Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Ich halte es für sinnvoll, in dieser Frage, in der, wie alle Redner deutlich gemacht haben, eine große Unwissenheit vorherrscht, zu mehr Sachlichkeit zu kommen und nicht mit emotionalen Dingen das Ganze hochzupuschen.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir müssen Instrumente für mehr Transparenz entwickeln. Wir müssen zur Qualitätssicherung wie auch in anderen Bereichen

kommen. In der Technik ist QS ein Begriff, und QS kostet Geld. Da ist die Selbstkontrolle ein entscheidender Begriff. Das muss auch im Nahrungsmittelbereich intensiver werden.

Die Lampe hier leuchtet schon auf. - Lassen Sie mich noch auf einen besonderen Punkt eingehen. Ich möchte dafür werben, dass wir den ökologischen Landbau stärker aus der Nische – das ist von den Betreffenden ja zum Teil selbst so gewählt – herausholen, dass wir die unterschiedlichen Produktionsweisen stärker zusammenführen, dass soziale Fragen, gesundheitliche Fragen stärkere Beachtung in der Diskussion finden und dass der Wettbewerb nicht Maßstab unseres Handelns ist. Warum er das ist, müssen wir uns auch überlegen; denn diese Aufgabenstellung haben wir ganz klar an Europa abgegeben.

(Glocke der Präsidentin)

- Ich verkürze weiter. – Es gibt nichts Schlechtes, was nicht auch noch etwas Gutes hat. Die Möglichkeiten für sinnvolle Veränderungen sind – das hat die Diskussion bisher gezeigt – besser als je zuvor. Lassen Sie uns das, meine Damen und Herren, was wir aufgeschrieben haben – in den Anträgen ist vieles enthalten, woran wir intensiv arbeiten müssen -, umsetzen, lassen Sie uns zu dieser Gemeinsamkeit kommen – im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Ehlen [CDU]: Also doch Enquete-Kommission!)

Herr Minister Bartels, bitte!

Bartels, Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir müssen ungeschminkt feststellen, dass die BSEKrise in Deutschland zu einer tief greifenden Verunsicherung der Verbraucher geführt hat, aber nicht nur das: Sie hat auch eine breite gesellschaftliche Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik ausgelöst. Ich begrüße diese Diskussion; denn eine Politik, die den Ansprüchen der Gesellschaft nicht gerecht wird, endet früher oder später in einer Sackgasse. Die BSE-Krise macht uns dies sehr deutlich. Sie zeigt uns, dass kein Wirtschaftszweig auf Dauer an den Wünschen der Verbraucher vorbei produzieren darf, sei es, dass

man Produkte erzeugt, die am Markt nicht nachgefragt werden, wie das jetzt der Fall ist, sei es, dass man z. B. das Verbrauchervertrauen missbraucht. Die wirtschaftlichen Folgen, über die wir heute Morgen sehr ausführlich geredet haben, gehen - die Zahlen haben wir gehört – in die Milliarden.

Ich halte nichts davon, in dieser Situation Schuldzuweisungen vorzunehmen. Wir sollten diese Krise als Chance für eine neue Schwerpunktbildung in der Agrar- und Verbraucherschutzpolitik verstehen. Wir müssen also nicht nur alle Anstrengungen unternehmen, um mit neuen Gesetzen und Kontrollen die Lebensmittelsicherheit zu erhöhen, sondern wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass der Verbraucher letztlich im Einzelfall wirklich nachvollziehen kann, wie, unter welchen Umständen das Nahrungsmittel, das er gerade kaufen will, produziert worden ist. Nur auf diesem Wege, meine Damen und Herren, nicht über großformatige Werbebroschüren, Anzeigen oder Fernsehtrailer werden wir Verbrauchervertrauen Schritt für Schritt wieder zurückgewinnen können. Nur auf diesem mühsamen Weg, meine ich, wird uns das gelingen.

