Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Und was machen Sie, Herr Minister Oppermann? Sie wollen gerade bei diesen Leuten künftig abkas

sieren. Sie verweisen mit Unschuldsmiene auf die zahlreichen Ausnahmebestimmungen,

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Aber wir glauben ihm nicht!)

die bei Ihren so genannten Studienguthaben vorgesehen sind und die ein Überschreiten um vier so genannte Toleranzsemester zulassen. Aber eine ganz wesentliche Ausnahme - vielleicht die Wichtigste überhaupt - fehlt, nämlich ein Studiengangwechsel. Während das BAföG-Amt auch noch nach vier Semestern einen Studiengangwechsel anerkennt und die dann getroffene Entscheidung ausfinanziert wird, sind Ihre vier Toleranzsemester in einem solchen Fall bereits verbraucht. Jede weitere Verzögerung führt dann insbesondere bei Jobbern, also bei Jugendlichen, die, weil das Elternhaus nicht so viel Geld hat, gezwungen sind, ihren Unterhalt für das Studium durch eine Teilzeitarbeit zu finanzieren, zwangsläufig dazu, dass die Gebührenfalle zuschnappt. - Herr Minister Oppermann, angesichts der gerade im Vergleich zum Ausland geringen Zahl von Stipendien hier zu Lande ist Ihre Haltung gegenüber diesen jungen Menschen nun wirklich arrogant.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie Ihre ständig wiederkehrenden Forderungen nach Studiengebühren auch ab dem ersten Semester immer mit dem Hinweis garnieren, dann bräuchte man irgendwie auch mehr Stipendien, sage ich Ihnen: Wir haben ein solches Stipendienangebot in Niedersachsen bisher nicht. Deswegen verbietet es sich auch, zum jetzigen Zeitpunkt Gebühren - seien es Langzeitgebühren oder die von Ihnen geforderten grundsätzlichen Studiengebühren - einzuführen. Damit schrecken Sie insbesondere Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien vom Studium ab. Auch das ist in den Sozialerhebungen der Studentenwerke nachgewiesen; diese Untersuchungen liegen vor. Es ist auch sozial ungerecht.

Wenn Sie dann auf die Intensivstudiengänge verweisen - das haben wir bei der Anhörung zum NHG doch gehört -: Sicherlich, Sie haben es geschafft, eine Vielzahl von Stipendien einzuwerben. Die waren aber zeitlich befristet. Jetzt laufen sie aus, und die Wirtschaft ist nach Darstellung der Rektoren aus Clausthal-Zellerfeld, nach Darstellung des Präsidenten der TU Braunschweig nicht bereit, sie anstandslos zu verlängern. Das heißt, in Intensivstudiengänge können überhaupt nur die

hineingehen, die entweder ein reiches Elternhaus oder sonstwie Vermögen haben, aber doch nicht diejenigen, die nebenher arbeiten müssen. Das verträgt sich nämlich nicht mit einem solchen Intensivstudiengang.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, angesichts des eklatanten Mangels an Studienplätzen an Fachhochschulen in Niedersachsen fordern wir ein zweites Fachhochschulentwicklungsprogramm für dieses Land. Wir wollen, dass man - nach Möglichkeit gemeinsam mit dem Bund - in großer Zahl bedarfsgerecht neue Studienplätze finanziert.

Solange das nicht realisiert werden kann, wollen wir, dass die an die niedersächsischen Hochschulen ausgeschütteten Mittel leistungsgerecht in diesem Land verteilt werden. Es ist sachlich nicht nachvollziehbar, dass eine solche leistungsbezogene Mittelvergabe zwar zwischen den Fachhochschulen - und zwar ausschließlich zwischen den Fachhochschulen - stattfindet, nicht aber zwischen den Universitäten im Land und auch nicht zwischen Fachhochschulen und Universitäten im Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen das Geld so verteilen, weil wir auf die Nachfrage, wie sie sich in Niedersachsen entwickelt und die dieser Bewerberüberhang bei den Fachhochschulen ausweist, entsprechend reagieren wollen. Wir halten das für marktgerecht, um das auch einmal in Ihren Kategorien zu begründen.

