Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

Das Wort hat der Abgeordnete Mühe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niedersachsen will nicht Kinderland werden, sondern Niedersachsen ist ein kinderfreundliches und familienfreundliches Land.

(Beifall bei der SPD - Frau Harms [GRÜNE]: Hört, hört!)

Das haben wir seit 1990 bewiesen - Stück für Stück entwickelt. Gerade das Kindertagesstättenwesen in Niedersachsen ist modellhaft. Es ist ein exemplarisches Beispiel dafür, was die SPDgeführte Landesregierung für Kinder und für Familien sowie für ihre Bildung und Erziehung getan hat. Meine Vorrednerin hat darauf hingewiesen. Wir hatten 1990 150 000 Kindergartenplätze. 1998 waren es 230 000. Ein immenser Investitionsbedarf ist befriedigt worden. 80 000 neue Kindergartenplätze, 10 000 weitere Erzieherinnen und Erzieher - insgesamt ist im Kindertagesstättenwesen unglaublich viel geschaffen worden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Staatsgerichtshof hat entschieden. Das Volksbegehren zum Kinder

tagesstättengesetz ist zulässig. Ich finde es richtig und begrüße es namens der SPD-Fraktion ausdrücklich, dass sehr schnell reagiert wurde, dass sehr schnell der alte Gesetzentwurf wieder auf den Tisch gelegt wurde und 1 : 1 in Kraft treten soll. Die Träger haben es ebenfalls begrüßt, dass so schnell der alte Zustand wieder hergestellt werden soll. Das ist auch gut so.

Meine Damen und Herren, das Gesetz tritt im alten Zustand in vollem Umfang in Kraft. Wir haben drei Übergangsfristen vereinbart. Herr Viereck hat in seinem Bericht hierzu ausführlich Stellung genommen. Bis zum 1. August wird Zeit gegeben, sich auf die alten Regelungen und Standards einzustellen. Man kann sich dann wieder der Sozialstaffel zuwenden, und auch die Finanzhilfe wird umgestellt.

Meine Damen und Herren, das Antrags- und Genehmigungsverfahren für die Finanzhilfe wird entbürokratisiert und vereinfacht. Das ist sehr wichtig.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bei den Kirchen, den Wohlfahrtsverbänden, bei den Kommunen, bei der Landeselternvertretung für die partnerschaftliche und konstruktive Zusammenarbeit in den letzten Wochen bedanken. Sowohl bei den Anhörungen als auch in zahlreichen Gesprächen ist deutlich geworden, dass alle das gleiche Ziel verfolgen, nämlich das Gesetz wieder in Kraft zu setzen. Mein besonders herzlicher Dank gilt den Vertreterinnen und Vertreter der Initiative für das Volksbegehren.

Wir haben das Verfahren erörtert. Wir sind übereingekommen, dass die Übergangsfristen so gewählt werden, wie sie jetzt im Gesetzentwurf stehen. Ich bin sicher, dass das, was vereinbart wurde, auch so umgesetzt wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Träger gegen das Gesetz wenden und andere Entscheidungen treffen. Es wird also auch keinen Volksentscheid geben.

Allerdings, meine Damen und Herren, möchte ich eines anmerken. Es spricht auch für das Vertrauen, das wir den Trägern entgegenbringen können, dass die Katastrophe, die 1999 hier beschrieben und befürchtet wurde, nicht eingetreten ist. Wir haben in Niedersachsen 10 000 Kindergartengruppen. In einer verschwindend geringen Zahl sind Veränderungen bei den Standards vorgenommen worden. Sonst haben sich alle nach den Richtlinien gerich

tet und haben das Kindertagesstättenwesen genau so ausgestaltet, wie es vor 1999 durch das Gesetz vorgeschrieben war.

(Beifall bei der SPD)

Es gab wenige Ausreißer. Man kann also feststellen: Die Träger der Kindertagesstätten in Niedersachsen haben sich auch ohne das Gesetz so verhalten, wie sie sich auch vor 1998 verhalten haben, nämlich kinderfreundlich und familienfreundlich.

