Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

Es ist wirklich die Frage, ob der Ministerpräsident seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Ministern nachkommt, wenn er sie einen ganzen Sonntag lang mit einem derartigen Unsinn beschäftigt und anschließend eine Presseerklärung herausgibt, in der er zusammen mit Finanzminister Aller unisono zwei Unwahrheiten verkündet.

Die erste Unwahrheit ist: Trotz sinkender Einnahmen mehr Geld für Bildung und Arbeit bei gleichzeitigem Schuldenabbau. - Meine Damen und Herren, die Einnahmen sinken nicht. Glücklicherweise sind dieser Presseerklärung die Eckdaten des Haushaltsplanentwurfs beigefügt worden. Ausweislich dieser beigefügten Eckdaten nehmen Sie im nächsten Jahr an Steuern, Bundesergänzungs

zuweisungen und Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich zusätzlich 2,6 Milliarden DM oder knapp 1,3 Milliarden Euro gegenüber dem Haushaltsjahr 2001 ein.

Nun haben Sie allerdings auch folgenden Trick gemacht. Sie haben die Gesamteinnahmen im Ansatz um 124 Millionen Euro gesenkt. Das sind etwa 250 Millionen DM. Ich will Ihnen auch sagen, woher die kommen.

Sie hatten im Jahre 2001 eine Kreditaufnahme für die EXPO in Höhe von 1,15 Milliarden DM angesetzt. Gebraucht haben wir nur 750 Millionen DM. Es bleiben 300 Millionen DM übrig. Diese nicht getätigte Kreditaufnahme, die haushaltstechnisch eine Einnahme ist, haben Sie jetzt wieder ausgebucht und behaupten nun, die Einnahmen seien geringer geworden. - Das ist so, als wenn sich ein Privatmann ein Haus baut, dafür 300 000 DM Kredit aufnimmt, im nächsten Jahr anfängt, das abzuzahlen, und dann sagt: In diesem Jahr habe ich 300 000 DM weniger Einnahmen als im letzten Jahr. - So machen Sie Haushaltspolitik! Das wollen wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei der CDU)

Sie behaupten zweitens, Sie würden gleichzeitig Schuldenabbau betreiben. Die SPD-Fraktion hatte ja einmal beschlossen, die Nettokreditaufnahme jedes Jahr um 100 Millionen DM zu verringern. Wir haben neulich darüber gestritten, ob es noch 26 oder 27 Jahre dauert, bis man auf null ist. Jedenfalls ist unstreitig, dass bis dahin noch 37 Milliarden DM Schulden obendrauf geschaufelt sein werden.

Nur eines muss man feststellen, Herr Ministerpräsident Gabriel. Sie sind der erste Ministerpräsident, der es fertig gebracht hat, in drei Jahren 10 Milliarden DM neue Schulden zu machen.

(Beifall bei der CDU - Frau Harms [GRÜNE]: Er ist doch noch gar nicht drei Jahre Ministerpräsident! - Plaue [SPD]: Selbst an solchen Dingen ha- pert es bei Ihnen!)

- Das ist ganz einfach, Herr Plaue. Gut ein Jahr ist er Ministerpräsident. Der Haushalt 2001 stand also unter seiner Verantwortung. Ebenfalls verantwortlich ist er für den kommenden Haushaltsplanentwurf 2002/2003, einem Haushaltsplanentwurf für zwei Jahre. Das sind die drei Jahre, die Herr Gabriel hier regieren möchte. Dann hat er dem Land

10 Milliarden DM zusätzliche Schulden aufgebürdet. Da beißt doch keine Maus den Faden ab.

(Beifall bei der CDU)

Das hat noch nicht einmal der bisherige Schuldenkönig Schröder mit seinem Finanzministers Swieter geschafft, und auch Herr Glogowski hat in seinem einen Jahr deutlich darunter gelegen.

