Brüssel argwöhnisch bewacht. Deshalb müssen die entsprechenden Weichenstellungen auf EU-Ebene vorgenommen werden. Ich finde es positiv - das zeigt aber auch deutlich, wie ernst wir dieses Thema nehmen -, dass die Niedersächsische Landesregierung die Erste gewesen ist, die bei der EU vorstellig geworden ist, um genau dies zu erreichen. Wenn ich die Signale, die Uwe Bartels von Herrn Fischler mitgebracht hat, richtig verstanden habe, dann besteht auch dort die Bereitschaft, genau in diese Richtung zu gehen. Herr Minister, Sie haben dort nicht nur für die Niedersachsen, sondern meines Erachtens für die Bundesrepublik Deutschland einen wichtigen Beitrag geleistet, für den wir Ihnen an der Stelle nur danken können.
Vor dem Hintergrund der WTO-Verhandlungen und der bevorstehenden EU-Osterweiterung müssen nach dem Auslaufen der Agenda 2000 in der europäischen Agrarpolitik neue Förderschwerpunkte gesetzt bzw. neue Förderinstrumentarien installiert werden. Wir haben unser Anliegen hinsichtlich einer natur- und umweltverträglichen Landwirtschaft sowohl an die Landesregierung als auch an die Bundesregierung in einem zweiten Antrag betreffend Orientierung der Landwirtschaftspolitik am Verbraucherschutz in Europa ausführlich dargestellt. Ein zentraler Punkt dabei ist - ich glaube, darin sind wir uns mit Ausnahme des Kollegen Ehlen alle einig; mir liegt hier ein Zitat von Ihnen aus der "Zevener Zeitung" vor, angesichts dessen mich Zweifel beschleichen, ob wir uns da einig sind -, dass das Tiermehlfütterungsverbot über die nächsten sechs Monate hinaus gelten muss.
- Die haben sich verdruckt? - Dann ist das in Ordnung. Dann sind wir uns also alle einig, dass das, was ich vorhin gefordert habe, in Richtung EU parteiübergreifend organisiert wird. Dann ist das Problem auch bereinigt. Hier bereinigt; nicht aber bei der EU; das muss man deutlich sagen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einige Sätze zu der schwierigen Situation sagen, in der sich die Fleisch verarbeitende Industrie derzeit befindet und die ich eingangs bereits erwähnt habe. Der finanzielle Druck auf die von der Krise betroffenen Betriebe wird von Tag zu Tag größer. Insbesondere in der Region Weser-Ems mit ihren vielen Be
trieben der Fleisch- und Wurstindustrie sowie ihren zahlreichen Schlachthöfen bildet sich ein Schwerpunkt der Problematik. Den Ländern sind aufgrund der strengen Förderverbotsbestimmungen der EU wie Sie wissen - weitestgehend die Hände gebunden. Dies gilt insbesondere für den Bereich von Landesbürgschaften. Deshalb begrüßen wir das, was der Ministerpräsident hier eben gesagt hat. Ich sage dies auch in aller Deutlichkeit: Es reicht nicht aus, wenn das, was wir dort leisten müssen, erst in den nächsten Monaten auf den Weg gebracht wird. Es gibt nicht wenige Betriebe, die um ihre Existenz kämpfen. Deshalb sage ich auch in Richtung Bund ganz eindeutig - ganz gleich, wer immer dort bremsen mag; ob es der Landwirtschaftsminister ist, was ich nicht glaube, oder der Finanzminister -: Wir brauchen schnell die Genehmigung der EU. Wir brauchen schnell die Zusage des Bundes, damit wir die zur Verfügung stehenden Töpfe auf diesen Bereich ausdehnen können. Nur so können wir den Menschen helfen. Das werden wir mit Nachdruck auch gegenüber der Bundesregierung vertreten.
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, dass die Chancen noch nie so groß waren, aus einer großen Krise heraus ein positives Ergebnis zu entwickeln.
- Zu einem hohen Preis. Ich möchte das nicht bestreiten. Vielleicht aber, Herr Kollege, müsste uns das nachdenklich machen bezüglich der Frage, ob wir in der Vergangenheit, als es vielleicht noch preiswerter zu haben war, immer die richtigen Antworten auf die Fragen gegeben haben. Ich habe den Eindruck, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass es eine große Bereitschaft gibt, diesen Prozess mitzugestalten. Ich habe auch den Eindruck, dass diese Bereitschaft deutlich über die bisherigen Diskutanten, die Verbraucherverbände, die ökologischen Verbände, die Verbände der Landwirtschaft und die Politik, hinausgeht und dass dies ein gemeinsames Anliegen ist. Wenn dem so ist, dann lassen Sie uns künftig versuchen, auf Polemik zu verzichten und das Problem sachgerecht anzupacken. Wir sind dazu bereit. Wir wollen es anpacken.
