Protokoll der Sitzung vom 14.03.2001

(Zuruf von Wegner [SPD])

Das Gleiche gilt für den Tiefbau. Anfang der 90erJahre waren Sie aus politischen bzw. ideologischen Gründen stolz darauf, den Straßenbau drastisch zurückgefahren zu haben. Inzwischen ist es, weil Sie den Haushalt gegen die Wand gefahren haben, die nackte finanzielle Not, im Straßenbau nichts mehr zu tun.

(Zuruf von Möhrmann [SPD])

50 % der Landesstraßen sind beschädigt bis stark beschädigt. - Herr Möhrmann, ich will Ihnen etwas sagen: Wenn wir in jedes Schlagloch in Niedersachsen als Zeichen dafür, wie stiefmütterlich Sie den Straßenverkehr behandeln, Stiefmütterchen pflanzen würden, dann bräuchten wir bei allen Baumaßnahmen Niedersachsens keine Ausgleichsmaßnahmen mehr, weil alle Straßen blühen würden. So sieht zurzeit die Situation aus.

(Beifall bei der CDU – Beckmann [SPD]: Das war ein wesentlicher Bei- trag zur Stärkung der Bauindustrie!)

- Ja, auch zur Stärkung der Bauindustrie. – Wir müssen ebenfalls hinsichtlich der Steuergesetzgebung, der Förderung des Wohnungsbaus und der gesamten Rahmenbedingungen einiges tun, um

wieder eine Stabilisierung zu erreichen. Denn was hier vom Markt genommen wird, wird in Zukunft kaum noch aufgebaut, sondern dann machen wir dasselbe wie bei den Computern: Wir holen uns mit einer Green Card Fremde herein, die dann unsere Arbeitsplätze bekommen. – Das kann doch wohl nicht Sinn der Sache sein. Deshalb appelliere ich an das ganze Haus, dass wir uns dieses Problems dringend annehmen und versuchen umzusteuern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Ministerin Dr. Knorre.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Darstellung der CDU-Fraktion auf die Faktenlage zurückführen. Es ist so, dass im Jahr 2001 das Bauinvestitionsvolumen vom Land um 11,5 % auf derzeit 860 Millionen DM gesteigert worden ist. Ich meine, das ist ein wichtiges und richtiges Signal an die Bauwirtschaft im Lande.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich auch sagen - weil Sie das Thema Landesstraßen direkt angesprochen haben -: Auch dort ist es ein richtiges Signal gewesen, den Haushaltsansatz für 2001 stabil zu halten und auch etwas nach oben zu fahren.

(Beifall bei der SPD)

Darüber hinaus möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es kaum eine Branche gibt, mit der so enge Kontakte und konstruktive Gespräche seitens der Landesregierung stattfinden, wie die Bauwirtschaft in Niedersachsen.

(Zuruf von der CDU: Es gibt aber keine Aufträge!)

Dazu gehört, dass wir – auch was die Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft in Niedersachsen anbelangt – hervorragende Bedingungen bieten können. Ich denke etwa daran, dass unsere Erlasslage, was faire Rahmenbedingungen und Ausschreibung nach VOB anbelangt, im Bundesvergleich vorbildlich ist. Ich nenne nur als Stichworte den Tariftreue-Erlass – hier decken wir in Niedersachsen mehr als 95 % der Bauaufträge ab; das hat

