Protokoll der Sitzung vom 14.03.2001

Ich hoffe, dass nunmehr alle Beteiligten und auch die CDU-Fraktion zu mehr Sachlichkeit zurückgefunden haben und durch Sachargumente und mehr gegenseitiges Verständnis die Diskussion über die noch ausstehende Überarbeitung der Branchentabelle erfolgreich verlaufen kann.

(Möllring [CDU]: Also doch noch!)

Ein Beispiel für diese Sachlichkeit ist die Schaffung weiterer Erleichterungen bei den Abschreibungen für Handwerk und Mittelstand. Das BMF erarbeitet zurzeit in Kooperation mit den Ländern eine Regelung, durch die eine Verkürzung der Abschreibungsfristen für Fahrzeuge im Lade- und Kurzstreckenverkehr erreicht werden soll. Dies kommt insbesondere dem Handwerk und dem

Mittelstand entgegen. Das soll nur ein Beispiel sein.

(Zuruf von Möllring [CDU])

Es gibt noch eine ganze Menge mehr Beispiele, bei denen sich beide Seiten entgegengekommen sind.

(Möllring [CDU]: Von wie vielen Jahren auf wie viele Jahre denn? Ein Jahr! Das halten Sie für einen Erfolg!)

In einem weiteren Schritt und unabhängig von der Inkraftsetzung der neuen AfA-Tabellen wird die Frage einer Änderung des § 7 Einkommensteuergesetz zur Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Belange bei der Bemessung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer geprüft. Dazu – das bezieht sich auch auf Nr. 3 des Änderungsantrags der Grünen - hat das BMF ein Gutachten zum internationalen Vergleich der Abschreibungsbedingungen in Auftrag gegeben. Allein ein Vergleich der Abschreibungsbedingungen reicht allerdings nicht aus. Vielmehr müssen in einem Vergleich auch die Steuersätze und Möglichkeiten der steuerneutralen Bildung stiller Reserven einbezogen werden. Das Ergebnis soll im Jahre 2002 vorliegen.

Von daher ist erkennbar, dass das, was Sie einfordern - aufeinander zuzugehen, Kompromisse zu schließen und Absprachen zu treffen – bereits erreicht bzw. durchgeführt worden ist, sodass der Antrag der CDU-Fraktion im Grunde genommen erledigt ist. Der Änderungsantrag der Fraktion der Grünen führt genau die drei Punkte auf, die Bestandteil der Erklärung des BMF waren, nämlich die Garantie der 3,5 Milliarden DM, eine Zusammenarbeit mit den Beteiligten und das Gutachten, das in Auftrag gegeben wird und auf dessen Ergebnis man warten muss. - Die SPD-Fraktion wird also beide Anträge ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege Golibrzuch möchte sich jetzt äußern.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, wir sind sehr froh darüber, dass die Beteiligung im Parlament wieder größer geworden ist. Aber das heißt nicht, dass die Lautstärke wieder zunehmen muss. Wir hatten nämlich ein sehr gutes Betriebsklima hier.

(Mühe [SPD]: Das soll auch so blei- ben, Herr Präsident! – Heiterkeit bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bereits angesprochen worden: Der Ausschuss wollte mit der abschließenden Beratung des Antrags warten, bis auf Bundesebene die Entscheidungen zu den neuen Abschreibungstabellen gefallen sind. Die Entscheidungen sind gefallen. Ich kann Ihnen sagen, dass sie aus Sicht meiner Fraktion sehr unbefriedigend ausgefallen sind.

Ich will Ihnen diese Haltung kurz begründen. Ohne Frage ist es richtig, dass die große Steuerreform Entlastungen bringt, und zwar Entlastungen auch und gerade für die Wirtschaft. Diese Entlastungen erreichen große Konzerne, kleine und mittelständische Unternehmen aber ungleichzeitig. Sie wissen, dass es aufgrund der finanziellen Auswirkungen auch für die öffentlichen Haushalte – so auch für den Landeshaushalt – notwendig geworden ist, die Reduzierung der Steuersätze in der Einkommensteuer in drei Schritten zu vollziehen, d. h. dass die Personengesellschaften – das ist der größte Teil der kleinen und mittelständischen Unternehmen – der allergrößte Teil der Entlastung erst in den Jahren 2003 und 2005 erreichen wird.

