Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

denen Sie die Möglichkeiten für ein freiwilliges Engagement erproben wollen. Ich glaube, dass wir nicht an dem Punkt sind, wo wir diese Pilotprojekte brauchen und noch nach Erkenntnissen suchen müssen, sondern in anderen Bundesländern und auch in Niedersachsen liegt eine ganze Reihe von Erkenntnissen vor, die jetzt umgesetzt werden müssen.

Ergebnis Ihrer Pilotprojekte soll am Ende ein Leitfaden sein. Ich frage Sie: Wie soll dieser Leitfaden die Finanzmittel erschließen, die man letztlich braucht, um das freiwillige Engagement kontinuierlich zu ermöglichen?

Ganz herausgefallen ist in der vorliegenden Beschlussempfehlung die Entwicklung von Bonussystemen und von Qualitätsstandards. Auch die von uns vorgeschlagene Kopfstelle, die nach dem Vorbild von Baden-Württemberg die freiwillige Arbeit hier in Niedersachsen bündeln und dafür Sorge tragen soll, dass das Rad nicht immer neu erfunden werden muss, sondern dass die Informationen fließen, finden wir in der Beschlussempfehlung nicht wieder. Stattdessen soll ein Unternehmenspreis ausgelobt werden. Meine Damen und Herren, ich will das unternehmerische Engagement nicht kleinreden oder schmälern. Ich meine nur, dass die Prioritätensetzung, die Sie in Ihrem Antrag vornehmen, nicht gerade sinnvoll ist.

Lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen: Wir wissen seit langem, dass freiwilliges Engagement nicht umsonst zu haben ist und dass ein Minimum an professioneller Infrastruktur erforderlich ist, um diese Arbeit zu ermöglichen. Wenn sich die Landesregierung nicht bereit erklärt, dieses Minimum an professioneller Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und langfristig zu finanzieren, dann kann man, so meine ich, mit Fug und Recht sagen, dass zumindest in Niedersachsen das Internationale Jahr der Freiwilligen für die Freiwilligen in Niedersachsen wenig gebracht hat. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Plaue [SPD]: Zu dem Ergebnis kann man nur kommen, wenn man noch nie in seinem Leben selbst freiwillige Arbeit geleistet hat! Du musst mal mit denen reden, die freiwillige Arbeit leisten! - Gegenruf von Frau Pothmer [GRÜ- NE]: Woher nimmst du diese Über- heblichkeit? - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Danke schön. - Frau Kollegin Vockert, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es vorweg zu sagen: Für uns, für die CDULandtagsfraktion, sind die ehrenamtlich Tätigen die stillen Stars, die stillen Helfer unserer Gesellschaft, ohne die nicht allzu viel funktionieren würde. Herr Plaue, es wäre schön, wenn Sie das mal entsprechend honorieren und bewerten würden.

Wir haben seitens der CDU-Fraktion bereits 1996 einen diesbezüglichen Antrag hier in den Niedersächsischen Landtag eingebracht, der dann auch mit den Stimmen der SPD-Fraktion verabschiedet worden ist. So haben wir u. a. erreichen können, dass die ehrenamtlichen Tätigkeiten von Schülerinnen und Schülern im Schuljahreszeugnis gewürdigt werden. Auf Bundesebene haben wir die Initiative ergriffen - auch das bleibt festzuhalten -, dass der Tag des Ehrenamtes eingeführt worden ist. Damit war letztlich auch eine stärkere Würdigung und Anerkennung verbunden.

Zahlreiche Dinge unseres gemeinsamen Antrages, den wir dann hier beschlossen haben, sind leider noch nicht umgesetzt worden. Wir haben bereits damals die SPD-Landesregierung aufgefordert, das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr viel intensiver zu fördern. Damit ist der erste Punkt der Beschlussempfehlung, die auf einem Änderungsantrag der SPD-Fraktion basiert, im Prinzip schon eingefordert. Wir müssen in diesem Zusammenhang aber feststellen, dass diese Landesregierung ihre Hausaufgaben dazu überhaupt nicht gemacht hat. Wenn Sie das festhalten wollen, können wir das gerne machen. Aber die Forderung ist schon lange gestellt.

