Protokoll der Sitzung vom 14.11.2001

Tiergesundheitsplans stärker in den Vordergrund rücken müssen.

Herr Oestmann, ich will noch auf Ihren Zwischenruf, dass die Tiere im Öko-Landbau auch nicht gesünder sind, antworten. Seit einem Jahr haben wir einen neuen Schweinestall, noch nicht einmal war der Tierarzt da. Ich sage nur: Insofern sind die Tiere mit Sicherheit gesünder.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen mit diesem Antrag die Landwirtschaft unterstützen. Wir wollen mit diesem Antrag die Verbraucher schützen und die Interessen der Menschen vertreten. Wir wollen mit diesem Antrag Minister Bartels unterstützen, den eingeschlagenen Weg fortzuführen. Wir wollen ferner, dass Niedersachsen aufgrund dieser Maßnahmen Agrarland Nr. 1 bleibt. Nur eine wirksame Kontrolle kann Antibiotika als eine der schärfsten Waffen in der Medizin erhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Änderungsantrag der CDU, der eben vorgelegt wurde, wird die SPD-Fraktion ablehnen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Kethorn. Bitte schön, Herr Kethorn!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns im Unterausschuss „Verbraucherschutz“ und im Fachausschuss, dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, intensiv über den angesprochenen Antrag unterhalten. Ich darf durchaus zugestehen, dass wir in vielen Punkten Übereinstimmung gefunden haben, was den Ursprungsantrag der SPD-Fraktion angeht. Wir haben in ebenso vielen Punkten keinen Konsens mit der Regierungsfraktion gefunden, sodass wir schon im Ausschuss und heute, gerade verteilt, einen Änderungsantrag vorgelegt haben, über den ich auch noch sprechen möchte.

Herr Stolze, Sie haben eben gesagt, wir seien nicht lernfähig. Ich würde das umkehren und sagen: Sie sind nicht lernfähig.

(Beifall bei der CDU)

Sonst hätten Sie auf all die guten Gründe, die wir im Fachausschuss und im Unterausschuss vorgetragen haben, reagiert. Denn das, was wir dort vorgetragen haben, ist die Erkenntnis aus der Anhörung, die auf unsere Initiative hin im Fachausschuss hat stattfinden können. Daraus werde ich noch zitieren.

Erlauben Sie mir, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass ich noch einmal kritisch anmerke, dass wir in der ersten Beratung, als der Antrag eingebracht wurde, zu dem Antrag nicht ausführlich haben Stellung nehmen können, weil damals andere Themen im Mittelpunkt der Diskussionen gestanden haben.

Zunächst möchte ich die Überschrift zu dem Entschließungsantrag ansprechen, die jetzt - dies ist auch richtig so - geändert worden ist. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrages und der Debatte über den Antrag, also zum Höhepunkt des BSE-Krise, haben Sie, die Vertreter der SPDFraktion, mit den Gefühlen, mit den Emotionen, ja mit den Ängsten und Sorgen der Verbraucherinnen und Verbraucher gespielt, und dies ist unredlich.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Jetzt geht es aber wirklich los!)

- Dies ist so. - Bei der Überschrift, die Sie formuliert haben, nämlich „Gesundheitsschutz durch Verzicht auf Hormonpräparate und Antibiotika in der Tierhaltung“, fehlt die Seriosität, und es fehlt auch die Sachlichkeit.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Völlig unqualifiziert, was Sie da re- den!)

Sie haben letztendlich, Herr Plaue, gerade in dieser sehr heißen Phase zur Verunsicherung der Verbraucher beigetragen.

(Plaue [SPD]: Sie setzen auf ein kur- zes Gedächtnis der Leute!)

Unser Beitrag muss aber sein, Herr Plaue, verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückzuholen, und unser Beitrag darf nicht sein, durch solche Überschriften, wie Sie sie formuliert haben, zusätzlich zur Verunsicherung beizutragen.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie setzen auf das kurze Gedächtnis! Genau das werfen Ihnen die Verbrau- cher vor!)

Herr Plaue, Sie haben „Gesundheitsschutz durch Verzicht auf Hormonpräparate“ formuliert. Damit wird doch letztendlich suggeriert, Hormonpräparate dürften eingesetzt werden. Aber, meine Damen und Herren, nach geltendem Recht dürfen Hormonpräparate eben nicht eingesetzt werden. Sofern ein solcher Einsatz erfolgt - dann natürlich illegal -, muss diese Sache strafrechtlich verfolgt werden. Ich kann an dieser Stelle an die Vertreter der Regierungsfraktion nur appellieren: Führen Sie einen ehrlichen und einen sachlichen Umgang in diesen sehr sensiblen Dingen.

(Plaue [SPD]: Dann sollten Sie damit anfangen!)

Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion, haben weiter formuliert: „Gesundheitsschutz durch Verzicht auf... Antibiotika in der Tierhaltung“. Eine solche Forderung kann ich nicht unterstützen. Denn die Veterinärmedizin kann auf Antibiotika und auf antimikrobielle Wirkstoffe ebenso wenig wie die Humanmedizin verzichten. Schließlich haben Tiere genauso wie Menschen mit bakteriellen Infektionen zu kämpfen, und solche kranken Tiere müssen auch behandelt werden. Ich hoffe, darin besteht zwischen uns Einigkeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch dies ist in der Anhörung deutlich geworden: Nur gesunde Tiere können hygienisch einwandfreie Lebensmittel und Produkte liefern.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen zweiten Punkt - ich will es einmal so sagen - der waghalsigen und auch irreführenden Forderung in der Überschrift zurückkommen. Wir haben beim Einsatz von Antibiotika in der Tiermast auch immer den Zusammenhang mit Resistenzen in der Humanmedizin gesehen. In der Anhörung, die wir durchgeführt haben, haben Experten u. a. deutlich gemacht - ich zitiere jetzt -, „dass es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass die menschliche Gesundheit selbst dann, wenn schlagartig jeder Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe im Veterinärbereich unterbunden würde, davon profitieren würde, wohingegen die tierische Gesundheit dadurch erheblich beeinträchtigt würde, und als Folge davon würde auch die menschliche Gesundheit negativ beeinflusst.“ Also genau das Gegenteil von dem, was Sie im Ausschuss und auch heute vorgetragen haben, sagen die Experten. Diese Äußerung der

Experten in der Anhörung ist auch insoweit verständlich, als man auch in der Anhörung darauf zurückgekommen ist. Es wurde nämlich gesagt, dass die Verbrauchsmengen von Antibiotika, wenn man sie pro Kilogramm Körpergewicht betrachtet, in der Tiermedizin 54 mg pro kg Körpergewicht beträgt, während es in der Humanmedizin 240 mg pro kg Körpergewicht sind, also das Fünffache dessen, was in der Tiermedizin verabreicht wird.

Meine Damen und Herren, um nicht missverstanden zu werden: Wir wollen das Problem der Resistenz absolut nicht kleinreden.

(Brauns [SPD]: Das machst du aber sehr!)

Auch wir wollen die Verbrauchsmengen, ob in der Veterinärmedizin oder in der Humanmedizin, drastisch reduzieren.

Ich komme nun auf den Punkt antibiotische Leistungsförderer zu sprechen. In den letzten Jahren sind auf EU-Ebene, wie Sie wissen, bis auf vier Substanzen alle anderen Substanzen verboten worden. Wir sind sehr wohl dafür, dass auch die vier übrig gebliebenen Substanzen EU-weit verboten werden. Nicht zulassen können wir jedoch - wie es in Ihrem Antrag unter Nr. 1 deutlich geworden ist -, gegebenenfalls auch einen nationalen Alleingang unternehmen zu wollen. Diesen Antrag können wir nicht unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn diese Substanzen nur hier und nicht EU-weit verboten werden, dann werden die Produkte aus dem EU-Ausland wieder hierher importiert und ist der Verbraucher überhaupt nicht sicherer als vorher, Herr Klein. Das werden wir nicht zulassen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Regierungsfraktion hat hier einen umfangreichen Forderungskatalog vorgelegt. In einigen Punkten haben wir nicht nur Unterstützung signalisiert, sondern wir haben diese Unterstützung bereits bei den Beratungen im Ausschuss dokumentiert.

Beispielsweise unter Nr. 5 der Beschlussempfehlung soll die Landesregierung aufgefordert werden, sich dafür einzusetzen, dass das Verbleiben der Ferkel beim Muttertier über die zurzeit übliche Zeitspanne von „über drei Wochen“ auf mindestens fünf Wochen vorgeschrieben wird. Meine sehr

verehrten Damen und Herren, auch das haben wir in der Anhörung thematisiert. Die Experten haben dabei eindeutig zu verstehen gegeben, dass die Behauptung, dass die Immunreaktion der Ferkel durch einen längeren Verbleib beim Muttertier verbessert würde, durch nichts belegt sei. Wenn Experten uns dies vortragen, warum wollen Sie dann so starrsinnig sein und bei Ihrer Ursprungsforderung bleiben, zumal vor dem Hintergrund, dass auf EU-Ebene jetzt eine Richtlinie verabschiedet worden ist, nach der ein Zeitraum von vier Wochen vorgegeben wird? Dann sollten wir auch hier nicht wieder einen Sonderweg beschreiten, wie Sie es jetzt wieder vorhaben, meine Damen und Herren.

