Protokoll der Sitzung vom 14.12.2001

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass von denjenigen, die mit dieser Green Card nach Deutschland zugewandert sind und zunächst Arbeit gefunden haben, inzwischen schon einige tausend arbeitslos sind und damit jetzt auch den Sozialkassen zur Last fallen?

Das ist mir nicht bekannt, Herr Biallas, weil ich bisher davon ausgegangen bin, dass diejenigen, die mit einer Green Card gekommen sind, hoch qualifizierte Kräfte sind, die in der Industrie weiter tätig sind. Wenn es aber solche Statistiken gibt, dann überprüfe ich sie gerne.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Das ist verkehrt, was er sagt! Die kriegen kein Geld!)

- Das muss ich auch annehmen. Denn bei mir ist so etwas bisher noch nicht angekommen, Herr Biallas.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch ein weiteres Beispiel nennen. Vielleicht überzeugt das noch den einen oder anderen. Wir haben vor 14 Tagen in der Sportministerkonferenz in Saarbrücken erneut Vereinbarungen hinsichtlich der Berufssportler getroffen, nach denen wir jetzt Leute, die in den ersten Ligen arbeiten und ganz bestimmte Bedingungen erfüllen, hier als Berufssportler aufnehmen. Das ist ein weiterer Aspekt, wo wir eine Zuwanderungsregelung brauchen. Alles, was wir neu bekommen, was vorgeschlagen worden ist, ist besser als der derzeitige Rechtszustand. Darüber müssen wir uns, glaube ich, im Klaren sein.

Meine Damen und Herren, das Zuwanderungsgesetz kann natürlich nicht - was von den Kollegen von der CDU, aber auch von anderen immer wieder hervorgehoben wird - alle Probleme des Arbeitsmarktes lösen. Selbstverständlich müssen wir weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, um

hier lebende Arbeitslose zu qualifizieren und in eine Beschäftigung zu vermitteln sowie die Ausbildung der Jugendlichen zu verstärken. Das Beispiel der ausländischen Computerspezialisten zeigt jedoch, dass auch durch Zuwanderung unmittelbar weitere Arbeitsplätze geschaffen werden. Wenn hier - meine Damen und Herren, ich sage das einmal so, ohne Schärfen hineinbringen zu wollen der Popanz einer neuen Immigrantenflut aufgebaut und an die Wand gemalt wird, dann ist das Unsinn. Das wird herbeigeredet. Das ist nicht der Fall.

Die gesetzlichen Änderungen dürften nur dann zu einer maßvollen zusätzlichen Zuwanderung führen, wenn sich ein erheblicher Bedarf an ausländischen Fachkräften ergeben sollte. Sie kennen aus den Ausführungen im Bundestag die Bemerkung, dass dort, wo es regionale Probleme gibt, mit der Arbeitsverwaltung und den Ausländerbehörden gemeinsam geguckt werden soll, wo Bedarf besteht, und dort dann gezielt dieser Bedarf gedeckt werden sollte. Dann ist von allen Leuten gesagt worden: Das kann vielleicht mal in sieben, acht Jahren Platz greifen, aber wird heute nicht Platz greifen. Deswegen ist die Ansage, durch Arbeitsimmigration würden wir eine verstärkte Zuwanderung bekommen, völlig falsch. Die aktuelle Entwicklung des Arbeitsmarktes lässt eine derartige Entwicklung nicht erkennen.

Auch der im Antrag der CDU-Fraktion genannte Familiennachzug im Zusammenhang mit den Verbesserungen der Schutzgewährung bei nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung wird wegen der geringen Zahl zu keinem erhöhten Zustrom von ausländischen Flüchtlingen führen.

Meine Damen und Herren, was die Altersgrenzen betrifft: Wenn Sie den Familiennachzug genau betrachten, dann wissen Sie, dass 50 % derjenigen, die im Wege des Familiennachzuges kommen, Frauen von jungen Türken sind, die in die Türkei reisen, sich dort eine Frau suchen und sie hierher bringen. Das sind 50 % der Nachzugsfälle, und das ist von der Anzahl her eine zu vernachlässigende Größe.

Meine Damen und Herren, Sie vermissen im Gesetzentwurf der Bundesregierung eine konkrete Regelung zur Begrenzung der Zuwanderung. Ich habe das gestern schon angedeutet und möchte das hier noch einmal etwas ausführlicher erläutern. Wenn es Ihr Hauptproblem ist, dass Sie zu viele auf uns zukommen sehen, dann möchte ich Ihnen gerne einen Vorschlag machen.

