Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

(Beifall bei der CDU)

Das ist auch ein Bekenntnis. Wer heute über Sonderschulfragen spricht, der muss sich mit den Sonderschulen auch einmal auseinander setzen. Ich habe an den Sonderschulen die Erfahrung gemacht - ich habe es vorhin kurz angedeutet -, dass diejenigen Kinder, die an diesen Sonderschulen auch nur für kurze Zeit beschult werden, glücklich und zufrieden sind, weil sie ihren Möglichkeiten entsprechend gefördert werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn diese Kinder mit nur zwei Förderstunden in einer Klasse untergehen - sage ich einmal; man kann hier nicht mehr von „Integration“ sprechen -, in der es ohnehin schon schwierige Kinder, nicht deutsch sprechende Kinder oder auch Kinder mit Erziehungs- und Lernrückständen gibt, dann kann dieses System, wenn es so beibehalten werden soll, wie Sie es jetzt

praktizieren wollen, nicht funktionieren. Wissen Sie: Wenn sich schon mit einem Sonderpädagogen ausgestattete Integrationsklassen, denen nur acht Förderstunden für ein geistig behindertes Kind zur Verfügung gestellt werden, darüber beklagen, dass dies für eine spezifische Förderung zu wenig ist, dann kann man zwei oder drei lernbehinderte Kinder nicht in eine Klasse hineingeben und nur zwei Förderstunden dazugeben. Das kann nicht funktionieren.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist unsere massive Kritik. Integration ja. Wenn Integration aber stattfindet, dann muss man sie vernünftig ausstatten und bezahlen. Sie kostet Geld.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich mit einem Zitat einer Mutter schließen. Sie sagte:

„Ich werde kein Plädoyer gegen Integration halten. Noch weniger will ich behaupten, dass die Sonderschulen so, wie sie zurzeit strukturiert sind und mit Leben gefüllt sind, der Weisheit letzter Schluss sein mögen. Aber ich fürchte grundsätzlich den Rigorismus von Reformgläubigen, die über ihren missionarischen Eifer versäumen, Stimmigkeit und Gleichgewicht von Realität und theoretischem Anspruch zu überprüfen. Bedenklich wird es, wenn Idealismus den Blick auf die Wirklichkeit verstellt.“

(Beifall bei der CDU)

Die Wirklichkeit passiert mit unseren Kindern an unseren Schulen. Da haben wir Einsatz zu zeigen, und da haben wir Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich erteile auch Frau Kollegin Seeler nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung zusätzliche Redezeit von drei Minuten. Frau Kollegin Seeler, bitte schön!

Ich hatte meine Rede mit einem Hinweis auf Unwahrheiten bzw. Unklarheiten begonnen. Ich möchte jetzt noch einmal auf zwei Dinge hinweisen. Erstens ist es nicht so, Herr Klare, dass der bei einem Kind festgestellte individuelle sonderpädagogische Förderbedarf mit einem Grundbedarf von zwei Stunden abgedeckt ist. Für dieses Kind gibt es immer zusätzliche Stunden.

Zweitens trifft es auch nicht zu, Frau Litfin, dass sich das „Lernen unter einem Dach“ nur auf die Grundschule bezieht. Ich zitiere jetzt aus dem Rahmenkonzept:

„Einer Sonderschule als regionalem Förderzentrum werden Grundschulen, Orientierungsstufen, Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen als regionaler Wirkungsbereich zugeordnet. In diesem Bereich werden regionale Integrationskonzepte entwickelt und umgesetzt.“

Heute fängt es mit der Grundschule an, und es werden erst Teilkonzepte genehmigt. Wir gehen davon aus, dass man sich bei der Erarbeitung der regionalen Konzepte sehr wohl Gedanken darüber macht, was passiert, wenn die Kinder älter werden. Das ist doch selbstverständlich. Das steht hier drin. Es wäre schön, wenn Sie solche Broschüren dann doch etwas genauer lesen würden.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich stelle fest, dass die Besprechung der Großen Anfrage hiermit abgeschlossen ist, meine Damen und Herren.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: Keine weiteren Flussvertiefungen von Unterelbe und Außenweser Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/2435

und

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Weitere Vertiefung der Unterelbe hat gravierende Auswirkungen auf Region Cuxhaven und Stade - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2461

Diese beiden Tagesordnungspunkte sollen vereinbarungsgemäß gemeinsam behandelt werden.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird eingebracht durch den Kollegen Klein. Ich erteile ihm das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Klein. - Ich gehe davon aus, dass Sie gleichzeitig auch die Redezeit Ihrer Fraktion in Anspruch nehmen.

