Protokoll der Sitzung vom 25.01.2001

Sie sind doch inzwischen die Partei der sozialen Kälte geworden. Sie kennen doch nur noch 10 000-DM-Gehälter!

(Beifall bei der CDU)

Ich will jetzt nicht noch einmal das Beispiel der Rentnerin bringen; Frau Pothmer hat das dankenswerterweise schon vorweggenommen. Auch mit den Rentnern und Rentnerinnen muss man das doch einmal diskutieren, auch vor dem Hintergrund der Debatte, die wir im Moment führen. Wir

müssen die Diskussion mit der jungen Generation führen und müssen fragen, wie das hier als Beispiel wirkt. Die jungen Leute müssen Angst haben, dass sie nach 40 Jahren Beitragszahlung eben nicht mit diesen Beträgen in den Ruhestand gehen können. Die müssen wir auffordern, sich selbst um ihre Alterssicherung zu kümmern. Und in dieser Zeit machen Sie solche Beispiele! Das ist doch hanebüchen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung von den GRÜNEN)

Es nützt Ihnen doch nichts, diesen Protest arrogant und selbstgefällig aussitzen zu wollen. Zumindest wir, die Grünen und die CDU, wollen Ihnen das nicht durchgehen lassen.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen den Brief vorgelesen. Ich habe Ihnen die Stimmung der Bevölkerung deutlich gemacht. Das müsste eigentlich auch bei Ihnen ankommen; denn die Durchschriften sind ja an die Landesregierung gegangen. In diesem Fall sollte Ihnen das die Regierung vielleicht einmal in der Fraktion vortragen, damit Sie wissen, wie die Stimmung im Lande ist.

Nun habe ich natürlich auch gehört, dass Sie sich inzwischen darauf berufen – wir haben das auch im Ausschuss diskutiert -, der Landesrechnungshof habe ja gesagt, das mit Herrn Minnier sei ganz toll gelaufen. Das ist zunächst vom Rechnungshof gar nicht erklärt worden. Der Rechnungshof hat vielmehr erklärt, er habe in die Akten geguckt, und nach Aktenlage könne er nicht feststellen, dass rechtswidrig gehandelt worden sei. Nach Aktenlage!

(Rabe [SPD]: Was heißt denn das?)

- Herr Rabe, bei einem politischen Beamten wird natürlich nicht in die Akte hineingeschrieben, welche Gründe für seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gegeben sind. Trotzdem müssen Gründe vorliegen. Wenn Sie einen Staatssekretär oder in diesem Fall einen Verfassungsschutzpräsidenten entlassen, müssen dafür Gründe vorliegen. Diese Gründe kann man aber nicht der Akte entnehmen. Es ist müßig zu sagen „Der Rechnungshof hat keine Gründe finden können“, weil normalerweise keine Gründe hineingeschrieben werden. Deshalb ist im Verfahren nichts falsch gelaufen, und nur das hat der Rechnungshof zu prüfen.

Hier ist auch die Motivationslage bis hin zu den von mir eben so titulierten Nachfluchtgründen zu prüfen. Das kann der Staatsgerichtshof nun tun. Er kann sagen: Wir vernehmen Zeugen, wir hören uns das an. Wir lesen die Presse, was darin stand, was Gabriel im September gesagt hat, was Gabriel im Dezember gesagt hat. – Der Staatsgerichtshof kann auch prüfen, was z. B. die Fachbeamten gesagt haben, warum die Personalabteilung, das Personalreferat in diesem Fall nicht mitgezeichnet hat. – Auch das sind Punkte, die dann einmal geklärt werden sollten. Nur auf diesem Wege können wir erreichen, dass der Vorgang abschließend rechtlich geprüft wird.

Deshalb wäre es schön, wenn Sie diesem Antrag zustimmen könnten. Sie müssten ihm sogar zustimmen, wenn Ihre Zwischenrufe richtig wären. Wenn Sie solch ein ruhiges Gewissen haben in der Hinsicht, dass alles in Ordnung ist, müssten Sie sogar zwangsläufig sagen: Jawohl, hin zum Staatsgerichtshof! Wollen wir es doch mal sehen! - Und jetzt gucke ich in Ihre betroffenen Gesichter.

