Protokoll der Sitzung vom 15.06.2001

Mehrfach wurde uns vorgeführt, dass sich das Landwirtschaftsministerium mit seinen Mitarbeitern auch gleich für Umweltpolitik und Naturschutz für zuständig hält und entsprechend Fakten schafft. Beispiele gibt es reichlich, sei es die Beweidung von Salzwiesen, die das Landwirtschaftsministerium zulässt, sei es der „Artenschutz“ durch die Freigabe der Rabenvögel zum Abschuss,

(Frau Pruin [CDU]: Richtig! Positive Entscheidung!)

oder sei es die Jagd auf Kormorane, die das Landwirtschaftsministerium den verschiedenen Lobbygruppen bereits in Aussicht gestellt hat.

(Oestmann [CDU]: Was ist das für dummes Zeug!)

In jedem Fall wirkt sich das schädlich für Umweltanliegen aus. Das ist uns nicht egal. Selbst einem Ministerpräsidenten, der die Umweltpolitik als Nebensache betrachtet, darf das nicht gleichgültig sein.

(Möllring [CDU]: Dem ist doch alles gleichgültig!)

Zum Abschluss noch einen Satz zum Ems-DollartVertrag. Ich fordere die Landesregierung auf, sich für einen verbesserten Kooperationsvertrag mit den Niederlanden einzusetzen, dessen Grundlage die zukunftsfähige Entwicklung der Ems-DollartRegion ist. Denn das ist das, was sie braucht. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Bontjer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erweckt in ihrem Antrag den Eindruck, als sei das Verfahren zur Genehmigung für niedersächsische Fischereibetriebe zum Abfischen von Saatmuscheln im deutsch-niederländischen Grenzgewässer willkürlich. Dem ist nicht so, meine Damen und Herren, und ich weise diesen Vorwurf ausdrücklich zurück.

(Beifall bei der SPD)

Nach Artikel 41 Abs. 4 des Ems-Dollart-Vertrags sind niederländische und deutsche Fischer gleichberechtigt zur Ausübung der Fischerei zugelassen. Es handelt sich um ein gemeinsames Fischereigebiet. Allerdings sieht der Ems-Dollart-Vertrag auch vor, die Ausübung der Fischerei in dem gemeinsamen Fischereigebiet, insbesondere wenn es um die Anpassung der Schonzeiten geht, im gegenseitigen Einvernehmen in Form einer Rahmenregelung festzuhalten.

Das Bedauerliche daran ist, dass es bis heute eine derartige Rahmenregelung nicht gibt. Die Landesregierung sollte hier im Sinne einer Förderung der gutnachbarlichen Beziehungen baldmöglichst das Gespräch mit den niederländischen Kollegen suchen, um eine solche Regelung mit ihnen zu verabreden. Ich bin sicher, dass damit für die Zukunft mögliche Missverständnisse auszuräumen sind.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang möchte ich jedoch deutlich sagen, dass keinerlei Veranlassung besteht, auf verbriefte Rechte niedersächsischer Fischer zu verzichten.

(Zustimmung von Möllring [CDU])

Die Flächen „Paapsand“ und „Hund“ liegen im gemeinsamen Fischereigebiet nach Artikel 41 des Ems-Dollart-Vertrags, und diese Flächen sind traditionelle Fischereigebiet der niedersächsischen Muschelfischer.

(Zustimmung von der CDU)

Dieser Sachverhalt ist bisher auch, soweit ich informiert bin, von keiner Seite bestritten worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die vom Staatlichen Fischereiamt Bremerhaven erteilte Genehmigung dient in erster Linie den Belangen der niedersächsischen Muschelfischer. Das Ausbleiben von ausreichenden Brutfällen im nieder

sächsischen Wattenmeer hat zu einer schwierigen wirtschaftlichen Situation der niedersächsischen Muschelfischer und im vorliegenden Falle insbesondere bei vier ostfriesischen Betrieben geführt. Deswegen musste gehandelt werden. Die Sachlage wurde umfassend geprüft, und danach wurde eine Genehmigung erteilt. Diese Genehmigung war mit einer Reihe von Auflagen versehen.

