Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

Konstitutives Element der Bürgermedien ist für die Union fünftens das Prinzip der Nichtkommerzialität. Deshalb ist es unabdingbar, dass für den Regelbetrieb der Bürgermedien das Gebot der Werbeund Sponsoringfreiheit gelten muss. Die Begleituntersuchung hat diesbezüglich z. B. ergeben, dass der nichtkommerzielle Lokalfunk von der Anlage her als Partizipationsmedium stark gemeinwohlorientiert ausgerichtet ist. Das heißt mit anderen Worten, dass mit dem Programm Zuhörer erreicht werden, die sonst in den Medien oft vernachlässigt werden. Das sind sowohl große Gruppen, z. B. Senioren, als auch Minderheiten. Bei dieser Orientierung sowohl bei den Programmmachern als auch bei den Hörern - so ein Ergebnis der Begleituntersuchung - passt zwangsläufig und folgerichtig eine

Finanzierung durch Werbung und Sponsoring vom Ansatz her nicht.

Sechstens - dies ist ein Kernpunkt unserer politischen Forderungen im vorliegenden Entschließungsantrag - soll die Finanzierung der Bürgermedien auch in Zukunft aus dem 2-%-Anteil der Rundfunkgebühren erfolgen. Spenden sollen als Finanzierungsquelle selbstverständlich zulässig sein, wobei aber sichergestellt sein muss, dass nicht verdeckt Formen des Sponsorings vorliegen. Bei eventuellen Unterstützungen durch Institutionen und Kommunen müsste strengstens darauf geachtet werden, dass die Unabhängigkeit gewährleistet ist.

Um nicht a priori Gefahr zu laufen, dass der Programmbetrieb schon nach kurzer Zeit aus wirtschaftlichen Gründen zusammenbricht - eine konkrete Gegebenheit aus Niedersachsen sollte uns allen zu denken geben -, muss bei der Lizensierung berücksichtigt werden, welche komplementären Finanzmittel und Spenden bzw. welche echten Eigenmittel den zukünftigen Lizenznehmern zur Verfügung stehen werden und ob insgesamt die Wirtschaftlichkeit gewährleistet ist.

Siebtens halten wir es - dies mag möglicherweise zwischen den Landtagsfraktionen kontrovers beurteilt werden - vor dem Hintergrund des Vordringens des Internets in den Haushalten für angebracht, in einem kürzeren Zeitrahmen die Akzeptanz der Bürgermedien festzustellen bzw. zu überprüfen, inwieweit die diesbezüglichen Medienprojekte zeitgemäß sind. Deshalb liegt es auf der Hand, die Lizenz nach der Einführung des Regelbetriebes zunächst für fünf Jahre zu erteilen. Mit dieser Neuregelung sollte aber eine Erleichterung des Neulizenzverfahrens einhergehen.

(Zuruf von der SPD)

- Ich habe zu verstehen gegeben, dass das möglicherweise ein kontroverser Punkt sein könnte.

(Adam [SPD]: Darüber muss man diskutieren!)

Achtens möchte ich für meine Fraktion die Anregung geben, dass bei dem Projekt "Offener Kanal Fernsehen" in Zukunft eine größere Programmverantwortung sichtbar werden sollte,

(Zustimmung von Frau Zachow [CDU])

insbesondere im Sinne einer Verbesserung der journalistischen und redaktionellen Arbeit vor Ort. Bei einer Nichtverbesserung erscheint uns eine offene Diskussion um die Zukunft dieses Projektes als unumgänglich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe in dem mir zur Verfügung stehenden Zeitrahmen versucht, einige relevante Aspekte, die die niedersächsische Union mit der bald zu erwartenden Novelle des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes verbindet, aufzuzeigen und kurz zu erläutern. Diese politischen Positionen sind in der letzten Zeit auch mit einflussreichen Organisationen und Persönlichkeiten im vorpolitischen Raum unseres Bundeslandes diskutiert worden, wobei deutlich geworden ist, dass wir in grundsätzlichen Fragen überall einvernehmliche Lösungen gefunden haben. Diese Tatsache gibt uns Veranlassung, darauf zu hoffen, dass es uns gelingen wird, in dem in Kürze beginnenden parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zwischen allen Fraktionen weitestgehend zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen.

(Reckmann [SPD]: Wir streben das an!)

Die Bereitschaft vonseiten der Union ist dazu vorhanden: im Interesse der Bürgermedien und ihrer Produzenten bzw. Rezipienten und vor allem im Interesse der Förderung der Medienkompetenz der Bevölkerung unseres Bundeslandes, die in Zukunft mehr und mehr auf die sich in einem rasanten Tempo entwickelnden neuen Medienangebote angewiesen sein wird. - Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Pörtner. - Frau Kollegin Harms, jetzt sprechen Sie zu diesen beiden Anträgen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war ja doch noch eine Weihnachtsüberraschung, dass die beiden Mehrheitsfraktionen es geschafft haben,

(Reckmann [SPD]: Seit wann haben wir zwei Mehrheitsfraktionen?)

die Begleitforschung und das AufermannGutachten auszuwerten und dazu noch just in time in diesem Jahr Anträge vorzulegen.

