Protokoll der Sitzung vom 14.03.2001

Dieser Antrag wurde in der 60. Sitzung am 12. Oktober 2000 an den Ausschuss für Rechtsund Verfassungsfragen zur federführenden Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatter ist der Kollege Ontijd.

(Unruhe)

- Alle, die an den Beratungen nicht teilnehmen möchten, bitte ich, möglichst ruhig den Plenarsaal zu verlassen. - Bitte sehr, Herr Ontijd!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Ihnen vorliegenden Drucksache 2274 empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Rechtsund Verfassungsfragen, den mit „Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften“ überschriebenen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in geänderter Fassung anzunehmen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wie bereits die Wortbeiträge der Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen in der ersten Beratung des Antrags im Oktober vergangenen Jahres erwarten ließen, hat die Beschlussempfehlung nur die Zustimmung der Ausschussmitglieder der SPD-Fraktion und des Vertreters von Bündnis 90/Die Grünen gefunden. Die CDU-Mitglieder im Rechtsausschuss haben dagegen sowohl die Zielrichtung des ursprünglichen Antrages als auch die auf die Antrag stellende Fraktion selbst zurückgehende geänderte Fassung der Entschließung abgelehnt.

Ich muss deswegen sicherlich nicht die aus der ersten Plenarberatung bekannten Argumente der Fraktionen wiederholen, sondern möchte mich auf einige Anmerkungen zum Inhalt der nun zur Annahme empfohlenen geänderten Fassung der Entschließung beschränken.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat diese geänderte Fassung selbst in die Beratungen eingebracht - und zwar zunächst im Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen -, weil sich die Gesetzeslage auf Bundesebene noch während der Ausschussberatungen geändert hat. Denn der Gesetzentwurf der Berliner Koalitionsfraktionen zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften ist, soweit dazu die Zustimmung der Länder nicht erforderlich war, bereits vom Bundestag beschlossen worden. Regelungsbedürftig sind damit nur noch jene Teile, die Länderzuständigkeiten berühren, deshalb ihrer Zustimmung bedürfen und daher in ein eigenständiges Gesetz gekleidet werden sollen.

Dementsprechend hat der Vertreter der Antrag stellenden Fraktion in den Ausschussberatungen dargelegt, die modifizierte Fassung des Entschließungsantrages seiner Fraktion habe nun zwei Kernpunkte zum Gegenstand: Erstens solle die Landesregierung durch den Landtag aufgefordert werden, den zustimmungspflichtigen Teil des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Bundesrat zu unterstützen. Zweitens gehe es seiner Fraktion darum, sichergestellt zu wissen, dass bestimmte organisatorische Regelungen, die das bereits beschlossene Gesetz den Ländern überlasse, im Sinne der Vorstellungen der Fraktion der Grünen getroffen würden; denn es komme seiner Fraktion darauf an, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in Niedersachsen vor den Standesbeamten begründet werden könnten. Darüber hinaus solle mit der Entschließung auf die Landesregierung eingewirkt werden, die zur Durchsetzung der Bundesregelung erforderlichen Ausführungsbestimmungen möglichst zeitig vorzubereiten, damit bereits im Sommer dieses Jahres die ersten Lebenspartnerschaften auch formal vor den Standesbeamten geschlossen werden könnten.

Während die Sprecherin der SPD-Fraktion im federführenden Ausschuss signalisierte, so wie ihre Fraktion dem Ursprungsantrag zugestimmt hätte, stimme sie auch der modifizierten Entschließung zu, weil sie lediglich die Folgerungen aus der zwischenzeitlichen Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ziehe, bekräftigte der Sprecher der CDU-Fraktion die bisherige ablehnende Haltung. Die CDU-Fraktion sei nach wie vor der festen Überzeugung, dass auch der zustimmungspflichtige Teil des Lebenspartnerschaftsgesetzes Regelungen enthalte, die offensichtlich verfassungswidrig seien. So sehr die CDU-Fraktion bereit sei, alle Maßnahmen zu unterstützen, die zu

einer Verbesserung gleichgeschlechtlicher Lebensverhältnisse beitrügen und dazu führten, bestehende Diskriminierungen abzubauen, so wenig sei sie aber bereit, verfassungswidrigen Vorhaben zuzustimmen. Deshalb sei es nur folgerichtig, auch die geänderte Fassung der Entschließung abzulehnen.

