Noch einmal zur Diskussion über die Orientierungsstufe. Herr Ministerpräsident, Sie haben klar und eindeutig gesagt: Wir wollen nicht nach Klasse 4 sortieren. Nach Ihrem neuen Vorschlag würde das aber geschehen. Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass Eltern, die Ärzte, Juristen, Architekten oder andere Akademiker sind, ihre Kinder auf die Förderstufe einer Hauptschule schicken würden. Daran glaubt doch in diesem Hause kein Mensch. Vielmehr wird eine noch schärfere Selektion stattfinden, als das jetzt schon der Fall ist. Die bildungsbewussten Elternhäuser, für die Sie schon eine ganze Menge tun, werden alles versuchen, um ihre Kinder an den Förderstufen der Hauptschulen oder der Realschulen vorbei an die Förderstufen der Gymnasien zu bekommen. Und der Rest bleibt wieder der Rest. Sie machen genau das, was PISA uns, der gesamten Bundesrepublik, als falsch unterstellt.
Wir sollten uns ein Beispiel an den Finnen nehmen, die sowohl den Unterricht besser organisieren als auch ein sehr viel festeres Fundament für die Kinder dadurch legen, dass sie sechs Jahre lang gemeinsam Unterricht haben, sechs Jahre lang in einer pädagogischen Verantwortung unterrichtet werden, und zwar nicht mit Spiel- und Spaßpädagogik - Kollege Busemann, es ist eine Unverschämtheit, das zu sagen -, aber mit einer Schule, die Freude macht, mit einer Schule, die an die Leistungsbereitschaft und an den Leistungswillen der Kinder anknüpft und sie ihnen nicht austreibt.
Meine Damen und Herren, ich sehe jetzt zu den Tagesordnungspunkten 2 a und 2 b keine Wortmeldungen mehr.
c) Verschärfung des Sicherheitspaketes II Landesregierung trotz Mehrheit ohne Courage, Konsequenz und Rückgrat bei der Terrorismusbekämpfung - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2967
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Abstimmungsverhalten dieser Landesregierung zum Sicherheitspaket II im Bundesrat am 30. November lässt nur einen einzigen Schluss zu: Dieser Innenminister ist ein Minister ohne Kraft, ohne Rückgrat und ohne Glaubwürdigkeit, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD - Mühe [SPD]: Uwe, das glaubst du doch selber nicht, was du da er- zählst!)
Sie, Herr Innenminister, haben der Öffentlichkeit immer wieder deutlich gemacht, dass das Sicherheitspaket von Otto Schily nicht ausreicht, um die Sicherheit nach den Terroranschlägen in New York und Washington auch tatsächlich zu gewährleisten. Sie haben noch am 29. November, einen Tag vor der Bundesratssitzung, Schlagzeilen produziert. Hannoversche Allgemeine Zeitung: „Kritik am Antiterror-Paket. Niedersachsen für Verschärfung des Gesetzentwurfes.“ Am gleichen Tag in der Welt: „Niedersachsen für schärfere Sicherheitsgesetze.“
Als es am Nachmittag darum ging, nicht nur die Backen aufzublasen, sondern tatsächlich auch Taten folgen zu lassen, haben Sie nicht zugestimmt!
Noch viel wichtiger ist: Was wollen Sie eigentlich den Menschen draußen sagen, denen Sie am 29. November noch gesagt haben, die Maßnahmen würden nicht ausreichen, um die Sicherheit zu gewährleisten? Am 30. November sagen Sie aber genau das Gegenteil. So, meine Damen und Herren, können Sie kein Vertrauen in der Bevölkerung erwarten!
Sie müssen sich hier im Parlament dafür verantworten, dass Sie sich noch am 29. November sehr wortgewaltig dafür eingesetzt haben, dass die biometrischen Merkmale nicht nur bei langfristigen Aufenthalten erfasst werden sollen, sondern schon bei kurzfristigen Aufenthalten. Am 30. November haben Sie das aber völlig vergessen.
Am 29. November haben Sie sich noch dafür eingesetzt, dass das Vereinsrecht verschärft werden soll, damit islamistisch-extremistische Vereine schneller, effizienter verboten werden können. Am 30. November wussten Sie davon nichts mehr.
Am 29. November, Herr Minister, haben Sie sich noch dafür eingesetzt, dass die Regelanfrage beim Verfassungsschutz nicht nur bei der Einbürgerung erfolgt, sondern auch bei langfristigen Aufenthalten. Am 30. November überhaupt keine Rede mehr davon!
Sie haben sich am 29. November auch dafür eingesetzt, dass Terroristen keinen Abschiebeschutz haben dürfen. Am 30. November wussten Sie davon nichts mehr.
Sie haben sich noch am 29. November dafür eingesetzt, dass auch die Daten von Extremisten, die 14 Jahre alt sind, beim Verfassungsschutz gespeichert werden dürfen. Am 30. November wussten Sie davon nichts mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, so kann man keine Politik machen. Sie sind unglaubwürdig, Herr Innenminister!
Die Taktik, die dahinter steht, ist doch völlig klar. Sie wollten von Ihrer Konzeptionslosigkeit in der inneren Sicherheit hier im Lande ablenken. Da macht es sich natürlich sehr schön, wenn man sich mit einem erfolgreichen Innenminister ablichten lässt, nämlich mit dem Innenminister Beckstein. Der Unterschied zwischen Ihnen und dem Innenminister aus Bayern ist, dass er in Bayern erfolgreich ist, dass er eine Gesamtkonzeption für die innere Sicherheit hat und dass er nicht nur Schlagzeilen produziert - positive Schlagzeilen -, sondern
In einem einzigen Punkt haben Sie durchgehalten. Das will ich Ihnen gerne zugestehen. Schon bei Terrorismusverdacht soll ausgewiesen werden. Ich lese die FAZ von heute, wonach Sie sich auch da nicht haben durchsetzen können.
