Protokoll der Sitzung vom 14.03.2001

Die Landesregierung hat dazu erste vorbereitende Schritte unternommen:

Erstens. Für die Arbeit in den Schulen wurde ein Erlass vorbereitet, der eine schrittweise Einführung der Deutschen Gebärdensprache vorsieht. Im ersten Schritt sollen Arbeitsgemeinschaften eingerichtet werden, in einem zweiten Schritt wahlfreier Unterricht. Bilingualer Unterricht soll in einer dritten Phase möglich werden.

Zweitens sollen alle Maßnahmen in enger Zusammenarbeit - das ist uns besonders wichtig - mit den Eltern geplant und umgesetzt werden. Ihre Zustimmung soll Voraussetzung für eine Teilnahme ihrer Kinder an einem Angebot zum Erlernen der Deutschen Gebärdensprache werden.

Drittens. Alle Lehrkräfte sollen die Möglichkeit einer Weiterbildung erhalten. Eine solche erste Maßnahme wird zurzeit vorbereitet und kann noch in diesem Jahr beginnen.

Die Schulen fangen aber nicht bei Punkt null an. Viele Lehrerinnen und Lehrer kennen die Gebärdensprache. Dennoch ist die Einführung der Deutschen Gebärdensprache für die Schulen über alles eine neue Aufgabe. Sie werden sie in ihre Arbeit integrieren und so in einem weiteren Aspekt Kompetenzzentrum für die Förderung gehörloser Menschen sein.

Meine Damen und Herren, für die Integration Gehörloser und hochgradig schwerhöriger Menschen ist es wichtig, dass sie mit der hörenden Umwelt kommunizieren können. Nach dem geplanten SGB IX - das ist schon angesprochen worden - sollen hörbehinderte Menschen etwa bei Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten und bei

Besuchen des Arbeitsamtes die Gebärdensprache verwenden und kostenlos eine Gebärdendolmetscherin in Anspruch nehmen können. Für die Verständigung in anderen Fällen, etwa bei Notarterminen, sollen die Sozialhilfeträger bedürftigen Menschen eine Dolmetscherin zur Verfügung stellen. Die Inanspruchnahme - auch das ist bereits gesagt worden - ist in der Praxis nicht einfach. Bei kurzfristigen privaten Terminen können Anträge häufig nicht rechtzeitig gestellt werden; Bewilligungsbescheide müssen abgewartet werden. Oft stehen nicht genügend Gebärdendolmetscherinnen zur Verfügung. Hier sind praktische Hilfen notwendig.

Mit Unterstützung des Landes wurde in Niedersachsen ein flächendeckendes Netz von Beratungsstellen aufgebaut, die Beratungshilfen in beruflichen wie in privaten Fragen anbieten. Den Beratungsstellen sind psychosoziale Dienste für Hörgeschädigte angegliedert, die vom Land aus Mitteln der Ausgleichabgabe finanziert werden.

Trotz dieser Dienste ist es für hörgeschädigte Menschen, die sich nur in der Gebärdensprache verständigen können, immer noch schwierig, bei wichtigen Anlässen schnell und kostengünstig eine Dolmetscherin in Anspruch zu nehmen. Deshalb fördert das Land Niedersachsen für zwei Jahre den Aufbau regionaler Gebärdensprachdolmetscherdienste für Gehörlose. Die Regionen sind schon genannt worden: Großraum Ostfriesland/Papenburg und Hildesheim/Hameln. Ein dritter entsteht im Raum Braunschweig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, je früher angeborene Hörschäden, möglichst schon im Säuglingsalter, erkannt werden, desto besser - auch das ist schon gesagt worden - sind die Aussichten, medizinisch oder pädagogisch helfen zu können. Deshalb haben wir das Modellprojekt in der Region Hannover durchgeführt und führen es durch. Ich meine, wir sollten der Anregung des Abgeordneten folgen, dass nicht nur in Delmenhorst, sondern auch in anderen Regionen so etwas geschieht.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit den vier Landesbildungszentren verfügt Niedersachsen bereits jetzt über Kompetenzzentren für die Förderung und Bildung von hörgeschädigten Kindern und Jugendlichen. Sie alle wissen, dass ihre Aufgaben von der Hausfrühförderung über die Früherziehung im Kindergarten bis zur Schule für Ge

hörlose und Schwerhörige in der Sekundarstufe I reichen. Weitere Bildungszentren verfügen über Berufsschulen oder Berufsfachschulen und vermitteln auch eine auf die Bedürfnisse hörgeschädigter junger Menschen zugeschnittene Berufsausbildung.

Als Sonderschulen sind die Landesbildungszentren für Hörgeschädigte zugleich Förderzentren für Unterricht und Erziehung von hörgeschädigten Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die andere Schulen besuchen. So unterstützen sie die schulische Integration hörgeschädigter Schülerinnen und Schüler. Das ist eine besonders wichtige Aufgabe.

