Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Drittens. Herr Minister, Sie erwecken in dem Brief den Eindruck, dass geeignete Schutzmaßnahmen erst in einem zweiten Schritt umgesetzt werden. Das ist vielleicht formal richtig, aber nicht in der praktischen Auswirkung. Schon jetzt liegen die Vorschläge dazu auf dem Tisch - das ist klar, und das ist auch gut so -, schon jetzt werden die Belastungen für die Flächen erkennbar, und damit wird auch schon jetzt erkennbar, welche Wertminderung dort zu erwarten ist. Diese Wertminderung setzt bereits ein. Sie wird leider von niemandem ausgeglichen.

Es gibt also eine ganze Reihe von offenen Fragen. Sie liegen auf dem Tisch. Es gibt viele Problemfelder, und es gibt keinen Grund, hier Druck zu machen.

Meine Damen und Herren, im Interesse aller Beteiligten sollten die Fristen verlängert und die Grundeigentümer an diesen Fragen direkt beteiligt werden. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt hat die Kollegin Frau Pruin das Wort. Bitte schön!

Liebe Frau Präsidentin!

(Oh! bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden keiner Regelung zustimmen, wo es an Klarheit mangelt. - Dieser Satz, meine Damen und Herren, ist nicht von mir, sondern von unserem SPD-Kollegen Collmann. Er hat diese klare Aussage

(Zurufe von der SPD)

- hört mal eben zu! - am 13. Oktober gemacht. Weiter sagte er - auch jetzt zitiere ich wörtlich aus der „Rheiderland-Zeitung“ -: „Wir wollen nicht eher agieren, bis wir klare Aussagen vom Land haben.“

(Wulf (Osnabrück) [CDU]: Das dauert aber!)

Das war gut und ist auch gut so - wenn sich allerdings die Kollegen auch daran halten würden. Er war ja nicht allein. Ich habe ja die Zeitungsmel

dung. Da waren auch Herr Haase, Herr Lücht, Herr Adam, also die ganz hohe Spitze der Ostfriesen anwesend.

(Wolfkühler [SPD]: Alles gute Leu- te!)

Erst in der vergangenen Woche

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

- Herr Inselmann, ruhig! - habe ich mit Jürgen Jess gesprochen. Jess ist Baudezernent beim Landkreis Leer. Ich habe ihn gefragt, ob jetzt mit dem Erlass die Unklarheiten beseitigt würden und die Rechtssicherheit gegeben werde. Er hat mir geantwortet: „Ja, klar, es ist alles erlaubt. Es kann gebaut werden. Die Landwirte dürfen ihre Flächen bewirtschaften.“ Aber dann kam die Einschränkung: „Es darf nur geschehen, wenn es den Vögeln nicht schadet.“ Jetzt kann man ja die Frage stellen: Was schadet denn den Vögeln dort? Das ist natürlich ein ganz entscheidender Satz.

Der Landkreis Leer hat Anfang September, genau am 11. September, einen Fragenkatalog zu den Auswirkungen erarbeitet. Auf fünf eng beschriebenen Seiten geht es um mögliche Auswirkungen der Vogelschutzgebiete auf die Bereiche Landwirtschaft, gewerbliche Wirtschaft, Tourismus, die gemeindlichen Planungen und den Küsten- und Hochwasserschutz. Es sind 28 Fragen allein von der Kreisverwaltung und dann noch weitere Fragen von der Stadt Weener. Die Antwort der Bezirksregierung Weser-Ems war zwar umfangreich, aber nicht befriedigend. Deshalb treffen sich alle Behördenvertreter - ich bin übrigens auch vom Regierungspräsidenten eingeladen - am 27. November im Kreishaus in Leer, um dieses Thema noch einmal zu beraten.

Meine Damen und Herren, ich möchte an das Wort von Ministerpräsident Gabriel erinnern, der in Emden versprochen hat, es würden nur Kompromisse gemacht, die für keinen faul sind.

(Heiterkeit)

- Das stand wörtlich so in der Zeitung. - Damit das auch wirklich so ist, brauchen die Kommunen und andere Beteiligte mehr Zeit, als von der Landesregierung vorgesehen. Herr Dr. Gellermann - er ist Rechtsgutachter der Rheiderland-Gemeinden - hält nach wie vor aus nachvollziehbaren Gründen daran fest, dass zur Absicherung der Schutzziele nur das

Mittel der Ausweisung eines Landschaftschutzgebietes in Frage kommt.

Die Landesregierung möge deshalb bitte genau darlegen, wie die Schutzverordnung konkret aussehen soll, ob zum Beispiel bei Vertragsnaturschutz, bei Verträgen mit begrenzter Laufzeit eine dauerhafte Sicherung der Schutzziele zu erreichen ist.

(Adam [SPD]: Ich war ja gar nicht im Rheiderland!)

- Doch. Das steht ja auch in der Zeitung.

(Adam [SPD]: Dann haben die mich hereinretuschiert!)

- Moment mal, Herr Adam, da ist sogar ein Foto dabei!

(Heiterkeit bei der CDU)

Außerdem möge die Landesregierung einmal klar darstellen, wie der konkrete Ausgleich durch die Landesregierung für besonders betroffene Gebiete außerhalb der Leistungen nach dem Vertragsnaturschutz aussehen wird. Hier gibt es also noch viele Fragen. Es sind viele Fragen offen.

Ich meine, die von der CDU geforderte Fristverlängerung ergibt sich ganz zwingend aus der Sachlage. Wenn schon keine faulen Kompromisse gewünscht sind, wie der Ministerpräsident gesagt hat, so müssen die Betroffenen hinreichend Zeit haben, ungeklärte Fragen zu klären. Nur das ist eine faire Lösung.