Die in der Entnahmeregelung festgelegte Menge an Besatzmuscheln, die im betroffenen Gebiet entnommen werden durfte, greift nicht nachhaltig in den Gesamtbestand der Miesmuscheln ein, sodass auch keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind. Ihre Behauptung von vorhin, dass 80 % der Muschelbestände vernichtet worden seien, entbehrt nach meiner Auffassung jeder Grundlage.

(Zustimmung von Frau Pruin [CDU])

Allerdings, meine Damen und Herren, weise ich noch einmal darauf hin, dass es nach meiner Auffassung dringend notwendig ist, auch solche Festlegungen in Gesprächen mit den Niederländern zu beraten.

Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren:

Erstens. Solange es keine Rahmenvereinbarung mit den Niederlanden über das gemeinsamen Fischereigebiet gibt, kann keine abschließende Festlegung vonseiten Niedersachsens erfolgen. Wir müssen das Ergebnis der Verhandlungen abwarten.

Zweitens. Wir lehnen den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab.

Drittens. Wir bitten die Landesregierung, zeitnah Gespräche mit den niederländischen Nachbarn über eine Rahmenregelung aufzunehmen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster kommt der Kollege Busemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beitrag von Frau Steiner lässt ja gar nicht ahnen, welche Dimensionen das Problem möglicherweise hat; es drohen sogar außenpolitische Verwicklungen und was nicht alles. Das gibt natürlich besonderen Anlass, sich einmal anzugucken, was in der Sache eigentlich dahinter steht.

Wenn es an neueren vertraglichen Regelungen mit den Niederlanden fehlt, dann würde ich Zweifel anmelden, ob die Niederländer daran überhaupt ein Interesse haben. Denn in den vergangenen Jahren - das muss man bei aller nachbarschaftlichen Verbindung und bei aller Freundschaft zu den Niederlanden auch sagen - sind eher die niederländischen Fischer als Sünder in den betroffenen Gebieten aufgefallen, nicht die deutschen.

(Frau Pruin [CDU]: Genauso ist es!)

Hier wurde gesagt, der Ems-Dollart-Vertrag würde missachtet. Der Landesregierung wird also Vertragsbruch vorgeworfen. Insofern macht es Sinn, sich den Vertrag einmal anzusehen.

Dieser Vertrag wurde 1963 aus guten Gründen, nämlich zwecks Regelung der gemeinsamen Angelegenheiten im Ems-Dollart-Gebiet geschlossen. Artikel 1 besagt:

„Die Vertragsparteien werden in der Emsmündung im Bewusstsein ihrer gemeinsamen Interessen und in Achtung der besonderen Interessen der anderen Vertragsparteien nach Maßgabe der nachstehenden Artikel im Geiste guter Nachbarschaft zusammenarbeiten,“

um z. B. eine den jeweiligen Erfordernissen entsprechende seewärtige Verbindung ihrer Häfen zu gewährleisten.

Ferner regelt dieser Vertrag Fahrwasserprobleme. Außerdem regelt er - darum geht es heute - in Artikel 41 die Frage von Fischereigebieten. Insbesondere gibt es ein gemeinsames Fischereigebiet, in dem die beiden hier angesprochenen Sandbänke liegen.

Ich will Artikel 41 Abs. 3 zitieren:

„Das im gemeinsamen Fischereigebiet gegenseitig zugestandene Recht der Befischung schließt jede Art der Fischerei ein. Die Muschelfischerei östlich der Ostbegrenzung des Hauptfahrwassers bleibt jedoch den deutschen Fischern vorbehalten.“

(Möllring [CDU]: Aha!)

