Protokoll der Sitzung vom 18.09.2001

Herr Schwarzenholz noch einmal.

Herr Minister, haben Sie in dieser Frage den Kontakt zu Ihrem sachsen-anhaltinischen Amtskollegen Keller, der Ihnen als ehemaliger Abteilungsleiter aus dem Niedersächsischen Umweltministerium gut bekannt ist, gesucht, um zu klären, ob es zu einem gemeinsamen Vorgehen der beiden Bundesländer kommen kann?

Herr Jüttner!

Herr Schwarzenholz, es gibt Verabredungen mit Sachsen-Anhalt, was die Kooperation und das Zusammenwachsen der beiden Nationalparke angeht. Dort gibt es ein Direktorium, das regelmäßig tagt. Ob diese Frage dort im Einzelnen besprochen worden ist, kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Das können wir aber gerne prüfen. Ich habe meines Wissens mit Herrn Keller in den letzten Wochen über diese Frage nicht diskutiert. Ich glaube auch nicht, dass sachsen-anhaltinische Belange berührt werden, sonst hätte sich Herr Keller, da wir uns wirklich sehr gut kennen, auf dem kleinen Dienstweg bei mir gemeldet, und wir hätten das besprochen. Von daher sehe ich nicht, dass es irgendwelche Differenzen oder Auseinandersetzungen mit Sachsen-Anhalt für den Fall gibt, dass sich in Niedersachsen dieses Projekt als realistisch erweist.

Keine weiteren Wortmeldungen für Zusatzfragen.

Die Frage 9 von Frau Pothmer ist zu Protokoll gegeben worden. – Wir kommen damit zur

Frage 10: Ausbildung ausländischer Jugendlicher im öffentlichen Dienst

Die Frage stellt Frau Abgeordnete Merk.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundesweit, aber auch in Niedersachsen wird seit langem gefordert, Ausländerinnen und Ausländer stärker zu integrieren und ihre Ausbildungs- und Arbeitssituation zu verbessern. Dennoch ist der Ausländeranteil im engeren öffentlichen Dienst in den alten Bundesländern laut Bundesanstalt für Arbeit zwischen 1992 und 1999 bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 3,6 % auf 2,9 % gesunken. Nur etwa 3 % der Auszubildenden - ohne Beamte - bei den Gebietskörperschaften haben keinen deutschen Pass, obwohl ihr Anteil an der jugendlichen Bevölkerung in den Metropolen zwischen 20 % und 40 % beträgt.

Ich frage deshalb die Landesregierung:

1. Kann sie die aus den Angaben der BfA abzuleitende Tendenz anhand von Beispielen aus dem kommunalen Bereich und der Landesverwaltung auf Niedersachsen bezogen bestätigen?

2. Worin sieht sie begründet, wenn diese Tendenz bestätigt werden kann, dass der Anteil auszubildender junger Menschen im öffentlichen Dienst so gering ist und damit das Schlusslicht der beruflichen Integration in unserer Wirtschaft bildet?

3. Welche Wege und Lösungsmöglichkeiten strebt sie an, in Niedersachsen den Anteil auszubildender ausländischer Jugendlicher zu erhöhen und damit weitere Integrationsschritte zu gehen?

Die Frage wird vom Herrn Innenminister beantwortet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorhandenen Daten über Ausbildungsverhältnisse von ausländischen Jugendlichen differenzieren nicht nach Land und Kommunen. Es liegen zwei Datenquellen vor, nämlich die Beschäftigtenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit und die Daten der Berufsbildungsstatistik.

Erstens. Nach der Beschäftigtenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit hat sich der Anteil der Ausländer in Niedersachsen bei den Auszubildenden von 1,1 % im Jahre 1992 mit geringen jährlichen Schwankungen kontinuierlich erhöht und lag im Jahre 1999 bei 1,5 %. Die Angaben dieser Erhe

bung basieren auf Meldungen der Arbeitgeber an die Sozialversicherungsträger. Beamtinnen und Beamte sind nicht enthalten. Unter „öffentlicher Dienst“ werden in dieser Erhebung alle diejenigen Betriebe verstanden, die den Systematiknummern 91 (Allgemeine öffentliche Verwaltung), 92 (Verteidigung, öffentliche Sicherheit und Ord- nung) und 93 (Sozialversicherung) zuzuordnen sind. Die systematische Zuordnung erfolgt nach dem Wirtschaftszweig des Ausbildungsbetriebes.

Zweitens. Die Berufsbildungsstatistik weist einen Ausbildungsbereich „öffentlicher Dienst“ auf. Nach dem Berufbildungsförderungsgesetz richtet sich die Zuständigkeit für die Berufsausbildung vielfach nach der Art des Ausbildungsberufes und nicht nach der Zugehörigkeit des Ausbildungsbetriebes zu einem bestimmten Wirtschaftsbereich. Beispielsweise wird ein Auszubildender, der an einer Universität den Beruf des Gärtners erlernt, im Wirtschaftsbereich Handwerk erfasst. Von daher sind die Ergebnisse nicht ohne weiteres kompatibel mit denen der wirtschaftssystematisch untergliederten Beschäftigungsstatistik. Außerdem hat die Berufsbildungsstatistik einen anderen Stichtag, den 31.12. Schließlich gehen in den Ausbildungsbereich „öffentlicher Dienst“ auch Angaben über die Auszubildenden in den Kirchen und den Sparkassen ein.

