Meine Damen und Herren, der vorgelegte Agrarhaushalt rechtfertigt meines Erachtens nicht, dass es in Niedersachsen - um mit den Worten des Landwirtschaftsministers zu sprechen - eine Neuausrichtung der Agrarpolitik geben könnte. Das Gleiche gilt für die Strukturentwicklung des ländlichen Raumes.
Noch nie sind der ländliche Raum und die Landwirtschaft so zur Ader gelassen worden wie in den letzten Jahren. Dies haben wir im Landtag, wenn es um die Probleme der Landwirtschaft ging, von der Landesregierung und der SPD-Fraktion in der Vergangenheit als eine durchgängige Schuldzuweisung in Richtung CDU-geführter Bundesregierung in Bonn erlebt.
Da inzwischen die Regierungsverantwortung auf beiden Ebenen bei Ihnen liegt, müsste man heute folgerichtig davon ausgehen können, dass kaum noch agrarpolitische Defizite zu erkennen sind. Natürlich ist die niedersächsische Landwirtschaft durch BSE und die drohende Maul- und Klauenseuche erschüttert worden. Die niedersächsische Agrarpolitik hat darauf mit Scheinkonzepten und Alibihandlungen reagiert. Den Landwirten wirklich geholfen hat sie nicht.
Auch hier ist der Begriff der virtuellen Politik angebracht: so zu tun, als täte man etwas. Ich erinnere an das Stichwort Regierungskommission, eine Vielzahl von Kompetenzzentren und anderes.
Die Landesregierung - das macht der Haushalt deutlich - hat die Landwirte und die vor- und nachgelagerten Betriebe der Ernährungswirtschaft mit der Bewältigung der BSE-Folgekosten weitgehend alleine gelassen.
Das gilt für ein groß angekündigtes Existenzsicherungsprogramm für Rinderhalter, das diesen Ansprüchen nicht genügt, weil es nach Umfang und Bewilligungsvoraussetzungen keines ist. Bisher ist erst die Hälfte der vorgehaltenen 10 Millionen DM Fördergelder ausgezahlt worden. Dabei machen die Rindermastbetriebe zurzeit ihre größte Existenzkrise durch. Das gilt des Weiteren für die unzureichende Beteiligung von Bund und Land an den Entsorgungskosten von Tiermehl und Schlachtnebenprodukten bzw. von den so genannten SRMRisikomaterialien. Noch immer gehört Niedersachsen zu den wenigen Bundesländern, die sich nicht
an den Folgekosten für die Tierkörperbeseitigung beteiligen. Die CDU-Fraktion hat in ihrem Antrag vorgeschlagen, zwischen den Tierhaltern – sprich: Tierseuchenkasse, den beseitigungspflichtigen Körperschaften, den Landkreisen und dem Land eine dritte Lösung anzupeilen. Auch hier Fehlanzeige. In der Entsorgung der SRM-Risikomaterialien ist eine Folgekostenregelung durch Bund und Land nicht in Sicht. Die Landesregierung hat je nach politischem Druck und je nach Finanzlage der Tierseuchenkasse beliebig und ohne Nachhaltigkeit ein halbes Jahr lang 50 % der Kosten übernommen. Im neuen Haushalt, meine Damen und Herren, sind hierfür keine Mittelansätze erkennbar. Das Gleiche gilt für die Übernahme der BSETestkosten durch Bund und Land.
Unsere Landwirtschaft, meine Damen und Herren, steht vor enormen Herausforderungen. Dabei geht es nicht nur um die Weiterentwicklung der Agenda 2000, die Osterweiterung oder die WTO-Verhandlungen, sondern es geht vor allem darum, wie die Bundesregierung und diese Landesregierung unsere Landwirtschaft abgeschrieben haben. Auf Bundesebene sind es die Ökosteuer, die Einkommensteuerreform sowie die Kürzungen in der Agrarsozialpolitik und in der Agrarstrukturförderung, die insgesamt zu Einbußen von durchschnittlich 12 000 DM für den einzelnen Betrieb in Niedersachsen geführt haben. In Berlin heißt das „Agrarwende“. In Wahrheit geht es jedoch um einen ideologischen Klassenkampf gegen den bäuerlichen Berufsstand.
Unsere Landwirtsfamilien resignieren. Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Frau Künast wird selbst von wohlwollenden Kommentatoren ein krasses Nichtwissen über landwirtschaftliche Zusammenhänge bescheinigt. In der Regierungserklärung vom 30. März 1998 hat der damalige Ministerpräsident Schröder noch vollmundig versprochen, die bäuerlichen Familienbetriebe mit Programmen und Projekten zu unterstützen.
(Möllring [CDU]: Der hat schon viel versprochen! - Weiterer Zuruf von der CDU: Kennt der doch gar nicht!)