Wir müssen auch sehen, dass dieser Haushaltsplanentwurf, wenn er so beschlossen wird, unsolide finanziert wird – nicht nur, weil neue Schulden aufgenommen werden, sondern weil die Rücklage bis auf den letzten Pfennig geplündert wird und weil wir das Stammkapital der HanBG in Höhe von 800 Millionen DM angreifen. Nun könnte man ja sagen: Wenn das Geld bei der HanBG liegt und das Land Schulden hat, dann ist es vielleicht sinnvoll, dem Tochterunternehmen das Bargeld wegzunehmen und es dem Land zuzuführen; dann spart man wenigstens Zinsen. Wenn man dann dem Bund auch noch die Steuern verkürzt, mag das wohl noch hingenommen werden. Nur, die HanBG hat das Geld nicht. Jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder nimmt die HanBG diese 800 Millionen DM als Kredit auf und verpfändet dafür VW-Aktien; dann haben wir aber den letzten Tagesordnungspunkt völlig umsonst diskutiert; dann ist das nämlich weg. Oder Sie geben - wie bisher - der HanBG eine Bürgschaft, damit sie 800 Millionen DM Schulden aufnehmen kann. Dann sind das aber Schulden des Landes, und dann wird wieder mal die Verfassung verletzt, weil es sich um originäre Schulden des Landes handelt. Dagegen sind wir.

(Beifall bei der CDU - Wulff (Osna- brück) [CDU]: Ziehen Sie den Haushaltsplanentwurf zurück! Dann können wir noch einmal darüber nachdenken!)

Jetzt spricht der Kollege Möhrmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der unbefangene Zuhörer dieser Debatte, der beim Punkt a) der Aktuelle Stunde nicht da war, hat eben einen seriösen Haushaltspolitiker erlebt, der sich sehr viele Gedanken macht. Derjenige, der über viele Jahre hinweg die Landespolitik beobachtet, bei Punkt a) der Aktuelle Stunde dabei

war und auch im Lande hört, was die Kollegen Klare, Eveslage und Möllring sonst reden, der weiß, dass sich diese Seriosität ganz stark in Grenzen hält, weil zwei Dinge festzustellen sind: Erstens. Sie haben seit 1998 120 haushaltsrelevante Anträge gestellt - Sie haben allein im Jahr 2000 20 haushaltsbelastende Anträge gestellt -, von denen 53 den Haushalt mit einem geschätzten Volumen von ungefähr 700 Millionen DM belastet hätten, und stellen sich dann hier hin und weinen Krokodilstränen über die Haushaltssituation des Landes. So geht das nicht!

(Beifall bei der SPD - Oestmann [CDU]: Das sind aber die Spielregeln! - Möllring [CDU]: 10 Milliarden DM in drei Jahren!)

Zweitens. Es geht auch nicht, dass der Herr Klare auf die Frage Ihres Parteikollegen in Soltau, wie er die 3 000 Lehrerstellen finanzieren will, sagt „Diese 270 Millionen DM sind überhaupt kein Problem; dafür haben wir schon etwas gefunden“, während er sich hier hinstellt und sagt „Das geht alles nicht“.

(Möllring [CDU]: Wir haben einen Antrag dazu gestellt!)

Wer unter der Bedingung 1,8 Milliarden DM weniger Steuereinnahmen durch die Steuerreform - Sie wollten noch mehr Verluste - sagt, er könne das alles, dessen Haushaltspolitik ist für mich nicht seriös, und dann kann man nur sagen: Das ist Rosstäuscherei. Dabei gehen Ihnen die Leute nicht auf den Leim.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wer nicht zur Kenntnis nimmt, dass die Steuereinnahmen des Landes im Vergleich zum Jahr 2000 um 600 Millionen DM niedriger liegen, und gleichzeitig weiß, dass Tariferhöhungen stattgefunden haben, dass die Beamten mehr bekommen haben, den kann man in dieser Frage auch nicht als glaubwürdig betrachten.

(Zustimmung von Plaue [SPD])

Meine Damen und Herren, insgesamt hatten wir ein Volumen von 2,5 Milliarden DM zu verkraften und im Haushaltsplanentwurf für die nächsten beiden Jahre zu verarbeiten. Das haben wir geschafft, weil wir in der Lage waren, mit den einzelnen Häusern Prioritäten zu setzen, auch Einspa

rungen vorzunehmen, aber gleichzeitig auch neue gestaltende Politik zu betreiben.

Ich bin sehr auf Ihren Haushaltsantrag gespannt, Herr Möllring, weil wir das ja alles schon kennen: Die 500 Millionen DM mehr für die Gemeinden fordern Sie nur bei den Gemeinden. Hier im Landtag kommt aber kein Antrag.