(Lachen bei der SPD)

Wir beantragen ebenfalls, wie die Grünen, sofortige Abstimmung. Dann können Sie es zeigen. Wenn Sie Mut haben und überzeugt sind, dass alles richtig war, dann können Sie uns nur zustimmen. – Vielen Dank

(Starker Beifall bei der CDU und Zu- stimmung bei den GRÜNEN)

Herr Minister Bartling, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Pothmer, zu Ihrer Anregung in Bezug auf die 200 000 Beschäftigten würde ich Ihnen den Vorschlag machen, einmal gemeinsam zu Gerhard Schröder zu gehen und zu fragen, wie wir denn Pico Jordan weiterbeschäftigen können. Das wäre doch vielleicht eine Möglichkeit.

(Frau Harms [GRÜNE]: Bei Ulla Schmidt! Da haben Sie doch die Mi- nisterin! Die muss doch einen kurzen Draht haben!)

Meine Damen und Herren, in der letzten Sitzung des Ausschusses für Verwaltungsreform und öf

fentliches Dienstrecht am vergangenen Freitag habe ich sehr ausführlich dargelegt, welche Gründe mich bewogen haben, dem Kabinett die Versetzung von Herrn Dr. Minnier in den einstweiligen Ruhestand vorzuschlagen. Die Stellungnahme des Landesrechnungshofs, die am vergangenen Freitag in der Ausschusssitzung schriftlich vorgelegt und eingehend mündlich erläutert wurde, kennen Sie. Darin stand nichts davon, dass das ganz toll gelaufen sei, sondern der Landesrechnungshof hat rechtlich geprüft, ob das ordnungsgemäß gelaufen ist, und das hat er bestätigt. Falls es die Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes inzwischen gibt – die ist ja zugesagt -, können uns die Auftraggeber vielleicht einmal mitteilen, was darin steht; ich weiß es nicht.

Ich erspare mir, die rechtliche Argumentation hier noch einmal im Einzelnen vorzutragen. Festzuhalten ist, dass auch nach Einschätzung des Landesrechnungshofs die Landesregierung ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt und nicht gegen das allgemeine Willkürverbot verstoßen hat. Es kann somit keine Rede davon sein, dass die Versetzung von Herrn Dr. Minnier in den einstweiligen Ruhestand rechtlich angreifbar oder gar ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Landesregierung war. Für bedeutsam halte ich darüber hinaus die Feststellung des Landesrechnungshofs, dass der Gesetzgeber der Landesregierung bei der Frage, einen politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand gemäß § 47 Abs. 2 des Niedersächsischen Beamtengesetzes zu versetzen, einen so weiten Ermessensspielraum eingeräumt hat, dass die Ausübung des Ermessens im Wesentlichen nur einer politischen Beurteilung unterliegt.

Meine Damen und Herren, ich möchte deshalb hier im Plenum Einiges zu der politischen Einordnung sagen. Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz ist Leiter einer Behörde mit einer besonders sensiblen Aufgabenstellung. Die Besonderheiten des Amtes eines Verfassungsschutzpräsidenten spiegeln sich auch in Problemen wieder, dieses Amt zu besetzen. Diese Situation bestand bereits 1993, als für den Präsidenten des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz ein Nachfolger gesucht wurde. Bereits damals stellte sich heraus, dass die „Attraktivität“, politischer Beamter auf dieser Position zu sein, eher als Schleudersitzsituation empfunden wurde. Herr Dr. Minnier hat 1993 als fast 54-Jähriger die Bereitschaft erklärt, dieses Amt zu übernehmen mit dem Hinweis, nicht bis zum Ende seines beruflichen Wirkens dort verbleiben zu müssen.