(Zustimmung von Adam [SPD])

Das darf aber nicht dazu führen, dass man eine Kausalität zwischen dem Auftreten von BSE und der Größe landwirtschaftlicher Betriebe konstruieren sollte,

(Zustimmung bei der CDU)

und auch nicht dazu, meine Damen und Herren, dass wir glauben,

(Oestmann [CDU]: Das Rad neu er- finden zu können!)

die Agrarpolitik mache uns insgesamt krank. Zukünftig müssen wir Verbraucher-, Tier- und Umweltschutzaspekte viel, viel stärker in die Agrarpolitik implementieren. Für den Verbraucherschutz sehe ich dafür die folgenden Ansatzpunkte:

An erster Stelle steht für mich, ein Verbundsystem zu schaffen, das Transparenz letztlich von der Zucht, dem Futtermittellieferanten über den Stall bis hin zur Ladentheke garantiert. Wir sprechen in diesem Zusammenhang in Niedersachsen von der Gläsernen Kette. Der Begriff ist hier geboren worden; er ist hier entstanden. Diese so genannten Qualitätssicherungssysteme dokumentieren jeden Schritt in der Produktion und in dem Vertrieb der

Nahrungsmittel. Damit wird ein bestimmter Qualitätsstandard eingehalten. Bei Mängeln und Verstößen kann rückverfolgt werden, an welcher Stelle jemand seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist. In Niedersachsen laufen dazu bereits einige Pilotprojekte. Ich erinnere an das schon seit 1984 laufende Projekt EGO, Erzeugergenossenschaft Osnabrück, oder an IFP oder die Gläserne Kette in Norden, alles Vorzeigeprojekte. Diese Aktivitäten haben bisher allerdings – das müssen wir zugestehen; Herr Wulff hat darauf heute Morgen hingewiesen – noch keinen breiten Erfolg gehabt.

(Oestmann [CDU]: Das müssen wir auch den Kritikern sagen!)

Wir sind uns einig im Ziel, aber wir haben noch nicht alle überzeugt, die wir überzeugen müssen. Wir arbeiten gemeinsam daran, aber wir wissen auch, wie schwierig es ist. Wir versuchen, das auch mit der Förderung zu verbinden. Bei uns bekommt niemand eine Förderung, der nicht bereit ist, sich vertraglich an mindestens 75 % seiner Erzeuger zu binden. Also: Wir sind daran. Wir haben die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet.

Der Antrag, von dem Herr Wulff heute Morgen gesprochen hat, ist übrigens als gemeinsamer Antrag, also mit den von Ihnen formulierten Bestandteilen, im Landtag einstimmig beschlossen worden. Er ist nicht abgebügelt worden, sondern da ist gemeinsam etwas gemacht worden.

Wir brauchen also flächendeckend diese Erzeugergemeinschaften in Niedersachsen. Dazu brauchen wir die beteiligten Wirtschaftspartner. Diese Forderung betrifft sowohl ökologische Produkte als auch konventionell erzeugte Produkte.

Meine Damen und Herren, ich habe die Mittel in PROLAND, und ich habe nicht die Sorge, die von Frau Harms hier geäußert worden ist, nämlich dass PROLAND sozusagen nur ein Programm für den ländlichen Wegebau ist. Wir haben PROLAND mit vielen, vielen ökologischen Aspekten versehen. Allein 25 % der Mittel sind für Agrarumweltmaßnahmen vorgesehen. Das, meine Damen und Herren, ist eine Quelle, aus der wir schöpfen wollen.

Ich habe Frau Künast gebeten, die Gemeinschaftsaufgabe einmal darauf zu überprüfen, ob wir sie nicht für diese neuen Ansätze aufbohren können. Einen Grundsatzbeschluss dazu hat der PLANAK schon im Dezember gefasst. Es ist gesagt worden: Wir wollen alle unsere Förderprojekte darauf

überprüfen, ob sie mit den Zielen der Tiergerechtigkeit, der Umweltverträglichkeit und der Lebensmittelsicherheit im Einklang stehen. – Diesen Beschluss gibt es. Deshalb sehe ich keine Probleme, da weiter voranzukommen. Auch für die Verbraucherberatung und -aufklärung sowie das Marketing stehen die Mittel zur Verfügung.

Die Verbraucherwünsche gehen aber weiter. Die Verbraucher wollen, dass alle Formen der Landwirtschaft nachhaltig betrieben werden, wie Herr Klein das ja eben angemahnt hat. Das heißt: Landwirtschaft muss auch tier- und umweltgerecht sein. Was den Tierschutz anbetrifft, muss ich wohl an dieser Stelle nicht noch einmal belegen, dass wir in Niedersachsen eine Vorreiterrolle haben, allerdings bei weitem noch nicht da sind, wohin wir wollen. Wir haben noch viele Aufgaben auch im Bereich der Schweinehaltung und der Kälberhaltung vor uns, die wir im Interesse des Verbraucherschutzes und der Verbrauchersicherheit anpacken wollen. Ich bin mir sicher: Der Konsument wird das auf längere Sicht auch honorieren.