Wir wissen um die Schwierigkeit, Forschungsleistungen gerade an Universitäten zu bewerten und in angemessener Weise zu verformeln. Nur, was spricht denn eigentlich dagegen, dass man zunächst einmal nur die der Lehre zur Verfügung stehenden Mittel leistungsbezogen zwischen Fachhochschulen und Universitäten in Niedersachsen verteilt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sind immer der Hohepriester des Wettbewerbs. Aber da, wo es bei einer solchen leistungsbezogenen Mittelvergabe Verlierer geben könnte,

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Zum Bei- spiel Uni Göttingen!)

werden Sie zum Gralshüter der eigenen Wahlkreisinteressen. Das ist doch der eigentliche Grund, warum das nicht gemacht wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch das mit der NHGNovelle angedachte Stiftungsmodell, die Übertragung von Liegenschaftsvermögen auf Hochschulen in Niedersachsen, hat nichts mit Leistungsgesichtspunkten zu tun. Es werden Liegenschaften und auch das bewegliche Anlagevermögen auf Universitäten übertragen. Wer profitiert davon? Natürlich haben es Traditionsuniversitäten in Niedersachsen geschafft - ich sage einmal, im Laufe von mehreren hundert Jahren -, einen großen Streubesitz, einen Grundstock, viele Liegenschaften und Gebäude, anzuhäufen. Ich weiß, dass das gerade bei denkmalgeschützten Gebäuden hohe Unterhaltskosten bedeutet. Aber in der Sache ist es doch so, dass künftig auch die Entscheidungsgewalt etwa darüber, ob man nicht denkmalgeschützte Objekte abreißt und das Grundstück verwertet, bei der Hochschule liegen wird.

Jüngere Hochschulen in diesem Land, also relative Neugründungen der 70er-Jahre in Osnabrück, in Lüneburg oder in Oldenburg, haben diese Möglichkeit aus nachvollziehbaren Gründen nicht. Deswegen kann man ein solches Modell, das wirklich nichts mit Leistung zu tun hat, sondern wo schlicht vorhandene Liegenschaften übertragen werden, doch nicht umsetzen.

Die Alternative ist - nicht dass Sie sagen, wir lehnten das in Bausch und Bogen ab -, dass wir ein Anreizmodell für die Hochschulen entwickeln, dass wir sagen, sie - übrigens nicht nur die Stiftungshochschulen in Niedersachsen, sondern alle Hochschulen im Land - sollen über das Liegenschaftsvermögen selbständig entscheiden. Sie sollen das auch verwerten, und sie sollen den Verwertungserlös meinetwegen zu 60 % behalten und am Standort verwenden dürfen. Aber die restlichen 40 % müssen doch genutzt werden, um zweckgebunden dem Hochschulbauplafond zugeführt zu werden, damit wir auch an den Standorten in Niedersachsen, die einen solchen Grundstock nicht haben, die Möglichkeit haben, zusätzliche Mittel einzusetzen, um dort dringend benötigte Kapazitäten neu zu schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mit diesem Haushaltsentwurf gleich doppelt gestraft sind die Studen

tenwerke in Niedersachsen. Nun glaube ich auch, dass da Effizienzreserven vorhanden sind. Ich habe ja auch bei den Beratungen im Haushaltsausschuss angeregt, zu einem Landesstudentenwerk zu kommen, um gerade bei den Verwaltungsausgaben in der Spitze etwas sparen zu können. Aber was doch nicht geht, ist, dass Sie bei den Finanzhilfen der Studentenwerke 5 Millionen DM kürzen und gleichzeitig diese Langzeitstudiengebühr einführen, mit der den Studentenwerken - so die Erfahrungen aus Baden-Württemberg - Beitragszahler und damit Einnahmen verloren gehen. Was machen Sie? - Sie kürzen von einem auf das andere Jahr 20 % des Haushaltsbudgets der Studentenwerke. Sie schlagen diesen Leute wirklich im Laufen die Beine weg. Das ist einfach unerhört! Sie zwingen sie möglicherweise sogar zu betriebsbedingten Kündigungen. Das geht einfach nicht an.

