Protokoll der Sitzung vom 24.10.2001

Wir haben uns immer dafür ausgesprochen, eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz zu machen. Wir haben uns bei der Visumerteilung für ein Verfahren mit Fingerabdruck ausgesprochen. Es ist geradezu unverständlich, dass Niedersachsen im Gegensatz zu anderen Bundesländern bisher keine Regelanfrage vor Einbürgerungen durchgeführt hat. Dies hat in der Praxis ein großes Sicherheitsrisiko dargestellt. Bayern hat seit 1998 aufgrund dieser Regelanfrage 200 ausländische Extremisten nicht eingebürgert.

Vielmehr hat Rot-Grün in Deutschland von einem so genannten Gesinnungs-TÜV gesprochen, als Bayern diese Regelanfrage praktiziert hat. Ich finde es gut, dass Sie jetzt auch sagen: „Wir machen das.“ Sie machen es bei den Angehörigen von 23 Staaten - nach meiner Meinung sollte man es bei allen machen -, aber immerhin fangen Sie jetzt an, es zu machen.

Ich finde es auch ungewöhnlich, wie bis in konservative Medien hinein inzwischen alle so tun, als hätten sie es immer gewusst. Für mich ist es beispielsweise ganz interessant, dass heute vor einem Jahr, exakt auf den Tag genau, in der Neuen Osnabrücker Zeitung stand: „CDU für Asylcard und Fingerabdrücke - Wulff: Betrug verhindern“. Diese Forderung hat selbst in der konservativen Welt dazu geführt, dass ich dort ausnahmsweise einmal die Note „5“ bekommen habe - da gibt es ja immer diese Bewertung, bei der Herr Gabriel ja auch häufiger schlecht weggekommen ist -, weil diese Forderung sozusagen bürokratisch und nicht notwendig sei.

Aber jetzt, ein knappes Jahr später, schreibt die Welt in ihrer Kommentierung:

„Dass die deutsche Innenpolitik erst 6.000 Tote in Amerika braucht, um sich Gedanken über zuverlässigere Identitätsverfahren im Visaverkehr und bei Aufenthaltsgenehmigungen zu machen, ist ein Skandal. Angesichts des vieltausendfachen Missbrauchs von fragwürdigen Pässen und Einreisedokumenten, über den die Polizei seit Jahren klagt, ist Schilys Vorstoß

für eine Fingerabdruckregistratur ein wenn auch später, so doch um so wichtigerer Vorstoß für eine neue Weltinnenpolitk.“

Ich bin froh, dass die Welt, die SPD und andere jetzt auf unseren Vorschlag eines Fingerabdrucks im Rahmen des Visaverfahrens eingehen und ihn aufgreifen.

Aber es ist dann schon etwas verwegen, wenn der Ministerpräsident eben in seiner Rede sagte, er hoffe, dass man in Berlin auf den niedersächsischen Vorschlag von Herrn Pfeiffer und Herrn Bartling eingehen werde, dies einzuführen. Ich kann nur sagen, es ist ein niedersächsischer Vorschlag, aber sicherlich nicht einer der SPD. Wir sagen Ihnen unsere Unterstützung zu. Also wird es auch beschlossen werden. Das werden Sie dann ja wohl hinbekommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wir sehen mit großer Sorge, dass einerseits gesagt wird „Zuwanderung begrenzen, steuern, Ausweisung erleichtern“ und dass andererseits die SPD und die Grünen in den letzten Tagen im Europäischen Parlament einer Richtlinie zugestimmt haben, die die Zuwanderung erleichtert, die die Mindestnormen im Asylverfahren und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft absenkt. Das würde dazu führen, dass die Drittstaaten- und die Flughafenregelung sowie verfahrensbeschleunigende Maßnahmen abgeschafft würden. Wir können nur hoffen, dass Herr Schily und Herr Schröder diese Richtlinie im Ministerrat ablehnen werden. Aber dass SPD und Grüne im Europäischen Parlament dieser Richtlinie des portugiesischen Kommissars Vitorino zugestimmt haben, zeigt wiederum einen großen Widerspruch zwischen dem, was man hier deklariert, und dem, was man anderswo tut.

Das ist der Punkt: Uns fehlt bei Ihrem Blick zurück die Selbstkritik, und uns ärgert die Larmoyanz beim Blick nach vorn. Sie definieren und haben die Definitionsmacht, und danach legen Sie die Elle an.

Das gilt dann auch für das von Ihnen angesprochene Thema des Einsatzes der Bundeswehr im Inland. Ich bin sehr dafür, dass man die Aufgaben von Polizei und Bundeswehr strikt trennt, dass man versucht, innere und äußere Sicherheit so strikt wie irgend möglich voneinander abzugrenzen. Aber ich jedenfalls sehe bei näherer Befassung mit diesem

Thema ganz klaren Handlungsbedarf. Wir müssen sehen, dass die Aussage des Ministerpräsidenten von heute nicht haltbar sein wird. Er hat hier unter Zitierung der Süddeutschen Zeitung vorgetragen, dass die heute gegebene Grenzziehung nicht variabel sei, sozusagen je nach innenpolitischer Stimmungslage, sondern dass sie konstitutiv für unser Verfassungsverständnis sei.

