Friedhelm Biestmann
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Herr Minister, da Sie meines Erachtens die letzte Frage nicht präzise beantwortet haben,
noch einmal folgende Frage: Liegen der Landesregierung konkrete Ergebnisse darüber vor, dass Freilandhaltung hinsichtlich Hygiene, hinsichtlich Kontamination der Böden und hinsichtlich Mortalität in der Hennenhaltung Nachteile gegenüber bisherigen Haltungsformen hat?
Meine zweite Frage - das ist mir nicht deutlich geworden -: Beabsichtigt die Landesregierung, nach dem Stichtag 1. Januar 2007 die Kleingruppenhaltung durch eigene Initiativen wieder möglich zu machen oder nicht?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, auf diese doch sehr
herausfordernde Rede eine sachliche Gegenrede zu halten.
Der ländliche Raum umfasst mehr als 75 % der Fläche Niedersachsens. Zwei Drittel der Bevölkerung des Landes leben in der Fläche. Das sind 5,5 Millionen Menschen.
Die Politik muss die Frage beantworten, ob nur noch in Großstädten oder auch in der Fläche Leben, Arbeit und Zukunft möglich sein sollen; denn der Rückzug aus der Fläche in die Großstädte hat eine enorme Eigendynamik entwickelt.
Die CDU-Fraktion hat mit ihrem Entschließungsantrag „Aktionsplan ‚Zukunft Ländlicher Raum‘“ diesen ländlichen Raum in den Mittelpunkt politischer Diskussionen und politischen Handelns gestellt. Herr Schurreit, es war eben kein Warenhauskatalog, es war eine Gesamtheit von Forderungen, die den ländlichen Raum anbelangen.
In Niedersachsen, meine Damen und Herren, erleben wir aber eine gigantische Fehlentwicklung, die zu einer einseitigen und verhängnisvollen Konzentration auf die Ballungsräume geführt hat.
Die Landesregierung hat in den letzten zehn Jahren den ländlichen Raum systematisch vernachlässigt.
Die Fläche blutet immer mehr aus. Wir erleben die Schließung und den Abzug von Behörden, eine mangelnde Polizeipräsenz, den Rückzug von Bahn und Post und die Schließung von Standorten des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr,
von Krankenhäusern, von Produktionsstandorten. Die letzten Hiobsbotschaften, die uns in diesem Jahr erreichen, sind die Schließung von 160 Lotto/Toto-Annahmestellen in der Fläche sowie die soeben angekündigte Schließung von über 100 Postfilialen. Der Städte- und Gemeindebund spricht von einem Schließungsrausch, der über die Fläche geht.
Und es wird weiter gehen. Wir werden uns in den nächsten Jahren über das Ende des Briefmonopols unterhalten, das zwangsläufig dazu führen wird,
dass das Briefeschreiben und das Versenden von Paketen in der Fläche wegen der größeren Distanz teurer wird als in den Großstädten.
Wir werden mittelfristig zu so genannten gespaltenen Strompreisen kommen, was nichts anderes bedeutet, als dass der Strom aufgrund der aufwändigeren Verteilungslogistik in der Fläche teurer wird als in den Ballungszentren.
Im Bildungssektor, meine Damen und Herren, erleben wir durch die Politik dieser Landesregierung eine einseitige Ausrichtung von Bildungsstrukturen und Schulreformen auf städtische Regionen. Durch Ihre Politik der Gesamtschulen bei Vernachlässigung differenzierter Schulangebote vor Ort gefährden Sie bis zu 600 Standorte von Hauptschulen und Realschulen.
Es ist eben die Summe der einzelnen Nachteile, die die Menschen, die in der Fläche wohnen, um Ihre Zukunft fürchten lässt, und diese zeigen: Der ländliche Raum ist zum Stiefkind der Politik geworden!
Ich bedauere, dass der ländliche Raum im Bewusstsein von Bundes- und Landespolitik, aber auch etlicher Fachleute der Landesplanung leider nur als etwas Nebensächliches angesehen wird. Allgemein gelten ländliche Räume nämlich als Gebiete außerhalb von so genannten Ordnungsräumen unseres Landes.
Bestes Beispiel ist die novellierte Raumordnungsgesetzgebung des Landes. Die Landesregierung behindert mit ihrem starren Vorgehen die Entwicklung von Grund- und Mittelzentren und greift in weiten Teilen völlig unnötig in die kommunale Gestaltungsfreiheit ein.
Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat 1999 in einem Grundsatzurteil zum Länderfinanzausgleich festgestellt:
„Die Fläche bedarf der besonderen Förderung. Bei der Verteilung der Finanzmittel sind die besonderen Be
dingungen des ländlichen Raumes zu berücksichtigen, die aus seiner Größe und aus seiner verhältnismäßig geringen Einwohnerzahl resultieren.“
Trotz dieser eindeutigen Richtungsaussage des Bundesverfassungsgerichts werden heute immer noch die Einwohner der Großstädte bei der Finanzverteilung höher gewichtet als die Einwohner im ländlichen Raum.
- Ich habe leider nicht die Zeit, um mich mit Ihnen in einem längeren Dialog auseinander zu setzen. Das würde ich sonst gerne machen.
Wenn man so will, sind die Einwohner in der Großstadt mehr wert als die Einwohner in der Fläche.
Denn mit der so genannten Einwohnerspreizung wird der Einwohner in der Landeshauptstadt z. B. mit 180 %, der Einwohner in kleineren Städten und Gemeinden aber nur mit 100 % gewichtet. Dadurch fließt mehr Geld in die Zentren als in den ländlichen Raum,
obgleich dort deutlich höhere Kosten entstehen: höhere Kosten beim Abwasser, höhere Kosten durch das Mehr an Straßenfläche, höhere Kosten bei der Schulversorgung.
Das dritte Bückeburger Urteil zum kommunalen Finanzausgleich stellt fest, Herr Mühe: Das Land kann durchaus einen Flächenansatz wählen, um den ländlichen Raum gerechter zu berücksichtigen. Genau das ist die Aufgabe der Politik und des Landtages: endlich die Bevorzugung der Großstädte durch die Einwohnerspreizung aufzugeben und den Mehrbelastungen der Städte und Gemeinden in der Fläche Rechnung zu tragen.
Damit das auch klar ist: Wir wollen das nicht nur für die Ordnungsräume, also die Ballungszentren unseres Landes, sondern auch für die ländlichen Räume. Wir wollen eine gleichwertige Entwicklung beider Bereiche in unserem Land. Kein Bereich soll und darf sich auf Kosten und Lasten anderer Bereiche entwickeln. Das ist das Ergebnis der Anhörung, die Bestandteil unserer Antragsberatung gewesen ist.
Seit acht Jahren, meine Damen und Herren, kürzt die SPD die Finanzmasse des kommunalen Finanzausgleichs - jedes Jahr um 0,5 Milliarden Euro.
Das wird in den einzelnen Gemeinden spürbar: bei der Feuerwehr, bei der Sportförderung, in den Kindergärten, in den Schulen, beim Straßenbau und bei der Kulturförderung.
Inzwischen gehen mancherorts buchstäblich die Lichter aus. Viele Kommunen können sich nur noch mit Kassenkrediten über Wasser halten.
Das ist eine schwierige Situation. Unsere Kommunen - immerhin der größte öffentliche Auftraggeber - sind finanziell praktisch handlungsunfähig geworden. Insbesondere die Sozialhilfekosten drohen die Städte, Gemeinden und Landkreise zu erdrücken. Es gibt Gott sei Dank - Herr Bartels, jetzt sind wir bei Ihrem Landkreis - sehr viele gute Beispiele CDU-geführter Landkreise dafür, wie man Sozialhilfeempfänger wieder in Arbeit bringen kann und wie man den Anstieg der Sozialhilfekosten nicht nur stoppen, sondern deutlich senken kann.
Wir haben zur umgehenden Entlastung der Kommunen ein Soforthilfeprogramm gefordert. 70 % der Arbeitsplätze in Deutschland bestehen in kleinen und mittleren Unternehmen, die vor allem in der Fläche angesiedelt sind. Der Mittelstand, unsere Familienunternehmen sind der größte Ausbilder und Arbeitgeber der Nation. Auch hier müssen wir darauf achten, dass Bürgschaften und Landesdarle
hen endlich wieder für zukunftsträchtige Unternehmen und Existenzgründer bereit gestellt werden. Wir brauchen Investitionsanreize. Wir brauchen wenige einfache, flexible Förderprogramme. Mittelständische Unternehmen sind in der globalisierten Wirtschaft die eigentlichen Gewinner am weltweiten Markt, weil es hier auf Schnelligkeit und Flexibilität ankommt und nicht auf die Größe. Gerade im ländlichen Raum mit seiner Struktur von fast ausschließlich kleinen und mittleren Unternehmen liegen die enormen Chancen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
- Ich wundere mich, dass ich nur acht Minuten Redezeit habe.
