Das alles, sehr verehrter Herr Kollege und meine Damen und Herren, wird nämlich von uns erwartet. Von uns wird erwartet, dass wir an dieser Stelle unsere Pflicht tun und nicht dumm herumlabern und dazwischenrufen.
Es wird auch noch sehr viel mehr von uns erwartet. Es wird auch von uns erwartet, dass wir dafür sorgen, dass bei allen Vorsichtsmaßnahmen, die wir treffen, nicht Angst und Panik das Leben in unserem Land regieren, dass jede einzelne Vorsichtsmaßnahme verhältnismäßig ist, dass wir die Freiheit - auf die wir mit Recht stolz sind - nicht weiter einschränken, als es unbedingt nötig ist, und dass die Bedrohungsszenarien, die da aufgebaut werden, nicht die wirtschaftliche Konjunktur in unserem Lande bedrohen. Das ist unsere Aufgabe, die wir als Politikerinnen und Politiker haben. Mit „wir“ meine ich alle politischen Kräfte in unserem Staat, die diese Verantwortung angenommen haben.
Wenn wir dieser umfassenden Verantwortung gerecht werden wollen, muss jede Maßnahme sehr sorgfältig abgewogen werden. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden - das ist der entscheidende Punkt -, dürfen diese Vorschläge auch nicht eigennützigen parteipolitischen Zwecken dienen.
Stilfragen werden von uns gelegentlich vergessen. Aber ich glaube, dass sie an dieser Stelle besonders wichtig sind. Deswegen ist es vernünftig - ich begrüße das ausdrücklich -, dass die Opposition auf Bundesebene in diesem Punkt mit der Bundesregierung und mit der Bundestagsmehrheit zusammenarbeitet und deutlich macht, dass alle gemeinsam diese Verantwortung tragen.
Wir alle wissen, dass unser Umgang mit den politischen Themen zu der Politikverdrossenheit beigetragen hat, die wir heute bei den Wählerinnen und Wählern und deren Wahlverhalten manchmal überraschend zur Kenntnis nehmen müssen. Manche böse Überraschung dabei hat ja nicht nur uns, sondern insbesondere auch Sie betroffen. Wir alle müssen aufpassen, dass unser Umgang miteinander nicht zu weiterem Vertrauensverlust führt. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Menschen uns vertrauen und uns zutrauen, mit der Lage in der Welt und mit der Gefährdung für unsere Gemeinschaft verantwortungsvoll umzugehen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich unsere Bürgerinnen und Bürger in ihrer Besorgnis allein gelassen
fühlen, weil wir Politiker in ihren Augen nichts Besseres zu tun haben, als uns gegenseitig zu beschimpfen.
- Was ich gemacht habe, Herr Kollege, will ich Ihnen sagen: Ich habe auf die Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden reagiert. Wenn er anders geredet hätte, dann hätte ich auch anders geredet. Das ist doch wohl logisch.
Damit meine ich nicht - damit das hier nicht falsch verstanden wird - unsere unterschiedlichen Standpunkte in der Sache, von denen es, wenn wir ehrlich bleiben, gar nicht so viele gibt. Die Diskussion unterschiedlicher Standpunkte ist wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie. Aber wir sollten diese Diskussion so führen, dass ein sachlicher Abwägungsprozess daraus wird. Wenn wir uns darauf einigen können, meine Damen und Herren, dann wird es auch 2003 keine Partei in diesem Landtag geben, deren Namen und Programm auf eine einzige Person fixiert ist, es sei denn, andere sind bereits auf diesem Weg.
- Ich habe von 2003 geredet, Herr Kollege. So viel Aufnahmefähigkeit und intellektuelle Fähigkeit traue ich sogar Ihnen zu.
Ich glaube im Übrigen nicht, Herr Kollege Wulff und meine Damen und Herren, dass die Annäherung an die Positionen des Herrn Schill seinen Erfolg in Niedersachsen verhindern werden. Ich bin davon überzeugt, dass nur eine deutliche Abgrenzung gegenüber seinen populistischen Maximalforderungen und ein entschlossenes Verteidigen unserer rechtsstaatlichen Gesellschaftsordnung den Vormarsch dieser Partei verhindern können. Dazu können Sie einen großen Beitrag leisten.
