Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

Herr Wulff, auch das, was Sie - bei aller Zurückhaltung, die Sie geübt haben - gesagt haben, trifft nicht zu: Das Problem war eben nicht seit Jahren bekannt. Die Landesregierung hat in der Ausschusssitzung heute Morgen berichtet - Sie haben mit am Tisch gesessen -, dass sie Ende November vergangenen Jahres von den Problemen, die sich wahrscheinlich Mitte 2001 einstellen werden, unterrichtet worden sei und dass es insofern einer Nachsteuerung bei der Geschäftsidee bedürfe, als namhafte Persönlichkeiten, von denen man in der Gründungsphase noch annahm, dass sie nach Hannover berufen werden könnten, letztlich nicht nach Hannover berufen werden konnten, zum Teil deshalb, weil das INI deutlich später fertig gestellt worden ist, als es ursprünglich geplant gewesen sei. - Also: Auch Sie, Herr Wulff, haben die Öffentlichkeit unzutreffend informiert. - Die Landesregierung hat dies zur Kenntnis bekommen und sich unverzüglich darum bemüht, tragfähige Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Dabei hat sie sogar ihre Rolle als Bürgschaftsgeber verlassen und bringt sich fast so ein, als wenn sie Kreditgeber wäre.

Herr Wulff, Sie haben gefordert, es müsse endlich der Status erhoben werden. Der Minister hat dies im Ausschuss schon selbst gesagt, und zwar in der Sitzung in der letzten Woche und in der Sitzung heute Morgen: Es muss der Status der Vermögenslage und der Liquidität erhoben werden, und dazu gehört auch eine Darstellung der Kundenfrequenz. Insofern wird das, was Sie, Herr Wulff, gefordert haben, von der Landesregierung schon längst gemacht.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Ihre Allianz auflösen würden. Ich habe die große Sorge, dass der Standort Hannover zerredet wird. Es gilt, ein exzellentes Zentrum zu sichern, in dem geforscht wird und das natürlich auch eng mit der MHH kooperiert. Diese Kooperation ist nicht erpresst worden, sondern war von Anfang an zwingend geboten. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie sich angesichts Ihrer offenbar guten

Absicht, mitzuhelfen, das Konzept in Ordnung zu bringen, in Ihrer Wortwahl zurücknehmen würden, um das INI nicht kaputt zu reden.

Das waren noch großzügiger gerechnete fünf Minuten. - Jetzt kommt Minister Oppermann.

Ich beanspruche nur knapp zehn Minuten Redezeit.

Herr Kollege Oppermann, Sie kennen die Spielregeln, auf die wir uns verständigt haben.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich habe mit großem Interesse die differenzierten Beiträge wahrgenommen. Die Ausführungen von Herrn Golibrzuch waren nicht von der Sorge um eine optimale medizinische Versorgung in Niedersachsen getragen. Ihn treibt auch nicht die Sorge um den Forschungsstandort Niedersachsen um. Nein, er war schon immer gegen dieses Projekt, und er wittert jetzt die Chance, es endgültig kaputt zu reden.

(Beifall bei der SPD)

Auch Herr Wulff konnte der Versuchung, aus der schwierigen Situation politisch Kapital zu schlagen, nicht ganz widerstehen. Aber er hat Rettungsbedarf für das INI gesehen. Diesen Bedarf sehe ich auch. Deshalb möchte ich versuchen, die Debatte auf den Kern zurückzuführen.

Das INI ist ein Konzept, mit dem ein privat finanziertes, international ausgerichtetes Institut im Bereich der Angewandten Neurowissenschaften Exzellenz in Hannover etablieren will mit dem Ziel, Patienten aus dem In- und Ausland zu gewinnen, eine hervorragende neurochirurgische Versorgung zu gewährleisten und auf dieser Basis neue Forschungsansätze auszuprobieren.

(Eveslage [CDU]: Wo denn?)

Dies ist ein völlig neuer Ansatz. Das ist in dieser Form noch nie in Deutschland versucht worden. Dieser Ansatz kann nicht ohne Risiko sein. Des

halb wussten sowohl die beteiligten Gesellschafter als auch die Landesregierung von Anfang an, dass es hier Risiken gibt. Diese Risiken waren bekannt, aber auch die Chancen, und die Chancen gibt es immer noch. Wir können sie nutzen; denn mit dem INI ist ein Institut der Hochleistungsmedizin entstanden, das außergewöhnliche Forschungsmöglichkeiten eröffnet. Diese Forschungsmöglichkeiten wollen wir im Zusammenhang mit der Medizinischen Hochschule jetzt auch nutzen und realisieren.

