Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

Dieses Gesetz wird nichts dazu beitragen, dass der finanzielle Kahlschlag an unseren Hochschulen beendet wird. Von 1995 bis heute sind dort mehr als 500 Millionen DM an Landesmitteln einschließlich der ersatzlosen Wegnahme von 1 100 Personalstellen gestrichen worden. Wenn wir uns anschauen, was die Zukunft bringen wird, dann müssen wir davon ausgehen, dass es mit Sicherheit nicht besser werden wird.

Wenn hier auf die „geistige Elite“ angespielt wird, Herr Minister, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie die eigenen Evaluationsberichte vielleicht etwas besser lesen sollten; denn darin ist klar nachgewiesen worden, dass die Ausstattung der Hochschulen miserabel ist, was dazu führt, dass die besten Köpfe nicht nach Niedersachsen kommen, sondern woanders hingehen.

(Beifall bei der CDU)

Das sehen auch die Studenten so. Sie sagen ganz klar, dass das nichts bringt. Ein schlechtes Hochschulgesetz allein hilft eben wenig, wenn den Hochschulen gleichzeitig die finanzielle Grundlage entzogen wird.

Es ist unbestritten, dass unsere Hochschulen an einem bedrohlichen Gegensatz zwischen Überforderung und Unterfinanzierung leiden. Weitere Mittelkürzungen, aber auch die geplanten Stiftungshüllen lassen diese Schere für die Zukunft noch weiter auseinander klaffen.

So bleibt für uns letztlich nur die Hoffnung, dass wir bei den Gesetzesberatungen noch einige wichtige Änderungen werden durchsetzen können, um die sich abzeichnende Fehlentwicklung zumindest abzumildern, damit von unseren Hochschulen der größte Schaden abgewendet wird. In dem Sinne freue ich mich auf die Beratungen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Golibrzuch, jetzt nehmen Sie zu dem Gesetzentwurf Stellung. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt es, dass das neue NHG übersichtlicher wird; ich rede ungern von „Verschlankung“. Jedenfalls begrüßen wir im Grundsatz auch die Juniorprofessur. Ich habe im Übrigen überhaupt kein Problem damit, dass die Hochschulleitungen in dem neuen NHG gestärkt werden sollen. Wenn man ihnen zusätzliche Entscheidungskompetenzen gibt, dass muss man natürlich auch die Verantwortung dafür begründen. Das ist, wie ich meine, in dem Gesetzentwurf gelungen.

Da ich leider nicht wie die großen Fraktionen 13 Minuten Redezeit habe, möchte ich mich konzentrieren auf den, wie Herr Oppermann immer wieder sagt, Kerngedanken des vorliegenden Entwurfs, nämlich auf die Überlegung, einzelnen Hochschulen - den, wie Herr Oppermann sagt, besten Hochschulen im Lande - die Möglichkeit zu geben, die Rechtsform zu ändern, d. h. weg von dem bisherigen Körperschafts- und Anstaltsmodell hin zu einer öffentlich-rechtlichen Stiftung.

Wenn man, Herr Oppermann, über neue Rechtsformen diskutiert, dann muss man nach meiner Überzeugung an erster Stelle die Frage stellen, ob bei der bisherigen Rechtsform wirklich die weitestmögliche Autonomie der Hochschulen erreicht worden ist. Ich meine, diese Frage muss man insbesondere dann stellen, wenn sich das Angebot der neuen Rechtsform nicht an alle, sondern erklärtermaßen eben nur an wenige Hochschulen in Niedersachsen richtet, nämlich an die von Ihnen, Herr Oppermann, so genannten besten Hochschulen. Meine Antwort auf diese Frage fällt negativ aus.

Es gibt - das haben die Hochschulen in letzter Zeit oft beklagt - in Niedersachsen wie auch anderenorts, in der Struktur angelegt, eine Gängelung, es gibt eine Bürokratisierung, und es gibt speziell in unserem Bundesland einen Trend zur Rezentralisierung, der sich niederschlägt in einem zentralen Liegenschaftsmanagement für die einzelnen Hochschulen - d. h. keine Verantwortung für die Gebäude und die Grundstücke -, in zentralen Vorgaben für den Energiebezug, in zentralen Vorgaben für die Haushaltssoftware, die eingesetzt werden muss, in zentralen Vorgaben für den Stellenplan sowieso, und das geht bis hinein ins Detail, etwa bis hin zu Vorgaben zur Führung von Girokonten. Das ist Rezentralisierung.

Da waren wir in Niedersachsen schon einmal weiter. Da das in die Verantwortung der Landesregierung fällt und weil sich das mit dem vorliegenden Entwurf für die allermeisten Hochschulen in Niedersachsen auch nicht ändern wird, geht uns die hierin angedachte Verselbständigung nicht weit genug. Das ist eine unbefriedigende Situation. Wir wollen das so nicht akzeptieren. Wir wollen eine weitergehende Autonomie für die Hochschulen durchsetzen und uns dabei an drei Kriterien orientieren. Wir wollen für möglichst alle Hochschulen im Lande die volle Rechtsfähigkeit, die Dienstherrenfähigkeit und die Vermögensfähigkeit erreichen. Wir wollen das aber nicht an eine bestimmte Rechtsform knüpfen. Ich meine, Herr Minister, die große Schwäche Ihres NHG-Entwurfs liegt darin, dass Sie keine überzeugenden Argumente dafür liefern, warum den Hochschulen als Alternative zur heute praktizierten Gängelung allein Ihr Modell einer öffentlich-rechtlichen Stiftung angeboten werden soll, d. h. warum es den Hochschulen nicht erlaubt sein soll, alternativ auch andere Rechtsformen zu wählen.

Eine Stiftung ist eigentlich dadurch charakterisiert - Frau Mundlos hat darauf hingewiesen -, dass man sie mit einem entsprechenden Vermögen versieht und dass sie vom Ertrag dieses Vermögens leben kann. Das ist in Niedersachsen aus haushaltspolitischen Gründen aber nicht möglich. Dies wissen wir alle. Darüber müssen wir also keine fiktive Debatte führen. Deshalb ist es aber so, dass auch Ihr Modell dem Charakter einer ehrlichen Stiftung nicht entspricht. Die niedersächsischen Hochschulen werden auf Dauer von Zustiftungen, von Haushaltsmitteln des Landes leben müssen, und es ist fraglich - auch das ist eine Befürchtung bei diesem Modell -, ob die Landeszuführungen bei der neuen Rechtsform immer ausreichend sein werden. Wenn man sich einmal vor Augen führt, dass bei der Medizinischen Hochschule, einem der Interessenten für ein solches Stiftungsmodell - jedenfalls bei der Mehrheit des Senats; die Beschäftigten sehen das anders -, die Ausgaben für die Bauunterhaltung die dafür zur Verfügung stehenden Mittel im vergangenen Jahr um 50 % überschritten haben, dann muss man natürlich die Frage stellen, wie das künftig in neuer Rechtsform und eigenverantwortlich für die dortigen Liegenschaften geregelt werden soll.

Ich bin auch der Meinung, dass die Sponsorensuche weniger eine Frage der Rechtsform ist, sondern dass das selbstverständlich von den Projekten abhängt, die bezuschusst werden sollen, und dass wir

dafür mit dem Körperschaftshaushalt im NHG in Niedersachsen gute Voraussetzungen haben, der ja auch die Möglichkeit der Beteiligung an Unternehmen und umgekehrt von Unternehmen an Hochschulen eröffnet. Ich meine, dass in der Vergangenheit auch private Zustiftungen erleichtert worden sind, dass sie aber völlig unabhängig von der Rechtsform einer Hochschule sind. Viele Hochschulen verfügen ja bereits über Fördervereine und auch über Stiftungen und können natürlich in dem Maße, wie Zustiftungen erfolgen, dieses Geld auch einsetzen.

