Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

- Herr Wojahn, ich kann mich daran erinnern, gemeinsam mit Ihrem Kreistagsfraktionsvorsitzenden mehrere Termine wahrgenommen zu haben. Dabei war ich als Bürgermeister und Landtagsabgeordneter und Ihr Fraktionsvorsitzender im Kreistag als Kreistagspolitiker und Deichhauptmann beteiligt,

(Zuruf von Ontijd [CDU])

aber manchmal hilft auch regionale Kenntnis, um bestimmte Vorgänge etwas besser aufzufassen. Ich meine, meine Damen und Herren, das ist ein Punkt, an dem wir uns verständigen sollten, um miteinander die Feinabstimmungen erfolgreich umzusetzen. Ich gehe davon aus, dass uns das in den weiteren Beratungen auch gelingen wird.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Dehde. – Jetzt äußert sich Herr Minister Jüttner zu dem Gesetzentwurf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich hat es uns keine Freude gemacht, als im Februar 1999 die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zum Nationalpark „Elbtalaue“ ergangen ist. Ich habe damals die Einschätzung gehabt, dass der Region eine wichtige Perspektive abhanden gekommen ist. Klar war auch, dass der Begriff „Nationalpark“ für diese Region verbrannt sein würde.

Das Suchen danach hat zur zweitbesten Lösung geführt. Vielleicht wird es sich noch als beste Lösung erweisen; das werden wir gemeinsam sehen. Die zweitbeste Lösung basiert auf der Debatte der vergangenen zehn Jahre über die nachhaltige Entwicklung, nämlich zu einer Verzahnung von ökologischen Belangen mit ökonomischen und sozialen Belangen zu kommen. Auf dieser Basis ist der Gesetzentwurf schließlich erarbeitet worden. So sind beispielsweise in § 4 b die drei Säulen für eine nachhaltige Entwicklung genannt worden, nämlich zum einen die Förderung einer nachhaltigen Raumnutzung, zum anderen aber das traditionell Naturschutzfachliche, nämlich der Schutz von Natur und Landschaft, und als dritter Baustein gezielt die gebietsbezogene Forschung und Informationsarbeit.

Das ist die neue Qualität einer rechtlichen Konstruktion, die es in Deutschland seit 1998 im Naturschutzrecht des Bundes gibt und von der bis heute kein einziges Mal Gebrauch gemacht worden ist.

(Zuruf von Oestmann [CDU])

Zu Recht haben Vorredner darauf hingewiesen, dass sich das Land, der Landtag und die Verwaltungen mit einer Angelegenheit befassen müssen,

die zwar spannend sein wird, bei der man aber sorgfältig darauf achten muss, den Anforderungen eines Pilotprojekts Rechnung zu tragen. Ich meine, das wird uns gemeinsam gelingen. Die Vorarbeiten jedenfalls überzeugen – und zwar nicht nur mich, sondern sie überzeugen vor allem auch in der Region.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen gern ein Geständnis machen. An der einen oder anderen Stelle haben die Landesbehörden der Mehrheitsfraktion im Landtag zugearbeitet. Ich meine nicht, dass Uwe Inselmann alle Karten selber gezeichnet hat.

(Inselmann [SPD]: Das habe ich auch nicht behauptet! – Dr. Domröse [SPD]: Ich habe es geglaubt! – Zuruf von Frau Harms [GRÜNE])

Ich stelle aber mit Erstaunen fest, Frau Kollegin Harms, dass Sie bisher augenscheinlich gar nicht in das Kartenwerk hineingeschaut haben.

(Frau Harms [GRÜNE]: Doch, habe ich! Ich habe alle eingesammelt!)

Wenn Sie nämlich die Frage aufwerfen, ob diesmal wenigstens die Koordinaten korrekt gezeichnet sind, dann kann ich Ihnen sagen: In diesem Kartenwerk findet sich keine einzige Koordinate.

(Frau Harms [GRÜNE]: Entschuldi- gen Sie, das war ein Scherz! Aber da- für, dass Sie an dieser Stelle empfind- lich sind, habe ich Verständnis! Für die Koordinaten waren Sie ja verant- wortlich!)

- Ach, das war ein Scherz? Jetzt bin ich auf den Scherz von Frau Harms hereingefallen. Na gut, das werden wir überleben.

Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, meine Damen und Herren: Es ist davon auszugehen, dass die Karten korrekt sind, weil das Problem der seeseitigen Bearbeitung nur begrenzt vorhanden ist, und das bisschen Elbe können wir auf den Landkarten noch darstellen. Ich glaube, das haben wir hinbekommen. Davon gehen wir jedenfalls aus.

