Eine Illusion wäre auch zu meinen, dass Notmaßnahmen, die jetzt gegen BSE ergriffen werden, schon Wege aus der Krise seien. Dass alles zu spät kommt, dass die Krankheit schon seit Jahren übertragen werden konnte, ist Stand der öffentlichen Diskussion. Die Notmaßnahmen, die eine „Grüne Woche“ lang auch Renate Künast täglich dargestellt und begründet hat, mussten eigentlich nicht in einer Regierungserklärung nachgereicht werden.
Auch die Auffassung zur Keulung ganzer Bestände - ich teile übrigens die Auffassung, die Sie vertreten haben - ist nicht neu. Wichtig wäre mir an dieser Stelle ein sehr aufrichtiger Umgang mit der Keulung der 400 000 Rinder, die aus Brüssel gefordert wird. Auch wenn sich in den letzten Jahren bei der Keulung von teilweise Millionen von Schweinen wenig Protest in der Öffentlichkeit geregt hat, wird diese Marktbereinigungsmaßnahme zu Recht von vielen Menschen in der Bundesrepublik als unvorstellbar und ethisch verantwortungslos angegriffen werden. Auch Sie greifen heute diese Maßnahme an. Aber Sie lassen offen, ob das verhindert werden kann. Weil in der Logik der bisherigen Landwirtschaftspolitik und auch in der Logik der Rede heute ich befürchten muss, dass diese Maßnahme kommt, die offensichtlich niemand will - es scheint, dass sie kommt -, fordere ich an dieser Stelle die Landesregierung auf, dass, wenn diese Maßnahme kommt, mindestens durchgesetzt werden muss, dass nach der Vernichtung von 400 000 Rindern nicht bruchlos die Bestände wieder aufgefüllt werden. Es kann nicht im alten Stil weitergehen. Die Rinderprämie muss weg, die Silomaisprämie muss an dieser Stelle weg. Es wäre gut, wenn wir endlich eine Grünlandprämie bekämen.
Als Durchbruch für den Verbraucherschutz wird das neue Landesamt verkauft. Dabei ist die Schaffung des Amtes eigentlich Ausdruck fehlender Kraft. Konsequent wäre es gewesen, eine ähnliche Entscheidung wie in Berlin zu treffen, nämlich das
Landwirtschaftsministerium neu zuzuschneiden. Die Schaffung des Amtes ist meiner Meinung nach ein richtiges Eingeständnis, Herr Ministerpräsident, dass Sie nämlich Herrn Bartels und der Landwirtschaftspolitik in Niedersachsen, also denjenigen, die sie bisher gemacht haben, die Kompetenz für den Verbraucherschutz nicht zutrauen. Ich kann Sie darin nur bestärken.
Sie hätten dann aber dieses neu geschaffene Verbraucherschutzamt eigentlich dem Ministerium zuordnen müssen, in dem in Niedersachsen die Verantwortung für die Gesundheit von Menschen organisiert ist. Sonst kann ich nur sagen, ich habe den Eindruck, die Schaffung dieses Amtes bleibt eine Ersatzhandlung für die Neustrukturierung des gesamten Bereiches der Landwirtschaftspolitik, des Verbraucherschutzes und auch bestimmter Bereiche der Umweltpolitik, die eng dazu gehören werden.
Die Antwort, mit welchen Mitteln und Mitarbeitern die sehr strengen Qualitätsvorschriften und die Transparenz von der Produktion bis zur Ladentheke tatsächlich kontrolliert werden sollen, können Sie heute noch nicht geben. Dafür habe ich Verständnis. Aber dass diese Antwort gegeben werden muss, ist Ihnen sicherlich klar.
Als Koordinator der Fachkommission werden Sie sehr gute Gelegenheit haben, das gesamte bisherige Kontrollsystem, aber auch das gesamte Prämien- und Subventionssystem in der Landwirtschaftspolitik und den dazu gehörigen Bereichen zu überprüfen.
Sie haben heute gesagt, kritische Geister sollen berufen und berücksichtigt werden. Die Liste der Kommissionsmitglieder, die ich in der letzten Woche das erste Mal gesehen habe, hat für mich zunächst das Problem, dass sie eine kritische Lücke aufweist und dass ich die kritischen Geister in einem bestimmten Bereich vermisse. Die Bank der Wissenschaftler zeigt eine klare Ausrichtung für das Weiter-so. Uns fehlen weitere Namen von Wissenschaftlern, die den bisherigen Weg der Landwirtschaft infrage stellen. Köpke aus Düsseldorf, Hamm aus Neu-Brandenburg, das sind sehr renommierte Leute. Warum können eigentlich nicht endlich einmal die Erneuerer, die Modernisierer eines völlig maroden Systems die Mehrheit in einer solchen Kommission bekommen? Warum stehen schon wieder die im Mittelpunkt der Kom
Ich halte es für völlig falsch, auch in Abgrenzung zur heutigen Regierungserklärung, den ökologischen Landbau weiter auf eine Nische innerhalb der konventionellen Landwirtschaft zu beschränken. Es geht heute meiner Meinung nach darum, offen in den Umbauprozess einzusteigen.