(Beifall bei der CDU)

Sie waren genau im Zeitplan, Frau Kollegin Pruin. Das ist wunderbar gelaufen.

(Frau Pruin [CDU]: Danke!)

Herr Minister Jüttner, jetzt sprechen Sie zu dem Antrag.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sollten uns nicht der Gefahr hingeben, das Thema nicht ernst zu nehmen, was leicht passiert, wenn Frau Pruin redet.

(Widerspruch bei der CDU)

Denn es ist in der Tat ein ganz ernstes Thema.

Ich möchte da ansetzen, wo Herr Behr begonnen hat, nämlich bei der Angst von Landnutzern, dass diese Vogelschutzrichtlinie Eingriffe in ihre Existenzgrundlagen haben kann. Diese Angst ist real. Jede Veränderung des Status quo löst bei vielen Menschen Besorgnis aus. Die Aufgabe der Politik besteht darin, mit dieser Angst angemessen umzugehen, nämlich rational zu diskutieren.

(Zustimmung bei der SPD)

Ein Fehler von Politik besteht darin, Angst zu schüren, meine Damen und Herren.

(Frau Pruin [CDU]: Herr Minister, le- sen Sie einmal nach, was Sie bei der FFH gesagt haben!)

Deshalb möchte ich ganz gerne zu den Punkten, die hier angesprochen worden sind, einige Bemerkungen machen.

Sie kennen das europäische Recht. Hier geht es um ein Recht, das schon in den 70er Jahren beschlossen worden ist. Mein Vorvorvorgänger hat 1983 aufgrund des damaligen Datenmaterials gemeldet. Dieses Datenmaterial hat sich gravierend verändert. Deshalb sind wir in der Pflicht, hier nachzumelden, auch deshalb, weil es sachlich geboten ist und weil es unter Gesichtspunkten der Rechtssicherheit keine Alternative gibt.

Da sind wir bei der ersten Frage, die ich mit beantworten kann, nämlich was es mit dem faktischen Vogelschutzgebiet auf sich hat. Herr Behr, das will ich Ihnen gerne sagen. Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur A 20 ist deutlich geworden, dass bei der Umsetzung europäischen Rechts bei FFH- und Vogelschutzgebieten, jetzt auch im deutschen Recht angewendet, davon auszugehen ist, dass die Nichtmeldung so behandelt wird, dass jedes potentielle Gebiet den rechtlichen Bestimmungen der FFH-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie unterliegt. Das heißt, so lange ein Land nicht gemeldet hat, wird jedes potentielle Gebiet so behandelt, als wäre es ein Vogelschutzgebiet, mit der Konsequenz zum Beispiel der Anwendung der Verträglichkeitsprüfung. Das war ja genau die Auseinandersetzung bei der A 20. Das bedeutet, wer Klarheit haben will, wer Rechtssicherheit haben will, der muss dazu beitragen, dass wir möglichst schnell zu den Meldungen kommen, und zwar sachgemäß. Nicht viel; das ist nicht das The

ma. Da gibt es klare Bestimmungen in den Anlagen der FFH-Richtlinie. Genau das machen wir im Moment. Das haben wir mit Sorgfalt bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie gemacht und das machen wir jetzt auch bei diesem Thema.

Dass jetzt insbesondere im Küstenbereich Ausweisungen vorzunehmen sind, hat damit zu tun, dass in den letzten Jahrzehnten der engere Küstenstreifen nicht begutachtet worden ist und jetzt die Daten aber auf dem Tisch liegen. Wenn wir die nicht weitergeben, leitet die EU Beschwerde- und Vertragsverletzungsverfahren ein. Es ist doch nicht das erste Mal, meine Damen und Herren, dass so etwas passiert! Ich möchte dafür sorgen, dass in Niedersachsen im Umweltschutz nach Recht und Gesetz gehandelt wird. Daran können und dürfen Sie mich auch nicht hindern, sondern wir sollten eher sehen, wie wir das, was notwendig ist, mit den existenziellen Belangen der Leute in den jeweiligen Regionen vereinbaren. Das ist doch überhaupt keine Frage.

(Zustimmung bei der SPD)

Wo dort politische Handlungsspielräume und Ermessensspielräume sind, bin ich der Letzte, der sie ignoriert. Mein Eid besteht darin, mich für die Bevölkerung in Niedersachsen einzusetzen. Deshalb geht es nicht gegen sie, sondern für sie.

(Frau Pruin [CDU]: Also sind Sie für die Verlängerung?)

Dann kam ja genau die Frage: Was ist eigentlich mit dem unerheblichen Eingriff oder dem erheblichen Eingriff? Was darf ein Landnutzer auf seinen Flächen machen? Da wird der Eindruck erweckt, als würde eine Meldung dazu führen, dass sich dann niemand mehr wirtschaftlich betätigen kann. Ich sage Ihnen, es ist grotesk, wenn Sie solche Stimmungen schüren. Die Meldung als Vogelschutzgebiet hat doch augenscheinlich damit zu tun, dass es die Vögel auf der jeweiligen Fläche zurzeit besonders nett finden, weil sie dort zum Beispiel ihre Fresserwartungen bedient bekommen. Das heißt also, in den meisten Fällen ist der Status quo der Fläche die Voraussetzung, dass es von den Vögeln angenommen wird. Deshalb ist die Vorstellung, dass das automatisch verändert werden muss, im Großen und Ganzen falsch.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Ontijd?