Es gibt also ein völlig neues Konstrukt, das die naturnahe Stromlandschaft in ihrer Qualität erhalten soll. Die Einzigartigkeit der Landschaft besteht wohl gerade in dem, was sich um diese Gebiete mit Hochwasser und Überschwemmungen an Natur

landschaften gruppiert. Das macht auch den unheimlichen Charme der Region aus.

Vor diesem Hintergrund gibt es eine Deckungsgleichheit von Naturschutz und angemessener Tourismusentwicklung. Herr Inselmann hat zu Recht darauf hingewiesen: Das ist das Pfund, mit dem man in der Region gewinnen kann. Anderes wird sich nur begrenzt aufdrängen. Deshalb ist es sinnvoll, diese Gebiete unter Schutz zu stellen, und zwar zügig. Aber ich räume gerne ein: Sorgfalt geht vor Hektik. Wir sind mit dem Thema so weit, dass wir das hinbekommen, und wir sind uns sicherlich darin einig, dass wir es noch in dieser Wahlperiode hinbekommen wollen. Denn Diskontinuität bei einem solchen Projekt bzw. der Neubeginn der Arbeit nach 2003 wäre allen gegenüber eine Zumutung. Das wollen wir nicht.

Ich möchte noch zwei Punkte aufgreifen, die in der Debatte eben eine Rolle gespielt haben. Das ist zum einen die Frage der Zone 3, Herr Wojahn. Sie haben den Eindruck erweckt, als ob das Kartenmaterial jetzt sehr viele neue Zone-3-Gebiete, also Naturschutzgebiete traditioneller Art, enthalte. Das ist nicht der Fall,

(Zuruf von Wojahn [CDU])

sondern die Zone 3 besteht praktisch aus den alten Nationalparkflächen plus vorhandener Naturschutzgebiete. Möglicherweise sind einige Arrondierungen erfolgt.

(Frau Zachow [CDU]: Nationalpark haben wir doch nicht!)

Die gesamte Zonierung ist mit großer Sorgfalt entwickelt worden, meine Damen und Herren, und zwar mit den Behörden und den Betroffenen vor Ort.

(Wojahn [CDU]: Nein! Nein!)

Der Unterschied dieses Projekts im Vergleich mit den Kenntnissen der 80er-Jahre, als die CDUFraktion für die Landesregierung Gesetzentwürfe eingebracht hat, ist, dass dafür gründlich vorgearbeitet worden ist. Ich habe vor zwei Jahren die Landräte der beiden Landkreise vor Ort, Herrn Fietz und Herrn Zühlke, eingeladen und mit ihnen eine Verabredung darüber getroffen, dass wir ein derartiges Biosphärenreservat entwickeln wollen, aber in enger Verzahnung mit der Region. In den letzten Monaten sind auf dieser Basis in dem Arbeitskreis „Biosphärenreservat“ 15 Sitzungen so

wie zig Veranstaltungen mit Dritten durchgeführt worden, Frau Harms, an denen Sie im Gegensatz zu manchen anderen Anwesenden nicht teilgenommen haben. Das macht aber nichts; Sie haben jetzt noch genügend Beratungsmöglichkeiten im Landtag.

(Frau Harms [GRÜNE]: Wir waren doch nicht eingeladen! Laden Sie mich doch mal ein!)

- Sie waren eingeladen, wie alle anderen auch.

(Wojahn [CDU]: Nein, das stimmt doch nicht! Nur als Kommunale sind wir da gewesen. Ich bin als Kreisaus- schussmitglied dagewesen!)

- Gut, alles klar, Herr Wojahn. – Ich will damit deutlich machen: In diesem Verfahren ist eine umfassende Beteiligung der Region in allen ihren gesellschaftlichen Gruppen vorgenommen worden, weil das Ziel darin besteht, ein bisher singuläres Projekt – das Biosphärenreservat – im Einklang mit der Region, mit den beiden Landkreisen und mit den vor Ort Agierenden zustande zu bringen. Das ist kompliziert genug, aber ich meine, die Qualität der Kulturlandschaft und der Natur- und Landschaftsentwicklung dort macht den großen Aufwand notwendig, damit wir im Laufe des Jahres 2002 sagen können: Jetzt haben wir in Niedersachsen ein wichtiges Großschutzgebiet für die Kulturlandschaft und den Naturschutz gesichert.