Nach der Berufsbildungsstatistik hat sich der Anteil der Ausländer bei den Auszubildenden von 1,0 % im Jahre 1993 auf 0,7 % im Jahre 1999 verringert.

Die kommunalen Spitzenverbände haben auf Anfrage mitgeteilt, dass dort keine Informationen zu den gestellten Fragen vorliegen. Insgesamt ist festzustellen, dass eine genaue Darstellung des Anteils ausländischer Jugendlicher in Ausbildungsverhältnissen anhand der vorliegenden Statistiken nicht möglich ist.

Auf eine gesonderte Umfrage bei den Behörden der unmittelbaren und mittelbaren Landesverwaltung über ausländische Jugendliche in Ausbildungsverhältnissen wurde wegen des unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwandes verzichtet.

Zu Frage 2: Jugendliche Ausländer bewerben sich nur in geringer Zahl um Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst. Ihr Interesse konzentriert sich auf wenige Berufe außerhalb des öffentlichen Dienstes. Erhebungen über die Bewerberlage ausländischer Jugendlicher werden nicht vorgenom

men. Anhand der Erfahrungswerte wird der Anteil dieses Personenkreises, der sich um einen Ausbildungsplatz bei Behörden der Landesverwaltung bewirbt, auf etwa 1 % bis 2 % geschätzt.

Die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber erfolgt nach der Eignung für den Ausbildungsplatz. Ausländische Jugendliche erfüllen oft wegen fehlender schulischer Kenntnisse die Einstellungsvoraussetzungen nicht. Insbesondere sprachliche Kompetenz ist gerade in Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes unerlässlich, aber bei vielen Bewerberinnen und Bewerbern nur eingeschränkt vorhanden.

Nach dem Bericht des Bundesausländerbeauftragten vom Oktober 2000 hat sich bei ausländischen Jugendlichen der Trend zu höheren Schulabschlüssen seit 1993 merklich verlangsamt. Insgesamt hat die Stagnation der schulischen Bildung von Jugendlichen ausländischer Herkunft erhebliche Auswirkungen auf die berufliche Qualifizierung, die sich seit 1994 deutlich verschlechtert hat.

Bei der Analyse und Bewertung der Daten ist allerdings zu berücksichtigen, dass in der Zeit von 1993 bis 1998 insgesamt 61 707 Jugendliche im Alter von 16 bis 23 Jahren eingebürgert wurden. Hinzu kommen die Kinder, die mit ihren Eltern gemeinsam eingebürgert worden sind. Genau dies ist der Personenkreis, der aufgrund des Lebensalters für eine Ausbildung im öffentlichen Dienst Interesse haben könnte. Auch an diesen Einbürgerungsquoten ist nachvollziehbar, weshalb der Anteil der ausländischen Jugendlichen bei den Auszubildenden insgesamt und auch im öffentlichen Dienst zurückgegangen ist. Langfristig wird sich dieser Trend nach Einschätzung der Landesregierung weiter verstärken, da aufgrund des neuen Staatsangehörigkeitsrechts immer mehr Kinder ausländischer Eltern mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben.

Aus der Bearbeitung von Einzelfällen ist bekannt, dass gerade bei jungen Ausländerinnen und Ausländern, die eine Ausbildung im öffentlichen Dienst anstreben oder begonnen haben, verstärkt der Wunsch nach Einbürgerung vorhanden ist. Daher dürfte eine möglicherweise bestehende rückläufige Tendenz zur Beschäftigung junger auszubildender Ausländerinnen und Ausländer im öffentlichen Dienst darauf zurückzuführen sein,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

dass dieser Personenkreis bereits stärker in das Gesamtgefüge der Bundesrepublik integriert bzw. dies zumindest stärker angestrebt ist als in anderen Berufsgruppen. Das bedeutet, dass auch im öffentlichen Dienst Jugendliche mit ausländischer Herkunft ausgebildet, in der Statistik aber nicht mehr als Ausländer erfasst werden.

Falls also die Anzahl der Einbürgerungen jugendlicher Ausländer weiterhin in dem bisher festgestellten Umfang erfolgt oder sich die Quote erhöhen sollte, würde sich der Anteil der Ausländer bei den Auszubildenden zwangsläufig weiter reduzieren. Diese Entwicklung wäre jedoch unter dem Gesichtspunkt der Integration positiv zu bewerten.