Unter einem weiteren Punkt fordern Sie die Einzeltierbehandlung. Mit den Forderungen unter Nr. 6 wollen Sie die Transportbedingungen verändern. Sie wollen vor allem den Ferkeltourismus beenden. Wir haben dazu für die Praxis handhabbare, praktikable Vorschläge gemacht, die Sie aber nicht unterstützt haben. In der Anhörung haben die Experten aber immer wieder deutlich gemacht, dass das so, wie Sie es in Ihrem Ursprungsantrag formuliert haben, nicht umsetzbar ist. Insofern bitte ich Sie darum, meine Damen und Herren, den Änderungsantrag zu unterstützen, den wir Ihnen heute vorgelegt haben.

Meine Damen und Herren, in der Anhörung ist auch deutlich geworden, dass die Lebensmittel derzeit so sicher sind wie noch nie. Ich meine, wir sollten auch dazu beitragen, dass sich die Verbraucher nicht durch zusätzliche Verunsicherungen, die aus diesem Antrag resultieren, abwenden und überhaupt nicht mehr wissen, was los ist. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion und auch von der Fraktion der Grünen: Geben Sie sich einen Ruck! Wir könnten es wirklich nicht ertragen, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstünde, dass die Regierungsfraktion keine Ahnung hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Klein hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Zentrum der vom Ausschuss empfohlenen Antragsfassung, der auch wir zustimmen werden,

steht der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung. Unsere Fraktion hat zu diesem dunklen Kapitel der Landwirtschaftspolitik schon zuvor in dieser Wahlperiode intensiv Anträge gestellt, Aktuelle Stunden auf die Tagesordnung gebracht und Anfragen gestellt. Wir freuen uns deshalb über die breite handlungsorientierte Fortsetzung dieser Bemühungen.

Die Verwendung von Tierarzneimitteln ist einer der wichtigsten Aspekte in Bezug auf das unverzichtbare Verbrauchervertrauen. Deshalb ist es besonders fatal, dass gerade in diesem Bereich in der Vergangenheit ein großes kriminelles Potenzial sichtbar geworden ist. Das Bild von wenigen schwarzen Schafen lässt sich hier kaum einsetzen und würde die Situation nur verharmlosen. Ich erinnere an Pohlmanns Verfehlungen, an den illegalen Einsatz von Hormonen - Stichwort Clenbuterol -, an das Phänomen der Autobahn-Tierärzte, an das Einschmuggeln Krebs erregender nicht erlaubter Chemikalien aus China in Verbindung mit dem Skandal in Bayern und Österreich sowie an das Antibiotika-Problem in der Putenhaltung.

(Unruhe)

Herr Kollege Klein, ich muss Sie unterbrechen. Meine Damen und Herren, der Geräuschpegel ist zu hoch. Es ist zu anstrengend, dagegen anzusprechen. Ich bitte Sie um etwas mehr Ruhe. - Bitte schön, Herr Klein!

Danke schön, Frau Präsidentin. - Die genannten Vorfälle sind durch das bisherige System in der Agrarpolitik mindestens erleichtert, wenn nicht gar provoziert worden. Auch im Graubereich dieser Dinge sind noch stärker systembedingte Mängel festzustellen. Da geschieht der Einsatz dieser Mittel aus Profitgründen zum Ausgleich von so genannten suboptimalen Haltungsbedingungen, d. h. schlechten Haltungsbedingungen. Ich erinnere an den Forschungsbericht des UBA, in dem festgestellt worden ist, dass nur 10 % des Schweine- und Rindermastfutters ohne pharmakologische Substanzen verkauft worden sind. Ich erinnere auch an das großzügige Umgangsverhalten bei Tierärzten und Mästern, welches dazu geführt hat, dass hier in Deutschland sechs Mal mehr Antibiotika pro Schwein verwendet werden als etwa in der Veredelungsregion Dänemark. Ich erinnere auch dar

an, dass weniger als 50 % der Tierpharmaka aufgrund von tierärztlichen Verschreibungen verabreicht werden, und daran, dass wir es mit Altstoffen zu tun haben, deren ökotoxikologisches Verhalten bis heute unbekannt ist.

Daraus ergibt sich ein riesiger Handlungsbedarf. Oberste Priorität muss natürlich die Verbesserung der Haltungsformen haben. Artgerecht gehaltene Tiere haben in der Regel weniger Stress und sind damit einem geringeren Krankheitsdruck ausgesetzt. Sie können dann eine Immunabwehr aufbauen, die ihre Widerstandsfähigkeit erhöht.

Wir müssen aber auch daran denken, die Zuchtkriterien zu verändern. Es kann nicht länger Ziel sein, verkrüppelte, kaum lebensfähige, aber Fleischberge tragende Monster zu züchten.

(Zuruf von der CDU: Wo haben Sie die gesehen?)

Wir brauchen Tiere, die unter artgerechten Haltungsbedingungen gesund und robust sind. Das muss wieder in den Mittelpunkt unserer Züchtungsbemühungen treten.