Die größte Zuwanderungsgruppe sind seit vielen Jahren die Spätaussiedler und ihre ausländischen Familienangehörigen. Hier könnte sich eine deutliche Entlastung bei der Zuwanderung ergeben, wenn wir endlich das Verfahren für die Einreise aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion ändern würden. Deutschland hat seit 1950 über 4,1 Millionen Aussiedler und Spätaussiedler aufgenommen und integriert. Das ist eine großartige Leistung der Gemeinschaft. Solidarisch wurde denjenigen geholfen, die im und nach dem Krieg ein furchtbares Schicksal, insbesondere in Russland, erlitten haben. Heute, 56 Jahre nach dem Kriegsende, leben wir aber nicht mehr in der Nachkriegszeit. Die so bezeichneten Spätaussiedler sind ganz überwiegend keine Deutschen mehr. Über drei Viertel der Neuankömmlinge sind inzwischen nichtdeutsche Angehörige. Bestimmende Ausreisemotive sind materielle und ökonomische Faktoren. Die Eingliederungssituation der Zuwanderungsgruppe hat sich während der letzten zehn Jahre dramatisch verschlechtert. Es fehlen die benötigten guten Deutschkenntnisse und die hier nachgefragten Berufsabschlüsse. Der kulturelle Abstand zur einheimischen Bevölkerung nimmt zu.

Besonders bei Jugendlichen entstehen beträchtliche, mit sozialer Ausgrenzung verbundene Integrationsprobleme. Nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom Juni 2001 über die Gewalt bei jugendlichen Spätaussiedlern in der Justizvollzugsanstalt in Hameln sehen Fachleute den Grund der Integrationsunwilligkeit in einem einschneidenden Kindheitserlebnis, nämlich der Übersiedlung von Russland nach Deutschland. Sie kommen in ein Land, dessen Sprache sie nicht verstehen. Die Eltern können ihnen keine Orientierung geben, weil sie mit sich selbst beschäftigt sind.

Diese Feststellungen müssen getroffen werden, obwohl die gesellschaftlichen Anstrengungen zur Integration enorm waren. So finanzierte allein der Bund zwischen 1990 und 2000 die Aufnahme und Eingliederung mit 33 Milliarden DM. Leistungen der Länder und Kommunen, z. B. Sozialhilfe, kommen noch hinzu.

Das ist eine ernüchternde Bilanz. Ich sehe eine massive Zunahme gesellschaftlicher Probleme, wenn es bei dem umfänglichen Zuzug von Spätaussiedlern bleibt. Nach dem geltenden Recht können noch über Jahrzehnte jährlich 100 000 Spätaussiedler zu uns kommen. Deshalb kommt für die Landesregierung ein „Weiter so!“, wie es z. B. von

denen propagiert wird, die dieses Thema gar nicht thematisieren - das ist nicht nur die CDU, sondern es sind auch SPD-geführte Länder -, nicht in Betracht. Nach einer Umfrage der Deutschen PresseAgentur sehen übrigens alle Länder dieses Problem. Der eine sagt „Ich will jetzt nicht die Zuwanderungsdiskussion damit belasten“, und der andere sagt „Das ist noch nicht so weit; das können wir später machen“. Für uns kommt ein solches „Weiter so!“ aber nicht in Betracht.

Ich wiederhole hier meinen Vorschlag, die Spätaussiedler aus den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion mit denen aus anderen Staaten Osteuropas gleichzustellen. Dies ist insbesondere wegen der seit 1990 im Rahmen der Demokratisierung erfolgten Rehabilitierung der vertriebenen deutschen Volkszugehörigen gerechtfertigt. Es gibt derzeit aufgrund der deutschen Volkszugehörigkeit keinerlei Benachteiligungen mehr. Dies habe ich mir kürzlich in einem Gespräch von Herrn Professor Skuratov erläutern lassen. Herr Skuratov war für einige Jahre Generalstaatsanwalt in der Russischen Föderation und ist derzeit Professor für öffentliches Recht in Moskau. Er hat am Montag im Innenministerium in einem ausführlichen Vortrag die Situation der so genannten Russlanddeutschen und ihrer Familien dargestellt und die zwischenzeitlich in Kraft getretenen Rehabilitierungsmaßnahmen erläutert.

Die Änderung würde bedeuten, meine Damen und Herren, dass als Voraussetzung für eine Übersiedlung nach Deutschland in jedem Einzelfall eine fortdauernde individuelle Benachteiligung nachgewiesen werden müsste. Dies würde zu einem erheblichen Rückgang der Aussiedlerzahlen führen. Ich bin guten Mutes, dass in absehbarer Zeit dafür eine Mehrheit in den Ländern zustande kommt, da nach anfänglichem Zögern die von mir im Frühjahr geforderte Neuregelung von anderen Ländern zunehmend unterstützt wird.

Ich meine, auch die unionsgeführten Länder sollten ihre Haltung überdenken und sich einer Begrenzung dieser Zuwanderung nicht mehr verweigern. Ich fordere auch die CDU in Niedersachsen auf, die Landesregierung bei diesem Vorhaben zu unterstützen.

Ich möchte gerne noch Herrn Rolfes einen Hinweis geben, weil er das bei Frau Stokar vermisst hat. Herr Rolfes, unsere Kultusministerin hat uns einmal dargelegt, dass wir für die Integration von Spätaussiedlern jährlich etwa 70 bis 80 Millio

nen DM ausgeben. Wenn wir die Zahl der Spätaussiedler massiv verringern würden, würde das Geld frei, um unsere Integrationsmaßnahmen für diejenigen zu verstärken, die dann noch zu uns kommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Biallas hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf die Rede von Herrn Kollegen Harden einzugehen, erübrigt sich,

(Frau Stokar von Neuforn [SPD]: Richtig!)

weil diese Rede nicht das Geringste mit dem zu tun hat, was ich gesagt habe, und nichts zu einer sachlichen Debatte beigetragen hat.

