Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Ich habe eben gesagt: als die Erleuchtung über Sie kam. – Da muss irgendeiner die Lampe angezündet haben. Dann ist die Reaktion völlig normal: Bei Herrn Golibrzuch gibt es kein Wort, das schlimm genug ist, um einen selbstverständlichen Zustand so zu bezeichnen, dass er dann auch pressewirksam wird. Dann ist das kriminell oder verfassungswidrig; dann sind die Mitarbeiter, die so arbeiten, kriminell oder Verfassungsfeinde. Herr Golibrzuch, ich rate Ihnen an: Mäßigen Sie sich in der Sprache, weil es Sie irgendwann einholt,

(Beifall bei der SPD)

und zwar ganz einfach deshalb, weil Sie ja zumindest Mittäter sind insofern, als Sie bis heute das, was Sie gefordert haben, nicht in die Realität umzusetzen versucht haben. Da sind Sie also Mittäter. Sie haben über Strohmänner, über – was haben Sie noch gesagt? – Schattenhaushalte und was Sie alles erfunden haben geredet und damit argumentiert.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: „Schatten- haushalt“ kann man jeden Tag in der Zeitung lesen!)

Dann sind Sie zumindest im Kollektiv des Landtags Hintermann bei einer solchen Aktion gewesen. Herr Möllring hat ja von einer Dunkelkammer gesprochen. Ich weiß nicht, ob in dieser Dunkelkammer möglicherweise auch Frau Breuel vorübergehend verschwunden ist, um dann mit einem Ergebnis wieder herauszukommen.

Aber Spaß beiseite. – Die NFG ist ein Instrumentarium, das im Gegensatz zum Landeshaushalt bei allen Investitionen, die in den letzten Jahren gelaufen sind, dadurch, dass abgezinst und getilgt worden ist, die zusätzlichen Schulden auf 18 Milliarden DM festgeschrieben hat – bei einem Umsatz, der in der Zeit eine halbe Milliarde DM ausgemacht hat. Das schafft der Haushalt unter normalen Bedingungen nicht.

Herr Golibrzuch hat wieder Patentrezepte angemeldet, weil er ja immer Sinnloses mit angeblich Vernünftigem verknüpft. Sie haben gesagt, Sie wollten die ganze NFG auflösen, Sie wollten sie praktisch entschulden, Sie wollten sie in den Haushalt übernehmen und dafür die Mehreinnahmen, die dem Haushalt durch die Steuerschätzung gerade erst zugeschrieben worden sind, nutzen. Mit diesem Patentrezept kommen Sie ja öfter.

Wenn Sie diesen Akt hier vollziehen wollen, dann frage ich Sie, wie Sie im Jahr 2002 die anstehenden Aufgaben, die Sie selbst eben skizziert haben, die zum Teil konsumtiver Natur sein werden, ohne Überschreitung der Nettokreditaufnahmegrenze finanzieren wollen.

Was mich bei solchen Patenrezepten ärgert, ist, dass Sie die Leute und die Medien für dümmer verkaufen, als sie sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Golibrzuch, Sie holen sich als Zeugen dann den ehrenwerten Landesrechnungshof. Wenn Sie die Zeitung da, wo es um die Beurteilung der NFG gegangen ist, zu Ende gelesen hätten, dann hätten Sie auch erfahren, dass Herr Meyerding, der ja ein ausgemachter Fachmann in diesen Fragen ist, inzwischen zwei Dinge gemacht hat.

Erstens hat er sich sinnvollerweise mit dem Finanzminister und der Staatskanzlei zusammengesetzt, um das dringende Problem der Finanzierung des EXPO-Defizits zu lösen. Wir haben verabredet, diese Finanzierung nicht, wie wir ursprünglich wollten, über die NFG und dann über zehn Jahre zu gestalten, sondern das in den Haushalt rüberzu

holen. Nach diesem sehr sachlichen und fachlich einwandfreien Gespräch sind wir so verfahren. Wir werden auch die Abzahlung, sage ich mal, der EXPO-Millionen in zehn Jahren im originären Haushalt gewährleisten. – Das ist der eine Punkt, den wir verabredet haben.