(Frau Harms [GRÜNE]: Jetzt?!)

Das INI ist fünf Monate nach dem Start in Schwierigkeiten. Anfangsverluste waren von Anfang an kalkuliert. Im Startjahr war eine Auslastung von 30 % vorgesehen. In diesem Jahr ist eine Auslastung von 60 %, 2002 eine von 80 % und 2003 eine von 100 % vorgesehen. Wir wissen, warum die Anlaufschwierigkeiten größer sind als ursprünglich geplant. Es gibt dafür zwei Gründe. Einmal ist das INI aufgrund von Verzögerungen im Bau einige Monate später an den Start gegangen, und zum anderen ist es bisher nicht gelungen, die herausragenden internationalen Wissenschaftler neben Professor Samii für das INI zu gewinnen. Daraus ergibt sich mittelfristig die Gefahr einer Überschuldung.

Die Landesregierung hat sich entschlossen, sich jetzt nicht zurückzulehnen und zu schauen, wie sich die Dinge entwickeln, sondern frühzeitig die Optionen zu prüfen, die es gibt, um diese Einrichtung in der ursprünglichen Form zu erhalten. Dafür gibt es einen Maßnahmenplan, der vier Maßnahmen umfasst:

Erstens wollen auch wir einen Status erstellen; da stimmen wir mit der CDU-Fraktion überein. Ich habe einen Wirtschaftsprüfer beauftragt, der die betriebswirtschaftlichen Fakten feststellen soll, die Grundlage für alle weiteren Entscheidungen der Landesregierung in dieser Frage sein werden.

Zweitens. Die Struktur des INI sollte nicht voreilig aufgegeben werden. Wenn die Gesellschafter einen kostendeckenden Betrieb für möglich halten, dann gilt es, die Kompetenz der Gesellschafter zu nutzen, um Anlaufschwierigkeiten zu überwinden. Darüber sind wir mit den Gesellschaftern im Gespräch.

Drittens. Wir wollen das INI für Kassenpatienten öffnen. Der Vorwurf der Zweiklassenmedizin wird vom INI als ein Makel empfunden. Die Einbezie

hung von Kassenpatienten stünde mit den Forschungszielen des Instituts im Einklang.

(Glocke des Präsidenten)

Wir wissen, dass wir Kassenpatienten nicht dadurch einbeziehen können, dass wir die Zahl der vorhandenen Betten erweitern. Geschäftsgrundlage ist, dass das nicht geschieht. Wir prüfen in einer interministeriellen Steuerungsgruppe unter Einbeziehung der Medizinischen Hochschule, wie viele Betten im neurochirurgischen Bereich der Medizinischen Hochschule wir einsetzen können, entweder um sie im INI zu betreiben oder um im INI neurochirurgische Leistungen für die Medizinische Hochschule zu bestellen. Das werden wir im Einklang mit den Interessen der Medizinischen Hochschule tun. Dabei ist klar, dass die Forschungsfähigkeit der Medizinischen Hochschule nicht beeinträchtigt, sondern erweitert wird.

Vierter Punkt.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich bin dann auch mit meinem Beitrag fertig, Herr Präsident. – Wir wollen das INI für die Forschung, für die angewandten Neurowissenschaften öffnen. Wir haben in Hannover enorme positive Veränderungen erreicht. Es gibt einen Sonderforschungsbereich Medizintechnik, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft hervorragend bewertet worden ist, an dem im Übrigen u. a. auch Professor Samii beteiligt ist. Wir haben des Weiteren einen harten bundesweiten Wettbewerb um medizinische Kompetenzzentren im Bereich kardiovaskuläre Implantate gewonnen. Das sind hervorragende Umfeldbedingungen, um das Forschungspotential der Medizinischen Hochschule in Verbindung mit dem INI weiter zu entwickeln und zu nutzen, sodass Patienten und Patientinnen, die heute kaum Hoffnung auf Heilung oder Linderung ihrer Beschwerden im neurologischen Bereich haben, vielleicht ein bisschen Hoffnung haben können.