Ich will auch noch etwas zu dem Kollegen der CDU-Fraktion sagen. Ich kann mir vorstellen, dass Frau Vockert zu dem Thema erneut Stellung nehmen wird. Was die CDU-Fraktion seit 1990 zu diesem Bereich hier vorgetragen hat, kann man nur als kindergartenpolitischen Zickzackkurs bezeichnen.

Von 1990 bis 1992 hat die CDU-Fraktion erbittert den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion bekämpft, auch immer mit dem Hinweis, das Kindertagesstättenwesen sei eine kommunale Aufgabe, sei nicht Aufgabe des Landes. Die CDU-Fraktion wollte überhaupt keinen Gesetzentwurf.

Dann hat man sich eines Besseren besonnen und legte 1993 einen eigenen Gesetzentwurf vor. 180° Drehung! Mit einem Mal wollte man auch ein Gesetz, im Übrigen mit den gleichen Standards wie in unserem Gesetz. Dieses Gesetz ist nicht zum Tragen gekommen.

Dann hat man von 1994 bis 1998 das vorliegende Gesetz mit allen möglichen Mitteln bekämpft: Regelungsdichte, Schikane, viel zu teuer und all die Dinge waren die Argumente gegen das Gesetz. Der Gipfel war der Ausspruch von Herrn Wulff zu Herrn Glogowski: „Geben Sie uns 23 Abgeordnete aus der SPD-Fraktion. Dann werden wir gemeinsam mit den 64 Abgeordneten der CDU-Fraktion das Gesetz innerhalb von 24 Stunden vom Tisch haben.“

Das Gesetz wurde also immer bekämpft. Dann kam 1999. Wieder 180° Kehrtwende! Das Volksbegehren wurde auf den Weg gebracht. Und wer stellte sich in die erste Reihe zu den Initiatoren? Die CDU-Fraktion. Mit einem Mal war das Gesetz wieder das beste, was man überhaupt auf dem Markt haben konnte.

Meine Damen und Herren, wer soll Sie in Fragen des Kindertagesstättenwesens eigentlich noch ernst nehmen?

(Beifall bei der SPD)

Wer soll Ihnen irgendein Argument abnehmen? In dieser Frage sind Sie doch eine richtige Wendehalspartei, nichts anderes!

(Beifall bei der SPD)

Es ist doch wahr, meine Damen und Herren, wer sich so verhält, wer in zehn Jahren dreimal die Meinung um 180° ändert, der kann doch nicht ernst genommen werden.

Dann möchte ich noch etwas zu der finanzpolitischen Diskussion sagen.

(Rolfes [CDU]: Das ist gut!)

Meine Damen und Herren, die Spitzabrechnung, die wir wieder bekommen, ist im Vergleich zu der Abrechnung nach dem KFA nicht gerechter. Wir müssen feststellen, dass Kommunen, die nach dem KFA für das Kindertagesstättenwesen geringere oder keine Zuschüsse bekommen haben, jetzt wieder hohe Millionenbeträge überwiesen bekommen.

(Zuruf von Rolfes [CDU])

- Nein, das hat damit überhaupt nichts zu tun. Das hat damit zu tun, dass ihre Finanz- und Wirtschafts- und Steuerkraft so groß ist, dass sie allein aus eigener Kraft - ihre Aufgaben finanzieren können und nicht nach FAG unterstützt werden müssen. Aber die anderen, die bedürftig sind, bekommen jetzt zum Teil weniger; und das kann so nicht richtig sein.

(Rolfes [CDU]: Das ist aber ein biss- chen komplizierter!)

Aber der Gerichtshof hat so entschieden, meine Damen und Herren. Wir richten uns selbstverständlich danach; ich sage das ohne Häme. Aber diejenigen, die sich in die Reihen derer gestellt haben, die das Volksbegehren auf die Beine gestellt haben, müssen wissen, dass sie sich damit zum Teil selbst ins Knie geschossen haben. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Rolfes [CDU]: Das war aber nicht sehr sachgerecht!)

