Zunächst zur Gutachterebene. Man darf wohl hinterfragen, ob Psychologen, Psychiater allein vom Fachlichen her immer stimmig sind, ob sie dann, wenn sie einen bestimmten Fall über Jahre hinweg begutachtet haben, in dem sich der Betroffene vielleicht auch intelligenterweise auf sie eingestellt hat, womöglich irgendwann therapieverliebt sind und den Betroffenen gesundschreiben.
Ich möchte hier anmahnen, vielleicht doch Doppelgutachten einzuführen, die Erteilung von Aufträgen zur Begutachtung einer Einzelperson an ein und denselben Gutachter zeitlich zu begrenzen und vielleicht auch darüber nachzudenken - wenn ich auch vermute, dass das nicht gehen wird -, ob eine Gutachterhaftung diskussionswürdig wäre.
Die Strafvollstreckungskammern sollten in Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit kritischer gegenüber dem sein, was sie an Gutachten vorgelegt bekommen, und sollten auch mehr darauf
bedacht sein - so nenne ich das -, rein handwerklich eine einheitlichere Rechtsprechung bzw. Handhabung im Lande Niedersachsen zu erreichen. Mit Richtlinien allein ist hier nicht unbedingt alles getan.
Die Bevölkerung braucht Vertrauen in unsere Justizvollzugsanstalten. Eine Justizvollzugsanstalt - das sage ich hier doch einmal ganz deutlich -, die einen solchen Vorfall tagelang verschweigt, die Akten ohne Duplikate verschickt, die auf Anfrage des Justizministeriums falsche Anfragen zum Täter macht, genießt einfach nicht das Vertrauen der Öffentlichkeit.
Herr Minister, Sie haben ja schon einiges an Maßnahmen angeboten. Das ist so weit wohl auch in Ordnung. Sie sollten aber auch einmal speziell gegenüber Salinenmoor deutlich machen, dass mit der Schlamperei, die ihre beiden Vorgänger da möglicherweise zugelassen haben, jetzt Schluss ist. Sie sollten da aufräumen, sollten dafür sorgen, dass dort eine andere Handhabung eintritt.
Mit Checklisten zum Meldewesen, was eigentlich schon seit Jahr und Tag so gehandhabt werden müsste, denen auf die Sprünge zu helfen, ist eine Geschichte. Aber im niedersächsischen Strafvollzug gibt es hinreichend Gelegenheit, allein durch praktisches Handeln Opferschutz zu betreiben. Ich habe auch fast keine Lust, über verfassungstheoretische Dinge wie Opferschutz zu diskutieren, wenn das hier handwerklich, praktisch nicht optimal ist.
Herr Minister, Fußfesseln für lästige Ehemänner so weit, so gut. Aber vielleicht sollten wir zunächst einmal darüber sprechen, ob solche technischen Möglichkeiten nicht zuerst einmal bei problematischen Freigängern angewendet werden sollten.
nett davon berichtet, warum wird er dann, Herr Ministerpräsident, dort abgebürstet, oder haben wir das nur falsch gelesen? Wenn solche Dinge nicht vernünftig miteinander aufgearbeitet werden, dann spricht das auch nicht gerade für die Mannschaftsleitung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie kennen meine Haltung zu derartigen Flucht- und Entweichungsfällen. In einem Punkt möchte ich dem Kollegen Busemann aber ausdrücklich Recht geben: Nachdem der Sicherungsverwahrte Heinz von einem Therapieausgang nicht in die Anstalt Salinenmoor zurückgekehrt war, hat es schwerste Fehler und Versäumnisse gegeben.
Bei der Zahl der Taten konnte man nicht bis drei zählen. Man hat nicht mitgeteilt, dass eine Vergewaltigung bereits während eines Hafturlaubs bzw. eines Freigangs erfolgte.
Es gab ein falsches Verständnis von Beziehungstaten, was für die Gefährlichkeitsprognose und auch für die Öffentlichkeitsfahndung natürlich sehr wichtig ist. Erst die Aktenauswertung durch die Polizei hat dann die Fakten auf den Tisch gebracht. Mit der Öffentlichkeitsfahndung wurde dann noch eine Woche gewartet.
Meine Damen und Herren, es ist nachvollziehbar, dass derartige Versäumnisse, ein derartiges Versagen die Öffentlichkeit sehr beunruhigt und dass die Öffentlichkeit gerade in Fällen von sexueller Gewalt sensibel reagiert.
Wenn Sie die heutige Berichterstattung in der Neuen Presse über die verzögerte Öffentlichkeitsfahndung nach einem anderen Täter, der wohl am vergangenen Samstag im Raum Hannover eine Zehnjährige sexuell missbraucht hat, verfolgt haben, dann haben Sie damit ein zweites Beispiel dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz gerade in diesem wichtigen und sensiblen Bereich der Bekämpfung der sexuellen Gewalt in Niedersachsen noch nicht funktioniert. Dass Herr Pfeiffer hier einen Maßnahmenkatalog vorgelegt hat, in dem vieles steht, dokumentiert ja auch nur die Versäumnisse aus der Vergangenheit,
wobei der Katalog noch zu ergänzen wäre um den Punkt „Ausbau von Therapieangeboten innerhalb des Vollzugs“; denn es ist ja eindeutig so, dass in vielen Fällen Therapeuten außerhalb der Haftanstalt aufgesucht werden müssen, weil das Therapieangebot im Vollzug dafür nicht ausreicht.