(Reckmann [SPD]: Das hatten wir doch versprochen!)

- Ich habe damit gar nicht mehr gerechnet.

Allerdings muss ich Ihnen sagen, dass die inhaltliche Auswertung des umfänglichen Materials, das wir von den Begleitforschern und aus anderen Quellen haben, sehr unterschiedlich ausgefallen ist.

Zunächst einmal möchte ich etwas zu dem CDUAntrag sagen. Herr Pörtner, ich war von dem CDU-Antrag sehr angenehm überrascht

(Beifall von Abgeordneten der CDU und von Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE])

und ich muss Ihnen sagen: Kompliment, Sie haben Ihren Aufermann und offensichtlich auch unseren grünen Bürgermedienantrag, den wir schon vor geraumer Zeit eingebracht haben, gut gelesen. Insbesondere eine inhaltliche und politisch relevante Übereinstimmung zwischen dem älteren Antrag der Grünen und dem jetzt vorliegenden CDU-Antrag möchte ich betonen: Beide Fraktionen sind zu der Auffassung gekommen, dass es sich bei dem, was die Bürgermedien in Niedersachsen leisten, um lokale Grundversorgung handelt.

(Pörtner [CDU]: Als Ergänzung!)

- Lokale Grundversorgung!

(Pörtner [CDU]: Aber im Sinne von Ergänzung!)

- Das haben Sie so in den Antrag hineingeschrieben. Ich halte dies für einen sehr interessanten Debattenbeitrag vonseiten der CDU.

In anderen Punkten sehe ich keine hundertprozentige Übereinstimmung. In der Frage der Lizenzdauer sollte man die Bürgermedien nicht schlechter als private Rundfunkveranstalter in Niedersachsen behandeln.

(Zustimmung von Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE])

Wenn befristet, dann also auf zehn Jahre, wie man es bei "Antenne" oder anderen macht. Aber ich

will diesen Antrag jetzt nicht Punkt für Punkt durchgehen.

Meiner Meinung nach ist der SPD-Antrag, der heute vorgelegt worden ist, inhaltlich so dürftig,

(Widerspruch von der SPD)

dass man fast überlegen müsste, ob es nicht notwendig ist, über einen gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU und Grünen nachzudenken.

(Beifall von Abgeordneten der CDU und von Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE])

Das werden wir Anfang des Jahres besprechen.

Der SPD-Antrag, Herr Kollege Reckmann, und auch die Rede, die heute Ihr Kollege dazu gehalten hat,

(Reckmann [SPD]: Das war eine gute Rede!)

beinhalteten nichts Neues. Das ist alles hundertfach gesagt. Ich kenne überhaupt niemanden, der im Zusammenhang mit Bürgermedien nicht landauf, landab das Hohelied dieser Bürgermedien singt. Aber ich hätte erwartet, dass sich die Mehrheitsfraktion in diesem Hause zu bestimmten politischen Fragen, die entschieden werden müssen, und zu der Frage der Finanzierung festlegt

(Reckmann [SPD]: Dazu hat er doch etwas gesagt!)

und ihre Arbeit nicht darauf reduziert, hier einen Platzhalterantrag einzubringen und sich hinter dem zu verstecken, was die Landesregierung irgendwann machen wird.

(Reckmann [SPD]: Herr Nolting hat das doch ausgeführt!)

Ich glaube, dass Anträge dieser Art eigentlich völlig überflüssig sind.

Insbesondere zur Frage der Finanzierung möchte ich hier noch zum Ausdruck bringen, dass eines nicht geht: Sie können nicht landauf, landab die Projekte loben und außerdem noch neue Anforderungen an die Projekte formulieren - zukünftig sollen sie mehr Arbeit in Sachen Medienkompetenz investieren und mehr für Ausbildung tun -,

(Reckmann [SPD]: Projektförderung!)

aber gleichzeitig nicht sagen, woher mehr Geld für mehr Leistung kommen soll. Ich glaube, dass Ihr geiziger Ansatz in Höhe von 6 Millionen DM, der im Hintergrund immer noch kursiert,

(Reckmann [SPD]: 8 Millionen DM, liebe Rebecca!)

- inklusive oder exklusive?; exklusive der Leitungskosten, über sie ist dann immer noch zu reden - nicht reicht, wenn Sie mehr Leistungen von den Projekten wollen. Insbesondere reicht er dann nicht, wenn einzelne Kollegen der SPD schon neue Projekte ins Spiel bringen. Es kann also nicht mehr Leistung und mehr Projekte für das gleiche oder für weniger Geld geben.

(Zustimmung von Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE] - Reckmann [SPD]: Das machen wir auch nicht!)