Frau Kollegin Harms, Sie haben in den letzten Tagen kein Hehl daraus gemacht, dass Sie gegenüber den sicherheitspolitischen Positionen Ihrer Fraktionskollegen in Berlin und Ihrer Bundespartei Unbehagen empfinden. So ist das jedenfalls bei mir angekommen. Wenn ich die eine oder andere Presseinformation oder öffentliche Äußerung von
Sie versuchen in Niedersachsen einen Spagat, wenn Sie sich einerseits für die Einführung der Rasterfahndung und deren Notwendigkeit zur Terrorismusbekämpfung aussprechen, andererseits aber die Eingriffsschwelle für die Polizei so hoch ansetzen, dass ein effektiver Einsatz gar nicht mehr möglich wäre. Bei allem Verständnis für die schwierige Situation in der Partei – ein „Ja, aber“ ist kein Ausweg aus dieser Situation. Wer regierungsfähig sein will, muss entscheidungsfähig sein, und er muss auch bereit sein, dafür Verantwortung zu übernehmen, so hart das manchmal ist.
Im Übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, dass die Grünen keinen Alleinvertretungsanspruch für bestimmte politische Überzeugungen haben. Auch Sozialdemokraten ist pazifistisches Gedankengut nicht fremd. Auch in meiner Partei gibt es Bestrebungen, eine multikulturelle Gesellschaft zu prägen. Beides kann sich eine freiheitliche und demokratische Gesellschaft mit Erfolg aber nur bei entsprechenden Rahmenbedingungen leisten.
Die Rahmenbedingungen für das friedliche Zusammenleben der kulturellen und religiösen Gemeinschaften haben sich vor sechs Wochen dramatisch verändert. Nicht wir haben diese Rahmenbedingungen verändert, sondern fundamentalistische und terroristische Vertreter einer religiösen Gemeinschaft, die in der Vergangenheit von unserer offenen und freien Gesellschaft profitiert haben. Sie bekämpfen unsere Gesellschaft und unsere Freiheit. Ebenso wie uns sollte Ihnen zu denken geben, dass einige religiöse und kulturelle Gemeinschaften, die Sie, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, in ihrem Freiheitsanspruch schützen möchten, in ihren eigenen Einflussbereichen häufig nichts von freier und offener Gesellschaft wissen wollen. Ich denke dabei nicht nur an das menschenverachtende Beispiel der Unterdrückung von Frauen und Mädchen durch das Taliban-Regime in Afghanistan.
Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass die westliche multikulturelle Gesellschaft stark von Frauen, z. B. aus Pakistan, geprägt ist, die bis auf Sehschlitze völlig verschleiert sind und die – ich will mich vorsichtig ausdrücken – nicht den Eindruck freier und selbstbewusster Frauen erwecken.
Zu einer solchen Debatte gehört auch der Hinweis, dass das nicht das Bild von der multikulturellen Gesellschaft sein kann, für die wir eintreten.
Für die Bürgerinnen und Bürger unserer Kultur sind Freiheitsrechte ein hohes Gut. Aber der Bundesinnenminister Otto Schily hat Recht, wenn er sagt, Freiheit und Sicherheit gehörten zusammen. Menschen, die sich bedroht fühlen, sind nicht frei. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes - dazu gehören auch die Wählerinnen und Wähler von Bündnis 90/Die Grünen – verlangen von uns den Schutz vor Kriminalität und Terror, den Schutz ihres Lebens und ihrer Unversehrtheit. Das sind Grundrechte und Bürgerrechte, für deren Wahrung notfalls auch die Einschränkung anderer Rechtsgüter in Kauf genommen werden muss. Für uns ist es - das sage ich ganz ausdrücklich - selbstverständlich, dass diese Einschränkung nur anlassbezogen und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit erfolgen darf. Es gehört zum Selbstverständnis einer selbstbewussten Politik, dass man nach einer bestimmten Zeit einmal überprüft, ob die beschlossenen Maßnahmen wirksam gewesen sind, ob sie noch angemessen sind, und dass man sie nötigenfalls wieder abschafft. Auch das gehört dazu, wenn man anständig Politik machen will.
Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich die Maßnahmen, die von der rot-grünen Bundesregierung in beispielhafter Zusammenarbeit mit den Oppositionsfraktionen unverzüglich auf den Weg gebracht worden sind. Das gilt im Übrigen auch für die Maßnahmen, die der Bundesinnenminister derzeit mit einem zweiten Sicherheitspaket plant.
wer dies als Monstranz vor sich herträgt, Herr Kollege Möllring, der lässt eine gefährliche Sicherheitslücke. Sowohl bei der Rasterfahndung, bei der es darum geht, dem Terrorismus das wichtigste Schmiermittel, das dem Terrorismus - im Augenblick jedenfalls - hilft, nämlich das Kapital, zu entziehen, als auch bei den anderen Möglichkeiten, die wir haben und brauchen, darf das Bankgeheimnis Gesetzesbrecher nicht schützen. Dafür ist es nicht geschaffen worden.