Tatsächlich wird genau das Gegenteil getan. Dem Agraretat wird immer mehr Geld entzogen. Das Landwirtschaftsministerium ist zu einer verwaltenden Dienststelle verkommen. Gestaltet wird hier nichts mehr. Betrug der Anteil des Agrarhaushaltes
im Jahre 1990 noch 4 % oder 1,3 Milliarden DM am Gesamthaushalt in Niedersachsen, so werden es im Jahre 2003 nach dem Haushaltsplanentwurf nur noch etwa 1,9 % oder 866 Millionen DM sein.
Ich stehe wie alle unter Zeitdruck, weil auch ich meinen Kollegen noch die Gelegenheit geben möchte, Ausführungen zu machen.
Tatsache ist weiter, dass inzwischen Niedersachsen bei den unternehmensbezogenen Ausgleichszahlungen, Zulagen und Zuschüssen unter allen Bundesländern das Schlusslicht bildet. Was uns aber wirklich in Rage bringt, ist die Tatsache, dass Sie es allen Ernstes fertig bringen, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Niedersachsen Bundesmittel aus dem Bund-Länder-Gemeinschaftsvorhaben „Agrarstruktur und Küstenschutz“ verfallen zu lassen. So wollen Sie 2002 insgesamt 25 Millionen Euro verschenken, weil Sie sich weigern, die entsprechenden Landesmittel von ca. 16 Millionen Euro gegenzufinanzieren.
Es geht hier insgesamt um mehr als 41 Millionen Euro, die für dringend benötigte Investitionen für den Küstenschutz, für die Sicherung der Deiche im Binnenland sowie für die Weiterentwicklung unserer landwirtschaftlichen Betriebe unverzichtbar sind.
Die Nichtbindung der Bundesmittel ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis für unser Land. Wir sind nicht bereit, meine Damen und Herren, dieses mitzumachen. Herr Minister Bartels, Ihre Begründung, man brauche finanzielle Spielräume für eventuelle Finanzierungslücken im Sozialbereich des Bundes bzw. für die Kofinanzierung der Modulation, sind nicht stichhaltig. Das spricht eher dafür, keinen Doppelhaushalt aufzustellen und die weitere Entwicklung abzuwarten.
Wenn man dann noch bedenkt, dass diese Landesregierung im Stillen seit Jahr und Tag den Agrarstrukturfonds plündert, der sich aus den Verkaufs
erlösen landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Vermögen speist, dann fällt einem dazu nichts mehr ein. Die Landesregierung hat allein in den letzten zehn Jahren insgesamt mehr als 230 Millionen DM aus diesem Fonds entnommen und in den allgemeinen Haushalt überführt. Statt diese Mittel in sinnvolle zukunftsträchtige Projekte und damit in die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu investieren, sind die Gelder in irgendwelchen Haushaltslöchern sinnlos versickert. Besonders ärgert uns, dass für die nächsten beiden Haushaltsjahre wieder 20 Millionen DM aus dem Agrarstrukturfonds herausgenommen werden sollen, um irgendwelche Haushaltslöcher zu stopfen. Ich frage mich: Warum verwenden wir dieses Geld nicht, um die GA-Mittel zu binden?
Es ist unbegreiflich, was hier abläuft und was die Landesregierung der Landwirtschaft und dem ländlichen Raum zumutet. Es ist doch keine Frage, dass Sie mit einer solchen Politik die Landwirtschaft dieses Landes im Wettbewerb alleine lassen und den Wettbewerb innerhalb des Bundesgebietes unter den Bundesländern zulasten Niedersachsens verstärken und maßgeblich zu einem weiteren Strukturwandel in unserem Lande beitragen. Was hilft es, wenn wir Sie auffordern, für einheitliche Produktionsbedingungen innerhalb der Europäischen Union, z. B. bei den Hygiene- und Umweltstandards, einzutreten, wenn Sie selbst alles daransetzen, dass unsere Bauern im innerdeutschen Wettbewerb gegenüber ihren Konkurrenten in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen oder Hessen immer wieder benachteiligt werden?
Ich will meine Rede abkürzen, weil ich meinen Kollegen noch Gelegenheit geben möchte, Ausführungen zu machen.
Meine Damen und Herren, generell ist zu sagen, dass die Landwirtschaftspolitik höheren Ansprüchen nicht gerecht geworden ist. Sie hat es bisher nicht verstanden, auf wichtige agrarpolitische Abläufe auf EU- und Bundesebene Einfluss zu nehmen. Ich erinnere an die Themen Agrarsparvorschläge, Steuerreform, SRM-Problematik, BSE, aber auch an die Legehennenhaltungsverordnung. Hier ließe sich noch vieles sagen. Ich glaube, wir werden in den nächsten Tagen und Wochen Gelegenheit haben, öffentlich zu diskutieren, wie es
miteinander zu vereinbaren ist, dass das Kabinett so beschließt und dass der Minister durch die Lande zieht und eine andere Position vertritt.
