Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Insofern hat sich an unserer grundsätzlichen politischen Einstellung, was diesen Tagungsordnungspunkt angeht, nichts geändert. Es ist nun an mir, noch kurz einige wesentliche Aspekte zu beleuchten, um unsere Position deutlich werden zu lassen.

Aus der Sicht der Union muss in diesem Zusammenhang Folgendes festgestellt werden:

Erstens. Die finanziellen Kürzungsvorstellungen der rot-grünen Bundesregierung für die Deutsche Welle sahen Streichungen für das Jahr 1999 in Höhe von ca. 30 Millionen DM und für das Jahr 2000 in Höhe von ca. 54 Millionen DM vor. Dieses Minus wird sich bis zum Jahr 2003 voraussichtlich auf 89 Millionen DM steigern, sodass wir vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die eintretenden Tariferhöhungen und auch die Kosten für den Rechteeinkauf aus dem eigenen Haushalt erwirtschaftet werden müssen, davon auszugehen haben, dass in absehbarer Zeit ein Minus bzw. ein Fehlbedarf in Höhe von ca. 100 Millionen DM bestehen wird.

Die Konsequenzen sind klar: Es wird zu einem radikalen Personalabbau kommen, was in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland einmalig und, wie ich bereits ausgeführt habe, im wirtschaftlichen Bereich praktisch mit einem Konkursverfahren vergleichbar ist.

Zweitens. Insgesamt werden die vorgesehenen bzw. schon durchgeführten Maßnahmen der Bundesregierung zweifelsfrei zu einem irreparablen Schaden für die mediale Außenpräsenz Deutschlands führen. Ein derartiger finanzieller Kahlschlag bei dem für die Außendarstellung Deutschlands wichtigsten Medium ist deshalb aus der Sicht der Union politisch töricht und nicht zu rechtfertigen.

Dieser Sachverhalt, der politisch von Rot und Grün in Berlin zu verantworten ist, steht zudem in einem krassen Widerspruch zu den Äußerungen des Bundeskanzlers Schröder in seiner Regierungserklärung, in der er darauf aufmerksam gemacht hat, dass die auswärtige Kulturarbeit Deutschlands „zu stärken und auszubauen“ und nicht zu dezimieren sei.

Drittens. Es ist nach Meinung der Union politisch nicht nachvollziehbar, dass wir im Landtag im Dezember im Rahmen der Diskussion über den Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag Gebührenerhöhungen in Höhe von 3,33 DM pro Monat beschließen und dass gleichzeitig mit der Deut

schen Welle so umgegangen wird, wie ich es geschildert habe.

Deshalb stehen wir auch voll hinter dem, was der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) vor einiger Zeit dazu gesagt hat, indem er nämlich darauf hinwies, dass der deutsche Auslandsrundfunk zusammen mit den Amerikanern, Briten und Franzosen „in der Weltliga und nicht in der Kreisklasse“ zu spielen habe.

Viertens. Darüber hinaus hat es, wie ich meine, zu Recht große Irritationen - um es noch einmal vorsichtig und diplomatisch auszudrücken - darüber gegeben, wie es zukünftig um die Unabhängigkeit der Deutschen Welle bestellt sein soll. Was der ehemalige Staatsminister in diesem Zusammenhang sowohl verbal als auch durch schriftliche Beiträge zum Besten gegeben hat, hat den Verdacht nahe gelegt, dass er nicht so ernst mit der Presse- und Rundfunkfreiheit umgeht, wie es eigentlich notwendig wäre und wie es insbesondere von einem Mitglied der Bundesregierung zu erwarten ist.

Vor allem das Positionspapier des ehemaligen Staatsministers - dies ist auch in dem Gespräch mit Herrn Hanten deutlich geworden - erfüllt nach unseren Vorstellungen bei weitem nicht die Ansprüche an ein politisch trag- und konsensfähiges Konzept.

(Schack [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

In vielen Passagen haben eindeutig Parteipolitiker und nicht an der Sache orientierte Experten die Feder geführt, Herr Kollege Schack.

(Schack [SPD]: Lies noch mal nach!)

Vor allem die Formulierungen, „die Deutsche Welle habe zukünftig politische Überzeugungsarbeit zu leisten“ oder die Programminhalte müssten sich „an politischen Leitentscheidungen ausrichten“ haben aus nahe liegenden Gründen für politischen Wirbel gesorgt.

(Reckmann [SPD]: Aus dem Zusam- menhang gerissen!)

