Zweitens. Ich habe noch nie bei Ihnen darum gebeten, dass in meiner Stadt eine Verlässliche Grundschule eingerichtet wird. Das habe ich auch nicht nötig, meine Damen und Herren, weil in Diepholz alle Grundschulen Volle Halbtagsschulen sind und kein Mensch, auch nicht Ihre Genossen, daran denkt, diese gute Schulform aufzugeben. Ich fordere Sie auf, erst einmal das Schulgesetz zu ändern und aus einer Versuchsschule eine Regelschule zu machen, bevor Sie weiter solche Aussagen machen.
Im Übrigen, Frau Ministerin - das gebe ich Ihnen einfach mal als Tipp mit -: Handeln Sie endlich! Reden Sie nicht ständig!
Entschuldigung, dann nehme ich das zurück und bleibe bei dieser Wortmeldung. Ich kann Sie nur bitten, bevor Sie mich angreifen und mir etwas unterstellen: Handeln Sie und setzen Sie um, was Sie hier seit fünf oder sechs Jahren entweder als Staatssekretärin oder als Ministerin ewig angekündigt haben.
(Plaue [SPD]: Was soll denn das für eine persönliche Erklärung gewesen sein, Herr Kollege? Das ist eine Er- schleichung von Redezeit! - Mühe [SPD]: Herr Präsident, er kann doch nicht lesen! – Gegenruf von Frau Pa- welski [CDU]: Das sollten Sie mal le- sen!)
Herr Präsident, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass ich das Wort "hetzen" verwendet habe. Dafür entschuldige ich mich ausdrücklich vor dem Parlament.
Ich habe manchmal schon den Eindruck, dass es in bestimmten Reden sehr persönlich wird, ob das bestimmte Diffamierungen sind oder andere Geschichten. Dann schallt das von mir manchmal so zurück. Dafür entschuldige ich mich ausdrücklich. Das ist dann der Emotion geschuldet, die dabei entsteht. Sie wissen ganz genau, dass ich auch sehr sachlich mit Ihnen umgehen kann. Sie haben das gerade bei der letzten Fraktionssitzung erlebt, Herr Klare.
Meine Damen und Herren, wir sind jetzt mit dem Schulbereich fertig. Wir kommen zum Bereich Wissenschaft und Kultur.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über zehn Jahre Hochschulpolitik, rot bestimmt, da kann einem eigentlich nur noch schwarz vor Augen werden. Die Situation der Hochschulen ist katastrophal, absolut unbefriedigend. 530 Millionen DM sind von 1995 bis heute gekürzt worden, 1 100 Personalstellen weniger, und das, wie Frau Seeler selber heute ausgeführt hat, bei wieder steigenden Studierendenzahlen.
Jetzt sollen die Hochschulen 50 Millionen DM zurück bekommen. Aber auch das muss man näher betrachten. Erst ist ihnen etwas genommen worden, jetzt gibt man es wieder zurück, verkauft das als Erfolg, als Innovation und erwartet auch noch Dankbarkeit dafür. Ich halte das für unseriös. In meinen Augen sind das Rosstäuschertricks.
Fakt ist, dass im vorliegenden Haushalt weitere globale Minderausgaben zum Tragen kommen werden, dass wir mit Folgen des so genannten Hochschulstrukturkonzepts rechnen müssen, mit Kürzungen bei den Studentenwerken. Weitere 46 Millionen DM werden für die nächsten zwei Jahre weggekürzt.
So darf es auch nicht verwundern, wenn die Bertelsmann Stiftung in einer Untersuchung, in der die Länder verglichen werden, in den Jahren 1991 bis 1998 zu dem Ergebnis kommt, dass die Hochschulausgaben in Niedersachsen bei weitem zu niedrig sind, dass man bei einem Wetteifern um gute Professoren und gute Studenten langsam ins Hintertreffen gerät, insbesondere im Vergleich mit den süddeutschen Flächenländern. Frau Seeler, denken Sie auch an die Anhörung zum NHG. Ich kann Ihnen nur sagen, Sie sollten mit dem Wort "modern" vorsichtig umgehen. Gerade die Anhörung hat gezeigt, dass manche dieses Wort etwas anders aussprechen: Es modert und rumort, so würde ich das mal eher sehen.
Die Anhörung hat ergeben: Die Forschungssituation ist unattraktiv. Für qualifizierte Berufungen fehlt nahezu das Geld. Die Hochschulen können gar nicht so um die besten Köpfe wetteifern, wie sie es gern tun würden, weil sie diesen besten Leuten gar nicht die Infrastruktur finanzieren können, die diese, um entsprechend arbeiten zu können, auch erwarten dürfen.
Weiter hat die Anhörung ergeben, dass das Modell „Stiftungshochschule“ als trojanisches Pferd betrachtet wird und nicht einmal ansatzweise die finanzielle Situation verbessern wird.
Hier wird auf den Juniorprofessor hingewiesen. Auch dazu muss man einiges ganz klar sagen. Die ersten Mediziner wandern ab, weil sie die Chancengerechtigkeit nicht mehr gewahrt sehen. Alle Hochschulen wissen ganz klar, dass sie nach der ersten Anreizfinanzierung die Juniorprofessoren selber werden ausstatten müssen. Sie werden das Geld aus dem eigenen Bestand nehmen müssen, um überhaupt noch etwas bewegen zu können. Das bedeutet de facto Kürzungen auf einem anderen Sektor.
Niedersachsen wird jetzt bereits die besten Köpfe verlieren. Der Minister sagt, er möchte sie gewinnen. Dazu muss er sich etwas anderes einfallen lassen. Mit diesen Kürzungsmaßnahmen geht es jedenfalls nicht.