Jetzt hat Frau Kollegin Vockert für die CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich auch im Namen der CDU-Fraktion bei den Initiatoren des Volksbegehrens bedanken. Ihnen ist ein großes Kompliment auszusprechen. Denn sie haben letztlich tatsächlich einen Erfolg für die Kinder erreicht, genauso wie sie einen Erfolg für die Eltern erreicht haben.

Letztlich hat damit aber auch - ich meine, das ist ein wenig untergegangen - die SPD-Landesregierung ihre nach unserer Einschätzung verdiente Quittung für die tatsächlich gescheiterte Kindergartenpolitik erhalten. Herr Kollege Mühe, Sie wissen das ganz genau, letztlich ist das Volksbegehren Ausdruck dafür, dass diese Eltern in Niedersachsen kein Vertrauen in die Landesregierung haben.

(Plaue [SPD] lacht - Zurufe von der SPD - Gegenruf von Rolfes [CDU])

Das wundert uns alle nicht, meine Damen und Herren, denn gerade zu diesem Thema haben Sie, hat diese SPD hier im Hause immer wieder Wahlversprechen gebrochen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erinnere an 1990: 100 % Personalkostenübernahme. Versprechen gebrochen. - Das gleiche Spiel hat es 1994, das gleiche Spiel hat es 1998 gegeben.

Die Rückkehr zum alten Kita-Gesetz bedeutet deshalb - das will man im Lande so; das kann ich gut nachvollziehen; und das wollen auch wir so Rechtssicherheit, weil wir uns bei dieser Landesregierung nicht darauf verlassen können, wenn wir ihr Handlungsspielraum geben.

Bei der Anhörung, Herr Kollege Mühe, haben wir deutlich gehört, dass es schon Kommunen gegeben hat, die, weil sie vom Land Niedersachsen finanziell völlig ausgeblutet werden, keine andere Chance hatten, als entweder die Standards zu senken oder die Kita-Gebühren anzuheben.

Umso mehr freuen wir uns, dass das Gesetz in seiner ursprünglichen Fassung wieder in Kraft gesetzt wird. Das ist wegen der notorischen Unzuverlässigkeit der Landesregierung tatsächlich notwendig.

Wir freuen uns auch darüber, dass die 20 % Personalkostenzuschüsse wieder direkt an die Träger,

direkt an die Kommunen gezahlt werden, wenn es de facto häufig auch weniger als 20 % sind.

Eines, meine Damen und Herren, darf man in diesem Zusammenhang auch nicht anzumerken vergessen, und das bleibt zu kritisieren. Diese Landesregierung zieht die Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich heraus. Es handelt sich um 9 Millionen DM. Das heißt Belastung der Kommunen.

(Beifall bei der CDU)

Letztlich ist positiv, dass jetzt tatsächlich die Staffelung und auch die Freistellungs- und Verfügungszeiten für die Erzieherinnen und Erzieher erst zum 1. August 2002 umgesetzt werden. Das hätte sonst die Träger und Kommunen erheblich in Bedrängnis gebracht.

Aber um eines mache ich mir Sorgen, meine Damen und Herren. Ich mache mir ein wenig Sorge darum, wenn jetzt das alte KiTaG wieder in Kraft gesetzt wird, dass diese Landesregierung und auch die linke Fraktion hier im Hause sagen: So, jetzt haben wir mal wieder etwas für die Kinder getan, und das war es dann. Sie bleiben dann nach einem Schritt stehen.

Eines ist auch sicher, Herr Kollege Mühe: Wir sind in Niedersachsen noch lange kein kinderfreundliches Land in der Relation zu anderen Ländern, die wesentlich mehr für ihre Kinder tun. Wir wollen auch in Niedersachsen mit der Entwicklung Schritt halten. Wir wollen, dass in den Kitas nicht nur der Aspekt der Betreuung so viel Bedeutung einnimmt, sondern dass auch der Aspekt der Erziehung und insbesondere der Aspekt der Bildung mehr Beachtung finden. Wir haben dazu während des letzten Plenums einen Antrag eingebracht.