Meine Damen und Herren, die Konsequenz einer solchen Politik wird sein, dass die Studentenwerke gezwungen sind - wenn sie denn nicht kündigen, was überhaupt nicht auszuschließen ist -, die Preise für ihre Leistungen zu erhöhen, dass das Mensaessen oder die Mieten in den Studentenwohnheimen teurer werden.

Ihre so genannte Langzeitstudiengebühr trifft deshalb in erster Linie auch nicht die von Ihnen so genannten Bummelstudenten, sondern Studierende, die gezwungen sind, sich ihren Lebensunterhalt und den Unterhalt ihres Studiums nebenher zu verdienen. In zweiter Linie trifft sie alle Studierenden im Land, weil die Studentenwerke gezwungen werden, diese Kürzungen der Finanzhilfe auf alle Studierenden in Niedersachsen umzulegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch die Hochschulleitungen in Niedersachsen haben den Unsinn einer solchen Gebühr erkannt. Nahezu einhellig von allen Senaten, von allen Konzilen - noch haben wir sie ja - und natürlich auch von den einzelnen Interessengruppen innerhalb der Hochschulen wird dieses Modell abgelehnt. Man hat sich einhellig dagegen ausgesprochen. Die Verwaltungskosten werden gerade einmal durch den bescheidenen Rückfluss an die Hochschulen refinanziert. Es bringt also den Hochschulen gar nichts. Dagegen ausgesprochen haben sich auch der DGB, das Wissenschaftsforum der SPD im Bezirk Hannover, in dem ja auch Frau Bulmahn Mitglied ist. Insofern würde ich hinterfragen, ob sie mit dem Gesetzentwurf wirklich zu 100 % einverstanden ist. Dagegen

ausgesprochen haben sich die Jusos, der SPDStadtverband Göttingen. Es haben sich die LandesASten-Konferenz, der SPD-Bundesparteitag in Nürnberg und selbstverständlich auch die Grünen gegen diese Gebühr ausgesprochen. Gemeinsam mit meiner Kollegin Gabi Andretta habe ich in der vergangenen Woche auf dem Opernplatz gegen diese Studiengebühren demonstriert.

(Möllring [CDU]: Morgen stimmt sie zu! Wie der Herr, so das Gescherr!)

Man muss einfach feststellen: Herr Oppermann, Sie haben für dieses Projekt angesichts dieser Gruppen - ich könnte die Aufzählung fortsetzen im Land und auch im Bund keine gesellschaftliche Mehrheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Oppermann, Sie verordnen Verwaltungskostenbeiträge, Sie erzwingen Langzeitstudiengebühren, Sie fordern immer wieder und ganz offen Studiengebühren vom ersten Semester an. Dieses Verhalten, Herr Oppermann, lässt keinen Zweifel zu: Sie sind ein Gebührenfetischist!

(Beifall bei den GRÜNEN - Möllring [CDU]: Was haben Sie gegen Rand- gruppen?)

Wir wollen und wir werden verhindern, dass Sie diese Neigung in Niedersachsen weiter ausleben. Deshalb sage ich: Führen Sie diese Regelung ruhig ein, wenn es Ihnen kurzfristig Befriedigung verschafft. Wir werden dafür sorgen, dass diese Gebühren 2003 wieder abgeschafft werden, meine Damen und Herren. Und das ist gut so!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, Wortmeldungen zu dem Bereich Wissenschaft und Kultur liegen mir nicht mehr vor. Ich schließe damit die Debatte. - Herr Minister, wollen Sie noch?

(Möllring [CDU]: Jetzt ist die Debatte geschlossen!)

Bitte schön!

Herr Golibrzuch, Sie werden keine Gelegenheit dazu haben. Und das ist noch besser so.

Was Sie ausgeführt haben, war sicherlich sehr polemisch, aber nicht in jeder Hinsicht sachlich.

