Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

Der Kollege von der SPD hat in seinem Redebeitrag noch einmal sehr deutlich auf die Bedeutung der Freiwilligenarbeit im Zusammenhang mit der Kürzung des Zivildienstes hingewiesen. Ich finde das ja richtig. Aber ich will darauf hinweisen, dass auch die Freiwilligenarbeit nicht umsonst zu haben sein wird. Wir werden dafür eine Infrastruktur brauchen, die auch etwas kostet. Ich sage hier ausdrücklich: Wenn es uns nicht gelingt –ich finde, es sieht nicht gut aus -, das frei werdende Budget, das ja aufgrund der Verkürzung des Zivildienstes vorhanden ist, für die Freiwilligenarbeit zu retten und zu nutzen, dann werden wir mit dem Ausbau der Freiwilligenarbeit noch an erhebliche Grenzen stoßen.

Ich bitte Sie und die Landesregierung, in diesem Sinne auch auf der Bundesebene tätig zu werden. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozialund Gesundheitswesen in der Drucksache 2504 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 1593 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11: Zweite Beratung: Verbesserung der sozialen Betreuung von Zwangsprostituierten - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/1671 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfragen - Drs. 14/2510 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/2562

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ruhe.

Der Antrag der Fraktion der SPD wurde in der 54. Sitzung am 22. Juni 2000 an den Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist auch hierzu nicht vorgesehen. ´

Für die Fraktion der SPD hat sich die Kollegin Hemme zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unter der Überschrift „Gewalt gegen Frauen“ ist Zwangsprostitution ein ganz besonderes Thema. Bei der Einbringung im letzten Jahr - es ist fast genau ein Jahr her, am 22. Juni - waren wir uns einig in der Beurteilung der Situation der betroffenen Frauen. Seitdem habe ich registriert, dass sich insbesondere die Printmedien diesem Themas widmen - zum einen durch Berichte über erfolgreiche Razzien, zu einem kleinen Teil durch Berichte über Prozesse, zum anderen aber auch durch grundlegende Informationen über die Situation der Frauen -, sodass heute niemand mehr für sich reklamieren kann, er wisse von nichts. Unwissenheit können somit auch die Freier nicht für sich reklamieren, meine Damen und Herren. Sie sollten sich, wenn denn der Triebdruck und der Hormonstau abgeklungen sind, vielleicht einmal damit auseinander setzen, in welcher Situation sie sich befinden und ob es nicht Anzeichen und Hinweise dafür gibt, dass diese Frau nicht ganz freiwillig gehandelt hat, nach dem Motto - solche Projekte hat es bereits gegeben -: Freier, macht die Augen auf!

Meine Damen und Herren, Angebot und Nachfrage korrespondieren. Die wirtschaftliche Situation - nicht nur von Frauen im Ostblock, sondern auch in Asien und in Afrika - bewegt Frauen immer wieder dazu, sich auf den Weg zu machen, um im angeblich so goldenen Westen Geld für sich, aber auch für die Familien zu verdienen. Da eine Million Männer in Deutschland täglich die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nehmen, glaube ich nicht, dass wir das Angebot mangels Nachfrage in kürzester Zeit ausdörren können.

Meine Damen und Herren, es geht in diesem Antrag u. a. um die Bedingungen, unter denen das stattfindet, Bedingungen, die gekennzeichnet sind von illegalem Aufenthalt, von Gewalt in für uns nicht vorstellbarer Form, Verkäufen wie früher auf dem Sklavenmarkt, Gefangenschaft u. v. m. Ich

glaube, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung die Sittenwidrigkeit beenden, die Frauen aus der Illegalität und der Abhängigkeit holen und die Gewaltspirale beenden kann. Deshalb möchte ich diesen Gesetzentwurf ausdrücklich unterstützen.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir wissen aus dem täglichen Leben, dass durch Zusammenarbeit aller bessere Ergebnisse zu erzielen sind. Somit plädiere ich ausdrücklich dafür, noch einmal ein verstärktes Augenmerk darauf zu setzen, dass MFAS, MI, MJ und auch die kommunalen Ausländerbehörden zusammenarbeiten, um entsprechende Ergebnisse zu erzielen, denn nur auf diese Weise entsteht auch ein entsprechendes Potenzial, um der kriminellen Energie begegnen zu können.