(Zuruf von der CDU)

Dabei ist es ärgerlich, dass ein Teil der Gegenfinanzierung der Steuerreform, über die dann notwendigerweise auch gesprochen werden muss und die sich u. a. in der Überarbeitung dieser Abschreibungsmöglichkeiten wiederfindet, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die perspektivisch entlastet werden – was wir auch wollen -, sofort betrifft. Das halten wir für nicht akzeptabel. Wir halten es auch für nicht akzeptabel, dass zwischen der allgemeinen Abschreibungstabelle und den vom Finanzministerium mit dem Etikett „Feinsteuerung“ belegten Branchentabellen unterschieden wird.

(Wegner [SPD]: Seid ihr in der Bun- desregierung oder nicht, Herr Go- librzuch?)

- Was hier stattfindet, Herr Wegner, ist eine relative Diskriminierung der Nutzer der allgemeinen Abschreibungstabelle gegenüber denen der Branchentabellen. Das bleibt für die betroffenen Unternehmen auch nicht folgenlos,

(Plaue [SPD]: Ich finde, Herr Kollege, Sie sollten sich in den Bundesrat wählen lassen!)

und zwar deswegen nicht, weil sie zwar nicht mehr Steuern zahlen, aber die Steuerzahlung nun durch die veränderten Tabellen zeitlich vorziehen müssen. Sie haben also kurzfristig eine höhere Belastung. Das heißt, die betroffenen Unternehmen haben nicht die Möglichkeit, im gleichen Umfang wie nach derzeitigem Steuerrecht Rücklagen etwa für Investitionen zu bilden. Das hat dann eben konkret zur Folge, dass den Unternehmen Zinsgewinne entgehen, dass ihnen also Liquidität entzogen wird.

(Möllring [CDU]: So ist es!)

Das ist aus unserer Sicht ebenfalls nicht akzeptabel.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Es ist richtig, dass das BMF - das ist auch das Eingeständnis dieses Gutachtens – aus nahe liegenden Gründen gesagt hat, es ist erforderlich, die Kriterien, die rein technischer Art sind, sozusagen wirtschaftlich - nämlich betriebswirtschaftlich – zu fassen. Wenn Sie eine technische Nutzungsdauer zugrunde legen, können Sie etwa ein Auto zwar immer wieder reparieren; es gibt sozusagen eine endlose technische Nutzungsdauer eines Autos. Aber irgendwann ist es eben unwirtschaftlich, solche Reparaturen noch durchführen zu lassen. Deswegen ist es ein ständiger Streitpunkt zwischen Juristen auf der einen Seite und Ökonomen auf der anderen Seite, was denn in diesem Zusammenhang sinnvollerweise in die Abschreibungstabellen hineinzuschreiben ist. Wir halten an dieser Stelle die ökonomische Sicht und nicht die juristische Sicht für sinnvoll. Das ist auch vom BMF eingestanden worden. Aber ich möchte nicht, dass nun die neuen Abschreibungstabellen in Kraft treten und dass dann die versprochene Korrektur, die schließlich auch eingestanden worden ist, auf die nächste Legislaturperiode vertagt wird. Deswegen haben wir in unseren Änderungsantrag den Appell an die Bundesregierung aufgenommen, auch an unsere eigene Fraktion, mit der wir, wie Sie wissen, nicht immer einer Meinung sind

(Plaue [SPD]: Die mit Ihnen aber auch nicht, und das beruhigt!)

- ja, das ist manchmal auch beruhigend, vor allem, wenn ich mir so manche Äußerungen von Um

weltministern anhöre -, dass wir das noch in dieser Legislaturperiode von ihr erwarten.