Ich möchte noch etwas zur Verkehrspolitik sagen. In der Verkehrspolitik müssen wir alles daran setzen, dass die Fläche nicht noch weiter abgehängt wird. Herr Schurreit, da haben Sie wirklich einige Unwahrheiten verkauft.
Schröder war 1992 stolz darauf, für Niedersachsen keine Wünsche zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet zu haben.
Für kommunale Straßen stehen schlappe 120 Millionen DM im Landeshaushalt zur Verfügung,
obwohl Anträge für 1,1 Milliarden DM vorliegen. Diese Situation lässt sich auf das Radwegeprogramm übertragen, wo überhaupt keine Bewegung mehr zu erkennen ist. Die Ökosteuer ist insgesamt eine schwere Belastung für den ländlichen Raum, die auch nicht durch die Kilometerpauschale kompensiert werden kann.
- Das habe ich mir selber aufgeschrieben. Darauf bin ich stolz. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Der Antrag der SPD-Fraktion - Frau Präsidentin, jetzt möchte ich um Langmut bitten und in Erinnerung rufen, dass Herr Schurreit sehr ausführlich hat sprechen können - „Erfolgreiche Politik für den ländlichen Raum fortsetzen“ kann von uns inhaltlich nicht mitgetragen werden. Schon die Überschrift ist für uns - das habe ich in meiner Rede deutlich gemacht - eine Zumutung. Die SPD-Fraktion hat einige Monate vor der Wahl urplötzlich das Wählerpotenzial für den ländlichen Raum entdeckt.
Ihre politischen Inhalte haben sich, bezogen auf die Menschen im ländlichen Raum, nicht geändert.
Die sogenannte PROLAND-Förderung im Lande, die wir in ihrem Gesamtumfang für dringend erforderlich halten, hat dazu geführt, dass wir mit Hilfe von EU-Strukturfonds, mit Bundesmitteln, mit erheblichen Kommunalfinanzen und Privatinvestitionen, aber nur mit 11 % originärer Landesförderung wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht haben.
Die Agenda 2000 - Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, das noch zu sagen - hat gerade diese verstärkte Strukturförderung gewollt, zumal der ländliche Raum durch Wegfall der Ziel-5-b-Förderung sein eigenständiges Förderziel verloren hat. Eine neue SPD-Politik für den ländlichen Raum ist hieraus nicht zu erkennen. - Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die weitreichenden Veränderungen im Bereich der Europäischen Union in den letzten zehn bis 15 Jahren - wie z. B. die Vollendung des Binnenmarktes und die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion - haben zu gravierenden Auswirkungen auf die Verteilung der politischen Verantwortlichkeiten in Europa geführt. So werden viele Entscheidungen, die früher auf der regionalen oder nationalen Ebene getroffen wurden, heute von der Europäischen Union entschieden. Schon heute werden etwa 50 % aller innenpolitisch wichtigen Entscheidungen nicht mehr in Hannover oder Berlin gefällt, sondern mit stark steigender Tendenz in Brüssel.
Europapolitik hat somit immer mehr den Charakter europäischer Innenpolitik gewonnen - mit erheblichen Auswirkungen für Länder, Regionen und Kommunen. Aus den genannten Gründen ist daher auch die Landespolitik stärker als noch vor Jahren
gefordert, sich europapolitisch auszurichten und Einfluss auf die Europapolitik zu nehmen.
Meine Damen und Herren, der politische und ökonomische Erfolg des europäischen Integrationsmodells hängt wesentlich davon ab, dass die Handlungsspielräume der Länder, Regionen und Kommunen nicht nur erhalten bleiben, sondern vielmehr erweitert werden. Notwendig ist eine sorgfältige Balance zwischen gemeinschaftlichen Rahmenbedingungen, Flexibilität und Freiraum gerade auf der regionalen Ebene. Daher muss Niedersachsen mit seinen Regionen und Kommunen auch in Zukunft über substanzielle eigene Entscheidungsspielräume verfügen. Es darf nicht so weiter gehen, dass die Europäische Union z. B. aufgrund von unklaren Kompetenzregelungen einer Binnenmarktklausel, durch die vor allem im wirtschaftlichen Bereich nahezu jedes Tätigwerden gerechtfertigt werden soll, sowie aufgrund verschiedener Zielsetzungen des EG-Vertrages Regelungen trifft, die sinnvoller und angemessener viel besser auf der einzelstaatlichen oder sogar regionalen oder kommunalen Ebene getroffen werden können.
Als Beispiel ist die Verordnung zum öffentlichen Personennahverkehr zu nennen, die von der Europäischen Kommission im letzten Jahr vorgelegt wurde. Sie enthält zum Teil bis ins Detail gehende Regelungen dafür, wie der öffentliche Personennahverkehr vor Ort einheitlich geregelt werden soll.
Solche Regelungen, meine Damen und Herren, greifen massiv in die Selbstverwaltungsrechte und die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen und Regionen ein, die besser als jede andere Ebene mit den Verhältnissen vor Ort vertraut sind.
Dieses Beispiel macht deutlich, dass es sowohl die rot-grüne Bundesregierung als auch die SPD-Landesregierung in den letzten Jahren versäumt haben, dieser Tendenz der EU-Organe, gewissermaßen eine Allzuständigkeit der EU zu beanspruchen, konsequent entgegenzuwirken.
Meine Damen und Herren, im Rahmen der EU-Reform sind Regelungen zur Stärkung der Regionen insbesondere bei Rechtssetzungen notwendig. So sollen die Vorschläge der Kommission, die Regionen frühzeitig bei der Ausarbeitung von Rechtssetzungsentwürfen anzuhören, umgesetzt werden. Zudem soll der Ausschuss der Regionen als Ganzes gestärkt werden. Der Ausschuss der Regionen, der bislang lediglich ein beratendes Gremium ist,
muss ein stärkeres Gewicht im institutionellen Gefüge der EU bekommen und ein eigenständiges Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof erhalten.
Meine Damen und Herren, das Selbstverwaltungsrecht der Städte und Gemeinden ist bisher in keinem europäischen Vertragswerk verankert.
Da das künftige Europa eine föderative und subsidiäre Struktur haben muss, ist ein Aufbau der europäischen Integration auf der Basis der kommunalen Selbstverwaltung notwendig.
Ich möchte gerne im Zusammenhang vortragen. Wir haben im Rahmen der Ausschussberatungen Gelegenheit genug, diese Dinge zu vertiefen, Herr Kollege Rabe.
Aus diesem Grunde sollte bei der Definition des Subsidiaritätsprinzip in Artikel 5 des EG-Vertrages der Hinweis aufgenommen werden, dass vor dem Erlass von EG-Regelungen die Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten einschließlich ihrer Regionen und Kommunen berücksichtigt werden müssen. Subsidiarität und Demokratie gehören zusammen. Subsidiarität bedeutet, die Entscheidungsebene möglichst unten anzusetzen, meine Damen und Herren.
Die Staats- und Regierungschefs haben in Laeken im Dezember 2001 die Einrichtung eines Konvents beschlossen, der bis zum Sommer 2003 den Entwurf eines neuen EU-Vertrages vorlegen soll. Nach der Regierungskonferenz von Nizza vor eineinhalb Jahren, die allgemein die Erwartungen nicht erfüllte, ist der Konvent eine neue Chance für Europa.
Umfragen beweisen, dass die europäischen Bürger die großen Ziele der Europäischen Union bejahen, der europäische Alltag aber oft nicht den Zusammenhang mit diesen großen Zielen widerspiegelt. Sie fordern daher von den Institutionen weniger Schwerfälligkeit und vor allem Transparenz. Viele Bürger verlangen zu Recht, dass sich die EU mehr um ihre konkreten Sorgen kümmern sollte, ohne
sich allerdings auf allen Ebenen in alles einzumischen.
Es war daher richtig, dass mit der Einsetzung des Konvents abweichend von den üblichen Regierungskonferenzen ein neues Format gewählt wurde, um mehr Transparenz durch öffentliche Debatten zu erreichen. Erfreulich ist auch, dass sich der Konvent zum Ziel gesetzt hat, das Verhältnis zwischen europäischer und nationaler Ebene neu zu definieren, den Gedanken der Subsidiarität und dessen wirksame Kontrolle stärker auszuprägen.