Das ist das eine. Im Weiteren sagt Artikel 41 Abs. 5:

„Die Vertragsparteien werden nach In-Kraft-Treten dieses Vertrages die Ausübung der Fischerei in dem gemeinsamen Fischereigebiet, insbesondere die Anpassung der Schonzeiten, im gegenseitigen Einvernehmen regeln...“

Dass hier vielleicht die Rahmenregelung fehlt, ist die eine Sache. Aber hier geht es - das sollte man nicht verheimlichen, Frau Steiner - natürlich auch um prozessuale Auseinandersetzungen, die da jetzt laufen. Die Frage ist: Handelt die Landesregierung, insbesondere das Landwirtschaftsministerium, rechtens, oder kann man ihr ein rechtswidriges Verhalten in der Form nachweisen, dass man sagt, Artikel 41 sei so zu verstehen, dass die Niederländer ein Einvernehmen in der Form eines Zustimmungs- oder Genehmigungserfordernis zu erteilen hätten? Wenn das so wäre, wäre alles rechtswidrig. Aber ich fürchte, das ist nicht so, und es ist wahrscheinlich auch richtig, dass das nicht so ist.

Der Hintergrund ist wohl relativ einfach. Wir wissen, dass gerade die niedersächsischen Muschelfischer in dem betroffenen Gebiet außerordentlich zu kämpfen haben, geradezu existenzielle Sorgen haben, wie es Jahr um Jahr weitergeht. Auf der niederländischen Seite ist das etwas anders gelagert. Die ziehen Jahr für Jahr mit einer Armada von Kuttern in unsere Fischereigebiete. Wenige niedersächsische Fischereibetriebe müssen hier sozusagen gegenhalten und zusehen, wie sie überleben.

Dann sollten Sie auch einmal überlegen - ob nun BUND oder Grüne oder wer sich alles in dieser Frage in den letzten Monaten getummelt hat -: Jeder deutsche Fischer ist so vernünftig, mit den Fischgründen und Muschelgründen so sorgfältig umzugehen, dass er sich nicht seine eigene Existenzgrundlage wegfischt.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie können sich darauf verlassen, dass die nicht so dumm sind, wie Sie es unterstellen - von wegen „Zerstörung von 80 % der Muschelbank“.

In dieser streitigen Frage geht es um die beiden Sandbänke „Hund“ und „Paapsand“. Ich möchte auf die Rechtsstreitigkeiten nur hinweisen und gar nicht sagen, wie sie ausgehen. Jedenfalls gehen sie offenbar nicht in dem Sinne aus, wie Sie es hier unterstellen.

Wie ist denn die ganze rechtliche Bewertung? Wer darf dort fischen, und wer darf in diesen gemeinsamen Gebieten nicht fischen? - Von holländischer Seite ist deren Fischern im Moment in der Tat untersagt, auf diesen Sandbänken zu fischen. Damit ist aber den deutschen Fischern nicht untersagt, dort zu fischen, Genehmigungen für die entsprechenden Zeiten zu beantragen und das auch genehmigt zu bekommen. Die Regelung für diese Genehmigung der Besatzmuschelfischerei ist ausschließlich die Küstenfischereiordnung, und zwar der § 10. Danach kann die zuständige Behörde - das ist in diesem Fall das Staatliche Fischereiamt Bremerhaven - eine Erlaubnis erteilen. Sie kann sie nur versagen, wenn das zum Schutz der Wildmuschelbestände erforderlich ist. Alles andere zieht nicht. Da hier der Schutzgedanke offenbar nicht von den tatsächlichen Verhältnissen getragen wird, kann man nur sagen: Dann dürfen die das, und dann darf eine Genehmigung auch nicht versagt werden.

Dann haben Sie und andere darüber nachgedacht, ob man vielleicht über § 28 a BundesNaturschutzgesetz an die ganze Geschichte herankommt, um das zu unterbinden. Das hieße aber, dass diese Sandbänke ein besonders geschütztes Biotop oder in ihrer Funktion nach Fauna/Flora und dergleichen gefährdet sein müssten. Auch das ist aber objektiv nicht zu bejahen.

Dann gäbe es noch den dritten Einstieg über § 19 ff. Bundes-Naturschutzgesetz zu sagen „Ihr dürft dort nicht fischen“. Aber auch diese Vorschrift greift - das ist offenbar einhellige Meinung eindeutig nicht. Auch die FFH-Richtlinien kommen hier noch nicht zum Tragen.