Zunächst zu den Fachhochschulen: Es trifft zu, dass wir eine große Nachfrage nach Fachhochschulstudienplätzen haben. Es gibt auch eine überproportionale Zunahme von jungen Leuten mit Fachhochschulreife. Die wächst schneller als bei der allgemeinen Hochschulreife. Dem werden wir Rechnung tragen müssen, indem wir zusätzliche Fachhochschulstudienplätze einrichten. Wir haben das übrigens mit den flexiblen Mitteln des Ministeriums in den vergangenen Jahren im Anschluss an das Fachhochschulentwicklungsprogramm getan. Aber man muss bei der Nachfrage sehr genau hinschauen.

Nachgefragt werden oft die gleichen Fächer, für die es auch an Universitäten einen Numerus clausus gibt. Die Medienwissenschaften sind auch an den Universitäten total überlaufen. Es können aber nicht alle Medienwissenschaften studieren, so wichtig das Fach auch ist. Für die Rechtswissenschaften gibt es einen Numerus clausus an den Universitäten, und dieses Fach ist auch an den Fachhochschulen überlaufen. Aber es gibt mittlerweile mehr als 100 000 zugelassene Rechtsanwälte in Deutschland. Es macht also keinen Sinn, wenn alle Jura studieren. Der Bedarf an Juristen in dieser Gesellschaft ist gedeckt, er muss nicht weiter gesteigert werden.

Bei den Betriebswirtschaften - da haben Sie Recht - ist es tatsächlich so, dass Leute, die den Numerus clausus an der Fachhochschule nicht schaffen, an der Universität wegen des dort etwas weniger strengen Numerus clausus unterkommen. Aber in beiden Studiengängen gibt es einen NC. Ich meine auch, dass nicht alle Betriebswirtschaften studieren können.

Dort, wo ein akuter gesellschaftlicher Mangel, nämlich in den technischen Fächern, in den Naturwissenschaften, besteht, sind die Fachhochschulen leider noch nicht voll, die Universitäten erst recht nicht. In diesen Fächern gibt es übrigens Studienbedingungen an den Universitäten - bedauerlicherweise, weil dort so wenig Studienanfänger in diesen Fächern zu verzeichnen sind -, die traumhaft sind. Wenn Sie sagen, die überfüllten Hörsäle, die

überfüllten Seminare und die schlechten Ausstattungsbedingungen seien schuld an den langen Studienzeiten, dann muss ich dem entgegenhalten, dass wir in den naturwissenschaftlichen Fächern, in den technischen Fächern und in den Ingenieurstudiengängen Verhältnisse haben, bei denen fast eine Mund-zu-Mund-Beatmung zwischen Professor und Student gemacht werden kann.

Trotz dieser hervorragenden Bedingungen gibt es überlange Studienzeiten. Es muss also auch einen Anreiz geben. Der Anreiz muss für die Studierenden da sein, von Anfang an mit der wertvollen Ressource Studium so zielbewusst und so kostenbewusst umzugehen wie irgend möglich. Aber wir brauchen auch den Anreiz an den Universitäten. Daher werden wir wie bei den Fachhochschulen in dem von Ihnen beschriebenen Sinne sehr wohl eine leistungs- und aufgabenorientierte Finanzierung einführen. Wir werden das aber nicht so machen, dass es zu Verwerfungen kommt. Die Fachhochschulen im Nordwesten hätten insgesamt 8 oder 9 Millionen DM verloren, wenn wir die Leistungsformel zu 100 % umgesetzt hätten. Deshalb habe ich mit Unterstützung insbesondere der Abgeordneten aus dieser Region entschieden, es bei 35 % einzufrieren. Dem haben Sie ja sogar zugestimmt. Sie haben selbst gesagt, dass das richtig sei. Es ist auch richtig, denn jede Fachhochschule muss solche Bedingungen haben, dass sie sich weiterentwickeln kann. Mit einer solchen Leistungsformel dürfen ihr nicht die Lebensbedingungen abgeschnitten werden.

Das war das, was ich Ihnen in Kürze entgegnen musste. Es gäbe noch mehr zu sagen. Aber dazu reicht die Zeit leider nicht.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Mundlos!