Nach seiner Plenarsitzung am 12. und 13. September 2002 hat der Konvent nunmehr die Phase des Prüfens abgeschlossen. Nun beginnt die eigentliche konzeptionelle Arbeit des Konvents. In den bisherigen Beratungen des Konvents bestand zwar Einigkeit über eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und der EU; umstritten ist jedoch die Kontrolle der Kompetenzabgrenzung.
Im Mittelpunkt der Kompetenzregelungen im Verfassungsentwurf muss daher das Subsidiaritätsprinzip stehen. Nach Auffassung der CDU-Fraktion muss das Subsidiaritätsprinzip klarer als bisher definiert werden. Daher sollte eine Tätigkeit der EU nur dann zulässig sein, wenn erstens eine Maßnahme auf nationaler Ebene nicht ausreichend ist und zweitens nachgewiesen ist, dass diese Maßnahme wirksamer von der EU realisiert werden kann.
Der Vorschlag der Bundesregierung, meine Damen und Herren, einen politischen Kompetenzausschuss einzurichten, ist unseres Erachtens politisch verfehlt. Die Bundesregierung geht offenbar davon aus, Kompetenzfragen im Einzelfall zu einem späteren Zeitpunkt durch ein politisches Gremium klären zu lassen. Damit würden zwangsläufig Probleme geschaffen, die vermieden werden können, wenn von vornherein klare Vorgaben zur Kompetenzabgrenzung im Verfassungsvertrag formuliert werden.
Darüber hinaus ist eine intensive rechtliche Kontrolle notwendig. Danach müssen die Institutionen der EU, aber auch jede Regierung und jede Region der EU-Mitgliedstaaten mit Gesetzgebungskompetenz das Recht haben, vor Erlass einer Maßnahme ein Gutachtenverfahren beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten, in dem noch während des Gesetzgebungsverfahrens die Einhaltung der Kompetenzregelungen der Verfassung überprüft wird.
Nach Erlass einer Maßnahme soll eine Nichtigkeitsklage wegen Kompetenzverletzung beim Europäischen Gerichtshof erhoben werden können. Solche Kompetenzstreitigkeiten sollten von einer spezialisierten Kompetenzkammer des Europäischen Gerichtshofs entschieden werden.
Zudem sollen im Konvent die Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände stärker berücksichtigt werden. So haben die kommunalen Spitzenverbände ein eigenes Kapitel über Kommunen und Regionen im Verfassungsentwurf vorgeschlagen sowie eine Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, eine Aufwertung des Ausschusses der Regionen und eine regelmäßige Prüfung der finanziellen Auswirkungen von Vorschlägen auf kommunale Gebietskörperschaften gefordert. Die Umsetzung dieser Vorschläge ist notwendig, um die rechtliche Position gegenüber der europäischen Ebene zu stärken und auszubauen.
Weder die rot-grüne Bundesregierung noch die Landesregierung in Niedersachsen haben bisher in ausreichendem Maße Initiativen für eine Stärkung der Länder und Kommunen im Rahmen des Verfassungskonvents entwickelt.
Die bisherigen Aktivitäten von Bundes- und Landesregierung machen vielmehr deutlich - Herr Rabe, auch wegen Ihres Widerspruchs -, dass im Verfassungskonvent die Interessen der Länder und Kommunen nicht mit dem nötigen Nachdruck vertreten werden.
Aus den genannten Gründen halten wir es für notwendig, dass der Niedersächsische Landtag die Landesregierung in einer Entschließung auffordert, im Hinblick auf die anstehenden Beratungen des Konvents endlich eine konsequente Vertretung föderativer und kommunaler Interessen wahrzunehmen. Wir stellen uns einer konstruktiven Beratung im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten. Wir sollten den Versuch unternehmen, in den substanziellen Teilen zu gemeinsamen Beschlüssen zu kommen. Wir sind in dieser Frage zu Kompromissen bereit. Die politische und rechtliche Einbindung der Kommunen und Regionen im zukünftigen Europa muss unsere gemeinsame Aufgabe sein, meine Damen und Herren. - Schönen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat am 10. Juli ihre Vorschläge für weitere Reformschritte in der gemeinsamen Agrarpolitik im Rahmen der so genannten Halbzeitbewertung verabschiedet. Vorgesehen war zur Halbzeitbewertung ein Zwischenbericht und keine Reform. Warum Fischler jetzt doch einen Vorschlag mit zum Teil grundlegenden Reformen unterbreitet, ist schwer nachvollziehbar. Der Zeitplan sieht vor, dass die Vorschläge in den kommenden Monaten im Agrarministerrat beraten werden sollen. Im Herbst will die Kommission Verordnungsvorschläge vorlegen. Die Verabschiedung des Reformpakets wird für das Frühjahr 2003 angestrebt.
Da die Auswirkungen dieser Vorschläge weit reichende Folgen für den Agrarstandort Nr. 1 Niedersachsen haben werden, hält die CDU-Fraktion eine entsprechende Debatte in den Gremien des Landtages für notwendig. Eine zukunftsfähige gemeinsame Agrarpolitik muss konsequent darauf ausgerichtet werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ein zentrales Anliegen bleibt, sie
sich noch gezielter an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientiert, sie den Landwirten bei nachhaltiger Wirtschaftsweise die Erwirtschaftung eines angemessenen Einkommens ermöglicht und die Gemeinwohlleistungen einer nachhaltigen und multifunktionalen Landwirtschaft honoriert werden.
Die von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschläge zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik sind eine Grundlage für deren Weiterentwicklung für den Zeitraum nach 2006, bedürfen aber einer intensiven Diskussion. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung und des Umsetzungszeitpunktes sind noch sehr viele Fragen offen, die wir auch hier im Landtag in ihren Auswirkungen diskutieren sollten. Für eine grundlegende Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik fehlt derzeit noch eine umfassende Konzeption der Europäischen Union, die auch alle Aspekte der Finanzierung im Zusammenhang mit der WTOFolgeverhandlung, der Erweiterung und der zukünftigen Ausgestaltung der Strukturpolitik angemessen berücksichtigt.
Es ist zu begrüßen, dass sich die Europäische Kommission grundsätzlich für die Beibehaltung von Direktzahlungen ausgesprochen hat. Ohne Direkthilfen kann das europäische Modell einer multifunktionalen Landwirtschaft nicht bestehen. Die Landwirtschaft in einem Industrieland erbringt vielfältige Leistungen für die Gesellschaft, die im Rahmen der Nahrungs- und Rohstoffproduktion vom Markt allein nicht abgegolten werden.
Die gemeinsame europäische Agrarpolitik und ihre Finanzierung müssen auch künftig ein eigenständiger Politikbereich bleiben. Die Versorgung unserer Bevölkerung mit hochwertigen und sicheren Nahrungsmitteln sowie die Erhaltung unserer Kulturlandschaft müssen ein wichtiges Anliegen bleiben.
Gerade auch vor dem Hintergrund der WTOVerhandlungen ist ein klares Bekenntnis zur gesamtgesellschaftlichen finanziellen Verantwortung für eine nachhaltige funktionale Landwirtschaft in Europa notwendig. Wer sich die kraftvollen Äußerungen von Ministerpräsident Gabriel vor Augen führt,
eine Subventionierung der Landwirtschaft sei einzustellen, mag erahnen, dass die Niedersächsische
Landesregierung die Zusammenhänge mit der Existenzsicherung der niedersächsischen Landwirtschaft nicht erkannt hat.
Die anstehende Halbzeitbewertung der Agenda 2000 darf nicht zum Anlass genommen werden, die für den Planungszeitraum 2000 bis 2006 festgelegten Grundprinzipien des Systems und die zentralen Maßnahmen in Frage zu stellen. Unsere Landwirtschaft braucht Planungssicherheit, Kontinuität, Perspektive und zuverlässige Rahmenbedingungen, um im Wettbewerb bestehen und ihre vielfältigen Leistungen für die Gesellschaft erbringen zu können.
Die anstehende Osterweiterung ist kein Grund für die grundlegende Reform zum jetzigen Zeitpunkt. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der WTOVerhandlungen und der Vereinbarungen mit den neuen Mitgliedstaaten müssen rechtzeitig die Grundlagen für eine Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik ab dem Jahre 2007 erarbeitet werden. Eine Verknüpfung der Verhandlungen zur Osterweiterung, wie von der Bundesregierung gewollt, mit der so genannten Agrarreform zum jetzigen Zeitpunkt wird von uns abgelehnt.