Dementsprechend empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen mit den Stimmen der Vertreter der SPD-Fraktion und der Fraktion der Grünen gegen das Votum der CDUAusschussmitglieder, die Entschließung in der aus der Drucksache 2274 ersichtlichen Fassung anzunehmen. Dieses Stimmverhalten entspricht auch den Beratungsergebnissen des mitberatenden Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen und des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfragen. Ich bitte das Parlament um Zustimmung. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Wir nehmen die Beratungen mit einem Redebeitrag von Frau Ministerin Dr. Trauernicht auf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Lebenspartnerschaftsgesetz ermöglicht vom 1. August an lesbischen und schwulen Paaren, eine gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft einzugehen. Damit wird für sie möglich, was für heterosexuelle Paare selbstverständlich ist, nämlich dass Partnerinnen oder Partner in einer rechtlich verbindlichen Weise Verantwortung übernehmen. Diese werden dann offiziell auch als Paar behandelt. Unterschiede zur Ehe bleiben noch bestehen. Ich möchte z. B. die Tatsache nennen, dass schwule oder lesbische Paare zusammen keine Kinder adoptieren können.

Niedersachsen hatte 1997 den ersten Entwurf für ein solches Partnerschaftsgesetz vorgelegt und im Jahr darauf zusammen mit Hamburg und Schleswig-Holstein im Bundesrat eine Entschließung auf den Weg gebracht, mit der die damalige Bundesregierung aufgefordert wurde, ein Rechtsinstitut der Eingetragenen Partnerschaft für Partnerinnen und Partner gleichen Geschlechts zu schaffen. Diese Bemühungen haben nun nach dem Regierungswechsel in Berlin Erfolg gehabt.

Allerdings ist bisher nicht geregelt, welche Behörde die entsprechenden Anträge bearbeiten wird. Das hängt damit zusammen, dass diese Regelungen vom ursprünglichen Gesetzentwurf abgetrennt worden sind. Sie sollen am 28. März dieses Jahres im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat weiter beraten werden. Falls es keine bundeseinheitliche Regelung geben sollte – eine solche hätten wir hier natürlich gern -, müssten die Länder jeweils einzeln die zuständigen Stellen bestimmen. Alles spricht dafür, dass dies die Standesämter sein sollten. Sie haben die Erfahrung und das Fachwissen in allen Fragen des Personenstandsrechts. Das sieht übrigens auch der Landesfachverband der Standesbeamten Niedersachsens so. Die Personenstandsreferenten der Länder Niedersachsen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern haben im Februar einen entsprechenden Musterentwurf für ein Landesausführungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz erarbeitet.

Das heißt, meine Damen und Herren, dass ich angesichts der Ausschussberatungen und der Beschlussempfehlung sicher bin, dass der Niedersächsische Landtag dann, wenn es denn notwendig werden sollte, zügig und sachorientiert eine Regelung schaffen wird. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Litfin hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, dass ich an dieser Stelle überhaupt keine großen Worte mehr machen muss.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Sehr wahr!)

Es kommt ja nicht so oft vor, dass die Regierungsfraktion sämtliche Forderungen, die in einem Antrag der kleinen Oppositionsfraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt werden, so übernimmt und dass wir hier in Niedersachsen einmal wieder so eine richtig schöne rot-grüne Geschichte machen und auch gemeinsam abstimmen.

(Möhrmann [SPD]: Da kommt gleich noch eine, Frau Kollegin!)

Dafür bin ich dankbar, zumal es nach Äußerungen des Ministerpräsidenten Befürchtungen gab, dass Niedersachsen im Bundesrat nicht hinter dem stehen könnte, was die Bundesregierung erdacht und auf dem Weg gebracht hat.

Ich meine, dass wir an dieser Stelle vor allem eine politische Lösung zu treffen haben – das sage ich im Vorgriff auf die Rede meines geschätzten Kollegen David McAllister -,

(Zustimmung von Frau Schliepack [CDU])

der man zunächst einmal nicht mit juristischer Spitzfindigkeit beikommen kann; denn es geht nicht um Juristerei, sondern es geht darum, politisch zu entscheiden, ob Menschen, die anders leben wollen als andere Menschen, die gleichen Rechte, aber auch die gleichen Pflichten bekommen sollen. Dafür haben sich Rote und Grüne auch in Niedersachsen gemeinsam eingesetzt. Dafür noch einmal mein Dank. – Das war es dann schon.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Und nun hat der geschätzte Kollege McAllister das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kollegin Litfin,

(Zustimmung von Frau Vockert [CDU])

die CDU-Fraktion kann und wird ihre Zustimmung zur vorliegenden Beschlussempfehlung nicht erteilen.

(Zustimmung bei der CDU – Zuruf von den GRÜNEN: Das haben wir uns schon gedacht!)

Der Kollege Stratmann hat unsere Argumente eindeutig und umfassend, wie ich meine, sowohl in der ersten Beratung - damals noch zum Originalantrag von Bündnis 90/Die Grünen - als auch in der Rechtsausschussberatung vorgetragen. Ich will unsere grundsätzliche Position deshalb nur noch einmal in aller Kürze erläutern.

Ich möchte mit einem Zitat beginnen, das auch der Kollege Stratmann damals hier vorgetragen hat, das ich für sehr wichtig halte, um die Position der Union nachvollziehen zu können:

„Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf zu verwirklichen suchen. Wir anerkennen, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden, die grundlegend sind für unsere Gesellschaft. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form der Diskriminierung. Wir wollen prüfen, welche rechtlichen Hindernisse, die dem gemeinsamen Leben und der gegenseitigen Fürsorge entgegenstehen, beseitigt werden können.“

Dies hat der kleine Bundesparteitag der CDU im Dezember 1999 beschlossen. Das schildert ganz umfassend, wie ich meine, unsere grundsätzliche Position.

Auch für uns als CDU ist unverkennbar, dass es Handlungsbedarf in einzelnen Bereichen, insbesondere im Bereich des Zivilrechts, gibt – das ist hier im Hause auch unstreitig -; zu nennen sind Fragen des Zeugnisverweigerungsrechts, Fragen der Vertragsnachfolge im Mietrecht, Fragen des medizinischen Auskunftsrechts oder unklare Regelungen bei Besuchen in Krankenhäusern oder auch in Justizvollzugsanstalten.

Grundlage der Beschlussempfehlung heute ist jedoch die Eingetragene Lebenspartnerschaft. Diese findet unsere Unterstützung nicht. Neben formell-rechtlichen Argumenten

(Schröder [GRÜNE]: Formalisti- schen!)

- dabei geht es insbesondere darum, wie die rotgrüne Koalition das Gesetzgebungsverfahren in Berlin durchgesetzt hat; in einer Nacht-und-NebelAktion wurde der ursprüngliche Gesetzentwurf in einen zustimmungspflichtigen und einen nicht zustimmungspflichtigen Teil geteilt –

(Frau Litfin [GRÜNE]: Das hat länger als eine Nacht gedauert! – Weitere Zurufe – Unruhe)

haben wir vor allem materiell-rechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken. Liebe Kollegin

Litfin, das sind keine juristischen Spitzfindigkeiten. Wenn es um Fragen der Verfassung geht, dann müssen wir uns schon sehr genau anschauen, was der Bundesgesetzgeber macht.

(Beifall bei der CDU)

Unseres Erachtens gibt es keine Notwendigkeit, eine so breite und gesetzliche Regelung zu etablieren. Wir halten das Gesetz für verfassungswidrig – insbesondere vor dem Hintergrund der relativ eindeutigen Aussagen nahezu aller Experten in der Anhörung im Bundestag und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

(Zustimmung bei der CDU – Frau Pothmer [GRÜNE]: Die CDU steht mitten im Leben, nicht?)

Unsere Bedenken gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz ergeben sich vor allem aus Artikel 6 des Grundgesetzes. Durch das Partnerschaftsgesetz wird ein familienrechtliches Institut geschaffen, das der Ehe gleichgestellt wird. Damit aber ist die herausragende Leitbildfunktion von Ehe und Familie infrage gestellt.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Aber nicht „Leitbild“! Ich finde, das sollten Sie einfach nicht mehr in den Mund neh- men!)

Wir halten das für eine Verletzung von Artikel 6 des Grundgesetzes.