Die Landesbildungszentren für Hörgeschädigte und das Landesbildungszentrum für Blinde sind auch zukünftig notwendig. Vorschläge zur Verbesserung der Aufgaben nehmen wir gerne auf, spüren ihnen selbst nach, haben sie zum Teil schon umgesetzt und werden daran bleiben.

Mit dem Landesrechnungshof und dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen bin ich einig, dass die Bildungszentren künftig wirtschaftlicher werden arbeiten müssen. Mehr Kostenbewusstsein und Kostentransparenz sind nötig. Dafür werden wir bereits in diesem Jahr die Voraussetzungen durch eine qualifizierte Leistungs- und Kostenrechnung schaffen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich halte Sie für damit einverstanden, dass ich über die Beschlussempfehlung in der Fassung des Änderungsantrages der CDU abstimmen lasse. – Dazu gibt es keinen Widerspruch.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen in der Drucksache 2272 mit der Ergänzung des Änderungsantrages der Fraktion der CDU in der Drucksache 2305 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Ich frage nach Gegenstimmen. – Ich frage nach Stimmenthaltungen. – Ich stelle fest, dass dieser Text einstimmig angenommen worden ist.

Zum Schluss darf ich noch einmal Frau Fries sehr herzlich für die Hilfestellung danken, die sie gegeben hat.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wir wenden uns nun dem Tagesordnungspunkt 14 zu.

Tagesordnungspunkt 14: Zweite Beratung: Für bessere Abschreibungsbedingungen und gegen eine Verschlechterung der Nutzungsdauer von Anlagegütern - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2276 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 14/2276 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2323

Dieser Antrag wurde am 11. Oktober 2000 an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatter ist der Kollege Lestin, dem ich das Wort erteile.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache 2276 empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Haushalt und Finanzen, den Antrag der CDUFraktion abzulehnen.

Unmittelbar nach der ersten Beratung des Antrags hier im Plenum im Oktober letzten Jahres verständigte sich der Ausschuss für Haushalt und Finanzen einmütig darauf, zunächst die Entwicklung auf Bundesebene abzuwarten. Mitte Februar dieses Jahres setzte er seine Beratungen fort.

Bei dieser Beratung begründeten die Vertreter der CDU-Fraktion den Antrag im Sinne ihrer Ausführungen im Plenum. Sie verwiesen darauf, dass sie seinerzeit die Behauptung der Bundesregierung in Zweifel gezogen hätten, die Änderung der AfATabellen würde die Wirtschaft mit nicht mehr als 3,5 Milliarden DM belasten. Sie – die CDUFraktion – habe damals, und so auch heute noch, Änderungsbedarf gesehen. Der Finanzminister und die Vertreter der SPD-Fraktion hätten die Behauptung der Bundesregierung jedoch vehement verteidigt.

Bedarf zu einer erneuten Überarbeitung der AfATabellen habe aber nicht nur die CDU-Fraktion gesehen. Auch Vertreter der Wirtschaft hätten ihn geltend gemacht, und zwar in einer Anhörung des Bundesfinanzministeriums Ende November 2000. Der Bundesfinanzminister habe diese Kritik jedoch nicht aufgenommen, sondern die Neufassung der AfA-Tabellen mit Wirkung vom 1. Januar 2001 in Kraft gesetzt.

Nun folge nach Auffassung der Vertreter der CDU-Fraktion das böse Erwachen. Die Kritik an den neuen AfA-Tabellen werde immer lauter. In einer Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages Mitte Januar 2001 hätten Vertreter der Wirtschaft die Neuregelung mit einem vernichtenden Urteil belegt. Seriöse Berechnungen hätten ergeben, dass die neuen AfA-Tabellen die Wirtschaft nicht nur mit 3,5 Milliarden DM, sondern sogar mit 8,5 Milliarden DM belasteten.

Mittlerweile habe auch die Bundesregierung erkannt, dass Änderungsbedarf bestehe, und sei in entsprechende Überlegungen eingetreten. In ihrer Kritik sahen sich die Vertreter der CDU-Fraktion nachdrücklich bestätigt.

Ein Vertreter des Finanzministeriums wies darauf hin, dass zum 1. Januar 2001 lediglich die Neufassung der AfA-Tabellen für allgemein verwertbare Wirtschaftsgüter in Kraft getreten sei. Die sich daraus ergebende Belastung der Wirtschaft sei geringer als 3,5 Milliarden DM. Dies sei zwischen Bundesfinanzministerium und Wirtschaftsverbänden auch unstrittig.