(Beifall bei der CDU - Wegner [SPD]: Und das kurz vor Weihnachten! Das finde ich nicht in Ordnung!)

Ich möchte deshalb nur auf zwei oder drei Dinge eingehen, die der Innenminister angesprochen hat. In der Tat bietet - darin geben wir Ihnen Recht das Problem mit den zurzeit einreisenden Spätaussiedlern eine Fülle von beunruhigendem Sprengstoff für das soziale Miteinander. Aber wenn man das beklagt, Herr Minister, dann reicht das noch nicht aus, um das Problem zu lösen.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass gerade bei der Gruppe der Spätaussiedler die verfassungsrechtliche Frage, dass sie Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind, eine Rolle spielt. Das heißt, wer das ändern und die Spätaussiedler mit den Bürgern osteuropäischer Staaten gleichstellen will, müsste den ersten notwendigen Schritt tun und die Verfassung ändern. Dafür braucht man eine entsprechende Mehrheit. Wenn Sie das besser wissen, Frau Stokar, was ja von Zeit zu Zeit vorkommt, können Sie das hier vortragen. Aber eigentlich ist die rechtliche Situation nun einmal so.

Der zweite Punkt: Was zurzeit im Zusammenhang mit der Debatte in der Bevölkerung beunruhigend ist, ist, dass bei einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und bei Konjunkturdaten, die nicht nur der Wirt

schaft, sondern allen Bürgerinnen und Bürgern Sorge machen, einfach nicht verstanden wird, wie man vorgibt, das Problem auf dem Arbeitsmarkt vordringlich durch Zuwanderung und nicht besser durch mehr Anstrengungen für die bessere Qualifizierung der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land lösen zu wollen.

(Beifall bei der CDU)

Die Qualifizierung kostet Geld. Die Mehrheit der Bevölkerung meint, es sei besser, die Menschen, die bei uns ohne Arbeit sind, in den Stand zu versetzen, Arbeitsplätze einzunehmen, die es bei uns angeblich gibt.

Eine letzte Bemerkung: Es ist viel von Integration die Rede. Ich will nicht widersprechen, dass im Kultushaushalt Mittel für die Gruppe, die Sie angesprochen haben, zur Verfügung stehen. Es ist aber ein Schattengefecht, wenn in jeder Talkshow Politiker aller Parteien immer wieder von Integration reden, aber nicht gleichzeitig in ihren Haushalten deutlich zeigen, wie sie das finanzieren wollen.

(Beifall bei der CDU)

Sonst kann man diesen Reden eben keine Bedeutung schenken.

Die gesamte Debatte zeigt eines: Es gibt unendlich viele ungeklärte Fragen. Den rot-grünen Truppen - wo auch immer

(Mühe [SPD]: Vorsicht! - Zuruf von der SPD: Na, na, na!)

empfehle ich, sich sehr genau zu überlegen, ob es politisch sinnvoll und richtig ist, mit einer knappen Mehrheit ein solch fehlerhaftes Gesetz durchzupeitschen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Biel [SPD])

Herr Minister Bartling!

Herr Biallas, die rot-grünen Truppen peitschen nichts durch. Ich hoffe, Sie haben zumindest zur Kenntnis genommen, dass die rot-grünen Truppen - wenn Sie sie schon so nennen - zu einer sachlichen Diskussion bereit sind. Deswegen möchte ich eines richtigstellen, Herr Biallas.

Sie haben behauptet, aus dem Grundgesetz ergebe sich ein Problem in der Spätaussiedlerfrage. Das ist völlig falsch. Im Jahr 1991 ist die Situation der Deutschstämmigen in Polen, Bulgarien und Rumänien durch ein einfaches Gesetz geändert worden. Das könnte man auch für die Gebiete der ehemaligen Sowjetunion mit einer kurzen gesetzlichen Regelung im Bundestag machen.

Zur Rücksichtnahme auf den Arbeitsmarkt, die Sie eben gefordert haben, ist anzumerken: Wir brauchen beides, meine Damen und Herren, nämlich die stärkere Qualifizierung der unsrigen wie auch die Zuwanderung in bestimmten Bereichen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung für beide Punkte. Der Ältestenrat empfiehlt, die Anträge zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für innere Verwaltung und zur Mitberatung an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheit zu überweisen. - Andere Vorstellungen sehe und höre ich nicht. Das ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Rücknahme der erhöhten Gewerbesteuerumlage - Rot-grüne Bundesregierung bereichert sich auf Kosten der Kommunen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2933

Zur Einbringung dieses Antrages hat der Kollege McAllister das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem vorliegenden Antrag fordern wir die Landesregierung auf, im Bundesrat der von Bayern eingebrachten Gesetzesinitiative zur Rücknahme der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zuzustimmen oder aber eine entsprechende Initiative unseres Landes mit gleicher Zielrichtung zu ergreifen.