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Harms. - Das, was Sie in ihrer Tüte haben, tickt aber nicht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Angst, das sind keine Wendenknüppel. Heute gibt es wieder einmal Geschenke für Ministerpräsidenten. Aber erst am Ende der Rede. Das ist wie bei der Bescherung zu Weihnachten. Erst werden die Gedichte aufgesagt, dann wird gesungen, und danach gibt es die Bescherung.
Es handelt sich - ich hoffe, dass ich das in meiner Rede noch deutlich machen kann - um ein Geschenk, das wir für notwendig halten, weil wir aufseiten des Ministerpräsidenten zwar einen guten Willen zum Umbau erkennen. Wir sind aber der Auffassung, dass einige Erkenntnisse noch nicht so gereift sind und dass auch die Bereitschaft zum Ergreifen wirklicher Konsequenzen noch nicht so ausgeprägt ist.
Herr Ministerpräsident, nach Ihrer Regierungserklärung fühlen wir uns tatsächlich darin bestätigt, dass diese Landesregierung noch keine klaren und auch noch keine starken Vorstellungen von der Aufgabe des Umbaus der Landwirtschaft in der Bundesrepublik hat. Wir stellen fest, dass Sie heute nicht über den Umbau geredet, sondern nur noch einmal nacherzählt haben, welche Notmaßnahmen angesichts der BSE-Krise in Niedersachsen und in der Bundesrepublik eingeleitet worden sind und wie dieser Notmaßnahmenkatalog ausgeweitet werden soll. Ansonsten habe ich eher den Eindruck, dass die Linie dieser Regierungserklärung darauf schließen lässt, dass Sie zwar für eine partielle Neuausrichtung in der Landwirtschaft eintreten, den Ökolandbau im Grunde genommen aber auch weiterhin nur als eine kleinere Nische in einer
Wir haben in den letzten Wochen als GrüneFraktion immer wieder die Befürchtung geäußert, dass ein Projekt wie der Umbau der Landwirtschaft in Niedersachsen ohne neues Personal nicht funktionieren kann. Wir hatten die Hoffnung, dass die Entscheidung, diese gesamte Aufgabe in Niedersachsen zur Chefsache zu machen, einen Kurswechsel in der Landwirtschaftspolitik markieren würde. Ich will diese Hoffnung aber noch nicht aufgeben, trotzdem aber als Reaktion auf diese Regierungserklärung sagen, dass mich diese Regierungserklärung enttäuscht hat. Ich glaube, dass nicht nur wir, sondern auch Landwirte und Verbraucher diese Enttäuschung teilen.
Herr Ministerpräsident, das fängt mit dieser Grundhaltung an: BSE ist aus heiterem Himmel wie eine neue Geißel des Herrn über uns gekommen. Die Seuche hat sich quasi nach Deutschland eingeschlichen, obwohl es sie hier doch gar nicht geben dürfte. – Was Ihren wirklich nachdrücklich ausgesprochenen Dank an den Landwirtschaftsminister Bartels für seine vorausschauenden Maßnahmen angeht, so sei hier noch einmal mit Ehrlichkeit gesagt: Ich nehme das nicht ernst. Vorausschauend? - Wenn man sich einmal die Debatten über BSE in diesem Landtag anguckt, dann war vorausschauend bestimmt - ich weiß nicht, wer sich noch daran erinnert - mein Grünen-Kollege Erich von Hofe,
der in diesem Landtag im Jahr 1994 - darüber können Sie jetzt lachen; das Lachen könnte Ihnen aber auch genauso gut im Halse stecken bleiben das vollständige Verbot der Verfütterung von Tiermehl gefordert hat. Vorausschauend, Herr Kollege, waren auch die Vorschläge von Bärbel Höhn, die Herr Bartels noch im Herbst 1999 als Wahnwitz bezeichnete. Herr Bartels und insbesondere sein Vorgänger Karl-Heinz Funke waren in der BSE-Debatte in keiner Weise vorausschauend, sondern sie waren verantwortungslos ignorant.
Meine Damen und Herren, mit dieser Ignoranz, die in der Politik in der Bundesrepublik Deutschland fast ohnegleichen ist, haben die Landwirtschaftsminister in Bund und Land - ob rotes oder schwar
zes Parteibuch, spielt hier keine Rolle - sich oder vielleicht auch nur uns, den Verbrauchern, über fast ein Jahrzehnt hinweg immer wieder vorgemacht, Deutschland seit BSE-frei. Wegen dieser ignoranten Haltung der Landwirtschaftspolitiker, die auch von den Funktionären des Bauernverbandes wider besseren Wissens mitgetragen worden ist, ist BSE, Herr Kollege, zu einer Bedrohung für Mensch und Tier und auch zu einer Bedrohung das ist ebenso schlimm - für die Existenz vieler Bauern geworden.