Die Fachhochschulen machen sich große Sorgen. Sie sind an den Grenzen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten angelangt. Sie könnten, sie wollen, und sie würden auch mehr machen und auch vorhandenes Potenzial nutzen, wenn sie wenigstens einen Fonds hätten, um den alle Fachhochschulen wetteifern könnten, um das in neue Ideen für weitere Innovationen umzusetzen. Aber wir stellen fest: Auch da ist in Niedersachsen leider nur eine Nullmenge angezeigt.
Darüber hinaus greift man den Studierenden in die Tasche. Nach der Verwaltungskostenpauschale soll es Studiengebühren geben. Aber, meine Damen und Herren, das eigentliche Problem liegt doch nicht beim „faulen Studenten“. Das eigentliche Problem liegt in der schlechten personellen und materiellen Ausstattung, in überfüllten Hörsälen, fehlenden Tutorien, fehlenden Praktika, schlechten Bibliotheksangeboten, fehlender Übung und dem Warten auf Prüfung - ja, selbst dem Warten auf Prüfung! Da hat jemand alle Scheine, würde sich gern prüfen lassen, um fertig zu werden, aber es geht nicht, er muss warten. Da hat jemand das Lehramtsstudium begonnen, weil er benötigt wird, muss ein Praktikum machen, findet keinen Platz
und bekommt aus dem Ministerium gesagt, er solle halt ein Semester länger studieren. Was soll‘s! Anschließend wird er dafür auch noch bestraft.
Wir halten das für eine unverantwortliche, mangelhafte Hochschulpolitik mit dem Etikett Oppermann, wobei Überlast und Unterfinanzierung toleriert werden.
Lassen Sie mich in der Kürze der Zeit auch ein paar Worte zum großen Bereich der Kulturpolitik sagen.
Dass nun endlich die Landesmusikakademie und auch ein Mehr an Musikkultur zum Tragen kommen, geht ja wohl eindeutig auf CDU-Anträge zurück.
(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD - Zuruf von der SPD: Das mei- nen Sie doch nicht im Ernst? - Möll- ring [CDU]: Es ist aber schlimm, dass Sie das noch nicht gemerkt haben!)
Ich meine, eine andere Förderung der Musikkultur war längst überfällig. Vergleichen wir das einmal mit dem großen Bereich der Sportförderung. Man kann dann ermessen, wie engagiert die Schaffenden in der Musik sind und dass es wirklich zu einer gerechteren Behandlung im Vergleich mit Sport und Sportförderung kommen muss. Hier ist aber lediglich ein erster Schritt in die richtige Richtung getan worden.
Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir z. B. bei den Musikschulen noch Großes leisten müssen, da die Musikschulen Sorge haben. In den letzten Jahren haben die Eltern immer mehr die Hauptlast der Finanzierung der Musikschulen tragen müssen. Die Kommunen steigen mit einem nennenswert großen Beitrag ein. Das Land bleibt dann bei etwa 2 % stehen. Man kann in der Tat nicht umhin, wenn man die Bildungsleistung der Musikschulen würdigen will, zu bedauern: Niedersachsen ist Schlusslicht im Vergleich der deutschen Bundesländer. Hier ist nicht mehr Reden, sondern endlich Handeln angesagt!
Auch andere Bereiche der Kultur machen sich Sorgen darüber, wie sie weiterhin die Qualität erhalten können, die sie leisten könnten, wenn sie dürften. So ist festzustellen, dass bei den Staatstheatern vorgesehene Kürzungen zwar teilweise zu
rückgenommen werden, dass dies aber lediglich durch Umschichtungen im Haushalt geschieht. Ich will auch klar darauf hinweisen, dass insbesondere bei den Staatstheatern Braunschweig und Oldenburg kein weiteres Kürzungspotenzial mehr vorhanden ist, weil sich sonst die Frage nach der Qualität stellt. Ich meine, dass Kultur nicht nur ein Gut für Luxuszeiten ist und dass sich Niedersachsen neben Hannover auch in der Fläche gute Qualität leisten sollte und kann.
Wenn nur innerhalb des Haushalts umgeschichtet wird, steigt allenfalls die Streitkultur unter den Kulturschaffenden, nicht aber die Qualität der Kultur selbst.
Zur Bildungspolitik gehören neben Schule eben auch Hochschule mit Forschung und Lehre, Berufsakademie, Erwachsenenbildung und der große Bereich der Kultur. Das muss sich auch im Haushalt widerspiegeln. Wer von lebenslangem Lernen und ganzheitlichem Bildungskonzept redet, redet mit gespaltener Zunge, wenn er diese Bereiche gleichzeitig gegeneinander ausspielt und unter in die Zukunft gewandtem Gestalten lediglich kürzen, kappen und streichen versteht und dies auch praktiziert.
Das Ministerium heißt ja „für Wissenschaft und Kultur“. So wundert es wenig, dass dieses Ministerium von einem - zugegeben, manchmal nicht ungeschickten - Selbstdarsteller geführt wird. Eines jedoch ist dieser Minister sicherlich nicht: der erste Fürsprecher, Sachwalter oder gar Kämpfer für eine bessere Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zuletzt noch eines ansprechen. Der Kollege Wulf hat darauf hingewiesen,
- Wulf, Oldenburg -, wie groß Niedersachsen bezüglich der Bildungspolitik ist. Aber eine Bildungsoffensive, bei der dem Hochschuletat etwas genommen wird, was den Schulen zufließt, und bei der einzelne Bildungsbereiche gegeneinander ausgespielt werden, ist keine Bildungsoffensive. Das sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben.