Protokoll der Sitzung vom 18.09.2001

Das ist im Übrigen ein Gesetz, das die Bundesregierung noch unter einer CDU-Regierung auf den Weg gebracht hat. Insofern haben wir hier bereits eine Hinwirkungspflicht der öffentlichen Träger. Es ist eine Bedarfsplanung aufzustellen. Das Land wird diese Anstrengungen der Kommunen in vielfältiger Weise durch Förderung von Diskursprojekten, Vereinbarkeitsplänen, Ideenwettbewerben etc. unterstützen.

(Jahn [CDU]: Hoffentlich erschlagen Sie uns nicht!)

Um auch in ländlichen Regionen mit ihren überwiegend kleinen und mittleren Betrieben Chancengleichheit im Erwerbsleben zu ermöglichen, wird das Land

(Busemann [CDU]: Können wir jetzt zu den Leistungen Ihres Hauses kom- men?)

innerhalb der nächsten zwei Jahre durch eine entsprechende Anschubfinanzierung zusätzlich sechs Familienserviceeinrichtungen ermöglichen.

(Zurufe von der CDU)

- Es ist nur eine Anschubfinanzierung erforderlich, weil sich diese Einrichtungen angesichts ihrer Qualität irgendwann selbst tragen. Im Landkreis Leer z. B. werden die Kosten schon zu 70 % durch die Betriebe und die Eltern selbst aufgebracht. Dieses Modell, das ich in einem Landkreis gefunden habe, ist insofern zukunftsweisend, sodass ich es von daher vervielfältigen möchte.

(Frau Janssen-Kucz [GRÜNE]: Nur für Besserverdienende!)

Meine Damen und Herren, Erziehung ist anspruchsvoller geworden. Viele Eltern und werdende Eltern stehen vor der Frage, wie sie ihre Kinder erziehen sollen. Um sie dabei von Anfang an zu unterstützen, plant die Landesgeschäftsstelle des Deutschen Kinderschutzbundes gemeinsam mit

dem Land - ich suche noch nach weiteren Partnern und habe auch schon einige gefunden - ein regelmäßiges Angebot in Form von Elternkursen. Wir wollen erreichen, dass vor Ort für werdende Mütter und Väter nicht nur Geburtsvorbereitungskurse eine Selbstverständlichkeit sind, sondern dass auch Erziehungskurse, die die Erziehungskompetenz erhöhen - Stichwort „Erziehungsführerschein“ zum Zeitgeist gehören. Wir wollen, dass vor Ort alle mitmachen: die Jugendämter, die Volkshochschulen, die Familienbildungsstätten und viele andere mehr. Das wird in der nächsten Zeit ein ganz großer Schwerpunkt unserer Politik sein.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

Vom Land geförderte Familienbildungsstätten, Freizeiten und Erholungen sowie Mütterzentren bieten auch in Zukunft Beratung und Unterstützung. Es ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, dass diese Mittel in Zukunft in gleichem Maße zur Verfügung stehen wie in den letzten Jahren. In anderen Bundesländern sind diese Mittel erheblich gekürzt worden. Deshalb freue ich mich, dass wir hier wieder die gleichen Mittel zur Verfügung stellen können.

Kommunen, die auf örtlicher Ebene Bündnisse für ein Leben mit Kindern schließen, können vom Land Fördermittel für die Einrichtung von Familieninformationszentren bekommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht nämlich darum, dass wir Infrastrukturen schaffen, die letztlich dazu führen, dass sich das Thema Familie/Familienpolitik in einer Kommune nicht mehr wegdenken lässt. Es müssen Instanzen geschaffen werden, die dieses Thema immer wieder in die politische Erörterung einbringen. Dazu können Familieninformationszentren dienen.