Wir werden innerhalb der nächsten drei Monate ein tragfähiges Konzept vorlegen und mit Ihnen dann hier diskutieren. Ich bin sicher, dass das ein Erfolg werden kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Zum selben Punkt Frau Pawelski.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Kollege Groth, über Ihre Rede habe ich mich schon sehr gewundert;

(Zuruf von der SPD: Was?)

denn Sie haben am 8. Februar in der „NordwestZeitung“ verlauten lassen, Sie hätten am Tag der Bürgschaftsunterzeichnung den damaligen Finanzstaatssekretär Frank Ebisch vor dem größten Fehler, den er je machen könnte, gewarnt. Am Tag der Bürgschaftsunterzeichnung!

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie kannten anscheinend schon damals die Risiken, die wir noch nicht kannten.

Herr Oppermann, mich wundert schon sehr, dass Sie uns vorhin gesagt haben, wir sollten das Projekt nicht zerreden. Ja, lieber Himmel, was wir seit dem 6. Februar an Einlassungen der Landesregierung in Sachen INI lesen mussten, spottet doch wirklich jeder Beschreibung! Nicht nur wir, die CDU, und die Grünen, sondern alle Beteiligten der MHH, der Kassen, des Nordstadtkrankenhauses, des Betriebsrats der MHH sind doch über das, was sie gelesen haben, entsetzt. Sie empfinden Ihre Informationspolitik, Herr Oppermann, genauso wie viele hier im Parlament als unverschämt.

(Beifall bei der CDU – Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wie von Mitarbeitern der MHH zu hören war – Sie haben das ja heute bestätigt -, wurden Sie bereits im November 2000 über die finanziellen Schwierigkeiten beim INI informiert. Die Schwierigkeiten waren Ihnen aber doch schon bei der Vergabe der Bürgschaft bekannt. Sie sagten, Sie hätten damals die Risiken gekannt. Damals hätten Sie das Parlament stärker einbinden müssen! Aber Sie wollten das allein machen. Sie wollten kurz vor der Bundestagswahl – Herr Schröder war ja damals noch Ministerpräsident hier – ein Projekt starten und das sozusagen ganz allein auf Ihre Fahnen schreiben. Dass Sie das nicht können, haben Sie in den letzten Tagen bewiesen.

(Zustimmung bei der CDU)

Am 6. Februar 2001 mussten die Mitglieder des Parlaments aus der „Süddeutschen Zeitung“ erfahren, dass das Land Niedersachsen um seine Bürgschaft in Höhe von 83,2 Millionen DM fürchten

muss. Da konnten wir lesen, dass auch die MHH möglicherweise Betten und Forschungskapazitäten mit dem INI teilen muss.

Am 7. Februar meldete sich dann der MP zu Wort und verkündete, die Zukunft der Klinik unter dem Dach der MHH in Hannover sei möglich; das Wissenschaftsministerium prüfe gegenwärtig die Verlagerung von 40 Betten der MHH-Neurochirurgie ins INI.

Am 8. Februar, einen Tag später, verkündete der Regierungssprecher Jacobs, es würde eine Gefahr für die Landesbürgschaft entstehen, wenn man nichts unternehme. Weiter erklärte Herr Jacobs: Das Konzept, nur Privatpatienten aufzunehmen, habe sich wohl als nicht tragbar erwiesen. Genaue Zahlen könne die Landesregierung aber nicht geben, da es sich um eine Privatklinik handele.

Am gleichen Tag stand in der „Nordwest-Zeitung“: Die Niedersächsische Landesregierung bestritt gestern, dass die von ihr zur Absicherung der Baufinanzierung gestellte Bürgschaft über 83,2 Millionen DM fällig würde.

Dann meldete sich Herr Schwarz in der „Neuen Presse“:

„Das INI habe durch teure Technik und ‚hotelähnliche De-luxeAusstattung‘ mit Marmorbädern, Parkettböden und Einzelsuiten ‚einen Standard, den die Solidargemeinschaft sich nicht leisten kann und leisten will‘. An Niedersachsens anderen Kliniken herrsche zugleich ein Investitionsstau von über zwei Milliarden Mark.“

Herr Plaue äußerte sich dann in der „Neuen Presse“:

„Festzustellen ist, dass das betriebswirtschaftliche Konzept des INI sich als nicht tragfähig erwiesen hat.“

Die Krönung des Ganzen war dann die Pressekonferenz des Ministers Oppermann am 9. Februar.

(Plaue [SPD]: Das lesen Sie alles ab, Frau Kollegin!)

- Das sind Zitate, Herr Plaue, und da muss man schon sehr genau sein.

(Glocke des Präsidenten)