Zu Frage 3: Die Erfahrungen bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen belegen, dass bei ausländischen Jugendlichen kein großes Interesse an einer Ausbildung im öffentlichen Dienst besteht. Wenn Bewerbungen dieses Personenkreises vorliegen, führen vorwiegend eine nicht ausreichende Qualifizierung und insbesondere mangelnde Sprachkenntnisse zur Ablehnung der ausländischen Bewerberinnen und Bewerber. Eine Absenkung der Qualitätsanforderungen für diesen Bewerberkreis ist weder rechtlich zulässig noch vertretbar. Für eine Verbesserung der Chancen der jugendlichen Ausländerinnen und Ausländer wäre es wünschenswert, wenn das schulische Angebot verstärkt angenommen würde, um die notwendige Qualifizierung für eine erfolgreiche Bewerbung um einen Ausbildungsplatz im öffentlichen Dienst zu erreichen.

Niedersachsen hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Angeboten zur beruflichen Integration von jugendlichen Migrantinnen und Migranten entwickelt. Insbesondere mit dem Programm „Regionale Arbeits- und Bildungsangebote für die Zukunft arbeitsloser Jugendlicher“ (RABaZ) bietet das Land Unterstützung bei der beruflichen Eingliederung. Fünf Beratungsstellen sind speziell für diese Zielgruppe eingerichtet worden. Von den über 3 000 Langzeitarbeitslosen und von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohten Jugendlichen, die insgesamt in das Programm eingetreten sind, liegt der Anteil der ausländischen Jugendlichen bei einem Drittel.

Zielsetzung dieses Programms ist die Eingliederung der arbeitslosen Jugendlichen in Ausbildungsund Arbeitsverhältnisse. Den realisierbaren Berufswünschen der Jugendlichen entsprechend werden von den im Programm tätigen Beratungskräf

ten einzelfallbezogene Ausbildungs- und Arbeitsplätze - auch im Bereich der öffentlichen Verwaltungen - akquiriert.

Hinzuweisen ist auch auf RAN - Regionale Arbeitsstellen zur beruflichen Eingliederung junger Menschen in Niedersachsen - und die Jugendwerkstätten, die den Auftrag haben, jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Hilfen angewiesen sind, eine Integration in Ausbildung und Beschäftigung zu ermöglichen. Zur Zielgruppe gehören insbesondere auch junge Migrantinnen und Migranten.

Die Jugendwerkstätten haben die Aufgabe, zwischen den gesellschaftlichen Voraussetzungen und der Lebenswelt solcher jungen Menschen zu vermitteln, die besondere Schwierigkeiten beim Übergang in Ausbildung und Beruf haben. Unter dieser Aufgabenstellung sind in Niedersachsen beratende, berufsmotivierende und -vorbereitende sowie schulisch qualifizierende Angebote entwickelt worden, die auch von ausländischen Jugendlichen in Anspruch genommen werden.

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Merk?

Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass das Interesse junger ausländischer Menschen in Richtung einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst in der Tat sehr schwach ist.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Interesse der Deutschen am öffentlichen Dienst insgesamt groß ist, frage ich Sie: Welche Möglichkeiten sehen Sie, beispielsweise im Zusammenhang mit dem schulischen Angebot Interesse an einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst zu wecken?

Herr Bartling!

Frau Kollegin, ich halte insbesondere eine Verstärkung der Werbemaßnahmen in diesem Bereich für eine Möglichkeit, das Interesse stärker zu wecken. Nehmen wir als Beispiel einmal den Bereich der Polizei, wo wir durchaus gerne Menschen auslän

discher Herkunft beschäftigen würden. Ich halte es für das zurzeit einzig realistische und Erfolg versprechende Vorgehen, für diesen Bereich mit gezielten Werbemaßnahmen Nachwuchskräfte zu gewinnen.

Abgesehen davon müssen wir mit unseren Integrationsmaßnahmen weiterhin die Voraussetzungen dafür schaffen, dass ausländische Mitbürger den Sekundarschulabschluss I oder gar die Fachhochschulreife erwerben können, um eine Zugangsmöglichkeit zum öffentlichen Dienst zu erhalten. Darüber hinaus müssen wir unsere Bemühungen verstärken, die sprachlichen Fertigkeiten der ausländischen Mitbürger zu verbessern. Dies halte ich im Übrigen für die wesentliche Voraussetzung unserer Integrationsarbeit insgesamt.

Im Rahmen dieser Maßnahmen eröffnen sich Möglichkeiten, Interesse für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst zu wecken.

Mir liegen keine Erkenntnisse über den Grund für diese Differenz zwischen den Interessen deutscher Jugendlicher und ausländischer Jugendlicher, speziell was den öffentlichen Dienst betrifft, vor. Aus meiner Sicht wären Werbemaßnahmen im Moment der einzige konkrete Ansatzpunkt.

Weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen nicht vor.

Es ist jetzt 10.54 Uhr. Damit ist die Fragestunde beendet. Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die nicht mehr aufgerufen werden können, werden nach § 47 Abs. 6 der Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben. Ich bitte daher die Mitglieder der Landesregierung, die Antworten jetzt an der Bank der Landtagsverwaltung abzugeben, sofern das noch nicht geschehen ist.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 4 aufrufe, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4: 34. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben Drs. 14/2650 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2694 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2695