Ich meine, wenn man das bilanziert, wenn man fragt „Warum soll es denn nur dieses eine Modell geben? Warum dürfen die Hochschulen nicht selber entscheiden, welche Rechtsform sie alternativ wählen wollen?“, fällt einem nur ein einziger überzeugender Grund ein, nämlich der, dass es ein so genanntes Stiftungsmodell im deutschen Hochschulrecht in den Ländern noch nirgends gibt und dass Herr Oppermann gern der Erste wäre, der es einführt. Er möchte der Erste sein, und er fragt nicht mehr danach, ob das eigentlich zweckdienlich ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Wir wollen die Personalverantwortung der Hochschulen für alle Hochschulen in Niedersachsen erreichen, und wir wollen auch die Liegenschaftsverantwortung für alle Hochschulen in Niedersachsen erreichen, nicht nur für einige wenige so genannte Stiftungshochschulen. Wir wissen um die unterschiedlichen Voraussetzungen an den einzelnen Hochschulstandorten. Natürlich ist man an traditionellen Standorten wie Göttingen, Braunschweig oder Hannover aufgrund des vielfältigen Streubesitzes in der Lage, einen ganz anderen Vermögensstock zu begründen und auch zu verwerten, als das bei den Neugründungen der 60erund 70er-Jahre in Oldenburg, Osnabrück oder Lüneburg möglich ist. Ich meine aber, dass es ein relativ einfaches Modell gibt, mit dem man Ungleichgewichte vermeiden kann. Ich bin der Auffassung, wenn sich eine Hochschule von Liegenschaften trennt, sich HBFG-finanziert völlig neu aufstellt, wie das in Göttingen der Fall ist, dann muss man der Hochschule einen Anreiz geben, dass die Erlöse zu einem großen Teil - ich betone: zu einem großen Teil; eben nicht vollständig - am Standort verbleiben. Das kann bedeuten, dass man z. B. an den genannten Standorten 60 bis 70 % des Verwertungserlöses einbehält. Aber wir wollen,

dass der Rest dieser Mittel, über die andere Standorte nicht verfügen, abgeschöpft wird, dass diese Mittel dem Landeshaushalt zweckgebunden, und zwar dem Hochschulbauplafond, zugeführt werden, um eben auch an anderen Hochschulstandorten Entwicklung zu ermöglichen. Ich halte das für einen klugen Vorschlag.

Herr Oppermann, Sie sagen, Ihr Stiftungsmodell soll einen Anreiz für die besten Hochschulen im Land bieten. Ich vermisse genau diesen Leistungsgedanken in dem NHG-Entwurf. Denn eine unterschiedliche Vermögensausstattung der Hochschulen, wie ich sie beschrieben habe, hat nichts mit Spitzenleistungen in Lehre oder Forschung zu tun. Vielmehr könnte eine besonders schwache Nachfrage durch Studierende ein profitables Immobiliengeschäft einzelner Hochschulen befördern.

Herr Kollege Golibrzuch, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Schade, dass man bei einem solch zentralen Gesetzesvorhaben nicht mehr Zeit hat. Aber ich respektiere selbstverständlich das, was der Ältestenrat vereinbart hat.

Wir wollen Leistung. Wir wollen Leistungskriterien an den Hochschulen. Wir wollen diese Unterschiede in der Liegenschaftsausstattung nicht fortschreiben. Wir wollen leistungsbezogene Mittelvergabe - im Übrigen nicht nur für die Fachhochschulen, sondern selbstverständlich auch für die Universitäten im Lande.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Frau Körtner [CDU]: Genau!)

Es kann doch nicht sein, dass das - -

(Dem Redner wird das Mikrofon ab- gestellt.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Domröse.

(Zurufe)

- Ich mache darauf aufmerksam, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Ich habe Herrn Kolle

gen Golibrzuch darauf hingewiesen, dass seine Redezeit abgelaufen ist. Er hat mehr als anderthalb Minuten überzogen. Wir haben Vereinbarungen getroffen, und meine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass diese Vereinbarungen eingehalten werden.

(Beifall bei der SPD)

Bitte schön, Herr Kollege Dr. Domröse!