Wenn es uns gelänge, das wie heute Vormittag im Einvernehmen und mit der Zustimmung aller zu machen, würde mich das freuen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe daher die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat hat empfohlen, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Umweltfragen sowie zur Mitberatung an die Ausschüsse für innere Verwaltung, für Freizeit, Tourismus und Heilbäderwesen, für Haushalt und Finanzen, für Wirtschaft und Verkehr sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegen

stimmen! – Stimmenthaltungen? – Das ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Hochschulreform in Niedersachsen - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 14/2541

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs hat Herr Minister Oppermann das Wort. Bitte schön, Herr Minister!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf, den ich für die Landesregierung einbringe, ist keine Novelle zum NHG, kein Nachbesserungsversuch am alten Gesetz, sondern ein ganz neues Gesetz, ein Gesetz, das um fast zwei Drittel kürzer ist als das geltende. Wir verzichten auf zahlreiche Programmsätze, Genehmigungsvorbehalte und einengende Vorschriften und legen ein schlankes Hochschulorganisationsgesetz vor.

Diese Verschlankung ist aber kein Selbstzweck. Sie folgt vielmehr einer ganz pragmatischen Einsicht: Hochschulen können in der Wissensgesellschaft nicht mehr mit den traditionellen bürokratischen Instrumenten gesteuert werden. Das hat zwei Gründe.

Erstens stehen die Hochschulen national und international unter einem sich verschärfenden Wettbewerbsdruck. In dieser Konkurrenz werden auf Dauer nur die Einrichtungen erfolgreich sein können, die sich profilieren und höchste Qualität entfalten.

Zweitens werden die Innovationszyklen in der Wissenschaft immer kürzer. Wenn sich aber die Inhalte und die Methoden der Wissenschaft ständig wandeln, müssen auch ihre institutionellen Formen flexibel sein. Die Hochschulen müssen zu lernenden Organisationen werden. Das können sie nur, wenn ihnen der Staat möglichst viel Freiraum lässt.

Die Entstaatlichung ist für mich keine ideologische Frage, sondern eine ganz praktische. Die Frage lautet: Wer kann es besser - der Staat mit kamera

listischer Detailsteuerung oder die entbürokratisierten Hochschulen im Wettbewerb? Meine Antwort ist klar: Die Hochschulen können es besser, und wir müssen ihnen Gelegenheit geben, es besser zu machen. Entstaatlichung ist aber nicht mit Privatisierung gleichzusetzen. Der Staat behält die Verantwortung für das Gesamtangebot in Forschung und Lehre. Deshalb wird das Land mit den Hochschulen Zielvereinbarungen aushandeln, in denen festgelegt wird, was die Hochschulen leisten sollen und wie viel Geld sie dafür benötigen. Dabei geht es um strategische Ziele. Über das Wie, also die Umsetzung der Ziele, müssen die Hochschulen im Rahmen ihrer Autonomie selbst entscheiden.

Die Erfahrungen der Vergangenheit haben allerdings gezeigt, dass durchgreifende Reformen mit den traditionellen Entscheidungsfindungsprozessen nur schwer zu bewerkstelligen sind. Mehr Autonomie bedeutet deshalb auch mehr Verantwortung. Entscheidungen in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung spiegeln oft nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der Professorenmehrheit wider und sind der Tendenz nach strukturkonservativ. Entscheidungsschwäche kann sich aber in Zeiten der Autonomie und eines globalen Bildungsmarktes keine Hochschule mehr leisten. Dazu ein Beispiel: An einer amerikanischen Forschungsuniversität dauert die Berufung eines Wissenschaftlers trotz größter Sorgfalt bei der Auswahl rund sechs Monate. In Deutschland zieht sich das Procedere dagegen im Durchschnitt bis zu anderthalb Jahren hin. Beim Wettbewerb um die klügsten Köpfe ist auch Geschwindigkeit ein wichtiger Vorteil. Die schwerfällige Struktur der Gruppenuniversität erweist sich so als ein echter Standortnachteil für die deutschen Hochschulen.

Es darf nicht sein, dass der Langsamste das Tempo und der Schlechteste die Qualität bestimmen. Roman Herzog hat einmal gesagt: Wo scheinbar alle Verantwortung tragen, trägt in Wirklichkeit niemand Verantwortung. - Das ist eine schlichte Aussage, aber die Wahrheit ist immer einfach, und deshalb ist diese Aussage auch richtig.