Wir haben ja auch bei der Anhörung erfahren, dass gerade beim Freiwilligen Sozialen Jahr ein erheblicher Platzbedarf vorhanden ist. Pro Platz im Freiwilligen Sozialen Jahr liegen - das muss man sich einmal vorstellen, meine Damen und Herren - drei Bewerbungen vor. Beim Freiwilligen Ökologischen Jahr ist diese Zahl noch um ein Vielfaches höher. Hier ist genauso eine Erweiterung wie beim Freiwilligen Kulturellen Jahr und auch beim Freiwilligen Europäischen Jahr erforderlich. Diese beiden Projekte „Freiwilliges Kulturelles Jahr“ und „Freiwilliges Europäisches Jahr“, die inzwischen eingeführt worden sind, sind überhaupt nicht Inhalt

dieses Antrages. Das zeigt letztlich auch die Unausgereiftheit des Änderungsantrages der SPDFraktion.

Im Übrigen - das finde ich fatal - drücken Sie sich völlig vor der entscheidenden Frage nach zusätzlichen Sachleistungen, nach zusätzlichen Geldleistungen. Das findet überhaupt keine Berücksichtigung.

Das Taschengeld - es ist ja gesetzlich definiert darf 6 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung nicht übersteigen. Diese Grenze wird derzeit allerdings von keinem einzigen Träger erreicht. Deswegen ist die Landesregierung auch hier gefordert. Die Leistungen für junge Freiwillige dürfen nicht ständig weiter nach unten geschraubt werden, um die Kosten für die Sozialversicherung zu senken.

Wenn ich daran denke, dass Frau Elsner-Solar vor 16 Monaten zu dem gesamten Komplex „Förderung des bürgerschaftlichen Engagements“ hier dargestellt hat, dass die Landesregierung und die Bundesregierung mit dem Einsatz von Gesprächsgruppen, Arbeitsgruppen, Kommissionen schon ausreichend - so haben Sie es damals gesagt, Frau Elsner-Solar - auf dieses Thema reagiert haben, dann wundert es mich schon, dass ein derartiger Änderungsantrag gestellt wird. Aber auch dadurch, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, wird deutlich, dass sich im Internationalen Jahr der Freiwilligen außer Arbeitsgruppen, außer Tagungen, außer Fachtagungen, außer Kongressen, außer Kommissionen ganz konkret für die einzelnen freiwillig ehrenamtlich Tätigen so gut wie gar nichts verändert hat und dass so gut wie gar nichts verbessert worden ist. Sie hätten beim „Tag der Senioren“ hier im Parlament anwesend sein sollen. Dabei haben die Senioren, die sich mit diesem Thema auseinander gesetzt haben, ganz klar gemacht, was im Internationalen Jahr des Ehrenamtes ganz konkret passiert ist. Es ist eindeutig viel zu wenig passiert. Worin liegt das begründet? - Nach meiner Einschätzung ist klar: Letztlich ist diese Landesregierung nicht bereit, auch nur eine müde Mark dafür auszugeben,

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Frau Elsner-Solar [SPD])

außer Pilotprojekte zu initiieren, die letztlich wieder darauf zurückführen, dass nach Auslaufen der Pilotphase nach maximal einem Jahr erneut die Kommunen diejenigen sind, die in die Tasche grei

fen sollen, um die Kofinanzierung bzw. die gesamte Finanzierung zu übernehmen, weil sie ja bereits jetzt an der Finanzierung beteiligt sind.

(Zuruf von Frau Elsner-Solar [SPD])

Vor dem Hintergrund, dass diese Landesregierung die Kommunen finanziell ausblutet, dass Anschubfinanzierungen mit Kofinanzierung der Kommunen vorgenommen werden und dass dann die Kommunen allein die Financiers sein werden, müssen wir feststellen, dass dies nicht im Sinne des Erfinders ist und nicht bedeutet, dass für die Ehrenamtlichen auch tatsächlich das getan wird, was wir uns vorstellen.

Letztlich heißt das auch, dass wir schon von vornherein wissen, wem Sie irgendwann, wenn die Pilotprojekte ausgelaufen sind, die Verantwortung bzw. den schwarzen Peter zuschieben werden. Die Kommunen sind es dann, die Sie erst finanziell ausbluten, und anschließend heißt es: Dafür, dass die Projekte jetzt nicht mehr laufen, sind die Kommunen verantwortlich.