Zweitens. Wir haben uns sachlich über Alternativen auseinander gesetzt. Der Landesrechnungshof hat zwei Dinge getan. Er hat erstens gesagt, es sei kein Schattenhaushalt, der hier vorliegt. Denn alles, was dort passiere, sei ja im Haushalt nachvollziehbar, wenn man es wolle. Wenn man es nicht wolle, dann eben nicht. Zweitens hat er gesagt: Eine Regierung braucht ein Instrumentarium, um großvolumige Sonderinvestitionen außerhalb der normalen Haushaltsregeln abzuwickeln, solange sie der Kontrolle des Haushaltsgesetzgebers unterliegen. Übernimmt man diese Argumentation, dann sind wir ein ganzes Stück weiter. Ich bin Herrn Möhrmann sehr dankbar dafür, dass er, auch wenn es in den Reden einige Entgleisungen gegeben hat, die Bereitschaft der Mehrheitsfraktion angekündigt hat, bei der Suche nach einem vernünftigen Instrumentarium mitzuhelfen. Wir haben jedenfalls vor - so sind unsere Argumente, bezogen auf die bisherige Arbeit der NFG, angelegt -, mit dem Landesrechnungshof und mit dem Parlament einen Vorschlag zu entwickeln, der auch zur Aufstellung des Doppelhaushaltes 2002/2003 tragen kann. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Golibrzuch!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich meine, es ist wert, auf einige der patzigen Antworten des Finanzministers einzugehen.

(Adam [SPD]: Was? - Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Finanzminister, nachdem Sie - ich weiß nicht, warum Sie darauf immer so angestochen reagieren - hier auf die Stellungnahme des Landesrechnungshofs hingewiesen haben, möchte ich gerne daraus vorlesen. Vielleicht trägt das ja zur Sachverhaltsklärung bei. Der Landesrechnungshof hat nämlich in seinem diesbezüglichen Vermerk ausgeführt, die NFG sei rechtlich und wirtschaftlich uneingeschränkt vom Land abhängig, werde durch

das MF durch Weisungen und Fachaufsicht gesteuert, und, da selbst Geschäftsführungen und Aufsichtsrat der NFG weitgehend durch Landesbedienstete, insbesondere des MF, gestellt würden, sei die NFG im Grunde lediglich eine Art Briefkastenfirma des MF unter dessen Adresse und dessen telefonischem Anschluss. In einer Fußnote zitiert der LRH dann einen Staatsrechtler, der im Hinblick auf die Kreditaufnahme solcher Gesellschaften von Strohmann-Geschäften spricht. Vielleicht wäre es ja besser gewesen, wenn Sie vor Ihrer Rede den Vermerk des Landesrechnungshofs gelesen hätten.

(Meinhold [SPD]: Dafür haben wir Sie doch! - Gegenruf von Möllring [CDU]: Schlimm genug!)

Lassen Sie mich noch einige Sätze zu den Ausführungen des Kollegen Möhrmann sagen. Der Kollege Möhrmann hat darauf hingewiesen, dass das alles im Haushaltplan nachvollziehbar wäre. Es gebe die Geschäftsbesorgungsverträge mit dem Land. In diesen Verträgen werde das im Detail geregelt. - Genau das ist das Problem. Diese Geschäftsbesorgungsverträge, die für jedes einzelne Projekt zwischen NFG und dem jeweiligen Fachressort geschlossen werden, werden dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen nicht vorgelegt und sind völlig unterschiedlichen Inhalts. Darin sind zum Teil Tilgungsverträge über zehn Jahre verankert. Es sind jährliche Raten für die Abbezahlung der Schulden vorgesehen. Zum Teil ist aber eine solche jährliche Ratenzahlung nicht vereinbart. Je nachdem, wie der Finanzminister mit seinen knappen Mitteln auskommt, werden auch schon einmal, wie in den vergangenen Jahren, die Tilgungen dieser Schulden bei der NFG ausgesetzt und damit die Kreditlasten dieses Schattenhaushaltes in die Zukunft verlängert.