Ich will an dieser Stelle zunächst einmal mit einer Mär aufräumen, die den Grünen oft angehängt wird. Die ökologische Landwirtschaft ist keine verträumte Nische, in der der Bauer morgens mit der Sense das Gras für seine zwei Ziegen oder seine eine Kuh oder ein paar Schafe mäht. Es gibt ganz kleine Betriebe, die mit viel, viel Arbeit in diesem Bereich existenzfähig geworden sind. Richtig ist aber, dass der Ökolandbau heute schon längst für den klugen Einsatz von Technik, für modernste Ställe mit besten Haltungsbedingungen und auch für sehr große Herden steht. Darüber konnte jeder in den letzten Tagen sehr viel lesen und sehen. Diese guten, modernen Höfe müssen noch nicht einmal so teuer sein, wie uns das auf dem Kronsberghof vorgeführt wird. Ich schätze diesen Kronsberghof sehr. Ich weiß aber, dass es auch möglich ist, sehr viel günstiger solche modernen Biobetriebe auf die Beine zu stellen.
Umbau funktioniert meiner Meinung nach nur in Schritten. Der Einstieg in die ökologische Landwirtschaft ist die wichtigste Säule des Umbaus. Unverzichtbar sind aber gleichzeitig ehrgeizige Verbesserungen im konventionellen Bereich durch wirklich glasklare und strenge Regelungen statt der bisher unpräzisen guten fachlichen Praxis.
An dieser Stelle möchte ich doch noch einen Hinweis geben: Die Fleischmarke „Neuland", die eben nicht bio, sondern konventionell ist, liefert heute schon ausgezeichnete konventionelle Fleischqualität, weil sich Bauern, Schlachter und Vermarkter auf sehr strenge Auflagen für Haltung, Fütterung und Tiermedizin geeinigt haben. Wir müssen meiner Meinung nach nicht abstrakt mehr Qualität für konventionelles Fleisch fordern. Wir haben ein sehr gutes Beispiel. Wir brauchen überhaupt keine neue Marke. Wir können uns an dieser Entwicklung im Zusammenhang mit „Neuland“ ein ganz eindeutiges Beispiel nehmen.
Künast, die Grünen-Landwirtschaftsministerin in Berlin, die Sie oft zitiert haben, wird sich mit kleineren Kurskorrekturen nicht zufrieden geben.
In Niedersachsen ist das entscheidende Steuerungsinstrument das PROLAND-Programm. Ihre Einschätzung, dass die Richtung stimmt und nur Profilschärfungen erforderlich sind, können wir nicht teilen. Alle Programmteile, insbesondere das Agrarinvestitionsförderprogramm mit 100 Millionen DM jährlich, müssen an die Neuausrichtung der Landwirtschaftspolitik angepasst werden. Aus einem Wegebau- und Rationalisierungsprogramm muss ein Neuausrichtungsprogramm für eine verbraucherorientierte ökologisierte Landwirtschaft werden. Dazu sind die Schwerpunkte umzukehren: von der bisherigen Förderung des Strukturwandels hin zu einem Ausbau der Agrarumweltprogramme und einer Vermarktungsoffensive für Qualitätsprodukte. Das macht erhebliche Umschichtungen zwingend. Die heute angebotenen Peanuts für den Ökolandbau können meiner Meinung nach überhaupt nicht das letzte Wort in Niedersachsen sein.
Meine Damen und Herren, wenn die Politik den Rahmen setzt, ist das allein noch keine Garantie für einen erfolgreichen Prozess. Verantwortungsvolle Landwirte und verantwortungsbewusste Verbraucher, die tatsächlich über ihre Einkäufe nachdenken, braucht das Land.