Der Ökolandbau ist in Fragen des Tier- und Umweltschutzes besonders gut aufgestellt. Deshalb wird er besonders gefördert. Ich sehe die wachsende Nachfrage, und von daher werden wir uns dieser Wirtschaftsweise mit noch größerer Aufmerksamkeit widmen. Wir haben bereits eine Maßnahmenpalette in PROLAND, aber auch in unserem Gesamthaushalt und werden – der Ministerpräsident hat das heute Morgen gesagt – zusätzlich 5 Millionen DM zur Verfügung stellen, um die Defizite, die es in diesem Bereich in den Strukturen und im Beratungswesen zweifelsohne gibt, abzubauen. Der Natur- und Umweltschutz muss auch im konventionellen Bereich der Landwirtschaft weiter vorangetrieben werden, weil dieser Bereich der stärkste in unserem Lande ist und mit Sicherheit auch bleiben wird: von seinen Produktionsanteilen her, von der Zahl der Landwirte her. Da gilt die gleiche Forderung nach Umweltverträglichkeit, Tierschutzgerechtigkeit, wie wir sie auch an anderer Stelle gestellt haben.

Meine Damen und Herren, wir werden uns auch über die Agenda 2000 und über den mid term review darüber unterhalten, ob wir nicht wirklich schnell dazu kommen können, eine Grünlandprämie als Flächenprämie zu implementieren, mit der wir dann nicht nur Verwaltungsvereinfachung erreichen, sondern mit der wir in der Tat auch die Chance haben, uns WTO-tauglich zu verhalten.

(Oestmann [CDU]: Das reduziert aber die Wertschöpfung im Land!)

- Herr Oestmann, lassen Sie uns über diesen Punkt gemeinsam diskutieren, wenn wir die Rahmendaten für eine solche Grünlandprämie miteinander erörtern und überlegen, auf welcher Grundlage sie dann stattfinden soll. Ich halte es für sinnvoll, dass man darüber im Ausschuss redet.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu Herrn Wojahn, der mich angesprochen hat, Folgendes sagen: Ich bin natürlich für Ihre Anregungen und Ihre Positionen, die Sie in den Anträgen aufgestellt haben, offen. Ich sehe mir sie an und prüfe, wo es Zielgleichheit und inhaltliche Gleichheit gibt. Das ist bei vielen Punkten der Fall. Außerdem prüfe ich, ob es Differenzen gibt und worüber man miteinander reden muss, damit man vielleicht zu einem Konsens kommt. Das wollen wir vorbehaltlos im Ausschuss miteinander machen.

Zum Thema Pachtung oder Leasen der Milchquote sage ich Ihnen: Das ist ein Problem. Der Bundesminister, seinerzeit noch Funke, jetzt die neue Kollegin, hat sich mit dieser Thematik befasst. Ich hoffe, dass wir hier eine Lösung durch einen Erlass im Hinblick auf die Zusatzabgabenverordnung, die an der Stelle geändert werden müsste, erreichen. Das ist in Arbeit.

Die Frage, was mit den Schlachtbetrieben geschieht, wenn ein BSE-Fall auftritt, ist berechtigt. Wir haben gestern unter Leitung des Ministerpräsidenten mit der Schlachtwirtschaft zusammengesessen, und ich habe feststellen können, dass wir einen Konsens erreicht haben. Mein Haus hat auch hier Pilotfunktion gehabt, nämlich für die Regelung im gesamten Bundesgebiet. Es ist sinnvoll, dass wir das einheitlich machen. Die niedersächsische Regelung, die hier erarbeitet worden ist, wird auf das gesamte Gebiet übertragen, sodass der wirtschaftliche Schaden für die Unternehmungen, falls ein BSE-Fall auftritt, minimiert wird, wenn alle den Ablaufplan genau einhalten.