(Zurufe von der CDU)

Offensichtlich - Herr Möllring, hier haben Sie mich falsch zitiert - wurde ihm eingeräumt - das hat mir Gerhard Glogowski noch einmal mitgeteilt -, zu gegebener Zeit über eine andere Verwendung Gespräche zu führen. Es war aber nicht so, wie Sie es dargestellt haben, dass es Versprechungen gab, dass etwas gemacht wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die unbestreitbar zuverlässige und umsichtige Amtsführung Dr. Minniers war für ihn offensichtlich auch mit einer zunehmenden Erwartungshaltung hinsichtlich einer weiteren beruflichen Karriere verbunden. Seit Mitte 1999 zeigte sich der Beamte zunehmend fixiert auf sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst. Diese zunehmende Fixierung, der weitere Hinweis auf seinen Gesundheitszustand und nicht mehr vorhandene Bewegungsspielräume einer eventuellen Umsetzung Dr. Minniers in eine vergleichbare oder höhere Besoldungsgruppe haben mich im Sommer des Jahres 2000 zu der Entscheidung geführt, in der nächsten Zeit seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zu betreiben. Ausschlaggebend dafür war auch der Umstand, dass der Beamte mit Erreichen des 63. Lebensjahres auch ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit auf eigenen Antrag

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Aber mit einem erheblichen Abschlag! - Frau Harms [GRÜNE]: Zu welchen Kon- ditionen, Herr Minister, sagen Sie das bitte dazu!)

in den Ruhestand zu versetzen gewesen wäre, womit nach Lage der Dinge zu rechnen war.

Meine Damen und Herren, ich sollte vielleicht noch Folgendes sagen: Hier wird immer der Eindruck erweckt, der in den einstweiligen Ruhestand versetzte Beamte bekäme sein Gehalt weiter. Er bekommt 75 % seines bisherigen Gehaltes. Darüber müssen wir uns im Klaren sein.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Aber seine volle Pension ohne jeden Abschlag!)

In der Gesamtbeurteilung war durch mich daher eine Prognoseentscheidung für die Art der Amtswahrnehmung bis ca. Februar 2003 zu treffen. Gemessen an den bereits dargelegten besonderen Anforderungen des Verfassungsschutzpräsidenten

hat für mich ein Risikopotential bei Herrn Dr. Minnier bestanden, sodass mein Vertrauen in die zu fordernde Amtsführung auch in den nächsten Jahren nicht mehr gegeben war. In dieser Situation gebietet es die von mir wahrzunehmende politische Sorgfalt und Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass an einer solch sensiblen Stelle nur jemand sitzt, an dessen Amtsführung zumindest keine Zweifel bestehen.

Ich bedauere sehr, meine Damen und Herren, dass ich durch die gegen die Landesregierung erhobenen Vorwürfe und die Verbreitung von Gerüchten über angebliches Fehlverhalten des Beamten gezwungen war, in der Öffentlichkeit und auch jetzt hier im Landtag persönliche Einschätzungen über die Person dieses Beamten darzulegen, die üblicherweise nicht öffentlich gemacht werden. Aus wohlerwogenen Gründen sieht das Gesetz vor, dass die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ohne Angabe von Gründen erfolgen kann. Dies hat auch eine Schutzfunktion für den betroffenen Beamten: Diskussionen wie in den letzten Wochen sollten gerade im Hinblick auf schutzwürdige Belange des politischen Beamten vermieden werden.

Zugleich geht es aber auch darum, dass die Entscheidungsfreiheit der Landesregierung gegenüber dem kleinen Kreis von Spitzenbeamten erhalten wird. Meine Damen und Herren, wir haben 120 000 Beamtinnen und Beamte in Niedersachsen, davon sind 18 politische Beamte.

Natürlich habe ich auch geprüft, ob eine andere Verwendung für Herrn Dr. Minnier in Frage kommt. Dies entsprach ja auch der ursprünglichen Zielsetzung von Herrn Minnier. Die besondere Schwierigkeit liegt hier darin, dass nur ganz wenige Ämter für einen Einsatz infrage kommen. Denkbar sind die Dienstposten von Abteilungsleitern in den Ministerien oder einige Funktionen als Behördenleiter. Abgesehen davon, dass zurzeit keine derartigen Positionen vakant sind, bestehen erhebliche Zweifel, ob ein wirkungsvoller Einsatz des Beamten auf einem neuen Dienstposten gewährleistet wäre.