Nein, meine Damen und Herren, wenn Sie es mit der verstärkten Förderung von freiwilliger gesellschaftlicher Arbeit ernst meinen, dann hilft dieser Antrag leider nicht, Herr Plaue. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen hat eindeutig Recht, wenn sie sagt: Man muss weg von den Projekten - Frau Pothmer hat es eben ähnlich ausgedrückt - hin zu einer Dauerfinanzierung. Das ist nun einmal eine Aufgabe, die Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen zu erfüllen haben.

(Plaue [SPD]: Ach was!)

Wenn ich dann sehe, dass die SPD-Fraktion in ihrem Änderungsantrag das Kernthema der Freiwilligenagenturen, nämlich die Bereitstellung von Infrastruktur - auch darauf hat Frau Kollegin Pothmer schon aufmerksam gemacht -, herausgestrichen hat, dann weiß ich nicht, wie auf Dauer eine Infrastruktur für freiwilliges bzw. ehrenamtliches Engagement geschaffen werden soll. Ich vermute, auch dies wollen Sie den Kommunen überlassen.

Sie betreiben mit diesem Änderungsantrag, meine Damen und Herren von der linken Seite hier im Hause, nur Augenwischerei. Wir brauchen keine Schönwetterreden;

(Plaue [SPD]: Dann hätten Sie Ihre gar nicht erst zu halten brauchen!)

wir brauchen keine Tagungen und Kommissionen, sondern wir brauchen ganz konkret Motivation und finanzielle Mittel, um den ehrenamtlich Tätigen entsprechende Unterstützung bieten zu können.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Groneberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Niedersachsen ist rund ein Drittel unserer Bevölkerung auf ehrenamtliche Art und Weise aktiv. Das ist eine ganze Menge.

(Zuruf von der CDU: Man versteht nichts! Lauter!)

Ohne die Beteiligten an diesen Arbeiten wäre unsere Gesellschaft sprichwörtlich arm dran, und zwar wären wir nicht nur im finanziellen Sinne arm dran, sondern auch arm an menschlicher Zuwendung und an Unterstützung für vieles, was unser Leben und unsere Gesellschaft attraktiv, lebens- und liebenswert macht.

Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, dass wir erst dieses Jahr der Ehrenamtlichkeit gebraucht hätten, um das zu würdigen, was das Ehrenamt tatsächlich wert ist und was viele Ehrenamtliche in Vereinen und Verbänden oder auf anderen gesellschaftlichen Ebenen leisten. Was dort freiwillig getan wird, ist oft wenig sichtbar und wird meistens als selbstverständlich hingenommen.

Aber nichts ist eben so gut, dass man es nicht noch verbessern könnte, Frau Vockert. Das haben wir mit diesem Antrag auch durchaus getan. Wir haben das Internationale Jahr der Freiwilligen zum Anlass genommen, die Chancen und Möglichkeiten für weitere soziale Entwicklungen unserer Gesellschaft auch in diesem Sinne auszuloten und neben der Ausweitung des freiwilligen Engagements auch neue Formen der Teilhabe an unserer Gesellschaft zu entwickeln. Damit wären wir bei dem Antrag, Frau Pothmer.

Obwohl wir uns in großen Teilen einig sind, werden wir den Antrag ablehnen, den die Fraktion der Grünen eingebracht hat, bzw. werden ihn in veränderter Form beschließen, weil wir in einigen Punkten grundsätzlich anderer Auffassung sind. Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Pothmer und Frau Vo

ckert, sind wir nämlich nicht der Ansicht, dass der Staat permanent alles regeln muss, sondern meinen eher, dass der Staat bereits bestehenden Initiativen helfend zur Seite stehen sollte und dass man eben nicht alles nur nach staatlicher Doktrin erreichen kann.

Wir sind des Weiteren hinsichtlich des von Ihnen angeregten Aufbaus einer Stiftung nicht der Ansicht, Frau Pothmer, dass in diese Stiftung, die die Idee der gesellschaftlichen Arbeit in der Öffentlichkeit vertritt und die nötigen übergreifenden Aufgaben koordinieren soll, öffentliche Mittel fließen sollen. Dabei geht es schließlich auch um das freiwillige Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Hier sollte die Landesregierung Hilfe zur Selbsthilfe und ideelle Unterstützung beim Aufbau einer solchen Stiftung leisten, aber nicht selbst mit Finanzmitteln aktiv werden. Dafür gibt es genug andere Handlungsfelder. Es gibt genug Geld in unserer Gesellschaft, Frau Pothmer, nämlich bei Unternehmen und Privatpersonen, die durchaus gefordert sind, ihr Engagement zu zeigen.