Meine Damen und Herren, die Entkopplung der Direktbeihilfen stellt einen Systemwechsel dar. Eine Umsetzung der Vorschläge im laufenden Planungszeitraum der Agenda 2000 ist verfrüht und wird von uns abgelehnt. Der vorliegende Vorschlag der Europäischen Kommission zur Entkopplung der Direktbeihilfen von der Produktion stellt einen diskussionswürdigen Ansatz dar, der jedoch mehr Fragen offen lässt, als dass er Antworten gibt. Die geplante Umstellung auf eine produktionsunabhängige Pauschalzahlung je Betrieb wird zudem nicht konsequent verfolgt, da einzelne produktionsbezogene Beihilfen beibehalten und sogar neue eingeführt werden sollen. Die gesellschaftliche Akzeptanz ist ebenso zu klären wie die regional gegebenenfalls erheblichen Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Einkommen, auf den Bodenmarkt und auf den Strukturwandel. Deshalb sind die Vorschläge vor einer abschließenden Bewertung eingehend zu prüfen, auch unter Berücksichtigung der für Herbst 2002 angekündigten Konkretisierungsvorschläge der Europäischen Kommission.
Meine und Damen und Herren, der weitere Ausbau der zweiten Säule der gemeinsamen Agrarpolitik
wird von uns grundsätzlich unterstützt, wie wir bereits im Landtag deutlich gemacht haben. Dabei darf die Planungssicherheit in Bezug auf die Direktzahlungen nicht in Frage gestellt werden. Deshalb dürfen bei Einführung einer obligatorischen Modulation finanzielle Umschichtungen aus der ersten in die zweite Säule nur moderat vorgenommen werden. Die Mittel sollten vorrangig zur Stärkung der betrieblichen Wirtschaftskraft Verwendung finden. Die Modulationsmittel müssen in der jeweiligen Region verbleiben und der Landwirtschaft wieder zur Verfügung gestellt werden. Die vorgesehene Neuverteilung der Modulationsmittel auf der Grundlage so genannter objektiver Kriterien wird nachdrücklich abgelehnt. Die Modulationsmittel müssen für alle Maßnahmen der ländlichen Entwicklung einschließlich der Investitionsförderung eingesetzt werden können. Das Förderspektrum ist um Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit, der Einkommenswirksamkeit, der Qualitätssicherung, der Tiergesundheit und des Tierschutzes zu ergänzen. Die vorgeschlagene zeitliche Begrenzung und Degressivität entsprechender Fördermaßnahmen wird abgelehnt.
Meine Damen und Herren, die Kommissionsvorschläge zur Änderung der Marktordnungen gehen deutlich über die im Rahmen einer Halbzeitbewertung notwendige Anpassung hinaus.
Die allgemeine Senkung der administrativen Preise und die Abschaffung der Reports bei Getreide führen bei einer teilweisen Kompensation durch Direktzahlungen zu zusätzlichen Einkommensverlusten und können so nicht akzeptiert werden. Die Marktordnungen müssen in ihren Kernelementen erhalten bleiben. Einzelne Änderungen, wie beispielweise bei der Roggenintervention, können nur schrittweise in Verbindung mit einer Stärkung alternativer Verwertungsmöglichkeiten und mit geeigneten Kompensationsmaßnahmen einer Lösung zugeführt werden.
Die spezielle Förderung für den Anbau von Eiweißpflanzen wird begrüßt. Dies sollte jedoch innerhalb der Agrarumweltmaßnahmen durch eine flächenbezogene Eiweißprämie umgesetzt werden. Ein innovativer Ansatz zur Förderung regenerativer Energien sollte alle Möglichkeiten der alternativen Verwendung pflanzlicher Rohstoffe gleichberechtigt berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, der Verbraucherschutz und die Einhaltung von Mindestanforderungen zur guten fachlichen Praxis sind unabhängig von irgendwelchen finanziellen Zuwendungen unabdingbare Voraussetzungen für jede Form der Landbewirtschaftung und Tierhaltung in Europa. Die gute fachliche Praxis ist bereits bisher in verschiedenen Fachgesetzen geregelt. Eine unmittelbare Verknüpfung von Direktbeihilfen mit der guten fachlichen Praxis ist unter der Voraussetzung vertretbar, dass sie auf der Basis EU-einheitlicher Standards einschließlich entsprechender leicht prüfbarer Kontrollkritierien erfolgt. Weitergehende Maßnahmen müssen über spezifische Agrarumweltprogramme abgegolten werden können. Dies gilt auch für die Festlegung einer ökologischen Flächenstilllegung.
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Halbzeitbewertung halten wir folgende Regelung für notwendig: Angesichts der Vorschläge zur obligatorischen Modulation ist auf die Einführung des Modulationsgesetzes in Deutschland ab dem Jahre 2003 zu verzichten. Im Rahmen der Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik ab 2007 sollte die Verpflichtung zur vollständigen und dauerhaften nationalen Kofinanzierung bei den entkoppelten Direktzahlungen eingeführt werden. Die Vorlage eines Gesamtkonzepts durch die Kommission ist unerlässlich. Es sollte die Weiterentwicklung der Agrarpolitik nach 2006, die Aspekte der WTO-Folgeverhandlungen, die EUErweiterung, die Strukturpolitik sowie übergreifende Fragen der Finanzierung einschließen.
Die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der niedersächsischen Landwirtschaft hängt in entscheidendem Maße davon ab, welche politischen Weichenstellungen in Europa getroffen werden. Daher sollten wir uns die Zeit nehmen, die gegenwärtigen und zukünftigen Vorschläge sachgerecht zu diskutieren. Der vorliegende CDU-Antrag bietet hierzu eine angemessene Grundlage. - Schönen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!
Ich danke für den Hinweis, Frau Präsidentin Goede. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich will auf die nähere Begründung unseres Antrages unter Punkt 12 – „Nitrofen-Skandal: Eklatantes Versagen des Landes beim Krisenmanagement“ verzichten, weil ich meiner Kollegin Frau Hansen noch Gelegenheit geben möchte, einige Worte zum Verbraucherschutz und zur Qualitätssicherung zu sagen.
Die unglaublichen Vorgänge um die NitrofenFunde in Biofuttermitteln und Geflügel sind unentschuldbar, meine Damen und Herren. Was hier passiert ist, hat nicht nur nach der BSE-Krise das Vertrauen der Verbraucher erneut massiv erschüttert. Nach dem jetzigen Erkenntnisstand können wir Folgendes festhalten.
Erstens. Der Ökoanbau hat seinen Heiligenschein verloren. Ökologische Landwirtschaft ist durch schwarze Schafe in der Branche jetzt genau so betroffen, wie wir das in der Vergangenheit bei der konventionellen Landwirtschaft erlebt haben.
Wir sollten uns nur bemühen, mit diesem Sachverhalt endlich ehrlich umzugehen. Ministerpräsident
Gabriel hat seinerzeit die Ursachen für die BSEKrise in der Agrarindustrie gesehen und kurzum die totale Umkehr in der Agrarpolitik gefordert. Offenbar war ihm damals entgangen, dass mehr als 98 % unserer Höfe bäuerliche Familienbetriebe sind und BSE nichts, aber auch gar nichts mit der Größe der Tierbestände zu tun hat.
Die ideologisch ausgerichtete Politik von Frau Künast, unsere Landwirtschaft in gute und böse Betriebe zu spalten, ist von dieser Landesregierung ohne Wenn und Aber mitgetragen worden.
Jetzt, wo die Ökobetriebe am Pranger stehen, kommen vom Ministerpräsidenten plötzlich ganz andere Töne. Man traut ja seinen Ohren kaum, wenn er jetzt fordert: Wir müssen aufhören, die konventionelle Landwirtschaft gegen die ökologische Landwirtschaft auszuspielen.
Landwirtschaftsminister Bartels geht gleich richtig zur Sache. Dass auch er die Ökopolitik bisher voll mit unterstützt hat, spielt plötzlich keine Rolle mehr. Für ihn sei die einseitige Agrarpolitik von Frau Künast schon immer ein Trugschluss gewesen, erklärt er der erstaunten Öffentlichkeit. Der Minister gibt sogar den Ratschlag, die von ihr seit anderthalb Jahren zu verantwortende Politik der Polarisierung zu überdenken.
Dies ist nicht nur ein Zickzackkurs der Landesregierung. Es ist ein unglaublicher Populismus, wie wir ihn selbst bei dieser Landesregierung bisher kaum erlebt haben.
Zweitens. Die Vorgänge um die Nitrofen-Funde haben auch deutlich gemacht, dass es schier unglaubliche Schwachstellen im Meldesystem gibt,
nämlich bei der Weitergabe von Informationen von Ökounternehmen an Behörden und beim Tätigwerden der Behörden bzw. der Information des Ministeriums. Die Informationsstränge haben nicht funktioniert, Frau Harms, das werden Sie auch zur Kenntnis genommen haben.