Meine Damen und Herren, aus meinen Ausführungen ist zugleich deutlich geworden, dass der Antrag der CDU-Fraktion jeglicher Grundlage entbehrt. Der mit dem Antrag auf Durchführung einer Ministeranklage verbundene Vorwurf, ich hätte in Ausübung meines Amtes vorsätzlich ein Gesetz verletzt, ist bereits widerlegt, aber auch politisch

kurzsichtig. Ich habe mich im Rahmen meiner getroffenen Entscheidung, von dem Kabinett die Inruhesetzung von Herrn Dr. Minnier zu verlangen, im Rahmen des rechtlich Zulässigen bewegt. Das Kabinett hat - nach Erörterung der Angelegenheit - eine Entscheidung getroffen, die rechtlich ebenso einwandfrei ist. Ich habe meine Entscheidung in Wahrnehmung meiner Aufgaben als Innenminister und nach reiflicher Überlegung und Abwägung getroffen. Für diese politische Entscheidung habe ich mich zu rechtfertigen und tue dies auch. Deutlich geworden ist dabei, dass es keine willkürlichen Handlungsweisen gegeben hat.

So wie ich die Erwartung habe, meine Damen und Herren, dass es akzeptiert wird, dass ich von meinen Entscheidungsfreiheiten Gebrauch mache, billige ich natürlich auch anderen zu, dass sie politisch völlig anderer Meinung sind. Ein Streit über unterschiedliche politische Auffassungen ist jedoch keine geeignete und zulässige Grundlage für eine Ministeranklage.

(Beifall bei der SPD)

Eine Ministeranklage, meine Damen und Herren, kann nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein. Deutlicher gesagt: Ein Oppositionsführer sollte sich nicht zum politischen Prozesshansel entwickeln.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Wulff (Osnabrück) [CDU])

In bemerkenswerter Weise wird in der Begründung zum Antrag auf die Ministeranklage die von mir gegebene Begründung für die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand beiseite geschoben. Es wird nicht nur behauptet, hier gäbe es eine nachgeschobene Begründung, sondern auch, dass die von mir dargelegten Gründe nur vorgeschoben seien. Sie wissen, dass diese Behauptung falsch ist.

Dass dies, meine Damen und Herren, keine populäre Maßnahme war, wissen wir. Dass Sie in ein Schauspiel ausartet, war eigentlich nicht zu befürchten. Wie gesagt: Für eine politische Auseinandersetzung habe ich jedes Verständnis. Aber nach den von mir gegenüber den Fraktionsvorsitzenden in dem Acht-Augen-Gespräch, gegenüber dem Ausschuss für Verwaltungsreform und öffentliches Dienstrecht sowie gegenüber der Öffentlichkeit gegebenen Erklärungen immer noch von einem groben Missbrauch und von vorsätzlichem Rechtsverstoß zu reden, offenbart nicht nur eine beträchtliche und bedenkliche Ignoranz, son

dern macht auch deutlich, worum es in Wirklichkeit geht: um die Erzeugung von Hektik, Turbulenz und das Heischen von Aufmerksamkeit in einer öffentlichen Diskussion im Zusammenhang mit einer Entscheidung, die niemand populär nennen kann.

(Starker Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Adam.

(Zurufe von der CDU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich den Kollegen Möllring richtig verstanden habe, dann hat er sofortige Abstimmung beantragt.

(Möllring [CDU]: Den habe ich zu- rückgezogen! - Plaue [SPD]: Der kennt noch nicht einmal die Verfas- sung!)

- Alles klar, gut. - Ich hätte sonst dem Kollegen Möllring als Juristen sagen müssen, dass das nach der Verfassung nicht möglich ist. Aber er ist schon informiert worden.

(Plaue [SPD]: So sind sie!)