Ich bitte um Ihre besondere Aufmerksamkeit für Familien in besonderen Lebenslagen. Wer ein schwer krankes oder ein behindertes Kind hat, meine sehr geehrten Damen und Herren, der braucht unsere besondere Unterstützung. Ich habe mir in Niedersachsen viele Einrichtungen angesehen und muss sagen: Alle Achtung! Die Einrichtungen befinden sich auf höchstem qualitativen Niveau. Sie sind das, was Familien an Unterstützung erwarten können, wenn sie sich in einer besonderen Lebenslage befinden. Ich freue mich, dass ich diese Ausgangssituation vorfinde. Ich werde aber dennoch nicht nachlassen in dem Bemühen, Familien in besonderen Lebenslagen auch

weiterhin zu unterstützen. Wer ein behindertes oder chronisch krankes Kind hat, der braucht unsere Unterstützung. Auch wer arbeitslos ist, wer in der Familie Gewalt erleidet, wer ein geringes Einkommen hat oder wer aus anderen Gründen hilfsbedürftig ist, bedarf dieser Unterstützung. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Darum schließe ich die Beratungen zu diesem Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 2698 ab, und, falls dieser abgelehnt wird, über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. - Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 2698 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfragen in Drucksache 2671 zustimmen will, den bitte ich ebenfalls um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Keine Stimmenthaltungen. Ich stelle fest, das Erste war die Mehrheit. Damit sind Sie der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfragen gefolgt.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 26: Zweite Beratung: Erhöhung der Bedarfszuweisungen: Nothilfe für Not leidende Kommunen - Antrag der Fraktion der CDU – Drs. 14/2551 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung - Drs. 14/2673

(Unruhe)

- Ich warte, bis etwas mehr Aufmerksamkeit eingekehrt ist.

(Anhaltende Unruhe - Glocke der Prä- sidentin)

Der Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2551 wurde in der 81. Sitzung am 15. Juni 2001 an den Ausschuss für innere Verwaltung zur federführenden Beratung und zur Berichterstattung überwiesen.

Berichterstatter ist Herr Kollege Coenen. Sie nehmen auch die Redezeit für Ihre Fraktion in Anspruch. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Kollege Coenen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Bericht zur zweiten Beratung des Antrages betreffend Erhöhung der Bedarfszuweisungen: Nothilfe für Not leidende Kommunen gebe ich zu Protokoll.

(Zu Protokoll:)

Mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 2673 empfiehlt Ihnen der Ausschuss für innere Verwaltung mit den Stimmen der Vertreter der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Vertreter der Fraktion der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, den Antrag abzulehnen. Der mitberatende Ausschuss für Haushalt und Finanzen hat sich dieser Beschlussempfehlung mit gleichem Abstimmungsverhalten angeschlossen.

Ein Vertreter der CDU-Fraktion begründete den Antrag damit, dass die Landesregierung aufgefordert werden solle, die rechtlichen und haushaltsrechtlichen Voraussetzungen zur Erhöhung der Bedarfszuweisungen an die Kommunen um 100 Millionen DM im Haushaltsjahr 2001 zu schaffen. Zur Finanzierung der Erhöhung der Zuweisungsmasse an die Gemeinden solle die bisher einschließlich des Abschlusses des Haushaltsjahres 2000 aufgelaufene Rücklage vorgesehen werden. Die Schlüsselmasse solle dabei ausdrücklich nicht angetastet werden. Diese Erhöhung sei erforderlich, weil die Summe der durch die Kommunen in Anspruch genommenen Kassenkredite seit 1990 auf 2,8 Milliarden DM, nach jüngsten Schätzungen sogar auf 3,4 Milliarden DM gestiegen sei. Im Übrigen habe der Niedersächsische Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 16. Mai 2001 den Gesetzgeber verpflichtet, ggf. auch unter Einsatz des Instrumentes der Bedarfszuweisung Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass einzelne Gemeinden trotz sparsamster Wirtschaftsführung in

eine finanzielle Lage gerieten, in der ihnen keinerlei Mittel, selbst zu einem Mindestmaß an freiwilliger kommunaler Selbstverwaltung, verblieben.