Aber noch viel schlimmer, meine Damen und Herren: Herr Innenminister, Sie haben noch nicht einmal hier in Ihrer eigenen Fraktion dafür eine Mehrheit. Am Freitag haben wir auf der Tagesordnung wortwörtlich genau diesen Punkt. Wir haben im Innenausschuss Ihre Kollegen darauf hingewiesen, dass sie, wenn sie nicht zustimmen, ihrem Ministerpräsidenten und ihrem Innenminister in den Rücken fallen. Ich war schon überrascht, dass Herr Collmann und die Kolleginnen und Kollegen der SPD genau dieses getan haben.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, Sie sind in Ihrer Politik nicht glaubwürdig. Wichtig ist, dass nach dem 11. September wirklich etwas für die innere Sicherheit getan und nicht bloß darüber geredet wird. Setzen Sie sich deshalb wenigstens bei der nächsten Bundesratssitzung durch, und stimmen Sie dann auch tatsächlich mit den CDUMinisterpräsidenten. Zusammen mit den CDUregierten Ländern und den sechs Stimmen aus Niedersachsen haben wir immer eine Mehrheit. Reden Sie nicht nur, handeln Sie, Herr Innenminister!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der CDU-Fraktion durchaus dankbar, dass sie dieses Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt hat. Wenn auch mit einer anderen inhaltlichen Zielrichtung war die Rede von Herrn Kollegen Schünemann durchaus eine Lobrede und noch einmal insgesamt eine Darstellung des Verhandlungserfolges der Grünen in der Auseinandersetzung um das Sicherheitspaket II.
Diese Verhandlungen sind bis gestern am späten Nachmittag geführt worden. In mehr als 40 Änderungsanträgen haben sich im Laufe dieser Verhandlungen die Grünen durchgesetzt. Ich sage natürlich: Das ist gut so.
Ich bin natürlich wie große Teile der SPDFraktion, die davon gar nichts wussten, entsetzt gewesen über das Agieren der Niedersächsischen Landesregierung in der Arbeitsgruppe des Bundesrates.
Ich hatte das vorher nicht für möglich gehalten. Die SPD hat gemeinsam mit Bayern versucht, die Systemfrage zu stellen. Wer sich mit den Details dieser Anträge beschäftigt hat, hat gesehen, dass Niedersachsen und Bayern gemeinsam die Punkte gefordert haben, von denen z. B. das Bundesjustizministerium gesagt hat, diese Forderungen seien schlicht verfassungswidrig, sie seien nicht möglich. Das waren also die Kritikpunkte des Bundesjustizministeriums an dem Entwurf des Innenministers. Aber Niedersachsen bringt auch im Wissen um die Verfassungswidrigkeit diese Punkte erneut in die Verhandlung ein. Meine Damen und Herren, ich bin froh darüber, dass, auch wenn es der Intervention der Grünen bedurfte, der Bundeskanzler persönlich Niedersachsen wieder auf eine sozialdemokratische Linie gebracht hat.
Meine Damen und Herren, ich verstehe den Innenminister Bartling. Offensichtlich ist es der größte Wunsch von sozialdemokratischen Innenministern, den Bayerischen Verdienstorden zu bekommen. Diesen Bayerischen Verdienstorden hat Herr Stoiber Herrn Bundesinnenminister Schily wegen seiner harten Innenpolitik um den Hals gelegt. Niedersachsen konnte sich auch nach dieser Intervention im Bundesrat nur zu einer Stimmenthaltung zum Schily-Paket durchringen. Meine Damen und Herren, ich verstehe den Standpunkt der niedersächsischen Innenpolitik in dieser Frage nicht.
In zwei Punkten sind Forderungen erhoben worden. Weil ich niemand anderen habe, mit dem ich Politik machen kann, sage ich der SPD-Fraktion:
Eine Ausweisung bei Verdacht, ohne dass dieser Verdacht belegt werden muss, bedeutet, dass der Verfassungsschutz bestimmt, dass es sich sich bei der betreffenden Person um einen Extremisten handelt, und die Ausweisung wird sofort vollzogen. So lautete die Forderung. Eine Rechtsweggarantie gibt es nicht; man kann ja den Rechtsweg von Somalia aus beschreiten, falls man dort nicht bereits Opfer von Folter geworden ist.
Das kann nicht sozialdemokratische Innenpolitik sein, auch nicht in der Zeit nach dem 11. September!
Meine Damen und Herren, wir Grünen haben mit ruhiger Hand und als verlässlicher Partner die Innenpolitik auf Bundesebene gestaltet. Es kann nicht nur darum gehen, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen, sondern wir haben in diesem Lande auch etwas zu bewahren. Was wir zu bewahren haben, haben die Bürgerrechtsorganisationen in der Anhörung des Innenausschusses deutlich gemacht. Ich finde es richtig und bin froh darüber, dass viele der im Rahmen der Anhörungen angesprochenen Punkte gestern noch in die Verhandlungen aufgenommen worden sind. Dies ist einzig und allein von der Fraktion der Grünen ausgegangen.