(Möllring [CDU]: Doch!)

Die 234 Millionen DM für die kinderreichen Beamten fordern Sie nur hier, aber es kommt kein Antrag. Ich könnte das beliebig fortsetzen. So geht es nicht!

(Zustimmung bei der SPD)

Ich glaube, dass die Menschen im Lande das auch ganz genau wissen. Von daher kann man das alles nicht ernst nehmen. Legen Sie Ihren Antrag zum Haushalt vor! Dann sehen wir das, und dann können wir darüber streiten.

Ich gehe davon aus, dass sich der folgende Redner, Herr Golibrzuch, mehr Gedanken gemacht hat als Sie. Sie sollten hier in Zukunft solche Reden nicht mehr halten.

(Beifall bei der SPD - Oestmann [CDU]: Zur Verteidigung war das wenig hilfreich!)

Herr Golibrzuch!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf des Doppelhaushalts ist in mehrererlei Hinsicht rekordverdächtig: Die SPD-Alleinregierung wird es schaffen, im Zeitraum von 1994 bis 2003 sage und schreibe über 30 Milliarden DM neue Schulden aufzunehmen. Das ist bei einem durchschnittlichen Zinssatz von 6,25 % eine zusätzliche Zinsbelastung von 2 Milliarden DM.

(Möhrmann [SPD]: Wie war es 1990 bis 1994?)

Das ist der Gegenwert von 20 000 Lehrerstellen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich erwähne das, weil ich glaube, dass das in Niedersachsen die geläufigere Währung ist als der im Haushalt verwendete Euro.

Allein im Doppelhaushalt 2002/03 werden mehr als 7 Milliarden DM neue Schulden aufgenommen: Nettokreditaufnahme, bisher nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen der so genannten Rücklage und die Absenkung des Stammkapitals der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft. Mehr als 7 Milliarden DM! Das heißt, dass ab 1. Januar 2002 in jeder Sekunde die Landesschulden um 115 DM ansteigen. Täglich sind es beinahe 10 Millionen DM. Das ist eine unglaublich miserable Bilanz!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, seit 1946 hat es in Niedersachsen 14 verschiedene Regierungen gegeben. Aber bis 2003 werden 40 % aller Landesschulden von der sozialdemokratischen Alleinregierung der letzten beiden Wahlperioden angehäuft worden sein. Ich glaube, das spricht wirklich Bände.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Wenn ich dann Überschriften lese wie „Ministerpräsident Gabriel und Finanzminister Aller: Wir haben die Nagelprobe bestanden“, dann, glaube ich, Herr Gabriel und Herr Aller, Sie wähnen sich wirklich im falschen Film. Tatsächlich läuft hier „Die Gentlemen bitten zur Kasse“. Sie bitten zur Kasse bei Krankenhäusern, bei Sozialstationen und bei Studentenwerken, nämlich denjenigen, die in den nächsten Jahren für diese fortgesetzte Schuldenpolitik der sozialdemokratischen Alleinregierung hier in Niedersachsen sparen und bluten müssen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Der Investitionsstau bei den Krankenhäusern wird verlängert, in den Sozialstationen drohen Zuzahlungen durch die Patienten, und es drohen Entlassungen in den Studentenwerken. Alles das ist Ihr Verdienst!

Natürlich haben Sie Recht: Wenn man das beklagt, dann muss man auch über Alternativen reden. Wir haben uns über Alternativen Gedanken gemacht. Wir wollen im nächsten Haushalt noch stärker sparen. Wir wollen aber auch das, was ich eben

kritisiert habe, gegenfinanzieren. Wir wollen diese Kürzungen nicht. Wir wollen im Bildungsbereich noch mehr Ausgaben finanzieren.

Wenn wir über Alternativen sprechen, dann muss man über die unheimliche Stellenvermehrung in der Niedersächsischen Staatskanzlei allein in den letzten Jahren reden. Der Stellenzuwachs dort - das sind hoch dotierte Stellen - ist wirklich nicht mehr erträglich. Wir haben neulich im Ausschuss erfahren - das geht wirklich auf keine Kuhhaut mehr -, dass es allein drei halbe Stellen des gehobenen Dienstes ausschließlich für Ordensangelegenheiten gibt.