Ich möchte in dem Zusammenhang noch einmal an das erinnern, verehrter Herr Kollege Reckmann, was Ihr ehemaliger SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen im Jahr 1994 - er war damals auch Vorsitzender des Rundfunkrates der Deutschen Welle - im Zusammenhang mit der Diskus

sion über den Gesetzentwurf für den deutschen Auslandsrundfunk am 16. Juli 1994 im Deutschen Bundestag erklärt hat. Er hat wörtlich ausgeführt:

„Auch der Auslandsrundfunk muss ein freier Rundfunk sein.“

(Möhrmann [SPD]: Genau!)

„Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass der Auslandsrundfunk unter der besonderen Kuratel der jeweiligen Regierung steht.“

So hat sich Günter Verheugen damals wörtlich geäußert.

(Reckmann [SPD]: Das ist auch rich- tig! Das will doch niemand ändern!)

Gleichzeitig will ich für die Union noch einmal klar herausstellen, dass eine engere Zusammenarbeit von Deutscher Welle mit den öffentlichrechtlichen Inlandsrundfunkanstalten sehr zu begrüßen ist. Dies darf aber nicht als politisches Alibi für weitere Einsparungen dienen. Wir fordern deshalb die Bundesregierung unmissverständlich auf, klarzustellen, welche zusätzlichen Mittel sie aufbringen will, um die von ihr selbst geforderten konzeptionellen Verbesserungen zu finanzieren.

Die Zusammenarbeit mit der ARD und dem ZDF und damit mit den Bundesländern ist sachlich richtig und politisch sehr zu begrüßen. Doch ist es darüber hinaus unabdingbar, dass sich der Bund klar zu seiner originären Zuständigkeit und Gesamtverantwortung für den Auslandsrundfunk bekennt. Die rundfunkrechtliche Verantwortung für das gemeinschaftliche Gesamtprogramm – unbeschadet der Verantwortung von ARD und ZDF für die jeweils produzierten Sendungen - muss selbstverständlich bei der Deutschen Welle bleiben. Nur so kann die auswärtige Kultur- und Medienarbeit Deutschlands, die im Zeichen fortschreitender Globalisierung immer wichtiger werden wird, trotz eingetretener großer Substanzverluste noch einigermaßen aufrechterhalten werden. Ich darf mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Rednerin, meine Damen und Herren, ist Frau Kollegin Wiegel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Pörtner, ich habe in Ihrer Rede mächtig viele Textbausteine aus Ihrer ersten Rede entdeckt.

(Pörtner [CDU]: Es hat sich ja auch nichts geändert!)

Herr Pörtner hat Recht, und ich kann das nur wiederholen: Das Thema Deutsche Welle beschäftigt dieses Parlament jetzt schon seit eineinviertel Jahren. Was den Zeitraum angeht, stimmen wir also überein.

Anstoß war der Antrag der CDU-Fraktion aus dem September 1999. In diesem Antrag hat sich die CDU - das wurde gerade wiederholt - über die damals erstmals genannten Etatkürzungen beschwert. Aus Sicht der CDU-Fraktion waren damals Kürzungen von knapp 90 Millionen DM bis 2003 vorgesehen. Die CDU-Fraktion hat sich in ihrem Antrag ferner über den anstehenden Stellenabbau beschwert und dabei die Zahl von 470 Mitarbeitern plus 200 Mitarbeiter über den Vorruhestand genannt.

Sie haben sich in Ihrem Antrag immer auf die Aussagen der Geschäftsführung berufen. „Geschäftsführung“ hieß hier: Herr Weirich, Intendant der Deutschen Welle. Wer es noch nicht weiß: Herr Weirich war, bevor er Intendant der Deutschen Welle wurde, medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

(Pörtner [CDU]: Und wie war das mit dem Personalrat? Dazu sagen Sie nichts!)

Über Ihren Antrag, Herr Pörtner, ist meiner Meinung nach die Zeit hinweggegangen. Inzwischen hat sich einiges verändert. Das zeigt sich zunächst beim Abgleich der von Ihnen genannten Zahlen mit den Fakten, die jetzt genannt werden. Der Etat wird nicht mehr um 90 Millionen DM gekürzt, sondern um 60 Millionen DM, und das in den vier Jahren bis 2003. In diesem Zusammenhang muss man auch einmal die Gesamthöhe nennen: Wir reden hier von einem Etat, der von 606 Millionen DM auf 546 Millionen DM gekürzt wird.