Meine Damen und Herren, ohne Geld geht nichts. Auch hier geht nichts ohne Geld. Für den laufenden Haushalt konnten wir die Mittel aufstocken. Ich verstehe, dass es zurzeit haushaltsrechtlich nicht möglich ist, diese Maßnahmen gegen Zwangsprostitution durch korrespondierende Haushaltsstellen mit dem Titel „Gewinnabschöpfung aus diesen Verbrechen“ zu belegen. Ich habe aber volles Vertrauen in die Landesregierung, dass mit dem kommenden Haushalt nicht nur die jetzt bestehenden Projekte abgesichert werden, sondern aufgrund der Gespräche und der Tatsache, dass das Thema verstärkt in der Öffentlichkeit ist, vielleicht auch etwas draufgesattelt wird.

Meine Damen und Herren, wenn das nicht passiert, müssen wir uns selbstverständlich wieder über andere Wege unterhalten. Insofern lehnen wir den Antrag von Ihnen, Frau Pothmer, bzw. von Bündnis 90/Die Grünen ab.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Das ist ja witzig!)

Mit dem vorliegenden Antrag gehen wir weitere Schritte gegen Zwangsprostitution und für die betroffenen Frauen. Es muss aber weiterhin auch Maßnahmen gegen die verbrecherischen Banden geben, die diese Frauen benutzen,

(Zustimmung bei der SPD)

die ihrem Pitbull mehr Achtung entgegenbringen als den Frauen, mit denen sie ihr Geld verdienen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kollegin Schliepack spricht für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion ist nun schon seit einem Jahr in der Beratung. Wir haben im Übrigen auch in den Ausschüssen gut darüber beraten.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Das finde ich auch! Es hat nur nichts genützt!)

Die Situation der ausländischen Zwangsprostituierten hat sich in der langen Zeit sicherlich nicht wesentlich verbessert. Nach wie vor werden Frauen im Wesentlichen aus Osteuropa unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt und hier zur Prostitution gezwungen. Die Einzelheiten auszumalen will ich mir diesmal ersparen, weil wir oft genug darüber gesprochen haben.

Viele der Frauen halten sich illegal in Deutschland auf. Täglich nehmen 1,2 Millionen Männer in Deutschland die Dienste von etwa 400 000 Prostituierten in Deutschland in Anspruch - eine Zahl, die die Dimension dieses Antrags und dieses Themas zeigt.

Im Jahr 2000 wurden allein in Niedersachsen 189 Menschenhändler festgenommen, darunter 102 deutsche Tatverdächtige und 36 osteuropäische Tatverdächtige. Die Zahl der Opfer im letzten Jahr betrug nach der Statistik 176, davon 150 aus Osteuropa. Es ist also ein Problem. Dies sind auch nur die offiziellen Zahlen. Mit einer hohen Dunkelziffer müssen wir bei diesem sehr lukrativen Geschäft rechnen.

Die Höhe der Gewinne wird auf etwa 5 Millionen DM geschätzt - wahrlich eine Gewinn bringende Branche für die Menschenhändler, nicht für die Frauen.

Deshalb unterstützen wir von der CDU-Fraktion jede Initiative, um den betroffenen Frauen in ihrer Lage zu helfen und sie zu betreuen. Insofern ist die Intention des Antrages der SPD-Fraktion richtig. Wir erkennen an, dass das Land mit der Förderung der Frauenhäuser, aber z. B. auch der Beratungsstelle KOBRA in Hannover, den Prostituierten Beratung und Hilfe anbietet. Vor allem den Mitarbeiterinnen dieser Beratungsstelle sei an dieser

Stelle einmal der Dank für ihre geleistete Arbeit öffentlich ausgesprochen.

(Beifall bei der CDU)

Gerade heute ist in einer Zeitung aus dem Braunschweiger Raum ein Interview der Landesbischöfin zu diesem Thema abgedruckt worden. Sie sagt darin:

„Ich halte es gerade auch mit Blick auf die Zwangsprostitution für gefährlich, Prostitution zu verharmlosen und sie gesellschaftsfähig zu machen. Die eigene Haut zu Markte tragen zu müssen, das ist und bleibt eine Erniedrigung.“

Ich finde, dass dem nicht viel hinzuzufügen ist. Wir können dieses sehr gut verstehen.