Das ist richtig. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ziel unseres Antrages ist es, dass der Landtag weitere Flussvertiefungen von Elbe und Weser ablehnt. Wir begründen das ökonomisch und ökologisch sowie mit Gefahren für die Deichsicherheit und unter Hinweis auf noch nicht gemachte Schulaufgaben hinsichtlich früherer Flussvertiefungen. Ihnen ist bekannt - wir legen Wert darauf, dass Sie das auch wissen -, dass dieser Antrag auf einer einstimmigen Resolution des Cuxhavener Kreistages basiert. Er deckt sich darüber hinaus noch sehr viel stärker mit dem örtlichen DGB-Aufruf zum 1. Mai und mit der vom DGB durchgeführten Unterschriftenaktion. Trotzdem geht es bei diesem Antrag nicht nur um berechtigte Interessen des Elbe-Weser-Dreiecks und Butjadingens. Es geht auch um die Frage, wie eine ökologische und ökonomisch ausgewogene und vernünftige Hafen- und Schifffahrtspolitik in der Deutschen Bucht aussehen soll.

Damit kommen wir zu der eigentlichen Frage: Was ist eigentlich der Sinn einer Hafenkooperation? - Es geht doch darum, die Wettbewerbspositionen der deutschen Häfen gegenüber den ARA-Häfen im Westen und auch gegenüber den Entwicklungen, die sich inzwischen im Mittelmeer vollziehen, entsprechend zu stärken. Man kann dies tun, indem man bessere Leistungen kostengünstiger anbietet. Diesbezüglich lässt sich im Rahmen einer Kooperation eine ganze Menge gestalten. Vor allem aber erreicht man das Ziel, indem man sich spezialisiert und nicht jeder mittelmäßig das Gleiche tut mit den jeweils gleich hohen Fixkosten. Stattdessen sollte sich jeder auf das konzentrieren, was er am besten kann, was er am kostengünstigsten anbieten kann. Und das eben für die Anderen mit.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die bisherige Hafenpolitik, die vor allem Hafenkonkurrenz bedeutet hat, ein Fass ohne Boden darstellt, das jährlich viele Millionen DM an Steuergeldern verschlingt, hatten auch wir uns mit einem Projekt Tiefwasserhafen angefreundet. Dieser Tiefwasserhafen kann als Ergänzung zu Hamburg und Bremerhaven ein Kristallisationspunkt für Kosten sparende Hafenkooperation sein, und zwar sowohl in Wilhelmshaven als auch in Cuxhaven.

Es war eine gute Idee: ein Tiefwasserhafen, der für die Herausforderungen der künftigen Seeverkehre gerüstet ist, gemeinsam von Hamburger und Bremer Firmen gebaut und betrieben. Dafür sparen wir die Kosten für weitere Flussvertiefungen, für CT 4 in Bremerhaven und müssen nicht Milliarden ausgeben, um nach Altenwerder nun auch noch die Menschen in Moorburg zu vertreiben. Nur so ergibt ein Tiefwasserhafen doch Sinn!

Was ist denn jetzt vereinbart? - Nicht eine Mark wird eingespart. Keine Synergieeffekte werden erzielt und keine Stärken zusammengeführt. Meine Damen und Herren, dies ist nichts anderes als ein GAU, nämlich der größte anzunehmende volkswirtschaftliche Unsinn, den Sie dort praktizieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Ministerpräsidenten haben keine Standortentscheidung getroffen, sondern sie haben entschieden, drei Tiefwasserhäfen zu bauen und weiter jeder für sich zu kämpfen. Das werden wir Grüne nicht unterstützen.