Meine Damen und Herren, wir dürfen uns aber auch nichts vormachen. Was hätte ein zweites Gutachten im Falle Heinz geändert, wenn es ebenfalls positiv ausgefallen wäre? - Da ist jemand zehn Jahre in Haft - nach drei Taten kein Serientäter, Herr Kollege Busemann, sondern ein Wiederholungstäter -, der seit 1998 100 begleitete Ausgänge, 75 Therapiestunden und positive Begutachtungen bekommen hat. Eines ist doch klar, meine Damen und Herren: Irgendwann kommen sie raus. In einem humanen rechtsstaatlichen, demokratischen Strafvollzug ist das lebenslange Wegschließen und Anketten für uns keine denkbare Alternative.
Deshalb, Herr Kollege Busemann, war ich erfreut darüber, dass Sie sich heute im Grundsatz durchaus dazu bekannt haben, dass auch im Falle von Sicherungsverwahrten, von Menschen, die sehr lange inhaftiert waren, eine Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit erfolgen muss, wenn dies vertretbar ist
und wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Das hat sich, Herr Kollege Busemann, schon einmal anders angehört. Da haben Sie, wenn ich der Berichterstattung glauben darf, gegenüber der Presse erklärt, es vergehe kaum ein Tag, an dem nicht über Opferschutz geredet werde; gleichzeitig werde aber gefährlichen Serienverbrechern Freigang gewährt. Ein solch lascher Strafvollzug verhöhne jedes potentielle Opfer.
Mit dieser Art der Auseinandersetzung, Herr Kollege Busemann, helfen wir den Opfern nicht, weil wir damit den Tätern die Chance verbauen, sich positiv zu entwickeln, ihr bisheriges Verhalten zu ändern und ein Leben in Freiheit ohne Straftaten führen zu können. Wir müssen - deshalb begrüße ich das, was Sie eher in einer Fußnote gesagt haben - bereit sein, solche Risiken einzugehen. Sie sind unvermeidbar. Denen, die sich gut führen, muss Vertrauen entgegengebracht werden. Dazu muss man auch in der Öffentlichkeit stehen.
Es muss alles getan werden, um Wiederholungstaten und Gefährdungen zu vermeiden. Aber das Vertrauen und die Chance müssen belassen werden. Dabei kann mit einer vorschnellen populistischen Diskussion vieles kaputtgemacht werden. Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich für Ihren sehr sachlichen Beitrag, Herr Schröder, bedanken. Ich stimme in allen Punkten sachlich mit Ihnen überein. Ich habe mich auch darüber gefreut, Herr Busemann, dass von Ihnen eine deutliche Korrektur zu der ersten, sehr emotionalen Stellungnahme, die Sie gegenüber der Presse abgegeben haben, zu hören war. Hier haben Sie kundgetan, dass auch Sie im Prinzip der Meinung sind, dass aufgrund der Gesetzeslage - ganz klar - auch einem Sicherungsverwahrten Vollzugslockerungen zur Vorbereitung einer Entlassung gewährt werden sollten,
Zunächst einmal zu dem Grundproblem Sicherungsverwahrung. Sie fragen an, Herr Busemann, ob Anlass bestehe, das Gesetz zu ändern. Nun haben wir es erst Mitte 1998 geändert. Mit den Stimmen der Opposition haben wir uns darauf geeinigt, dass die Rahmenbedingungen deutlich verschärft werden, dass immer dann, wenn ein Sexualtäter entlassen werden kann, ein Gutachter gehört werden muss. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind insofern verschärft worden, als es heißt: „Aussetzung zur Bewährung nur, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.“ - Anschließend Führungsaufsicht. Gleichzeitig ist natürlich aber auch klar, dass für diesen Gefangenen gilt, was für jeden gilt, nämlich die Grundempfehlung des Strafvollzugsgesetzes, dass vor einer Entlassung möglichst Vollzugslockerungen gewährt werden sollten, damit erprobt und vorbereitet werden kann, dass er in der Freiheit klarkommt.
Eine kleine sachliche Korrektur, die notwendig ist. Im Urteil über Herrn Heinz wird ausdrücklich gesagt, dass er kein sadistischer Täter sei, sondern dass seine Gewalt zweckorientiert gewesen sei, also nicht überschießend. Das ist für die Sachverständigen bei der Frage wichtig, wie er als Persönlichkeit einzuschätzen ist. Sie trennen deutlich zwischen den Vergewaltigern, die ihre Gewalt instrumentell einsetzen, und den Sadisten. Zu den Zweiten gehört er nicht.