Der beschwerliche Weg, den wir gemeinsam einschlagen wollen, ist richtig. Wir müssen Wohnungen für die betroffenen Frauen anbieten, damit die Frauen als Zeuginnen in den Strafverfahren, in denen es um Menschenhandel geht, zur Verfügung stehen.

Anderenfalls ist die Beweislage in solchen Fällen gleich Null. Deshalb ist es auch richtig, den Frauen, die in der Regel illegal nach Deutschland eingereist sind und die in Prozessen gegen die Menschenhändler auszusagen bereit sind, ein Duldungsrecht bis zum Abschluss des Strafverfahrens zu gewähren.

Es ist nach unserer Meinung aber überwiegend die Aufgabe der Bundesregierung, für die Verbesserung der Perspektiven der zurückkehrenden ehemaligen Zwangsprostituierten in ihren Heimatländern zu sorgen. Das kann nicht allein Aufgabe eines Bundeslandes wie Niedersachsen sein; da ist eine Kooperation von Ländern und Bund sicherlich besser.

Wir unterstützen auch die Aufforderung an die Bundesregierung, ein Konzept zur Bekämpfung des Frauenhandels in Kooperation mit den betroffenen Ländern zu entwickeln. Wir erwarten hier allerdings auch konkrete Maßnahmen, und wir erwarten auch, dass dies in einem angemessenen Zeitraum geschieht, sodass wir es auch wirklich nachvollziehen können. Ich erinnere nämlich in diesem Zusammenhang an den Antrag der CDULandtagsfraktion zum Thema Frauenhandel aus dem Jahre 1990 und an die Große Anfrage der

CDU-Landtagsfraktion zum Thema Menschenhandel aus dem Jahre 1997. Damals haben wir zwölf Forderungen gestellt, die bisher im Wesentlichen nicht erfüllt wurden.

Wir können die Nrn. 2, 3 und 4 des SPD-Antrags grundsätzlich nachvollziehen und sie mittragen. Noch nicht mittragen können wir im Moment den Punkt 5, den die Grünen jetzt mit ihrem Änderungsantrag eingefügt haben,

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Warum nicht?)

obwohl es uns sehr Recht wäre, wenn man die abgeschöpften Gewinne für die Förderung des Landes für diese Frauen einsetzen würde.

Nicht zustimmen können wir jedoch dem Punkt 1 des SPD-Antrags. Ich meine, es ist ganz wichtig, dass wir diesen Punkt einmal besprechen. Darin wird nämlich gefordert, dass der Landtag die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Änderung des Ausländerrechts unterstützt, mit deutschen Staatsbürgern verheirateten Frauen bereits nach zwei Jahren - bisher nach vier Jahren - ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu gewähren.

Meine Damen und Herren, die Verkürzung des Bestands einer Ehe von vier Jahren auf zwei Jahre, die diesen Frauen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht in Deutschland - also für immer hier bleiben zu dürfen - gewährt, birgt aus unserer Sicht ungeheuer die Gefahr von Scheinehen. In Gesprächen mit Rechtsanwälten ist uns bekannt geworden, dass die Frauen durchaus nach zwei Jahren kommen und sagen: „Ich will mich jetzt scheiden lassen.“ „Ja, warum denn?“ - „Weil die zwei Jahre herum sind!“ Damit wird ganz deutlich, dass man nicht aus Liebe geheiratet hat,

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Meine Gü- te!)

dass man eben nicht aus Osteuropa hierher gekommen ist, weil man mit dem Mann ein lebenslanges Miteinander haben will, sondern nur deshalb, weil man die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten will.

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, es ist aber schon peinlich, dass Sie am 7. Juni 2000 einen Antrag einbringen, der die Gesetzesinitiative der Bundesregierung begrüßt, obwohl das Gesetz bereits seit dem 1. Juni 2000 in Kraft ist. Was für handwerkliche Fehler unterlaufen Ihnen immer

wieder, dass Sie nicht einmal wissen, dass die Änderung des § 19 Ausländergesetz den Bundestag längst passiert hat