Frau Hansen, die Fragen, ob die Wursthersteller zu Unrecht vorgeführt werden oder ob sie Untersuchungsergebnisse vorgestellt bekommen, die nicht zutreffend sind, kann ich für Niedersachsen mit Nein beantworten. Sie hatten - ich hatte es geahnt ein hessisches Beispiel angeführt. In Niedersachsen ist es so, dass wir zwei Proben nehmen und dann feststellen können, ob es sich bei den tieri

schen Proteinen - in diesem Fall waren es Rindfleischproteine - wirklich um Rindfleisch oder möglicherweise z. B. um gecoatete Gewürze, die eine Art Rinderteigmantel haben, wie ich gestern gelernt habe, handelt. Auch der Rinderdarm kann in der Tat entsprechendes Protein in der Wurstware bewirken. Deshalb haben wir eine Trennung zwischen der Hülle und dem Wurstinhalt vorgenommen. Auch hier versuchen wir, den Betrieben gerecht zu werden. Das ist, Frau Hansen, sicherlich ein großes Problem für die Betriebe, weil die natürlich große Sorge haben, dass sie ihre wirtschaftliche Grundlage verlieren, wenn sie öffentlich gebrandmarkt werden.

Sie merken, dass es viele Punkte gibt, die wir zu erörtern haben. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD – Oestmann [CDU]: Sie müssen auch dorthin kommen!)

Die Fraktion der CDU hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile dem Kollegen Ehlen für bis zu drei Minuten das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, es hat heute im Verlauf der Debatten im Großen und Ganzen - ich möchte das so zusammenfassen - sehr viel Übereinstimmung gegeben, nämlich dass wir uns mit dem, was in der Vergangenheit passiert ist, sicherlich nicht zu rühmen brauchen, egal, in welcher Fakultät man hier sitzt, und dass wir nach vorne schauen müssen. Man macht sich natürlich darüber seine Gedanken. Ich habe etwas Probleme mit dem Weg, den man hier einzuschlagen gedenkt, wenn man sagt: Wir machen 10 % oder - man überholt sich ja sogar mit den Prozenten - 20 % par ordre du mufti Ökolandbau. Ich meine, die Orientierung wäre sehr viel besser und ehrlicher, wenn man sagen würde: Wir orientieren uns an dem Markt. - Deshalb muss es einen anderen Ansatzpunkt geben. Wir müssen das Verbraucherinteresse an Ökoprodukten schärfen. Was nützt es, wenn wir Kapazitäten vorhalten, für die es keinen Markt gibt?

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Wenn man sich einmal die Landschaft anschaut, dann stellt man fest, dass man Ökolandbau und Direktvermarktung in Verbindung bringen muss. All diejenigen, die das machen, sind damit zufrieden, und bei den Betrieben läuft das. Wenn wir die 10 %- oder sogar 20 %-Schwelle erreichen wollen, dann wird sicherlich die Supermarktschiene, der Lebensmitteleinzelhandel, mit dabei sein. Er wird genau so wie jetzt versuchen, den Rahm - das sage ich einmal so - abzuschöpfen. Deswegen sollten wir dort mit Bedacht herangehen und versuchen, nicht Kapazitäten an Ökolandbau aus dem Boden zu stampfen, wofür es letztendlich keinen Markt gibt. Damit tun wir denen, die in der Vergangenheit in diesem Bereich tätig waren, sicherlich keinen Gefallen.

(Zuruf von Plaue [SPD])

Es gibt ja die Vorzeigehöfe, z. B. EGO und den Kronsberghof. EGO ist mit sehr vielen öffentlichen Mitteln gefördert worden. Finanziell sieht das dort aber nicht so gut aus. Das muss man einmal klar feststellen. Die Frage ist: Warum ist das in der Vergangenheit nicht gelaufen?

Der Kronsberghof hat aufgrund der EXPO eine Möglichkeit gehabt, sich darzustellen. Letztendlich - das möchte ich nicht abwertend sagen - ist dort ein finanziell unabhängiger Unternehmer eingetreten, der dieses mehr oder weniger als Hobby betreibt.

(Beckmann [SPD]: Rede nicht alles kaputt!)

Wir sollten diese Hobbyveranstaltungen aber nicht als Vorbild darstellen. Das muss sich auch von den Erträgen her - entweder aus der Herstellung der Produkte oder der Vermarktung der Produkte lohnen. Von daher sollten wir das Pferd nicht von der falschen Seite aufzäumen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)