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der Tat heute einen Gesetzentwurf von der Niedersächsischen Landesregierung vorgelegt bekommen, der für Zündstoff sorgt, nicht nur hier im Parlament, sondern auch im Lande. Ich meine, dass es gut ist, dass wir eine intensive Debatte über die Hochschulpolitik der nächsten Jahrzehnte miteinander führen werden. Ich darf Sie alle schon jetzt, am Beginn des Gesetzgebungsverfahrens, herzlich einladen, diese Debatte offen und intensiv mit uns zu führen - nicht nur Sie hier im Hause, sondern auch all diejenigen, die draußen im Lande in den Hochschulen tätig sind bzw. sich für Hochschulpolitik interessieren.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Mundlos, an einer Stelle haben Sie Recht: Es ist nicht so wahnsinnig überraschend Neues, was in dem Gesetzentwurf steht. Denn er ist in der Tat auf der Basis dessen geschrieben worden, was wir in der Hochschulpolitik in den vergangenen Jahren schon geleistet haben.

(Lachen bei der CDU - Frau Vockert [CDU]: Das glaubt er doch selbst nicht!)

- Ich weiß, das tut Ihnen weh. Aber Sie können in jede Veranstaltung gehen, wohin Sie wollen: Jeder Vertreter deutscher Hochschulpolitik wird mit lobendem Finger auf Niedersachsen zeigen und sagen: Niedersachsen ist seit Jahren an der Spitze der Bewegung. - Das ist so.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Dieses Hochschulgesetz stellt an einer Stelle einen Bruch dar - das hat Herr Minister Oppermann gesagt -, weil es keine Novelle eines bestehenden Gesetzes, sondern ein neues Gesetz ist. Es ist aber

die konsequente Fortentwicklung unserer Politik. Es ist konsequente Weiterentwicklung der Autonomie von Hochschulen.

(Zuruf von der CDU: Ausstieg aus der Verantwortung!)

Das heißt aber nicht, dass sich der Staat aus der Verantwortung zurückzieht.

(Frau Ernst [CDU]: Natürlich ist es das!)

Das will ich noch einmal ganz deutlich sagen, weil es von Kritikern oft angesprochen wird. Deswegen steht auch in § 1, dass unsere Hochschulen, egal ob Stiftungen oder nicht, in staatlicher Verantwortung bleiben. Vielmehr ist es der Rückzug aus der Detailsteuerung in den Hochschulen selbst und der Übergang zu einem System, in dessen Rahmen wir in verbindlichen Vereinbarungen zwischen dem Land und den Hochschulen festlegen, was denn dort entwickelt werden soll, und den Hochschulen die Freiheit der Methoden und der Verfahren zur Umsetzung dieser Vereinbarung überlassen.

(Vizepräsident Litfin übernimmt den Vorsitz)

Es ist, wenn Sie so wollen, der Übergang zu einem System, das mit den Worten beschrieben werden kann: Verträge statt Verordnungen. Das ist die Weiterentwicklung der Autonomie.

Meine Damen und Herren, ich bin ganz sicher, auch wenn es bei Ihnen noch sehr viele Irritationen gibt: Die Aufgaben, die die Hochschulen haben, werden in den nächsten Jahren besser gelöst, wenn wir nach der Methode „Verträge statt Verordnungen“ verfahren, weil wir unsere Ziele, z. B. Verringerung der tatsächlichen Studiendauer, Verringerung der Abbrecherquoten bei den Studierenden und verstärkte Förderung der Frauen in den wissenschaftlichen Bereichen, mit solchen Systemen besser als mit dem tradierten System von Detailregelungen im Gesetz und in Verordnungen durch das Ministerium erreichen.

Es ist ein konsequenter, weiterer Weg, der mit den Worten beschrieben werden kann: weg von der Hochschulgesetzgebung, hin zu einer Hochschulverfassung, hin zu globaleren Regeln. - Herr Minister Oppermann hat gesagt: Wir streichen sehr viele Detailregeln. - Das ist richtig. Wir streichen sie sogar in den Bereichen, in denen viele Fachleute, insbesondere Frauen, uns gesagt haben, dass