- Frau Harms, Tatsache ist: Herr Minister Bartels, in Ihrem Hause ist geschlampt worden. Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht, Ökoverbände, Behörden auf Landesebene, aber auch auf Bundesebene waren es, die wie eine Art Vertuschungskartell Informationen nicht weitergegeben, sondern sich gegenseitig zugeschoben haben.
Es ist unbestritten - -
- Frau Harms, hören Sie doch auf mit Ihrer einseitigen Anklage in Richtung Genossenschaft. Es ist unbestritten, dass die Bezirksregierung Lüneburg bereits am 2. Mai über die Feststellung von Nitrofen in Futtermitteln informiert worden ist, diese Information aber weder an das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Oldenburg noch an das Landwirtschaftsministerium weitergegeben hat. Fest steht weiter, dass am 29. April das Veterinäramt des Landkreises Ammerland mit einem Lebensmittelkontrolleur des Landesamtes telefoniert hat. In diesem Gespräch soll das Wort „Nitrofen“ genau so erwähnt worden sein wie die festgestellte zwanzigfache Überschreitung des zulässigen Grenzwertes.
Selbst wenn man der Auffassung wäre, dass das dem Landwirtschaftsministerium unterstellte Landesamt am 29. April nicht ausreichend über den Skandal informiert worden sei, steht unzweifelhaft fest, dass jedenfalls die Bezirksregierung am 2. Mai trotz Kenntnis der Nitrofen-Funde keine Veranlassung gesehen hat, unverzüglich die brisante Information an das Landwirtschaftsministerium weiterzugeben.
So behauptet der Minister, er sei erst am 23. Mai über den Skandal unterrichtet worden, und das auch nur durch Zufall. Es verdichten sich Hinwei
se, meine Damen und Herren, dass der Minister bereits eher entsprechende Kenntnisse hatte.
Es ist überhaupt keine Frage, dass die Gesundheitsgefährdung der Verbraucher mit dem Krebs erregenden Herbizid Nitrofen deutlich vermindert worden wäre, wenn nur eine der beiden Behörden unverzüglich ihrer Meldepflicht nachgekommen und es nicht zu einer dreiwöchigen Verzögerung gekommen wäre.
Meine Damen und Herren, statt die unglaubliche Nachlässigkeit - -
- Nun hören Sie doch mal zu, Frau Harms. - Statt die unglaubliche Nachlässigkeit und Schlamperei in der eigenen Landesverwaltung - da sind Sie doch sicherlich mit mir einer Meinung - aufzuklären, bezichtigt der Minister die beiden Landkreise Ammerland und Cloppenburg, nach dem dortigen Bekanntwerden des Skandals nicht unverzüglich und angemessen reagiert zu haben. Die Landkreise haben - wir haben das heute Morgen hier erörtert präzise nachweisen können, dass sie völlig korrekt gehandelt haben. Der Minister musste seine Vorwürfe und Verdächtigungen zurücknehmen. Heute Morgen ist er erneut in eine andere Richtung gewandert. Das wird er wohl gleich erklären können.
Das ist aber typisch, meine Damen und Herren. Er versucht, seine Mitverantwortung für den aktuellen Skandal von sich abzulenken, indem er ungerechtfertigte Schuldzuweisungen gegenüber Veterinärämtern in den Kommunen vornimmt. Das doppelte Versagen der Landesbehörden wiegt deshalb besonders schwer, meine Damen und Herren, weil nach der BSE-Krise mit der Einrichtung des neuen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ein neues Frühwarnsystem installiert worden ist. Mit diesem Institut sollte nach den Lebensmittelskandalen in der Vergangenheit das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität der Lebensmittel wieder zurückgewonnen werden. Gerade das Tierfutter sollte im Mittelpunkt der Qualitätssicherung stehen, weil hier die meisten Lebensmittelskandale ihren Anfang genommen haben.
Nach BSE sollte ein effizientes Schnellwarnsystem zwischen Bund und Ländern errichtet werden, und es sollte ein effektiverer und direkter Schutz der Verbraucher durch das Landesamt angestrebt werden. Aber genau hier hat das Landesamt im Nitrofen-Skandal versagt. Das Krisenmanagement hat nicht funktioniert, meine Damen und Herren.
Dass Landwirtschaftsminister Bartels die Lage nach wie vor nicht im Griff hat, zeigen u. a. die gegensätzlichen Anweisungen der Behörden. So hat die Bezirksregierung Weser-Ems mit einer Verfügung vom 31. Mai Nitrofen-Beprobungen an landwirtschaftlichen Produkten im konventionellen Bereich angeordnet. Drei Tage später hat dann das Landwirtschaftsministerium in einem Erlass festgestellt, die Beprobungen wieder einzustellen.
Inzwischen haben auch sich widersprechende Pressemeldungen des Ministeriums zu einer weiteren Verunsicherung der Verbraucher, Lieferanten und Erzeuger geführt, und zwar leider, wie wir zugeben müssen, auch bei der EU, was sicherlich kein Lobeslied für Niedersachsen ist, weil hier der Ursprung der EU-Diskussion liegt. So hat der Staatssekretär des Landwirtschaftsministeriums am 4. Juni erklärt, dass das verbotene Pflanzengift Nitrofen bereits im Frühsommer 2001 und somit schon mindestens vor einem Jahr in die Nahrungskette gelangt sei. Einen Tag später weist der Pressesprecher des Ministeriums diese Erklärung seines eigenen Staatssekretärs mit unmissverständlichen Worten zurück. Das ist für uns unerklärlich.
Dies alles zeigt, meine Damen und Herren, dass im Ministerium die eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Minister Bartels hat die Lage nicht mehr im Griff. Selbst Ministerpräsident Gabriel hat zugeben müssen, dass die Behörden die Bedeutung des Falles falsch eingeschätzt und vertuscht haben. Sie haben versucht, hieraus ein lokales Problem zu machen. Beim Umgang mit dem Skandal - so wird der Ministerpräsident im General-Anzeiger vom 31. Mai zitiert - würden gegenwärtig alle Fehler gemacht, die wir nur machen können. Damit werde alles getan, was den nächsten Lebensmittelskandal möglich macht. - Dieser klaren Schlussfolgerung, meine Damen und Herren, haben wir nichts hinzuzufügen. Herr Minister Bartels, Sie tragen für das Versagen, für das heillose Durcheinander in Ihrer Verwaltung die politische Verantwortung. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Stolze, wenn man Ihnen zuhört, könnte man glauben, die eigentliche Ursache dieses Skandals liege in der konventionellen Landwirtschaft. Ich finde, wir müssen die Dinge schon so, wie sie sich uns zeigen, beim Namen nennen.
Wir von der CDU-Fraktion haben kein Problem damit, ein wertfreies, sachliches Nebeneinander von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft politisch zu begleiten.
Dies ist auch weiterhin unsere Absicht. Wir haben in diesen Wochen keine Häme in Richtung ökologischer Landwirtschaft, aber wir müssen klar erkennen, wo die Ursachen liegen.
Und die Ursachen, die wir zurzeit diskutieren, liegen bei der ökologischen Landwirtschaft!
Wir müssen das Nötige tun, damit diese Ursachen abgestellt werden. Wir fordern, dass dort die gleichen Qualitätskriterien gelten, wie wir sie in der konventionellen Landwirtschaft haben.
Es kann noch nicht sein, Herr Minister, dass wir hier so tun, als wenn die Probleme mehr bei der Opposition als beim handelnden Minister lägen.
Er spricht von Manöverkritik. Wir alle wissen, wie er mit Kritik umgeht. Wir erfahren Sitzung für Sitzung, auch in den Ausschüssen, wie gern er sachlich fundierte Kritik entgegennimmt. Wir werden diese Arbeit gerne leisten, aber ich muss sagen, das Krisenmanagement, das sich uns zurzeit bei dieser Landesregierung darstellt - wir brauchen nur in die Zeitungen zu schauen und brauchen nur zu lesen und zu hören, was die öffentlichen Medien an Meinung präsentieren -,
ist alles andere als das, was sich die Verbraucher wünschen, um diese Krise aufzuklären. Wir müssen endlich Sicherheit haben. Wir müssen diese Probleme möglichst schnell gelöst haben. Da macht uns der Minister mit seinen Verlautbarungen, mit seinen unterschiedlichen Handlungen, mit seiner Kritik an Landkreisen und anderen Institutionen nicht gerade Mut, dass er in der Lage ist, diese Krise zu bewältigen.