Herr Plaue, dass die Gesundheitsministerin Andrea Fischer zurücktreten musste, um den Bruch mit der Funke‘schen Agrarpolitik zu ermöglichen, wird ihr als Größe angerechnet.
Was mir aber bis heute fehlt, ist, dass die Riege von verantwortungslosen Landwirtschaftsministern das Scheitern ihrer Politik noch nicht auf sich genommen und eingestanden hat und sich auch noch nicht für das, was sie angerichtet hat, entschuldigt hat.
Frau Stammes Rücktritt in Bayern wäre auch ohne den zusätzlichen Schweineskandal richtig gewesen. Wer soll in der Landwirtschaft überhaupt an eine neue Politik glauben, wenn diese Autosuggestion unter Politikern und Bauernfunktionären, Deutschland seit BSE-frei - wie oft haben wir das von denen gehört? -, nun auch in Ihrer Rede, Herr Ministerpräsident Gabriel, quasi wieder nur als Gutgläubigkeit dieser Landwirtschaftspolitiker entschuldigte wird? Ich habe dafür kein Verständnis.
Herr Gabriel, Sie wollen ja - das habe ich schon gestern Abend gelesen - einen neuen Mahntag, den 24. November, zur ständigen Erinnerung an die BSE-Krise einführen. Ich glaube ganz nüchtern, wir brauchen keinen Mahntag, sondern wir brauchen Abmahnungen, damit es in eine bessere Zukunft der Landwirtschaft vorwärts geht.
Auch eng am Text Ihrer Rede, in der Sie heute bestritten haben, dass es in Niedersachsen überhaupt Agrarindustrie und damit verknüpfte Prob
Rinder - das weiß doch inzwischen jeder, der Zeitung liest - werden in Deutschland und auch in Niedersachsen natürlich nicht zu tausenden in Ställen gehalten, gemolken oder gemästet. Gefüttert werden sie aber oft genauso falsch und ähnlich gefährlich wie Schweine oder Geflügel in der Massentierhaltung.
Herr Ministerpräsident, dass Schweine und Geflügel in Niedersachsen industriell erzeugt werden, belegen Sie doch in Ihrer Rede selbst. Ein Drittel der Schweineproduktion und gar die Hälfte aller Hühner und Eier in der gesamten Bundesrepublik werden auf einem Teil - nur einem Bruchteil - der Fläche des Regierungsbezirks Weser-Ems produziert, und das mit allen schlimmen Folgen.
Die Aussage von heute, wir hätten nicht das bayerische Problem mit Antibiotika, sollten Sie schleunigst überprüfen lassen. Ich meine, Sie lassen diese Überprüfung besser nicht im Hause Bartels vornehmen.
Die Untersuchungsergebnisse des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie zur Bodenbelastung durch Antibiotika und die noch bedrohlicheren Ergebnisse der jüngsten Studie des Umweltbundesamtes, an der auch die Landwirtschaftskammer Weser-Ems mitgearbeitet hat, zeigen, dass allein im Raum Weser-Ems über 300 000 kg jährlich als Leistungssteigerer und als Therapeutika in der Tiermast eingesetzt werden. Wir finden auf den Böden in der Region bis zu 1 kg Antibiotika pro Hektar. Wie erklären Sie das, Herr Ministerpräsident? Fallen in Niedersachsen die Antibiotika auch vom Himmel? Nein, diese Mittel sind im Futter und werden wirklich viel zu oft therapeutisch verabreicht.
Ihr sehr kluger Bauer Michael Stolze hatte in der letzten Legislaturperiode einen Antrag zum Verbot von Antibiotika im Futter eingebracht. Bis zum Ende der letzten Legislaturperiode ist damals dieser Antrag nicht verabschiedet worden. Wir haben ihn in dieser Legislaturperiode neu gestellt. Eine Landtagsmehrheit hat dem Antrag dann auch zugestimmt. Durchsetzungsdruck hat es seitens der
Landesregierung dann aber immer noch nicht gegeben. Es gibt in Niedersachsen überhaupt keinen Grund - gerade auch Herr Bartels weiß das alles -, sich auf dem Höhepunkt der BSE-Krise einer neuen gefährlichen Illusion hinzugeben, nämlich der Illusion, wir hätten kein Problem mit Antibiotika.