Vertreter der Fraktion der SPD zeigten sich unter Bezugnahme auf die seitens der Fraktion der CDU erhobenen Vorwürfe an einer zuweilen nicht sachgerechten Bewilligung von Bedarfszuweisen an niedersächsische Kommunen verwundert darüber, dass nunmehr eine Erhöhung der Mittel gefordert werde. Im Übrigen habe der Niedersächsische Staatsgerichtshof in seinem bereits genannten Urteil nicht nur herausgestellt, dass das Land verpflichtet sei, den Kommunen finanziell zu helfen. Er habe vielmehr auch die Kriterien, bei deren Vorliegen Kommunen einen Anspruch auf finanzielle Hilfe durch das Land hätten, festgelegt, und dabei recht hohe Hürden aufgestellt. Schließlich bleibe die CDU-Fraktion den Nachweis schuldig, dass die Kommunen die nunmehr geforderten zusätzlichen 100 Millionen DM an Bedarfzuweisungen benötigten.

Die Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete die von der Fraktion der CDU beantragte Erhöhung der Zuweisungsmasse an die Gemeinden und Landkreise um 100 Millionen DM und deren Finanzierung aus der bis einschließlich des Haushaltsjahres 2000 aufgelaufenen Rücklage als schlüssiges Konzept und erachtete diese Nothilfe für Not leidende Kommunen angesichts der drohenden Zahlungsunfähigkeit einiger Gemeinden als dringend erforderlich. Sie hielt es unter Hinweis auf eine entsprechende Presseerklärung der CDU-Landtagsfraktion jedoch für eine abenteuerliche Vorstellung, aus der Rücklage nicht nur die Erhöhung der Bedarfszuweisungsmittel um 100 Millionen DM, sondern auch noch die Einstellung von tausenden von Lehrern und Polizeibeamten finanzieren zu wollen.

Ein Vertreter der antragstellenden CDU-Fraktion stellte schließlich die Frage, ob Bedarfszuweisungen an Investitionen oder an die Durchführung von Konsolidierungsprogrammen geknüpft werden sollten, ob es in Niedersachsen bereits Gemeinden gebe, deren Kassenkreditrahmen erschöpft sei und denen weitere Kassenkredite nicht mehr genehmigt werden dürften und ob es eine konkrete Definition dafür gebe, ab wann eine Kommune sparsamste Haushaltsführung betreibe.

Ein Vertreter des Innenministeriums erläuterte alsdann zunächst das niedersächsische Finanzausgleichssystem und stellte dar, dass die Landesre

gierung jeweils im Vorfeld der Aufstellung des Haushaltsplanes überprüfen müsse, ob die Höhe der Bedarfszuweisungsmittel geändert werden müsse. Da nach der Einschätzung des Niedersächsischen Innenministeriums nur sehr wenige Kommunen die Voraussetzungen erfüllten, die nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs zu einem Rechtsanspruch auf die Gewährung von Bedarfszuweisungen führten, sei allein aus diesem Grund eine Erhöhung der Bedarfszuweisungsmittel nicht erforderlich. Außerdem sei festzustellen, dass, wenn der Haushaltsgesetzgeber in der Lage wäre, für den kommunalen Finanzausgleich mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, diese grundsätzlich den Schlüsselzuweisungen bzw. den Finanzhilfen für Investitionen und Investitionsfördermaßnahmen zuzuführen wären und nicht den Bedarfszuweisungen.

Zur Frage der Kassenkredite führte er aus, dass diese dann durch die Kommunalaufsicht genehmigt werden müssten, wenn sie eine bestimmte Höhe überschritten. Dies könne nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Gemeinde erfolgen. Eine abstrakt generelle Regelung, auf deren Grundlage bei Überschreiten eines bestimmten Prozentsatzes ein Kassenkredit nicht mehr genehmigt werden könne, gebe es nicht. Auf eine entsprechende Nachfrage eines Vertreters der SPDFraktion ergänzte er, dass die zurzeit im Haushalt 2001 vorgesehenen 125 Millionen DM an Bedarfszuweisungen ausreichten, um den Kommen zu helfen, die trotz sparsamster Haushaltsführung nicht über genügend Mittel zur Bewältigung eines Mindestmaßes an freiwilligen Aufgaben verfügten.