Noch stehe die Neufassung der Branchentabellen aus. Diese, betonte der Vertreter des Finanzministeriums, seien das eigentliche Instrument der Feinsteuerung, und diese bildeten letztlich die Belastung der Wirtschaft ab. Hier seien die Überlegungen noch im Fluss. Wie sich Änderungen an den Branchentabellen auswirken würden, lasse sich derzeit noch nicht ausreichend genau abschätzen. Bundesfinanzministerium und Wirtschaftsverbände befänden sich in der Abstimmung über das Rechenwerk und hätten auch schon eine weitgehende Verständigung darüber erzielt. Der Bundesfinanzminister habe dem Finanzausschuss des Bundestages Mitte Januar 2001 zugesagt, dass die Belastungsgrenze von 3,5 Milliarden DM insgesamt nicht überschritten werde.

Der Vertreter des Finanzministeriums empfahl, die Diskussion über die Branchentabellen abzuwarten.

Eine wesentliche Änderung der AfA-Tabellen für allgemein verwertbare Wirtschaftsgüter sei aber nicht zu erwarten.

Daraus zogen die Vertreter der SPD-Fraktion den Schluss, dass sich der Antrag der CDU-Fraktion erledigt habe. Dem widersprachen die Vertreter der CDU-Fraktion. Zwar habe der Vertreter des Finanzministeriums die Belastung mit 3,5 Milliarden DM beziffert, Pressemeldungen sprächen aber eine ganz andere Sprache. Inhaltlich habe sich der Antrag der CDU-Fraktion also nicht erledigt, zumal er noch eine Reihe anderer Punkte enthalte, die in der aktuellen Diskussion nicht berührt worden seien. Zwar wäre es sinnvoll, vor der abschließenden Beratung des Antrags im Ausschuss das Ergebnis der Diskussion auf Bundesebene abzuwarten. Allerdings ließen die parlamentarischen Abläufe hier im Landtag dafür keinen Raum mehr, wolle man die Verabschiedung des Antrags im März-Plenum nicht gefährden. Insofern baten sie darum, den Antrag abschließend zu behandeln.

Der Vertreter der Fraktion der Grünen wies darauf hin, dass seine Fraktion es für möglich halte, sich mit der CDU-Fraktion auf einen gemeinsamen Antragstext zu verständigen. Einen Vorschlag könne er aber noch nicht unterbreiten.

Zu einer Annäherung der Standpunkte der Fraktionen kam es nicht.

Inzwischen liegt nun ein Änderungsantrag der Fraktion der Grünen in der Drucksache 2323 vor.

Die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung wurde im Ausschuss für Haushalt und Finanzen mit den Stimmen der Vertreter der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Vertreter der Fraktion der CDU bei Stimmenthaltung des Vertreters der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Der mitberatende Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr hat sich diesem Beratungsergebnis angeschlossen.

Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen bittet Sie, seiner Empfehlung zu folgen und damit den Antrag der Fraktion der CDU abzulehnen.

In der Beratung hat der Kollege Dinkla das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lestin, ich bin Ihnen dankbar für den außergewöhnlich umfangreichen Bericht. Das verkürzt meine Ausführungen hier.

(Beifall bei der SPD)

Ich will einmal auf die Grundlinien unseres Antrages vom September zurückkommen und versuchen, das relativ kurz zu machen.

(Möhrmann [SPD]: Wir haben doch jetzt schon März!)

Ein Schwerpunkt ist sicherlich der, Herr Kollege Möhrmann, dass wir damals gesagt haben - es bleibt nach wie vor dabei -, dass eine Veränderung der Abschreibungsbedingungen die Unternehmen in Deutschland gegenüber den europäischen Wettbewerbern nicht benachteiligen darf. Das ist ein wichtiger Punkt. Zweitens haben wir eine pragmatische Festsetzung der Nutzungsdauer von Anlagegütern im Interesse des technischen Fortschritts und der Investoren gefordert. Drittens - das halte ich auch für einen sehr wichtigen Punkt - haben wir gefordert, die mehr als 100 verschiedenen und häufig veralteten Abschreibungstabellen im Sinne einer nachhaltigen Verwaltungsvereinfachung wirklich auf wenige Abschreibungsklassen zu reduzieren.

(Zustimmung von Möllring [CDU])

Ich meine, dieses Anliegen ist wirklich und wahrhaftig nicht umgesetzt worden. Das wäre die große - ich will nicht sagen „historische“ - Chance gewesen, nicht immer nur Sonntagsreden über Vereinfachung zu halten wie bei der Steuerreform und vielen anderen Dingen, sondern hier einmal wirklich eine Vereinfachung durchzuführen, wie sie in anderen Ländern auch praktiziert wird.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt komme ich zum Verfahren. Wir haben im September einen natürlich klugen Antrag gestellt - wie immer -, auch mit der Erwartung, dass irgendjemand darüber reflektiert und sagt: Wir warten Anhörungen ab, wir nehmen den Rat der Fachleute auf. - Was ist aber wirklich in Berlin passiert? Das In-Kraft-Treten war auf den 1. Januar festgesetzt und ist für den einen Teilbereich mit Ausnahme der Branchentabellen auch umgesetzt worden. Aber auf der anderen Seite hat am 15. Januar in Berlin eine wichtige Anhörung mit