Bei der Beratung im Ausschuss hat sich des Weiteren herausgestellt, dass die als beispielhaft angeführte Ausweitung der Platzzahlen für das Freiwillige Soziale Jahr - das ist besonders für Sie, Frau Vockert, interessant - in Bayern nicht umgesetzt wird und dass wegen der geringen Nachfrage noch nicht einmal die dort zur Verfügung stehenden Plätze ausgeschöpft werden.

Nach Rücksprache mit den beiden Trägern der Wohlfahrtspflege in Niedersachsen ist uns dies auch bestätigt worden. Demzufolge ist eine Ausweitung der Kapazitäten für Niedersachsen zurzeit nicht anzuraten. Das kann man dann machen, wenn sich der Bedarf tatsächlich entsprechend verändert.

Die Entwicklung eines Bonussystems, quasi eines Anrechnungssystems der freiwillig geleisteten Arbeit, Frau Pothmer, um die Motivation der Jugendlichen zu erhöhen, sich gesellschaftlich zu engagieren, halten wir nicht für sinnvoll. Besser ist es doch, die freiwillig mit den Trägern geplanten Regelungen greifen zu lassen, die jetzt auch schriftlich fixiert worden sind.

(Unruhe)

Frau Kollegin Groneberg, ich muss Sie kurz unterbrechen. - Meine Damen und Herren, es ist ein

Gebot der Höflichkeit, der Rednerin etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

(Beifall auf der Tribüne)

- Beifallsbekundungen auf der Tribüne sind nicht erlaubt. Ich bitte Sie, sich daran zu halten, meine Damen und Herren. Wir warten solange, bis etwas mehr Ruhe eingekehrt ist.

(Zuruf von Wulff (Osnabrück) [CDU])

Besser ist es also, die bereits freiwillig mit den Trägern geplanten Regelungen greifen zu lassen, die die berufsqualifizierenden Merkmale und die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, die die Jugendlichen dort sammeln konnten, dokumentieren und auch zertifizieren.

Wir stimmen allerdings mit Ihnen überein, dass zurzeit keine Notwendigkeit besteht, die Einführung eines sozialen Pflichtjahres für alle jungen Menschen zu fordern. Wir wollen eine Kooperationsvereinbarung des Landes und der Kommunen auf freiwilliger Basis, Frau Vockert, um Unterstützung und Förderung des ehrenamtlichen Engagements weiter voranzutreiben. Das geht nur in enger Zusammenarbeit mit unseren Kommunen bzw. mit deren Vertretungen, den kommunalen Spitzenverbänden. Mit denen soll eine Konzeption für verschiedene Modellprojekte entwickelt werden. Ich weiß nicht, was daran schlecht sein soll, Frau Vockert, wenn sich Kommunen und Land an einen Tisch setzen, Modellprojekte für sich entwickeln,

(Frau Vockert [CDU]: Auf den Finan- zen bleiben die Kommunen alleine hängen!)

wir dazu letztendlich auch noch finanzielle Mittel bereitstellen und die Kommunen das nachher in ihrer Trägerschaft weiterführen. Ich kann daran nichts Schlechtes finden.

Wir wollen im Übrigen auch eine Veränderung des Rollenverständnisses von der öffentlichen Verwaltung zum Ehrenamt. Ich meine, das ist in vielen Teilen viel wichtiger. Wir wollen mehr Hilfestellung der Verwaltung für ehrenamtliche Arbeit, und wir wollen die Förderung von innovativen Freiwilligenprojekten ebenso wie die Qualifizierung von ehrenamtlich Tätigen natürlich auch unter Nutzung der vorhandenen Ressourcen sowie die Vernetzung

von Weiterbildungsangeboten und den Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Qualifizierungsangeboten in Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Ein Beirat auf Landesebene soll die Kooperation und den Erfahrungsaustausch im Bereich des Freiwilligensektors fördern. Außerdem werden wir ein Netz von Kontakt- und Informationsberatungsstellen zum Ausbau der Selbsthilfe im sozialen und gesundheitlichen Bereich