Wenn es sich schon ökonomisch nicht rechnet, dann macht es erst recht keinen Sinn, dass man für ein solches Projekt nun auch noch die Deichsicherheit weiter gefährdet. Wie oft wollen Sie denn noch die Gutachter zwingen, immer wieder zu bestätigen, dass die neuen Vertiefungen gerade noch vertretbar sind, aber nun wirklich die letzte Vertiefung gekommen sein muss? - Ich wohne seit über 20 Jahren in dieser Region und habe mir diesen Spruch inzwischen, ich glaube, drei oder vier Mal anhören müssen.

Auch ein weiterer ökologischer Eingriff in die schwer vorgeschädigten Flusssysteme ist nicht zu akzeptieren. Wozu gibt es jedes Mal dicke Gutachten, wenn die dort beschriebenen Verschlechterungen später niemanden interessieren, weil ohnehin politisch schon alles entschieden ist?

Sie verzichten mit dem System, das Sie jetzt anzielen, nicht nur auf die wirtschaftlichen Chancen einer Hafenkooperation, sondern Sie stören auch noch die wirtschaftliche Entwicklung in der ohnehin strukturschwachen Region, indem Sie der Landwirtschaft Flächen wegnehmen, indem Sie die Fischerei mit der Wühlerei im Fluss und schwierigen Strömungsverhältnissen erschweren und indem Sie touristische Einrichtungen beeinträchtigen.

Damit sind wir bei den Altlasten und zum Beispiel bei Butjadingen. Dort geht es um die touristischen Attraktionen der Region, um das Strandbad und den Yachthafen, die durch Verschlickung ihre Funktion verlieren werden, wenn das Land hier nicht bald dafür sorgt, die Auswirkungen der letzten Weservertiefung in irgendeiner Form in den Griff zu bekommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

An der Elbe geht es darum, dass die Ausgleichsmaßnahmen, die immer noch nicht abgearbeitet sind, endlich erledigt werden.

Ich frage Sie: Welchen Wert haben denn vereinbarte Beweissicherungsverfahren, wenn ein Jahr nach der letzten Vertiefung bereits die nächste geplant wird?

Herr Plaue, uns provinzielle und Rache geleitete Politik vorzuwerfen, ist so albern wie falsch.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von McAllister [CDU])

Gegen den Trend, die Flüsse den Schiffen anzupassen statt umgekehrt, haben wir schon Widerstand geleistet, als Sie noch gar nicht im Landtag waren. Ich weiß, dass Sie schon lange im Landtag sind.

Wenn es aber provinziell ist, meine Damen und Herren, sich für den ländlichen Raum einzusetzen, sich dagegen zu wehren, wenn existenzielle Interessen der Menschen hinter dem Deich von den Metropolen achtlos bei Seite geschoben werden, dann bin ich gerne provinziell. Wenn es provinziell ist, sich für die Interessen seiner Region einzusetzen, dann habe ich noch nie so viel provinzielle Politik wie in Hannover, Hamburg und Bremen erlebt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der CDU)

Ich meine, Sie sollten sich lieber um die Glaubwürdigkeit der SPD-Fraktion vor Ort kümmern. Ihr Doppelspiel nach dem Motto „Der Umweltminister prüft kritisch, aber der MP sagt ‚Abgemacht ist abgemacht‘“, nimmt Ihnen vor Ort niemand ab und ist nicht überzeugend.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der CDU)

Noch ein Wort zum Antrag der CDU-Fraktion. Ich glaube nicht, dass er dem Anliegen der niedersächsischen Küste gerecht wird.

(Inselmann [SPD]: Das glaube ich!)

Die Formulierungen sind so butterweich, dass er geradezu signalisiert: So ernst meinen wir es eigentlich gar nicht. - Der Verzicht darauf, hier auch die Weservertiefung anzusprechen, berührt auch die Glaubwürdigkeit der Aussagen zur Elbe. Denn 90 % der Argumente, die gegen eine Elbvertiefung sprechen, treffen auch für die Weser zu. Ich meine, hier sollten Sie sich entscheiden. Ein bisschen schwanger geht einfach nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt erteile ich dem Herrn Kollegen McAllister das Wort. Sie bringen auch ein und nehmen Redezeit Ihrer Fraktion in Anspruch. Bitte schön!