Was die Hilfsprogramme anbelangt, die er ankündigt, will ich nur daran erinnern: Ministerpräsident Gabriel sprach während der BSE-Krise davon, dass er in der Landwirtschaft mit einem Schaden von 500 Millionen DM rechnet. Die Hilfsprogramme der Landesregierung beliefen sich nachher auf 10 Millionen DM. Wenn dies jetzt ähnlich abläuft, brauchen wir uns nicht lange zu unterhalten. Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Großen Anfrage zur Europapolitik möchte die CDU-Fraktion in einer wichtigen Phase der europäischen Integration die Europapolitik in den Mittelpunkt landespolitischer Diskussionen stellen. Ich bin froh, meine Damen und Herren, dass wir dies nicht, wie so oft bisher, am Ende eines Plenartages tun müssen. Dem Ältestenrat sei hierfür Dank gesagt.
Die Beantwortung der Großen Anfrage der CDUFraktion zur Europapolitik durch die Landesregierung fällt im Ergebnis unbefriedigend aus. Die Antworten der Landesregierung zu den einzelnen Fragen beschränken sich vielfach auf die Darstellung von europapolitischen Grundsatzerklärungen, auf europapolitisches Allgemeingut, dem die CDU-Fraktion überwiegend zustimmen kann.
Bei den politisch entscheidenden Fragen wie z. B. der Entwicklung der EU-Reform bleiben die Antworten der Landesregierung allerdings unbestimmt und wenig konkret.
Wir vermissen konkrete Aussagen der Landesregierung dazu, wie sich die EU künftig entwickeln und wie eine Neuordnung der Zuständigkeiten und Kompetenzen aussehen soll.
Aus Sicht der CDU-Fraktion, Herr Adam, ist für die Neuordnung der EU eine Kompetenzverteilung auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips notwendig.
Nur solche Aufgaben, die nicht auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene erledigt werden können, dürfen Aufgabe der EU sein. Unsere Bürgerinnen und Bürger, meine Damen und Herren, erwarten eine Lösung ihrer Probleme in der Regel auf der untersten Ebene, da ihnen diese am ehesten vertraut ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass künftig sämtliche Aufgaben auf der unteren Ebene erledigt werden sollen. Viele Probleme können heute nur europäisch oder sogar nur global gelöst werden.
Der Konvent zur Zukunft Europas in Laeken muss den Mut haben, den europäischen Aufgabenbestand kritisch zu sichten und zu durchforsten. Dabei kann es im Einzelfall sowohl zu neuen Kompetenzübertragungen auf die europäische Ebene als auch zu Rückübertragungen auf die nationale Ebene kommen, wenn sich herausstellt, dass in einem Punkt ein europäisches Handeln nicht wirklich angezeigt ist.
Die CDU-Fraktion spricht sich für ein Europa mit Augenmaß aus. Wir müssen uns fragen, welches Europa nötig und realistisch ist. Dabei darf man nicht nach der Devise gehen „Europa, wo immer möglich“, sondern „Europa, wo immer nötig“.
- Herr Adam, man merkt, dass Sie bei den bisherigen Beratungen nicht dabei gewesen sind.
Wir wollen ein Europa, das den Dreiklang EU, Mitgliedstaat und EU berücksichtigt.
Die Region vermittelt den Menschen Geborgenheit in der globalisierten Welt. Europäisierung und Globalisierung sind für viele Menschen nur verkraftbar, wenn ihnen aus der eigenverantwortlich gestalteten Heimat in der Region, im nationalen Rahmen Identität vermittelt wird. Dies bedeutet, dass die europäische Ebene neben Nation und Region steht, nicht über ihnen. Sie erfüllt ausschließlich die Aufgaben, die Mitgliedstaaten und Regionen nicht erledigen können.
Die EU sollte demnach nur für gemeinsam zu bewältigende Kernkompetenzen zuständig sein wie Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, einem einheitlichen Binnenmarkt mit funktionie
rendem wirtschaftlichen Wettbewerb, einer einheitliche Außenvertretung und einer gemeinsamen Währung, einer reformierten Agrarpolitik und, soweit grenzüberschreitende Dimensionen gegeben sind, Rechtspolitik, innere Sicherheit, Verkehr, Infrastruktur, Umwelt- und Gesundheitsschutz. Im Übrigen sollten die Aufgaben den Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben.
Zu diesen Grundsatzfragen findet sich in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion zu wenig. Insbesondere fehlt ein politisches Konzept dafür, wie eine bessere Verteilung der Aufgaben zwischen der EU und den Mitgliedstaaten konkret vorgenommen werden kann.
- Herr Rabe, Sie können das gleich in Ihrer Antwort zum Besten geben. - Die CDU-Fraktion spricht sich für eine Zuständigkeitsverteilung nach dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung aus. Danach sollte die Europäische Union nur dann zuständig sein, wenn eine Kompetenz in den Verträgen ausdrücklich vorgesehen ist. Im Übrigen bleiben die Mitgliedstaaten zuständig.
Dabei ist es notwendig, einen dualen Kompetenzkatalog aufzustellen, in dem nicht nur die Zuständigkeiten der EU, sondern auch solche der Mitgliedstaaten festgehalten werden, die von einem Eingriff der Union ausgenommen sind. Dazu gehören z. B. der Staatsaufbau der Mitgliedstaaten, der Verwaltungsvollzug, die kommunale Selbstverwaltung, die öffentliche Daseinsvorsorge, das Bildungswesen und die Kulturförderung. Meine Damen und Herren, nur mit einem solchen dualen Kompetenzkatalog kann auf europäischer Ebene verhindert werden, was bedauerlicherweise in den letzten Jahren kompetenzrechtlich im Verhältnis zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland geschehen ist.
Die innerstaatliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern hat deutlich gemacht, dass den Ländern in der Praxis nur die Zuständigkeiten verblieben sind, die im Grundgesetz ausdrücklich als Länderkompetenz festgeschrieben wurden. In allen anderen Bereichen wurden die Bundeszuständigkeiten kontinuierlich zulasten der Länder ausgeweitet. Eine solche Entwicklung darf sich auf
europäischer Ebene nicht wiederholen. Daher muss künftig dafür Sorge getragen werden, dass die von mir in Grundzügen dargestellte Kompetenzordnung vor Beeinträchtigungen geschützt wird. Aus diesem Grunde wäre die Einrichtung eines besonderen politischen Gremiums sinnvoll, das die Einhaltung der Aufgabenverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten und des Subsidiaritätsprinzips überwacht. Dieses Gremium sollte zu einem frühen Zeitpunkt im Gesetzgebungsprozess angerufen werden und kurzfristig über Kompetenzfragen beschließen können.
Meine Damen und Herren, ein wesentliches Prinzip der Europapolitik ist die Transparenz. Der Bürger muss künftig klar erkennen können, wer für welche Entscheidungen in Europa die politische Verantwortung trägt.
Die Bevölkerung in Europa muss die Möglichkeit haben, über ihre Volksvertreter - sei es über die nationalen Parlamente oder das Europäische Parlament - auf die Entscheidungen in der EU effektiv Einfluss zu nehmen. Dies ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Menschen auch in Zukunft die europäische Integration positiv mittragen.
Die CDU-Fraktion hält verschiedene Reformen auf der Ebene der EU-Organe für notwendig. So sollte die Gesetzgebung dem Rat und dem Europäischen Parlament gemeinsam obliegen. Das Recht zur Gesetzesinitiative muss neben der Kommission auch dem Europäischen Parlament und dem Rat zustehen.
- Wenn es unstrittig ist, ist es ja gut. Man darf es ja öffentlich als Position der CDU hier einmal diskutieren.
Eine Beschränkung des Initiativrechts auf die Kommission mag in der Gründungsphase der EU gerechtfertigt gewesen sein. Der Fortentwicklung der EU wird sie in keiner Weise mehr gerecht. Die Kommission sollte die politisch verantwortliche Exekutive sein, wobei der Kommissionspräsident vom Parlament mit Zustimmung des Rates gewählt werden sollte. Auch hier besteht hoffentlich Übereinstimmung.
Zudem sollte der Rat grundsätzlich mit Mehrheit entscheiden.
Die CDU-Fraktion fordert die Landesregierung auf, die genannten Reformvorschläge im Rahmen ihrer Zuständigkeit auf europäischer Ebene einzubringen und durchzusetzen.
Es bestehen allerdings erhebliche Zweifel, ob die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des erheblichen Ansehensverlustes der Bundesregierung im Bereich der Europapolitik - hier sind wir möglicherweise unterschiedlicher Meinung, Herr Rabe das notwendige Gewicht haben wird, gemeinsam und partnerschaftlich mit den anderen EUMitgliedern die notwendigen Reformen zu gestalten und durchzusetzen.