Damit schließe ich meinen Bericht und bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung in der Drucksache 2673 zu folgen und damit den Antrag der Fraktion der CDU abzulehnen.

Für meine Fraktion möchte ich jetzt wie folgt Stellung nehmen: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtagspräsident und der Ministerpräsident beklagen meiner Meinung nach zu Recht die geringe Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 2001. Wenn ich diese Klagen höre, muss zumindest darüber nachgedacht werden, ob die Wählerinnen und Wähler mit ihrer Wahlenthaltung nicht auch signalisieren wollen: Die Kommunen im Lande Niedersachsen haben ja

fast keine Gestaltungsmöglichkeiten, weil ihnen die Finanzmittel fehlen,

(Beifall bei der CDU)

Finanzmittel, die ihnen das Land seit Jahren vorenthält, Finanzmittel, die sie für Zukunftsinvestitionen dringend benötigen, Finanzmittel, die sie brauchen, um den Bürgerinnen und Bürgern der Kommunen zu signalisieren: Wir haben noch Gestaltungsmöglichkeiten, wir können die Lebensqualität in unseren Kommunen halten und verbessern. - Erst wenn die Wählerschaft erkennt, dass die Kommunen im Lande Niedersachsen auch Gestaltungsspielraum haben, um ihre Zukunft für die Menschen zu gestalten, wird sie wieder verstärkt zur Wahl gehen.

(Beifall bei der CDU)

Um den Not leidenden Kommunen im Lande zu helfen, hat meine Fraktion den Ihnen vorliegenden Antrag auf Erhöhung der Bedarfszuweisungen um 100 Milliarden - - - um 100 Millionen

(Plaue [SPD]: Schreiben Sie ruhig „Milliarden“! Das ist egal! Wird eh abgelehnt!)

an die Gemeinden und Landkreise im Land Niedersachsen gestellt. Das bedeutet im Jahr 2000 125 Millionen DM und im Jahr 2001 225 Millionen DM. Dies müsste bei allen Politikerinnen und Politikern, die im Landtag vertreten und in der Kommunalpolitik tätig sind, quer durch alle Parteien Zustimmung finden.

Neben der Finanzausstattung der Kommunen im Lande bleibt immer noch die bislang unvollständig angefasste Aufgabe, den Aufgaben- und Standardabbau voranzutreiben und ernsthafter als bisher zu verfolgen.

Nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 8. Februar 2001 zum NFAG haben die Kommunen einen Rechtsanspruch auf Bedarfszuweisungen. Ich zitiere aus diesem Urteil:

„Indem Artikel 58 NV die von den Kommunen zu erledigenden Aufgaben, zu denen insbesondere auch die freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten zählen, zum Maßstab für die Bemessung der Finanzzuweisungen erhebt, wird nämlich ein Bezug zu der in Artikel 28 Abs. 2 GG, Artikel 57 NV verbürgten allgemeinen

Selbstverwaltungsgarantie hergestellt, welche den Kommunen ein auch subjektiv-individuelles, gerichtlich durchsetzbares Recht auf eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung einräumt.

Somit ist der Gesetzgeber gehalten, Vorkehrungen - gegebenenfalls unter Einsatz des Instruments der Bedarfszuweisung - für den Fall zu treffen, dass auch nur eine einzelne Gemeinde trotz sparsamster Wirtschaftsführung in eine finanzielle Lage gerät, in der ihr keinerlei Mittel auch nur für ein Mindestmaß an freiwilliger kommunaler Selbstverwaltung verbleiben.“