Uns vorzuwerfen, wir würden irgendwelcher Stimmungslage folgen, ist ja nun wahrlich abwegig. Das gilt sicherlich für andere. Aber wir sehen eben, wie heute die Situation der Bundeswehr ist. Sie kann bei innerem Notstand, bei eingetretenen Katastrophen und im Spannungsfall eingesetzt werden - jeweils mit Parlamentsvorbehalten.

Hier kann ich nur sagen: Es gibt eine Reihe von Aufgaben, bei denen die Bundeswehr theoretisch die Möglichkeit haben muss, unterstützend zu helfen, und das muss mit einem Bundeswehraufgabengesetz klar geregelt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1994 in seiner damaligen Entscheidung gesagt, der Bundestag solle in einem Bundeswehraufgabengesetz diese Fragen regeln, weil Deutschland in seiner Verfassungsgeschichte fast überall den Parlamentsvorbehalt kennen würde.

Wenn ich weiß, dass sich der Terrorist Atta, der in den einen Tower in New York geflogen ist, vor zwei Jahren in Hangelar bei Bonn einen Piloten gemietet hat, dort von dem Flugplatz gestartet ist, von dem aus auch die Bundesregierung geflogen ist und auf dem der Bundesgrenzschutz stationiert ist, und über die Raffinerie in Köln-Wesseling, über den Kölner Dom - als einem Symbol des Christentums - geflogen ist, zur Hardthöhe geflogen ist, unserem Pentagon, dann über das Bundeskanzleramt und anschließend wieder in Hangelar gelandet ist, wenn ich weiß, dass diese Erkenntnisse vorliegen, dass dieser Terrorist diesen Flug unternommen hat, dann trifft es zwar zu, dass wir glücklicherweise keinerlei Anhaltspunkte dafür haben, dass in Deutschland irgendwo irgendetwas passieren wird. Aber für den Fall, dass in Deutschland irgendwo etwas durch einen dieser „Schläfer“ passiert, von denen z. B. gestern jemand mit ABC-Schutzanzug und mit einem Testament - ähnlich der Testamente und Abschiedsbriefe, wie sie in Amerika gefunden wurden - festgenommen wurde, möchte ich gern, dass für diesen Fall zum Schutz bestimmter ziviler Objekte theoretisch auch die Bundeswehr eingesetzt werden kann, ohne dass

die Katastrophe bereits eingetreten ist, ohne dass ein Verteidigungsfall vorliegt und ohne dass der innere Notstand gegeben ist.

Ich habe einen Vermerk des Verteidigungsministeriums vorliegen, den ich Ihnen gern zur Verfügung stelle. Daraus ergibt sich, dass die Bundeswehr heute eigentlich nichts darf. Die Soldaten der Bundeswehr dürfen ausschließlich als Wachsoldaten Einheiten der Nato bewachen. Aber wenn ein Soldat vor einer amerikanischen Einrichtung in Frankfurt oder in Ramstein eine Person nach der Identität fragen will, darf er das nicht. Personenüberprüfung - unzulässig! Durchsuchung, Beschlagnahme - unzulässig!

(Frau Harms [GRÜNE] schüttelt den Kopf)

- Ich stelle auch Ihnen das gern zur Verfügung. Ich sage das, weil Sie so mit dem Kopf schütteln.

Wenn für Chemieanlagen, Raffinerien usw. erhöhter Schutz zur Bewahrung und Erhöhung der inneren Sicherheit erforderlich sein würde, dann will ich, dass ein Soldat dann, wenn er dort im Einzelfall bei zivilen Objekten durch Votum der parlamentarischen Mehrheit eingesetzt würde, auch Personenidentitäten feststellen kann, Autos durchsuchen kann und dann, wenn er eine Waffe findet, sie auch beschlagnahmen kann. Das - so finde ich - ist nicht zu viel verlangt.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Haben Sie schon einmal etwas vom Jedermannrecht gehört?)

- Ja, ich kann Ihnen das vorlesen:

„Das sogenannte Jedermannrecht zur vorläufigen Festnahme auf frischer Tat betroffener Straftäter bleibt hiervon unberührt.“

(Zuruf von Frau Harms [GRÜNE])

- Ich lese es Ihnen bis zu Ende vor:

„Bundeswehrsoldaten könnten also unter diesen rechtlichen Vorzeichen auch verdächtige Personen festnehmen, die auf frischer Tat betroffen sind.“

Wenn einer also die Waffe nicht im Kofferraum hat, sondern mit der Waffe vor der Brust auf die Anlage zuläuft, dann kann nach Jedermannrecht

auch der Soldat - auf frischer Tat, nach § 127 StPO - festnehmen.

Herr Plaue, Sie sollten sich wirklich zu schade dafür sein, dieses Jedermannrecht hier für die Fragen einzuwerfen, über die ich hier gerade gesprochen habe. Dazwischen liegen Welten!

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Plaue [SPD])

Damit Sie wieder auf den Teppich zurückkommen: Es wird so sein wie bei allen Fragen, zu denen wir heute viel gehört haben. Sie werden vehement dagegen sein, Sie werden den Teufel an die Wand malen, Sie werden beschimpfen und von „Militarisierung der Gesellschaft“ reden. Wenn dann der ganze Nebel verzogen ist - wie bei den anderen Themen auch -, dann werden Sie es machen, werden es mit beschließen. Insofern wird es auf den Weg gebracht werden.

Es gibt eben Situationen, in denen die Polizei allein die innere Sicherheit nicht mehr gewährleisten kann. Denken wir an Gefahren durch biologisch-chemische Waffen oder an entführte Flugzeuge, die als Waffen eingesetzt werden. Die Polizei hat nun einmal keine Abwehrmittel gegen Biowaffen. Für diese Aufgaben bräuchten wir die Bundeswehr, und wir müssen die Voraussetzungen für den Einsatz der Bundeswehr im Innern schaffen.

Ich jedenfalls fordere die Landesregierung auf, diese unsere Landtagsinitiativen, die ich hier aufgeführt habe, zu erwägen, sie nicht abzulehnen, sondern sie zu beschließen, weil wir nicht vor der Alternative stehen „mehr Sicherheit oder mehr Freiheit“, sondern wir brauchen für mehr Sicherheit und für mehr Freiheit die Verzahnung dieser beiden Dinge, die sich gegenseitig bedingen.

Lassen Sie mich am Schluss eines sagen, was mir auch nicht ganz unwichtig ist. Wir als Opposition in Berlin und in Hannover stehen in diesen Fragen zu unserer Verantwortung. Darauf ist zu Recht hingewiesen worden. Wir sind dafür gelobt worden, aber wir hatten es auch wahrlich verdient; denn eine solche Opposition haben wir nie gehabt. Als Kuwait als vom Irak okkupiertes Land befreit wurde, haben Sie hier Demonstrationen gegen unsere Bundesregierung angezettelt und Debatten geführt, die Sie einmal nachlesen sollten.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben gegen die Nato, gegen Amerika usw. gewettert und Emotionen geschürt. Wir begrüßen, dass das vorbei ist. Aber seien Sie sich bewusst, dass Sie es mit einer besseren, einer staatstragenderen Opposition zu tun haben, als wir sie damals hatten.

(Frau Harms [GRÜNE]: Die Qualität dieser Opposition wird aber schon lange nicht mehr wahrgenommen!)

Das gilt auch für die nächsten CASTORTransporte. Wir haben nicht die Chuzpe gehabt, zu sagen, dass CASTOR-Transporte brandgefährlich seien, dass CASTOREN - wie Frau Griefahn hier gesagt hat - in besseren Tennishallen gelagert würden, in unsichere Zwischenlager transportiert würden, um nach dann nach der Wahl, als ein RotGrüner da oben auf der Lok sitzt, zu sagen, dass die CASTOR-Behälter völlig sicher seien, dass es keine Probleme gebe, dass die Hallen sicher seien und dass die CASTOR-Transporte durchgeführt würden. Wir bauen nicht nur eine dieser Hallen in Deutschland, nein, 17 Stück bauen wir davon, weil die angeblich so sicher sind.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Was haben Sie sich als Opposition auf solchen Feldern geleistet, als Sie damals gegen die CASTOR-Transporte zu Felde gezogen sind. Haben Sie sich den Herrn Schröder angeschaut, als er bei den Kernkraftgegnern in Dannenberg war? - Frau Harms, Ihre Leute sind Ihnen weggelaufen, weil die gesagt haben: Wir gehen lieber weg, als mit diesen Wendehälsen gemeinsam Politik zu betreiben. - Bleiben wir auf dem Teppich, bleiben wir auf dem Teppich!

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Sie können sich auf uns als Opposition in Hannover und Berlin verlassen. Aber es wäre erfreulich, wenn künftig bei Debatten über äußere und innere Sicherheit auch die Gemeinsamkeit erkennbar wäre, die hier heute möglich geworden ist. Wir werden sehr genau darauf achten, dass diese Absichten von Innerem getragen und konsequent umgesetzt werden.

(Starker, lang anhaltender Beifall)

Herr Kollege Plaue, Sie haben das Wort.

(Zurufe von der CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht wäre es in der Tat an der Zeit, dass Sie wieder auf den Teppich herunterkommen,

(Zurufe bei der CDU)

weil der Anlass für das, worüber wir heute diskutieren, ernsthaft genug ist, sodass wir versuchen sollten, den Stil der Auseinandersetzung dem Ernst der Situation entsprechend zu organisieren.

(Beifall bei der SPD)