Herr Finanzminister, wenn Sie hervorheben, dass es nun gerade über die NFG in den vergangenen Jahren immer gelungen sei, die aufgenommenen Kredite wieder zurückzuführen, sie zu tilgen, dann müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dass man das im Landeshaushalt natürlich auch machen kann. Vielleicht sagt es Ihnen ja niemand. Aber es ist nicht verboten, Staatsschulden zu tilgen. Wenn Sie das im Haushalt machen wollen, dann müssen Sie, wie bei der EXPO, eine Sonderlast ausweisen. Dann haben Sie die Möglichkeit, über die regulären Steuereinnahmen, über Steuermehreinnahmen oder durch Einsparungen an anderer Stelle solche Leistungen - sei es von der NFG, sei es über die

reguläre Schuldenlast - im Landeshaushalt zurückzuführen. Die NFG hat vielleicht eine disziplinierende Wirkung; das gesteht der Rechnungshof auch zu. Aber das, was Sie hier behaupten, nämlich dass es nur über einen Schattenhaushalt gehe, ist nicht der Fall, sondern es ist die politische Absicht einer Landesregierung, und es ist die Frage des Durchsetzungsvermögens, ob man das machen will, ob man Schulden tilgen will oder ob man, wie Sie in den vergangenen drei Jahren, knapp 10 Milliarden DM Schulden aufnimmt. Wenn man das möchte, dann ist es immer gut, dass man sich eines Schattenhaushalts mit dazu bedienen kann. Wir wollen das nicht und wollen deshalb die NFG auflösen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kollege Möllring!

Frau Präsidentin! Meine sehr gebeehrten Damen und Herren!

(Zurufe von der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was habe ich gesagt?

(Zuruf von der SPD: Gebeehrten!)

- Entschuldigung. - Ich hatte eigentlich die Diskussion, die hier stattgefunden hat - ich hatte mich bei Herrn Möhrmann ausdrücklich dafür bedankt -, als sehr sachgerecht und zielführend erachtet, bis der Herr Finanzminister mit seiner von seinem Haus vorbereiteten Rede, offensichtlich darauf präpariert, keine Sachargumente zu hören, sondern sich in das polemische Spiel des Parteienstreites zu begeben, zu diesem Antrag gesprochen hat. Das fand ich nicht sachgerecht. Ich wäre dankbar, wenn das Parlament im Ausschuss die Sacharbeit macht, die Herr Möhrmann hier angeboten hat und nicht von vornherein sagt: Das kommt überhaupt nicht infrage. Das machen wir wie bisher. - Denn das, was Herr Golibrzuch, Herr Möhrmann und ich moniert haben, war, dass ein Teil der Informationen am Parlament vorbeigeht. Wenn Informationen am Parlament vorbeigehen, ist das Parlament aus seiner Verantwortung und aus seiner Entscheidungsfähigkeit heraus. Das kann man sich wohl weder als Mehrheitsfraktion noch als Opposition bieten lassen. Deshalb wäre es gut gewesen, wenn

der Finanzminister das Angebot von Herrn Möhrmann und uns angenommen und gesagt hätte: Ja, wir gehen jetzt in die Ausschussberatungen und überlegen, wie wir in Zukunft diese Missstände beheben können.

Ich habe auch nicht davon gesprochen, dass das von vornherein kriminell und verfassungswidrig ist. Das muss man in diesem Fall auch gar nicht. Es hat sich aber eine Handhabung eingeschlichen, die das Parlament links liegen lässt. Das sollten wir nicht machen.

Herr Aller, nicht jeder, der eine Kabinettsreform übersteht, sollte gleich überheblich werden. Herr Senff hat sie auch überstanden.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Kollege Möhrmann, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr gespannt, wie die Diskussion in der CDUFraktion weitergeht, ob sie sich alle wieder einkriegen. Das ist aber nicht mein Problem.

Ich möchte zunächst einmal Folgendes sagen: Herr Möllring, ich habe den Finanzminister so verstanden, dass er dieses Finanzierungsinstrument in eine Prüfung einbeziehen will. Etwas anderes hat er nicht gesagt. Außerdem habe ich ihn so verstanden, dass er sich, auch im Namen der Finanzminister, die sich früher dieses Instruments bedient haben, dagegen verwahrt hat, von Trickserei zu reden und das Ganze in einen kriminellen Zusammenhang zu rücken, wie das Herr Golibrzuch gemacht hat. Ich finde, das kann ein Minister tun. Er muss es sogar tun, und zwar auch im Interesse seiner Amtsvorgänger.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, das Parlament bedarf nicht unbedingt der Schlauheit des Herrn Golibrzuch, um darüber nachzudenken, ob dieses Finanzierungsinstrument noch einmal neu in die Prüfung einbezogen werden muss. Meine Damen und Herren, es muss ja auch überlegt werden, wie wirtschaftlich eine solche Geschichte ist und zu welchen Folgen das Ganze führt, wenn man es anders veranschlagt. Ich will Ihnen, weil es Ihnen ja so wichtig ist, was Fach

leute sagen, einen Vermerk des GBD zu Ihrem Entschließungsantrag vorlesen. Da heißt es:

„Zu dem eingangs des zweiten Absatzes der Begründung des Entschließungsantrages gerügten Umstand, dem Haushaltsgesetzgeber sei keine nachvollziehbare Prioritätensetzung und kein ihr zugrunde liegendes Bewertungskonzept bekannt, bleibt darauf hinzuweisen, dass der Landtag im Rahmen des Haushaltsgesetzes auch über die Kreditermächtigung für die NFG beschließt. Der Landtag kann seinen Beschluss von entsprechenden Darlegungen der Landesregierung abhängig machen. Auch können in den Ausschusssitzungen hierzu Fragen gemäß Artikel 24 Abs. 1 Niedersächsische Verfassung gestellt werden, die die Landesregierung nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten hätte.“

Das ist auch immer erfolgt. Wenn wir uns also darin einig sind, Herr Möllring, dass das Ganze sachlich überprüft werden soll, dann sind wir damit einverstanden, aber nicht in der Art der Polemik, wie Herr Golibrzuch das hier dargestellt hat.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister, bitte!

Wer sachliche Diskussionen will, der kann sie haben. Wer unsachliche Diskussionen haben will, der kriegt sie auch.

(Frau Harms [GRÜNE]: Und was kommt jetzt?)

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass selektive Wahrnehmung bei solchen sachlichen Diskussionen natürlich nicht weiterhilft. Ich habe in meinen Ausführungen erklärt, dass in dem jetzt vom Ausschuss für Haushalt und Finanzen beschlossenen Vorschlag für die Dezember-Sitzung die Regelung für die EXPO-Finanzierung neu geordnet worden ist, und zwar so, wie ich es dargestellt habe, nämlich mit Tilgung und Abzinsung innerhalb von zehn Jahren mit einem Leertitel, in den der Bund seine zusätzlichen Mittel hineintun

soll. Damit gibt es einen exakt gleichen Vorgang, übertragen aus der NFG in den allgemeinen Haushalt. Ich habe deutlich gemacht, dass dieses Vorgehen mit dem Landesrechnungshof als ein gangbarer, vernünftiger Weg verabredet ist. In dieser gleichen Veranstaltung ist mit dem Landesrechnungshof vereinbart worden - das scheint auch untergegangen zu sein, Herr Möllring -, dass wir schon zum Haushalt 2002/2003, der im nächsten Jahr aufgestellt wird, entscheiden werden, ob wir weiter mit NFG oder einer Alternative oder ganz ohne NFG auskommen.

Die Entscheidung darüber, ob wir eine NFG haben - davon gehe ich aus -, wird im Wesentlichen auch den Landtag befassen. Das geht ja gar nicht anders. Aber dass sich die Landesregierung mit dem Landesrechnungshof selbst Gedanken macht, welche Lösung sinnvoll ist, halte ich sogar für meine Pflicht nach den Diskussionen, die wir hier eben noch einmal andeutungsweise miterleben konnten.

Bei dieser Diskussion geht es mir darum, dass das Instrumentarium NFG 30 Jahre lang hervorragend funktioniert hat. Sonst wäre es viel früher infrage gestellt worden. Das Parlament konnte offensichtlich damit umgehen. Wenn es ergebnisorientiert diskutiert hat, hat es auch das Instrumentarium akzeptiert. Das wird erst dann infrage gestellt, wenn offensichtlich die Idee aufkommt, man könne mit einer solchen Diskussion auch politische Vorteile erreichen. Diese politischen Vorteile erreicht man aber nur dann, wenn man ausreichend Geld hat. Das ist die Entscheidung, von der ich vorhin gesprochen habe, Herr Golibrzuch. Sie verknüpfen die NFG-Debatte - Ausfinanzierung der derzeit aufgelaufenen Summen in der NFG mit dem, was Sie hier als Patentrezept dargestellt haben. Das geht nach dem Motto: Dann trennen wir einmal die NFG-Debatte von der allgemeinen Situation der Landesfinanzen. - Das ist aber das, was unsolide in der Diskussion ist. Das muss dann auch an der richtigen Stelle gesagt werden.