Vom Agrarhaushalt 2002/2003, Herr Minister, gehen keine Impulse für eine neue Agrarpolitik aus. Die niedersächsischen Landwirte brauchen in dieser schwierigen Zeit verlässliche Rahmenbedingungen. Sie müssen aus der Kostenfalle des Landes und des Bundes befreit werden. Sie müssen vor weiteren sachfremden Reglementierungen in der Genehmigungs- und Förderpolitik verschont werden. Die Investitionsbereitschaft der Betriebe hat auf bedrohliche Weise nachgelassen, und zwar trotz Einkommensanstieg in einigen Bereichen der Landwirtschaft. Das ist ein Alarmsignal für falsche Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft und für fehlende Perspektiven in der Agrarpolitik. - Ich bedanke mich recht herzlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Biestmann hat es angesprochen: Beim Verzicht auf die volle Bindung der GA-Mittel hat sich die Landesregierung in der Schnelldenkerfalle gefangen. Sie hat die Kürzung mit dem Hinweis auf die erwarteten Kürzungen auf der Bundesebene begründet. In der Tat hat die Bundesebene mit der Begründung gekürzt, dass die Landesregierungen nicht zu 100 % ausfinanziert haben.
Allerdings - das ist das Entscheidende - werden die Mittel für die Länder, die zu 100 % ausfinanziert haben, nicht gekürzt. Insofern ist das in der Tat ein Schuss ins Knie gewesen.
Ich möchte kurz das PROLAND-Programm ansprechen. Ab dem 1. Januar nächsten Jahres gibt es neue PLANAK-Grundsätze. Diese sind bereits seit Juni bekannt. Mit der Anmeldung bei der Kommission, die auch in Kürze erfolgen wird, sind Bewilligungen nach diesen neuen Grundsätzen möglich. Damit sind neue Spielräume, z. B. im Bereich der extensiven Produktion und der tierartgerechten
Es tut sich nichts auf diesem Gebiet. Deswegen schlagen wir vor, durch Umschichtungen nichtgebundener Mittel innerhalb des PROLAND-Programms in Höhe von 20 Millionen Euro das Programm „Weidelandschaften“ aufzulegen. Wir wollen damit auf die Entwicklung der letzten 20 Jahre reagieren, in denen wir 27 % unseres Grünlandes, 29 % der Kühe und 69 % aller Kuhhalter verloren haben. Das ist eine Entwicklung, die sich seit 1992, seit der Agrarreform, durch die abnehmende Wertschätzung des Grünlandes, insbesondere durch die Silomaisprämie, besonders beschleunigt hat. Niedersachsen hat diesen Trend gefördert. Es ist das einzige Flächenagrarland, das keine agrarstrukturelle Grünlandförderung kennt. Die Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete, die zu einem großen Teil deckungsgleich mit den Grünlandflächen waren, wurden 1996 abgeschafft.
Dagegen wollen wir etwas setzen. Tier- und Umweltgerechtigkeit sind wesentliche Faktoren der verbraucherorientierten Agrarwende. Wir wollen wieder Tiere auf der Weide sehen. Wir wollen gegen die Tendenz der Sommerstallfütterung vorgehen und uns für Weidegang einsetzen. Wir sind gegen Tierhaltung in geschlossenen Systemen. Wir wollen keine viele Quadratkilometer großen Deltaprojekte in Rotterdam oder 30 Stockwerke hohen Schweinehäuser, wie sie angedacht worden sind.
Ich möchte zum zweiten Schwerpunkt unserer Änderungsanträge, zur Verbraucherberatung, aus Zeitgründen nichts sagen und verweise insoweit auf unseren Antrag zur Stärkung der nichtstaatlichen Verbraucherberatung.
Ich möchte aber etwas zum Thema Modulation sagen. Hier steht bekanntlich am 20. Dezember die Entscheidung im Bundesrat an. Niedersachsen gehört zu den Ländern, die das Modulationsgesetz an der Finanzierungsfrage scheitern lassen wollen. Wir müssen uns klar machen, dass es hier wirklich um Peanuts geht. Die 40 %, die die Länder aufbringen sollen, betragen für alle Länder zusammen 12 Millionen DM. Ich meine, dass hier keine Länderinteressen im Spiel sind, sondern dass das eine Sabotage grüner Agrarpolitik ist, wie sie in Berlin betrieben wird.
Wenn dieses Modulationsgesetz scheitert, wird es zu einer zustimmungsfreien Version kommen, die ohne den Sockelfreibetrag verabschiedet wird. Dann aber mache ich Sie, Herr Bartels, persönlich dafür verantwortlich, dass die sozialen Aspekte der kleinen und mittleren Familienbetriebe in diesem Gesetz nicht berücksichtigt werden können.
Hinterfragen muss ich auch den niedersächsischen Vorschlag für das Paket der Agrarumweltmaßnahmen, die im Rahmen der Modulation durchgeführt werden sollen. Man weiß ja noch nichts Genaues. Aber nach dem, was man so hört, läuft es offensichtlich auf eine Stilllegungsprämie für Stallplätze im Raum Südoldenburg hinaus. Das heißt, dass wir in eine Gegend, die sich in der letzten Zeit dumm und dämlich verdient hat und riesige Gewinne angehäuft hat,