Es ist mehr als verständlich, dass es die Landesregierung im Rahmen der Beantwortung der Großen Anfrage der CDU-Fraktion vermieden hat, auch eine Bewertung der rot-grünen Europapolitik auf Bundesebene vorzunehmen. Dabei wäre eine kritische Auseinandersetzung mit der katastrophalen Europapolitik der Bundesregierung notwendig.
- Jetzt wird es interessant, Herr Rabe. - Wie in anderen Politikbereichen fällt auch in der Europapolitik die Bilanz der rot-grünen Bundesregierung verheerend aus.
Seit dem Amtsantritt der Regierung Schröder sind auf europäischer Ebene Ansehen und Vertrauen, das Deutschland in der Regierungszeit von Helmut Kohl erworben hat, nachhaltig zerstört worden.
Über Jahrzehnte war die Europapolitik Deutschlands von zwei Grundsätzen bestimmt: Parteiübergreifend wurde der demokratische Konsens gesucht und verfolgt; das ist ganz wichtig. Zudem war Deutschland immer der kluge Anwalt gerade auch der kleinen Mitgliedsländer.
Die Regierung Schröder hat mit dieser langen europapolitischen Konzeption gebrochen.
Bei der Besetzung der Kommission von Romano Podi entschied sich Bundeskanzler Schröder für eine einseitige rot-grüne Lösung und schloss die CDU/CSU von der Mitwirkung in der Brüsseler Kommission aus.
Bei der Besetzung des Verfassungskonvents wurden sowohl als Regierungs- als auch als Parlamentsvertreter europapolitisch wenig profilierte SPD-Mitgliedern benannt
- Ich erinnere an Herrn Teufel. - Dies ist umso weniger nachvollziehbar, als ein europäischer Verfassungsvertrag später die Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag benötigt. Zudem wurde die Balance zwischen den Großen und Kleinen in der EU von der Bundesregierung mehrfach empfindlich gestört. Das begann mit der vertragswidrigen Drangsalierung Österreichs,
setzte sich fort mit demonstrativen Sondertreffen des Bundeskanzlers mit ausgesuchten großen Staaten und findet seinen Höhepunkt in dem Versuch, den Stabilitätspakt auszuhebeln, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als Deutschland eine berechtigte Rüge kassieren soll.
Diese im Grunde europafeindliche Politik fördert eine Polarisierung, deren Folgen für die EU insgesamt noch gar nicht abzusehen sind. Bereits jetzt lässt sich sagen, dass der politische Schaden in der EU immens sein wird. Die Zeitung Die Welt hat in ihrer Ausgabe vom 8. Februar 2002 das Vorgehen von Bundeskanzler Schröder gegen den blauen Brief wie folgt dokumentiert:
„Es ist Wahlkampf in Deutschland. Und weil man eine Beschädigung des eigenen Landes fürchtet, ignoriert die Bundesregierung beim Wettstreit um einen vermeintlichen Punktgewinn in Brüssel jede europäische Scham
schwelle. Droht ein blauer Brief, sieht Deutschland, der einstige Musterschüler Europas, seine Reputation in Gefahr. Da schert sich niemand mehr um die große Idee Europas, die auch der Bundeskanzler so oft staatstragend beschwor und über deren Bedeutung der Außenminister mit zerquälter Miene dozierte.“
„Der Preis für die Pflege der eigenen Eitelkeit ist hoch. Den Schaden nimmt Europa, nehmen seine Institutionen, seine Instrumente, seine Glaubwürdigkeit, vielleicht sogar seine Währung.“
Es ist schlimm, meine Damen und Herren, dass diese europapolitischen Amokläufe des Bundeskanzlers von der Landesregierung gebilligt und mit getragen werden.
Ihre großen Worte und Erklärungen zur Europapolitik, Herr Minister Senff, werden von der europapolitischen Tagespolitik Ihrer Partei und Ihres Kanzlers wiederholt ad absurdum geführt.
Sollte es für die SPD und den Wahlkampf des Bundeskanzlers kritisch sein, werfen Sie alle europapolitischen Grundsätze, die Sie auch hier im Landtag und im Land so häufig beschworen haben, über Bord und sekundieren Ihrem großen Vorsitzenden in Berlin. Es wird höchste Zeit, meine Damen und Herren, für eine neue Europapolitik in Deutschland, die an die großen Erfolge der Ära Kohl anknüpft
und Deutschlands Rolle in einem größer und stärker werdenden Europa kräftigt. - Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Klein, selten konnte ich eine Ihrer Reden fast Wort für Wort so unterstreichen wie heute. Mein Kompliment dazu. Bei der Großen Anfrage der SPD mit dem Titel „PROLAND-Offensive“ handelt es sich nicht um eine hübsche Würdigung von Fördermaßnahmen, sondern vielmehr um eine Jubelanfrage, die ausschließlich den Zweck verfolgt, die bisherige Arbeit der Landesregierung zur Stärkung des ländlichen Raumes im günstigen Licht erscheinen zu lassen bzw. die verheerenden Auswirkungen der SPD-Politik auf den ländlichen Raum zu kaschieren.
Wenn Herr Bartels von einer Frischzellenkur für den ländlichen Raum spricht, so hat das mit der Realität wenig zu tun. Wir halten die jetzige und künftige Förderung des ländlichen Raumes aus EU-Strukturfonds, mit GA-Mitteln und mit Landesmitteln für sehr bedeutend. Auch nach dieser Anfrage bleiben aber wichtige Fragen unbeantwortet im Raum stehen haben.
Es ist sicherlich richtig, wenn Herr Klein sagt, dass im Jahre 2003 - möglicherweise auch noch in diesem Jahr - eine Halbzeitbewertung überfällig ist. Diese Halbzeitbewertung wollen auch wir vornehmen, indem wir zu einem späteren Zeitpunkt - das kann ich Ihnen sagen - eine eigene Anfrage zu diesem Thema stellen und alle Fragen, die heute unbeantwortet geblieben sind
- Herr Klein hat doch einige wesentliche Fragen angedeutet -, in diese Große Anfrage einbauen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das PROLAND-Programm ist im Grundsatz eine Förderung für den ländlichen Raum, die ländliche Entwicklung und die Landwirtschaft. Sie ist unverzichtbar; das ist grundsätzlich zu bestätigen. Sie ist ein wesentlicher Teil einer zunächst auf sieben Jahre angelegten EU-Strukturpolitik im Rahmen der Agenda 2000 und ersetzt in vielen Fällen bisherige Förderelemente. Das war gewollte EUPolitik und weniger gewollte Landespolitik. Im Rahmen der Agenda-Verhandlungen ist die EU-Strukturförderung neu konzipiert worden. Es sind Förderziele zusammengefasst und neue Förderschwerpunkte gebildet worden.
Das bisherige Ziel-5b-Förderprogramm zur Entwicklung des ländlichen Raumes ist weggefallen. Unter diesem Förderziel sind bisher Maßnahmen für den ländlichen Raum aus mehreren EU-Förderfonds zusammengefasst und finanziert worden. Wir haben wiederholt kritisiert, dass der ländliche Raum durch Wegfall der Ziel-5b-Förderung seinen eigenständigen Förderansatz in der EU-Regionalförderung verloren hat. Gleichwohl erkennen wir an, dass die EU infolge der AgendaPreisbeschlüsse dramatisch verlaufende Strukturprozesse in der Fläche durch erhöhte Förderansätze in der horizontalen Förderung - also gebietsunabhängig - nun sozusagen für alle abfedern will.
Dieses EU-Gemeinschaftsprogramm - in Niedersachsen als PROLAND bezeichnet - beinhaltet die Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes. Insgesamt stellt die EU mit diesem Programm innerhalb von sieben Jahren 1,1 Milliarden DM - ich bleibe jetzt einmal bei D-Mark an Fördermitteln zur Verfügung, die allerdings Komplementärmittel von Bund und Land, in einigen Fördersegmenten darüber hinaus Komplementärmittel von Kommunen und privaten Investoren voraussetzen. Da sich das Land hier brüstet, ein Fördervolumen in Höhe von 3 Milliarden DM in Gang zu setzen, muss ich hier sagen: Das ist sicherlich richtig. Die Wahrheit aber ist auch, dass nur gut 10 % von dieser Fördermasse, von diesem Fördervolumen vom Land selbst getragen werden, nämlich 350 Millionen DM. Dieser Betrag macht deutlich, welche landespolitische Handschrift die Landesregierung auf diesem Gebiet schreibt.