Zu dem damals befürchteten Stellenabbau ist heute zu sagen: Es geht nicht um 470 Stellen und um 200 Stellen über den Vorruhestand, sondern in 2000 sind 19 betriebsbedingte Kündigungen aus

gesprochen und 82 Stellen mit einem kw-Vermerk für die Jahre 2002 und 2003 versehen worden. Das sind insgesamt 100 Stellen. Etwa 295 Stellen sollen über den Vorruhestand abgebaut werden. - Das war der Stand im November 2000.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Pförtner, seit Ihrem Antrag aus dem September 1999 ist aber auch noch etwas anderes passiert. Der Bund hat nämlich inzwischen ein Konzept vorgelegt, wie es mit der Deutschen Welle weitergehen soll. Dieses Konzept stellt in meinen Augen ganz besonders dar, dass hier ein Modernisierungsbedarf besteht, und umreißt sehr genau die Zielgruppen, die die Deutsche Welle erreichen soll; darüber sind wir ja auch mehrfach informiert worden. Das ist eine sehr unterschiedliche Klientel. Die Deutsche Welle muss neben ihrer Aufgabe, in Krisengebieten Interventions- und Informationsradio zu sein, auch noch ganz verschiedene Zielgruppen erreichen, z. B. an Deutschland interessierte Ausländer, die man vielleicht über englischsprachige Programme erreicht, sowie Deutsche, die aus Deutschland ausgewandert sind, aber im Ausland weiter Kontakt halten wollen.

(Anhaltende Unruhe)

Frau Kollegin Wiegel, ich muss Sie einen Augenblick unterbrechen. - Meine Damen und Herren, ich bitte um so viel Höflichkeit, dass man den Ausführungen von Frau Wiegel folgen kann. Wenn Sie der Debatte nicht folgen wollen, verlassen Sie bitte den Plenarsaal. - Wir warten so lange, bis Ruhe ist, Frau Wiegel.

(Pörtner [CDU]: Die eigene Fraktion stört hier!)

Bitte schön, Frau Wiegel!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - In dem Konzept der Bundesregierung für die Neuausrichtung der Deutschen Welle sind die Aufgaben sehr gut dargestellt. Vor allen Dingen ist auch dargestellt worden, dass es in Zukunft eine sehr differenzierte Präsentation mit sehr unterschiedlichen Arbeitsfeldern geben muss. Nicht zuletzt über die Präsentation im Internet - das ist klar geworden - bietet sich für den deutschen Auslandsrundfunk eine Präsen

tationsmöglichkeit, die einmal bis ins Letzte ausgereizt und ausgeforscht werden muss.

Aufgrund dieses Konzepts, meine Damen und Herren, hat die SPD-Fraktion ein Jahr später, im September 2000, ihren Antrag vorgelegt. Darin bezeichnet sie dieses Konzept als eine vernünftige Handlungsgrundlage. Dazu haben wir uns auch den genannten Herrn Hanten in den Fachausschuss eingeladen und uns darüber informieren lassen.

(Pörtner [CDU]: Enttäuschend!)

Der Antrag der CDU-Fraktion hat sich in unseren Augen überlebt. Darum schlage ich vor, dass wir ihn gemeinsam ablehnen, bevor er endgültig Schimmel ansetzt.

Der SPD-Antrag nennt nicht die goldene Lösung, sondern sagt lediglich: Hier geht der Bund den richtigen Weg, und wir unterstützen diese Modernisierungsanstöße. - Damit, meine Damen und Herren, findet die medienpolitische Verantwortung aus unserer Sicht auch ihr Ende; denn - ich wiederhole mich - die Deutsche Welle ist eine steuerfinanzierte, also nicht aus Gebühren finanzierte Veranstaltung des Bundes und keine Veranstaltung des Landes Niedersachsen.

(Pörtner [CDU]: Aber es soll eine Kooperation mit ARD und ZDF er- folgen!)

Dass der Bund bei seinen riesigen Einsparverpflichtungen auch in den Etat der Deutschen Welle eingegriffen hat, kann der Oppositionspartei im Bundestag natürlich nicht schmecken, vor allem dann nicht, wenn der Intendant der Deutschen Welle, dessen parteipolitische Ausrichtung ich vorhin nannte, diese Entscheidung zum Anlass für einen sehr persönlichen und polemisch gefärbten Streit genommen hat.

Dass diese Einsparungen auch Stellenabbau bedeuten, ist zwar nicht erfreulich, aber, so meine ich, nachvollziehbar;