bundesweit Vorbildfunktion – und den so genannten 10 %-Erlass, der, wie Sie wissen, von der Bauwirtschaft in Niedersachsen nicht nur honoriert wird, sondern wir werden dafür immer wieder ausdrücklich gelobt, weil dies ein Instrument ist, mit dem wir vorbildlich für faire Wettbewerbsbedingungen in der Bauwirtschaft sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich noch einen dritten Punkt ansprechen, der Ihnen zeigt, wie intensiv wir im Dialog stehen, um die Bauwirtschaft auch von den Rahmenbedingungen her zu stabilisieren. Wir haben im Bündnis für Arbeit verabredet – übrigens im Einvernehmen mit allen Beteiligten, auch mit der Seite der Arbeitnehmervertreter -, dass wir hinsichtlich der Verpflichtung zur Ausschreibung nach VOB prüfen wollen, ob wir diese auf die von Kommunen und vom Land beauftragten Privatunternehmen ausdehnen können. Dies ist ein einvernehmlicher Prüfauftrag gewesen. Ich meine, meine Damen und Herren, dass man daran gleich zweierlei ablesen kann, nämlich dass erstens das Bündnis für Arbeit in Niedersachsen hervorragend funktioniert – das möchte ich ausdrücklich festhalten - und dass zweitens wir in Niedersachsen keine Flucht aus der VOB wollen. Wir werden dies entsprechend umsetzen.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt liegt mir sehr am Herzen – Herr Möllring, Sie haben es bereits angedeutet -: Natürlich ist es eine wichtige Aufgabe, für stabile Auftragslagen auch im Schienen- und Straßeninfrastrukturbereich, also im Verkehrsinfrastrukturbereich, zu sorgen. Deswegen ist es das richtige Signal, dass sich die SPDFraktion mit ihrem Hearing dem Thema Privatfinanzierung bzw. Nutzerfinanzierung widmen wird. Denn Sie wissen, dass es ein ständiges Anliegen der Bauindustrie in Niedersachsen ist, dass wir mit dem Thema konstruktiv umgehen. Ich meine, es ist ein richtiges und wichtiges Signal, dass wir das im Land offen und konstruktiv diskutieren. Es ist das richtige Signal für die Bauwirtschaft in Niedersachsen. Es ist aber auch das richtige Signal für die Arbeitsplätze. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Rede von Frau Knorre könnte man meinen, wir hätten auf dem Bausektor nicht gerade eine dramatische Krise und nicht gerade 5 000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr. Auch wenn Sie diese Maßnahmen verstetigen, können Sie doch nicht ignorieren, dass wir eine massive Krise haben und dass sich die Bauwirtschaft auch in unserem Land in einem massiven Strukturwandel befindet. Deswegen braucht es mehr als das übliche an Maßnahmen,

(Möhrmann [SPD]: Und deswegen seid ihr für mehr Straßenbau! - Beck- mann [SPD]: Mehr Straßen!)

aber dazu gab es von Ihnen bislang noch keine Vorschläge.

Die CDU hat diese Aktuelle Stunde beantragt. Das Thema ist sicherlich brisant. Aber wenn ich Ihre Überschrift „Landesregierung lässt Bauwirtschaft im Stich“ lese, muss ich Sie schon fragen, Herr Möllring, ob Sie neuerdings Keynes unterm Kopfkissen haben, ob Sie hier staatliche Konjunkturprogramme einfordern wollen. Zumindest in Ihren Haushaltsvorschlägen zum Jahr 2001 habe ich dazu sehr wenig vorgefunden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist aber auch klar. Denn woher soll das Geld dafür auch kommen? Schließlich müssen erst einmal 800 Millionen DM EXPO-Defizit bezahlt und diverse andere Forderungen erfüllt werden. Da kommt man schnell auf andere Ideen.

(Beckmann [SPD]: Hagenah ohne EXPO geht nicht!)

Ich habe vermisst, dass jemand mit dem Stichwort „Leasing“ kommt,

(Möllring [CDU]: Das macht gleich Herr Decker!)

dass wir die Straßen oder die öffentlichen Gebäude leasen. Der Ministerpräsident wollte ja eine Staatskanzlei leasen oder anmieten.

(Möllring [CDU]: Das sagt Herr De- cker gleich!)

- Das ist zwar schön, aber da haben Sie uns nicht auf Ihrer Seite; denn das ist aus unserer Sicht

lediglich ein Wechsel vom Machen von Schulden zum Schaffen von dauerhaften Lasten; außerdem verdient noch ein Privater daran. Es kann nicht wirtschaftlich sein, wenn der Staat selber nicht wirtschaftlich mit seinem Geld umgeht. - Das ist also kein Ausweg.

