange Sie keine Alternative nennen, muss ich Ihnen sagen, dass Sie voll im Trend dessen liegen, worüber wir diskutiert haben.

Das, was Herr Gabriel gesagt hat, haben Sie ja richtig zitiert. Wir müssen uns mittelfristig möglicherweise über neue Konzepte unterhalten. Die Frage lautet dann: Ist es sinnvoll, einen Weg, den die Bevölkerung möglicherweise nicht versteht - Versteuerung von Ressourcen, um die Sozialversicherungsbeiträge zu senken -, in den Focus der Diskussion zu bringen? - Dann bin ich sehr dafür. Dann sind Sie aber auch wieder mit dabei und müssen sagen, wo denn die jetzt 100 Milliarden DM, auf vier Jahre gerechnet, letztlich wieder finanziert werden müssen.

Zu der Frage, ob es überhaupt möglich ist, über Variablen an der Ökosteuer die Marktpreise nachhaltig zu beeinflussen, kann ich Ihnen, Herr Dinkla, nur sagen: Wenn man Ihnen richtig zuhört, sind Sie für sozialistische Interventionspolitik im Sinne von staatlich festgesetzten Preisen. Dort, wo Sie die Preise nicht festsetzen können, werden sie durch Subvention runterdekliniert, bis es Ihnen oder den Lobbyisten, denen Sie nach dem Munde reden, passt. Wir wollen das nicht. Wir haben deutlich gesagt, was die Ökosteuer kostet. Wir haben deutlich gesagt, was sie bringt. Sie ist in der bekannten Größenordnung bis zum Jahr 2003 eingeplant. Von daher ist der Antrag so, wie Sie ihn gestellt haben, wegen Alternativlosigkeit eindeutig abzulehnen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratungen zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in der Drucksache 1949. Wer ihr zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion der CDU ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden ist.

Ich rufe jetzt vereinbarungsgemäß gemeinsam auf

Tagesordnungspunkt 8: Einzige (abschließende) Beratung: Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichssystems - Unterrichtung durch die Landesregierung - Drs. 14/1790 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung - Drs. 14/1953

Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung: Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichssystems - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1989

Die Unterrichtung durch die Landesregierung war am 15. August 2000 an den Ausschuss für innere Verwaltung direkt überwiesen worden. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Wir treten in die Beratung ein. Das Wort hat der Kollege Collmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Debatte zum Asylbewerberleistungsgesetz am 20. Juni dieses Jahres meinte der Kollege Coenen in einem Zwischenruf, die FAG-Kommission habe „doch gar nicht gearbeitet“. - Dieser Zwischenruf, meine sehr verehrten Damen und Herren, war - mit Verlaub - völlig unangebracht. Er ist Zeugnis dafür, dass sich die CDU-Fraktion nicht angemes

sen mit der Arbeit der Kommission beschäftigt hat. Aber wie sollte sie auch angesichts des Ausscheidens des von mir durchaus geschätzten Kollegen Schünemann, der, von der CDU-Fraktion als Mitglied in diese Kommission berufen, schon nach wenigen Sitzungen durch Abwesenheit glänzte? Ich empfinde es schlicht als schlechten Stil, wie sich Herr Schünemann aus der Arbeit dieser Kommission verabschiedet hat. Das war nicht souverän, meine Damen und Herren.

(Beifall von Möhrmann [SPD] und von Plaue [SPD])

Der Ausstieg der CDU-Fraktion aus der Kommission ist auf jeden Fall Beleg dafür, dass sie nicht bereit war, sich ernsthaft mit der Aufgabenstellung einer Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichssystems auseinander zu setzen. Letztlich verweigerte sich die CDU-Fraktion also der Umsetzung des einstimmigen Landtagsbeschlusses vom 10. März 1999. Sie wollte Ablehnung pflegen, ihr lag offenkundig nichts an der Aufhellung von Fakten.

Ich halte das für bedauerlich. Andererseits ist diese Tatsache Grund genug dafür, dass die CDU bei ihrer Bewertung der Kommissionsarbeit den Mund nicht zu voll nehmen sollte.