Frau Stief-Kreihe, Sie sagen selbst, das entspricht der Meinung und der Beschlusslage des BMF. Deshalb verstehe ich nicht, warum Sie diesem Antrag nicht zustimmen.

Wir haben Ihnen den Änderungsantrag vorgelegt. Wir halten ihn für sinnvoll. Ich freue mich über Ihre Unterstützung.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung von Heineking [CDU])

Der Kollege Dinkla möchte die Restredezeit der CDU-Fraktion nutzen. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Stief-Kreihe, Sie können es drehen, wie Sie wollen: Das neue Abschreibungskonzept der Bundesregierung ist von vorne bis hinten verhunzt. Das ist Fakt!

(Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen dennoch sagen, was für kluge Leute Sie in der SPD-Bundestagsfraktion haben. Zu diesem Thema hat ja eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestages stattgefunden. Ich zitiere einen Satz daraus:

„Die SPD erkannte in den vorliegenden Tabellen ein Stück psychologischer Demotivation für die Wirtschaft, Erneuerungsinvestitionen vorzunehmen.“

Das heißt, es gibt auch dort noch Leute, die das bestätigen, was Herr Golibrzuch eben gesagt hat. Es war natürlich klar, dass die CDU anschließend gesagt hat, sie freue sich über die gemeinsame Haltung im Ausschuss.

Für den Mittelstand ist das, was seit Januar vollzogen wird, nicht konstruktiv.

(Möllring [CDU]: Eine Katastrophe!)

Wir haben heute Morgen über die Probleme der Bauwirtschaft diskutiert. Insofern verstehe ich die Welt nicht mehr, Herr Beckmann. Das sind die

Betriebe, das sind die mittelständischen Unternehmen, die derzeit schwer zu leiden haben, auch unter den veränderten Abschreibungskonditionen. Insofern ist das nicht in Ordnung und steuerpolitisch der falsche Weg.

Frau Stief-Kreihe, letzte Bemerkung. Sie haben gesagt, ich hätte die Zahl 8,5 Milliarden DM erfunden. Nein, die war der „Welt am Sonntag“ zu entnehmen. Darin steht auch der Satz, dass selbst Finanzexperten der SPD mit Mehrbelastungen von 8,5 Milliarden DM rechnen; das gehe aus einem Schreiben an Bundeskanzler Gerhard Schröder hervor. „Die Fachebene habe eben handwerkliche Fehler gemacht.“ - So die SPD.

Ich würde sagen, ein schlechteres Zeugnis kann man gar nicht bekommen. Sie hätten das besser vertagt und in Ordnung gebracht; denn dagegen, zu Veränderungen zu kommen, spricht ja erst einmal nichts.

Das, was von der Bundesregierung vorgelegt worden ist, war wirklich keine große Leistung. Insofern bleiben wir bei unserer Kritik und lehnen das, was Sie hier vorgelegt haben, ab. Wir bleiben bei der Zustimmung zu unserem Antrag. Der ist weiß Gott nicht erledigt, Frau Stief-Kreihe.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung.

Ich gehe davon aus, dass Sie meine Auffassung teilen, dass sich die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen am weitesten vom Ursprungsantrag entfernt, sodass ich zunächst über sie abstimmen lasse. Wir werden sehen, ob dann noch eine Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Grünen erforderlich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Beschlussempfehlung, die ich jetzt aufrufe, abgelehnt wird.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in der Drucksache 2276 zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 1893 ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich frage nach den Gegenstimmen. - Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, das Erste war die Mehrheit. Damit ist gleichzeitig der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die abgelehnt worden.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 15: Zweite Beratung: Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1902 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 14/2274

Dieser Antrag wurde in der 60. Sitzung am 12. Oktober 2000 an den Ausschuss für Rechtsund Verfassungsfragen zur federführenden Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatter ist der Kollege Ontijd.