Wir müssen erst einmal anerkennen, Herr Möllring, dass wir in 55 Jahren Bundesrepublik nahezu alle öffentlichen und privaten Gebäude wieder aufgebaut haben. Insofern ist es ein strukturelles Problem, dass wir seit sieben Jahren eine Rezession am Bau haben. Das sagt übrigens auch Herr Munte im „Baurundblick“:

„Der strukturelle Umbau der deutschen Bauwirtschaft ist für Munte bei weitem noch nicht abgeschlossen. Nach wie vor gebe es Überkapazitäten am Markt, die abgebaut werden müssten. Hoch qualifizierte und leistungsstarke Bauunternehmen müssten den Markt bestimmen und keine Hasardeure, die das Image des Wirtschaftszweiges schädigen, das Preisniveau ruinieren und seriösen Unternehmen die Zukunft nehmen.“

Darauf wies auch schon ein Antrag hin, den wir Grünen vor zwei Jahren eingebracht haben, der von CDU und SPD in den Ausschussberatungen allerdings immer wieder vertagt worden ist. Dieser Antrag setzt sich genau mit diesen Hasardeuren auf dem Baumarkt, mit der Tariftreue und mit einem Vergabegesetz auseinander.

Morgen scheint die SPD-Fraktion nun endlich unserem Antrag nachzukommen, denn sie bringt selber so einen Antrag ein. Lassen Sie uns das gemeinsam beschließen, dann sind wir endlich so weit. Dass Sie zwei Jahre brauchten, um auf unsere Seite zu kommen, ist dann in Ordnung, weil es die richtige Richtung ist.

Letztendlich hat Niedersachsen die bestehenden Möglichkeiten, mehr zu machen als das, was wir bisher gemacht haben, nicht ausreichend wahrgenommen, nämlich die privaten Investoren stärker zu mobilisieren, im Bestand zu investieren. Das kann der Staat nicht ersetzen.

Hier leistet die Bundesregierung mit ihrem CO2Minderungsprogramm und ihrer Energieeinsparverordnung eine ganze Menge. Da muss das Land Niedersachsen deutlich mehr auch selber informieren und die Leute zum Investieren bringen. Das

hilft viel mehr, als selbst staatliche Mittel zusätzlich in die Hand zu nehmen, zumal Ihnen solche gar nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier vermissen wir eine stärkere Koordination zwischen Wirtschaftsministerium und Umweltministerium, hier vermissen wir, dass sich die niedersächsischen Bauherren und Hauseigentümer ein gehöriges Stück von dem Kuchen von 2 Milliarden DM, den der Bund jährlich für Altbaumodernisierung und energetische Sanierung zur Verfügung stellt, abschneiden können.

Wenn es um regenerative Energien geht, machen Sie sogar noch das Gegenteil. Im März haben Umwelt- und Wirtschaftsministerium über die Bezirksregierungen mehrere blaue Briefe an Investoren verschickt. Daraus ein Zitat von der Bezirksregierung Weser-Ems, Wirtschaftsförderfonds, erneuerbare Energien. Da schreibt ein Sachbearbeiter:

„Leider ist mir aufgrund der schlechten Haushaltslage eine abschließende Förderentscheidung nicht möglich für Ihre Solaranlage. Den vorzeitigen Maßnahmebeginn habe ich Ihnen zum 19. Dezember 2000 genehmigt.“

Meine Damen und Herren, so kann man nicht mit den Leuten umgehen! Sie können denen nicht sagen: Wir können Ihnen das nicht genehmigen, aber Sie können schon mal bauen. - Wer wird sich denn darauf einlassen?

Es wird aber noch schlimmer: Die Gemeinde Gleichen will in vorbildlicher Weise ein Heizkraftwerk für den Brennstoff Holzhackschnitzel bauen und eine große Solaranlage von 350 m² angliedern. Aber dann hört sie von der Bezirksregierung Braunschweig, die Förderung aus der Förderrichtlinie Bioenergie ist seit Juli 2000 ausgesetzt - wo ist der Umweltminister? -, und die Förderung aus dem Topf innovative Modellvorhaben zur Nutzung von Solarenergie ist aktuell gestoppt - wo ist der Umweltminister? -; hier soll bis Ende März geklärt werden, in welcher Höhe überhaupt Haushaltsmittel eingesetzt werden und wie weiter mit diesem Topf verfahren wird.

Wenn man, weil der Bund jetzt ordentlich was macht, im Land nichts mehr macht und die Hände

in den Schoß legt, gehen die Bundesmittel natürlich an Niedersachsen vorbei. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)