Ich habe deshalb überhaupt kein Verständnis dafür, dass manche Politiker, aber auch Journalisten und Wirtschaftsvertreter bei der Forderung nach Einschränkung von Bürgerrechten überhaupt nicht schnell genug sein können, aber ausgerechnet beim Bankgeheimnis die heftigsten Bauchschmerzen haben. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Das Argument, es könnte dabei vielleicht der eine oder andere Steuerhinterzieher aufgedeckt werden, treibt mir langsam die Zornesröte ins Gesicht. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Millionen aufrechten und gesetzestreuen Bürgerinnen und Bürger, die brav ihre Steuern zahlen und die als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überhaupt keine Chance haben, in einer solchen Weise Geld am Fiskus vorbei zu mogeln. Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass dies sozusagen als Monstranz vor uns hergetragen wird.
Letztlich bleibt festzustellen: Niedersachsen ist ein sicheres Land mit einer sehr hohen Lebensqualität für seine Bürgerinnen und Bürger. Hierfür spricht die exzellente Kriminalstatistik. SPD-Fraktion, Landesregierung und Bundesregierung tun das Mögliche, das Machbare und das Erforderliche dazu, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Wir haben zum richtigen Zeitpunkt für die Rahmenbedingungen gesorgt, die den hohen Standard an innerer Sicherheit in Niedersachsen erhalten und festigen werden. Ich brauche auf die einzelnen Punkte nicht mehr einzugehen.
Die Entscheidungen, die wir mit dem Doppelhaushalt 2002 und 2003 treffen werden und über die wir bereits in den Fachausschüssen diskutieren, werden dazu führen, dass die innere Sicherheit in Niedersachsen eine noch größere Bedeutung bekommt, als sie ohnehin schon hat. Alle Maßnah
men – auch das will ich klar und deutlich sagen – werden sich an der aktuellen Sicherheitslage orientieren. Sie sind zielgerichtet und zweckorientiert. Das Land wird weiterhin in der Lage sein, das Recht der Bürger auf Sicherheit und Schutz vor Kriminalität zu gewährleisten. Gleichzeitig wird Niedersachsen in der Lage sein, seinen Beitrag zu leisten, damit die vorbeugende Verbrechensbekämpfung gegen religiöse, fanatische, extremistische und verfassungsfeindliche Bestrebungen vorangebracht werden kann.
Wir wollen – auch das, meine ich, sollten wir gemeinsam vereinbaren – das tolerante und weltoffene Niedersachsen bleiben, das wir sind, ein Land, in dem alle willkommen sind, die friedlich miteinander leben wollen, ein Land, in dem unterschiedliche Kulturen ihren Platz finden, seien sie aus niedersächsischer oder fremder Tradition heraus entstanden.
Wir haben im letzten Jahr gezeigt, wie fröhlich wir mit Menschen aus anderen Nationen und Kulturkreisen reden, arbeiten und feiern können. Viele Menschen denken noch immer mit großer Freude und auch mit Wehmut an die Monate auf dem EXPO-Gelände. Millionen von Menschen unterschiedlichster Glaubensrichtungen und weltanschaulicher Überzeugungen haben einander akzeptiert und respektiert. Es gab und gibt eine große Sehnsucht nach dieser großen friedlichen Völkergemeinschaft. Meine Damen und Herren, lassen wir uns diese Sehnsucht nicht durch verrückte Terroristen kaputt machen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns allen – ich glaube, über diese Einschätzung besteht Einvernehmen – hat der Massenmord in den Vereinigten Staaten vor Augen geführt, wie verwundbar die moderne Welt, unsere Welt ist. Wir müssen uns auf diese uns nun bekannte Bedrohung einstellen. Dabei muss meiner Meinung nach aber immer bewusst bleiben, dass es eine lückenlose Sicherheit nicht gibt. Die Aufgabe des Staates ist es, dafür zu sorgen, dass das Risiko terroristischer
Angriffe so klein wir möglich gehalten wird und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden. Der Staat hat dabei die Pflicht, Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger nicht unverhältnismäßig einzuschränken. Dabei gehen wir als grüne Landtagsfraktion davon aus, dass die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik, die eindeutig auf Gewaltenteilung und Kontrolle beruht, historisch sehr gut begründet ist und sich bewährt hat.
Für uns geht es um die Entwicklung und nicht um den Abriss dieser Architektur. Wer sich darauf versteift, dass Datenschutz gleich Täterschutz ist, oder wer permanent, wie auch heute hier, Herr Wulff, danach ruft, dass der Einsatz der Bundeswehr im Inneren ermöglicht werden muss, hat meiner Meinung nach unseren modernen Rechtsstaat nicht verstanden und mit diesem modernen Rechtsstaat wenig im Sinn.