Das so genannte PROLAND-Programm ist wesentlicher Teil einer gewollten EU-Strukturförderung zur Erleichterung der Anpassungs- und Umstellungsprozesse im ländlichen Raum.
Wichtig aber ist auch - das müssen wir in diesem Zusammenhang ebenfalls sagen, um die europapolitische Akzeptanz im ländlichen Raum zu fördern -, dass es sich bei diesen Mitteln im Wesentlichen um EU-Mittel und nicht so sehr um Landesmittel handelt. Es trifft nicht so sehr zu, dass die Landesregierung ein Füllhorn über den ländlichen Raum ausschüttet, wie es von Minister Bartels in seinen aufgeplusterten Stellungnahmen gelegentlich zu hören ist, wenn er sich zu PROLAND äußert. Dann bekommt man das Gefühl, dass an den Einfallstraßen nach Niedersachsen geschrieben steht: Wir können Sie im Land Niedersachsen begrüßen. Sie haben es gut. Hier gibt es PROLAND. - Diese ganze Geschichte ist ein bisschen überzogen.
- Das ist die Public-Relations-Politik der SPDLandesregierung. Da haben Sie völlig Recht.
Nun noch einige Anmerkungen hierzu. Hören Sie zu! Herr Schack, auch Sie! - Aufgrund der Förderkonzeption, die eine Mitfinanzierung der Kommunen vorsieht, sind wir inzwischen an einem Punkt angelangt, der es offenbar nur noch den finanzstarken Kommunen erlaubt, dieses Programm in Anspruch zu nehmen.
Diese Tatsache ist zu hinterfragen.
Ferner möchte ich Ihnen sagen: Wenn wir über die Strukturförderung und über die Förderung des ländlichen Raumes sprechen, Herr Schack, dann muss ich Sie darauf hinweisen, dass Niedersachsen jetzt erstmals 18 Millionen Euro aus der GA-Finanzierung verfallen lässt. Auch das muss in diesem Zusammenhang einmal gesagt werden. Das PROLAND-Programm ist meines Wissens eine der größten PR-Maßnahmen der Landespolitik. Für mich ist dieses Programm ein einziger Etikettenschwindel.
Dieses Programm ist vordergründig und auf Effekthascherei ausgelegt. Ich kann Ihnen sagen: Wenn der Minister die Zeit, die er verwendet hat, um nach und vor irgendwelchen Maßnahmen oder
wann auch immer hunderte oder tausende von Spatenstichen zu machen, genutzt hätte, um darüber nachzudenken, an welchen Stellen des Landeshaushalts er Mittel frei machen kann, um GAMaßnahmen für den ländlichen Raum mitzufinanzieren, dann wäre das alle Mal besser gewesen.
Ich habe nur noch wenig Redezeit. Deshalb möchte ich fortfahren.
Der ländliche Raum - das möchte ich abschließend sagen - ist unter der SPD-Landesregierung permanent benachteiligt worden.
Dies gilt für den kommunalen Finanzausgleich, den Straßen- und Radwegebau, den Krankenhausbau, das Stichwort „Kulturvertrag“, die Mittelstandsförderung und auch die Agrarpolitik. Jetzt müssen wir in zunehmenden Maße auch noch erleben, dass aus dem Topf Agrarstruktur und Küstenschutz immer mehr Fremdfinanzierungen vorgenommen werden, was zulasten des ländlichen Raumes geht.
Früher sind die Ziel-5b-Mittel nach Regionalquoten auf die Landkreise verteilt worden. Die Kriterien, die heute dafür herhalten müssen, um Fördertatbestände zu beschreiben, sind mir immer noch nicht klar. Im Regierungsbezirk Weser-Ems habe ich sie bisher nicht entdeckt. Hier geht es sehr oft - das muss ich einmal so deutlich sagen - auch nach politischem Wohlverhalten. Das kann aber nicht akzeptiert werden.
Es darf nicht sein, dass finanzschwache Kommunen, die im Grunde genommen Ergänzungszuweisungen erhalten müssten, nicht mehr in den Genuss der PROLAND-Mittel kommen können, weil sie nicht mehr kofinanzieren können. Hier liegt eine der Schwachstellen des Programms. Ich meine, wir müssen dieses Programm weiter hinterfragen. Wir werden das in Zukunft auch tun. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das lässt mich wirklich nicht ruhen. Die Version, die Herr Bartels wiederholt von sich gibt, was sein Verhalten bei der Verabschiedung der Legehennenhaltungsverordnung anbelangt, hat mit der Wahrheit und der Realität nichts zu tun.
In Wirklichkeit haben die CDU und die SPD in enger Abstimmung und einem großen Konsens im Landwirtschaftsausschuss des Landtages eine gemeinsame Formulierung gefunden, wie sie sich bei diesem Thema verhalten wollen. Sie haben an der Sitzung teilgenommen und haben nichts dazu gesagt. Sie haben sich anschließend aus dem Staube gemacht, und Herr Gabriel hat seine Version im Bundesrat durchgesetzt. Sie waren auf der ANUGA in Köln. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen im Jahre 1989 in der Sowjetunion, der DDR und den osteuropäischen Staaten
gehörte zu den herausragenden Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Der Zusammenbruch des Kommunismus offenbarte nicht nur den ökonomischen und ökologischen Ruin eines verfehlten Systems, sondern auch die Folgen einer 40-jährigen Unterdrückung von Freiheit und Menschenrechten.
Der Präsident der Tschechischen Republik, Václav Havel, der als Dissident unter dem kommunistischen Regime in seiner Heimat im Gefängnis saß, hat in einem Gastkommentar für die Zeitung Die Welt am 18. November 1999 geschrieben:
„Unsere Novemberrevolution fiel keineswegs vom Himmel. Sie war organischer Teil einer großen Bewegung des unaufhaltsamen Zerfalls eines Systems, das auf Lügen, Hass und Zwang baute, eines Systems, das die Menschen ihrer fundamentalsten Rechte beraubte, das dem ureigensten Sinn des Lebens zuwiderhandelte und glaubte, den Fortschritt der Geschichte unter dem Banner einer verlockenden, doch falschen Utopie aufhalten zu können.“
Meine Damen und Herren, Dokumente aus den mittlerweile geöffneten Archiven der früheren kommunistischen Staaten in Russland und Osteuropa belegen ausdrücklich, in welchem Ausmaß die kommunistischen Staaten fast durchweg auf eine Politik der Liquidierung und Unterdrückung begründet waren. Alexander Jakowlew, früherer Weggefährte Gorbatschows und Chef der Staatlichen Kommission für Rehabilitierung von Opfern politischer Unterdrückung, gab vor kurzem in Moskau an, dass allein in der früheren Sowjetunion zwischen 1917 und 1987 etwa 32 Millionen Menschen in Lagern oder Gefängnissen getötet worden sein sollen.
Es ist bekannt, dass auch in weiteren osteuropäischen Staaten während des kommunistischen Regimes Menschen in großer Zahl zu Tode gekommen sind.
In Deutschland ist 1990 mit der Einrichtung der so genannten Gauck-Behörde in vorbildlicher Weise ein wesentlicher Schritt zur Aufarbeitung und Bewältigung der kommunistischen Diktatur in Ostdeutschland unternommen worden. Die Beschäftigung mit der DDR-Vergangenheit ist jedoch keineswegs einseitig auf die Stasi-Akten gerichtet
gewesen. So hat es in der Vergangenheit eine Enquete-Kommission des Bundestages gegeben, die wissenschaftliche Publikationen, Filme, Romane, Ausstellungen und Veranstaltungen inszeniert hat, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Erinnerung an diktatorisches Unrecht zu erhalten und Wissen um das Wesen von Diktaturen zu vermitteln.
Meine Damen und Herren, die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Marianne Birthler hat anlässlich der Verabschiedung von Joachim Gauck zur Notwendigkeit einer weiteren Beschäftigung mit dem Unrechtsregime der DDR ausgeführt:
„Die Erinnerung gilt zuerst den Opfern von Repressionen, Zersetzung und politischer Justiz, die ein Recht auf Aufklärung, Rehabilitierung und würdige Entschädigung haben. Auch wo Recht und Unversehrtheit nicht wieder hergestellt werden können, gibt es doch wenigstens Genugtuung durch Wahrheit. Wir wollen auch darauf achten, dass die Erinnerung an jene Opfer der Diktatur nicht verblasst, die nicht mehr leben. Wir haben Verantwortung gegenüber Menschen, denen durch lange Haftstrafen Jahrzehnte ihres Lebens gestohlen worden sind und die heute zu kraftlos und enttäuscht sind, um ihre Interessen selber zu vertreten.“