Ich fange mit den Letzteren an, mit uns Verbrauchern als den ewigen Schnäppchenjägern. Die Betonung des Verbraucherschutzes als neue Aufgabe ignoriert oder übersieht möglicherweise ein altes Problem. Die Halbwertszeit öffentlicher Aufregung über Lebensmittelskandale ist kurz. Deswegen wende ich mich auch immer gegen eine falsche Versachlichung der Debatte. Wenn jemand geschützt werden muss, dann sind das meiner Meinung nach in erster Linie die Bauern und die Tiere. Die müssen geschützt werden - auch in einer überspitzten Umkehrung - vor dem Verbraucher. Vielleicht müssen auch die Verbraucher tatsächlich einmal ein ganz kleines Bisschen vor sich selbst geschützt werden. Denn über die BSE-Angst dürfen wir nicht vergessen, dass gerade der Verbraucher die Barbarei in der Tierzucht mit verursacht.
auch das Opfer ist, die freie Auswahl. Er kann das Ei aus der Käfighaltung vom Hühnerschänder Pohlmann für 20 Pf. oder das Bio-Ei für 40 Pf. kaufen. Solange sich beim Einkauf 97 % für die Quäl-Ware entscheiden, werden die Öko-Eier leider auch nicht günstiger. Es sind die Verbraucher, die glauben, dass ein Schwein nur aus Schnitzeln besteht. Selbst auf dem Höhepunkt der BSE-Krise weigern sich 34 % aller in der Bundesrepublik Befragten, mehr Geld für sicheres Rindfleisch auszugeben.
Ich glaube, dass Bioprodukte günstiger werden müssen. Ich bin nicht der Auffassung, dass sich in diesem Land demnächst alle Kaviar leisten können. - Ich mag übrigens auch gar nicht so gerne Kaviar. - Ich glaube, dass Bioprodukte wirklich günstiger werden müssen und können und dass gesunde Nahrungsmittel zu Spottpreisen niemals produziert werden können.
Selbst wenn Ökokartoffeln aus dem Wendland inzwischen bei Aldi angeboten werden, die Wenden-Knolle - auch kein Kampfmittel des Wendeschen Widerstands, sondern eine Ökokartoffel -, wird es auf Dauer sehr ungesund, wenn der Durchschnittsverbraucher immer mehr Geld für das Auto und immer weniger Geld für das Essen berappen will. Denn eines steht fest - ich glaube, da widerspricht auch niemand aus den Reihen der CDU -: Ob Hormone, Antibiotika, BSE, Dioxin, Pflanzenschutzmittel, ein solches Cocktail immer wieder zu verspeisen, kann nur krank machen.
An den Bauern würde eine Umstellung nicht scheitern, wenn Politik und Gesellschaft mitmachen. Das dauert. Aber wenn die Vermarktung funktioniert, dann produzieren, meine ich wirklich, auch die Bauern lieber Qualität statt Masse.
Unser Lüchow-Dannenberger Kreislandwirt Hilse aus dem Wendland - interessanterweise ist er übrigens Stellvertreter von Herrn Niemeyer - sagt, dass es an den Bauern nicht scheitern muss. Er hält die ausreichende Versorgung der Bundesbürger mit Ökoprodukten aus heimischer Produktion für machbar, wenn der Druck zur Überproduktion von der Landwirtschaft genommen wird. Nun hat Herr Hilse sehr gute Erfahrungen mit den erfolgreich umgestellten Betrieben im Landkreis LüchowDannenberg gemacht. Das muss ich hier auch einmal mit einem gewissen heimatlichen Stolz
sagen. Nirgends in Deutschland haben die Betriebe in einer solchen Dichte umgestellt wie im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Das hat sicherlich mit der Politisierung der Bauernschaft in der GorlebenAuseinandersetzung zu tun. In den letzten Tagen haben sich reihenweise Bauern bei mir gemeldet, die ihre Betriebe umstellen wollen. Ich will hier betonen: Das sind keine Grünen. Es gibt nämlich nicht so viel grüne Bauern. - Es wäre ein Leichtes, die Spitzenstellung der Ökobauern in dieser Region noch zu verbessern, und es wäre ein Leichtes, die umgestellte Fläche mindestens zu verdoppeln, wenn bestimmte Vermarktungswege gefördert würden. Milch und Kartoffeln stehen da im Mittelpunkt.
Dass bis heute in Niedersachsen, dem Agrarland Nr. 1 trotz jahrelanger Auseinandersetzungen keine Biomolkerei verwirklicht ist und heute in der Regierungserklärung auch wieder nicht als Projekt aufgetaucht ist, stellt nicht nur die Biobauern in Lüchow-Dannenberg und die Bauern, die zur Umstellung der Milchproduktion auf Öko bereit sind, vor ein Problem, sondern das kann eigentlich nur dazu führen, dass wir nicht weiterkommen.
„Aus Wahnsinn klug werden“ war die Schlagzeile der „Zeit“ auf Seite 1 in der letzten Woche. Ich finde, das ist eine richtige Zuspitzung der Herausforderungen für Politik, Landwirtschaft und Gesellschaft insgesamt. „Aus Wahnsinn klug werden“ wäre auch eine noch bessere Überschrift für eine ehrgeizige Regierungserklärung heute gewesen. Aber vielleicht ist das noch nicht so weit. Werden wir denn aus Wahnsinn klug? - Für mich ist die Antwort auf diese Frage heute noch völlig offen.
Die BSE-Krise ist ein schlimmer, vielleicht der schlimmste Ausdruck einer Landwirtschaftspolitik, die weder zum Wohle der Verbraucher noch zum Wohle der Bauern war und ist. Das muss man betonen. Wir haben noch nichts geändert.
Selten haben sich die Fehler von Kiechle, Funke, Heeremann, Sonnleitner & Co. so katastrophal ausgewirkt wie in den letzten Monaten. Nicht nur die Landwirtschaftspolitik hat Schlimmes angerichtet, sondern in der letzten Jahrzehnten hat auch die Verbraucherschutzpolitik unverantwortlich gehandelt. Die Verbraucherschützer müssen sich von heute aus wirklich noch einmal ernsthaft mit
den Vorwürfen auseinander setzen, dass sie bisher nicht die Gesundheit von Mensch und Tier geschützt haben, sondern die Interessen von Kartellen der Futter- und Nahrungsmittelindustrie, die Interessen von Tierpharmazie und -medizin geschützt haben. Ich meine, bisher wurde nur wenig dem Wohl der Menschen gedient. Tatsächlich wurde in vielen Bereichen der Landwirtschaftspolitik und darum herum eher daran gearbeitet, Volksvermögen und die Früchte der Arbeit von Bauern zu vernichten.
Ich meine, dass der Umbau der Landwirtschaft ein Prozess ist, der länger braucht, als uns allen lieb sein kann. Ob es uns gelingt oder nicht, hängt nicht allein von den Bauern ab. Ich hoffe, ich habe hier ausreichend deutlich gemacht, dass ich den Verbrauchern und der Politik eine mindestens gleichberechtigte Rolle dabei zumesse. Wir haben im Zusammenhang mit der Atomenergie oder anderen Fehlentwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland oder in den Industrienationen in besonderen Situationen immer wieder festgestellt, dass die Menschen eigentlich nur aus Katastrophen lernen. Das ist inzwischen fast Konsens; das sagen Politiker aller Parteien. Das Problem ist: Wenn wir uns geeinigt haben, dass wir nur aus Katastrophen lernen, dann sollten wir uns auch einmal darüber einigen, dass wir die Lehren, die wir gezogen haben, auch wirklich konsequent umsetzen müssen.
Damit das in Niedersachsen in der nächsten Zeit nicht vergessen wird, habe ich das angekündigte Geschenk für den Ministerpräsidenten mitgebracht.
Niedersachsen ist zwar Agrarland Nr. 1, aber Ökoland Nr. 16. Wir sind im Vergleich der Bundesländer, was den Ökolandbau angeht, abgehängt. Wir haben da die rote Laterne. Damit der Ministerpräsident ehrgeiziger gegen diese miserable Position Niedersachsens im Vergleich der Bundesländer angeht, bekommt er zur Erinnerung diese rote Laterne.
(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN - Frau Harms [GRÜNE] überreicht dem Ministerpräsidenten eine rote Laterne)
Herr Schwarzenholz, Sie lachen gerade so herzhaft. Jetzt wird es ernst. Ich erteile Ihnen nämlich das Wort, und zwar für bis zu fünf Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe deshalb so herzhaft gelacht, weil ich mich darüber gefreut habe, wie reaktionsschnell unser Ministerpräsidenten diese rote Laterne hat verschwinden lassen. Das war wirklich vorbildlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich möchte mit etwas anfangen, was mich vorhin zu dem Versuch veranlasst hat, dem Herrn Fraktionsvorsitzenden der SPD eine Zwischenfrage zu stellen. Der Fraktionsvorsitzende der CDU hatte hier eine ganz spannende Frage angesprochen, nämlich die Frage der Rolle des Parlaments in solchen Auseinandersetzungen, auch in solchen Krisensituationen, und er hatte der SPD bzw. der Landesregierung vorgeworfen, dass durch die gewählte Vorgehensweise das Parlament wieder ausgeschaltet würde, und er hat gemeint, dass das Vorgehen von Ministerpräsident Gabriel sehr medial sein. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass ich mich in dieser Situation deshalb anschließend furchtbar aufgeregt habe, weil die CDU-Fraktion die Bedeutung dieser Debatte dadurch minimiert hat, dass sie beim größten Teil der Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD nur mit zwölf bis 13 Abgeordneten im Saal anwesend war.