Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

in dem die SPD sagt: Wir decken alles ab, was diese Regierung tut. Sie vergeben sich die Kontrolle der Regierung durch die Mehrheitsfraktion in diesem Parlament. Es muss im Ältestenrat besprochen werden, wie wir hier miteinander umgehen, insbesondere wie eben mit dem Kollegen Schünemann umgegangen worden ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Pothmer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme zur Kenntnis, dass die SPD-Fraktion die über Jahre geltende überfraktionelle Vereinbarung, Regierungsmitgliedern nur dann die Abwesenheit zu erlauben, wenn es im Interesse des Landes ist, gebrochen hat.

(Widerspruch bei der SPD)

Diese Vereinbarung gilt nicht mehr. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass Sie von sich aus Ihre Rolle als Parlamentarier zurücknehmen zugunsten der Interessen der Regierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Das, was Sie hier vorgetragen haben, verkehrt die Sachlage kolossal. Wir stehen vor der Frage, eine Entscheidung zu treffen, und tauschen uns inhaltlich dazu aus, was angemessen ist und was nicht. Dann verlangen Sie von uns, wir hätten von uns aus den Antrag auf Änderung der Tagesordnung stellen müssen. Das stellt den Sachverhalt von den Füßen auf den Kopf.

(Frau Pawelski [CDU]: Das ist unver- schämt! - Plaue [SPD]: Wir wissen doch nicht, welche Punkte Sie für wichtig halten! - Gegenruf von Möll- ring [CDU]: Dass Sie nichts wissen, ist doch bekannt!)

- Ich schlage vor, Herr Plaue, dass Sie uns einmal eine Liste der Veranstaltungen vorlegen, die im Interesse des Landes sind. Ich frage mich, was dann diejenigen sagen, die nicht auf dieser Liste stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Wir haben aufgrund langjähriger Praxis diese Vereinbarung getroffen, weil es notwendig ist, Abgrenzungen zu treffen. Sie haben diese Vereinbarung gebrochen. Ich sehe mich nicht in der Lage, künftig im Ältestenrat auf der alten Grundlage über solche Fragen zu verhandeln. Das sage ich Ihnen ganz deutlich.

(Möllring [CDU]: Was sagt Wernstedt eigentlich?)

Wenn Sie hier sagen, es ginge nur um eine ShowVeranstaltung; das sei die fünften Jahreszeit, dann will ich Ihnen sagen: Die Tatsache, dass der Ministerpräsident diese Veranstaltung heute wahrnimmt, ist für mich auch ein Ausdruck der fünften Jahreszeit. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Herr Kollege Schwarzenholz, Sie haben das Wort.

(Zuruf von Möllring [CDU] - Gegen- ruf von der SPD: Herr Möllring, wie ernst Sie das Parlament nehmen, se- hen wir jeden Tag!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Opposition muss sich die Frage gefallen lassen, wie sie durch ihr Verhalten auf den äußeren Eindruck und das Bild des Parlaments einwirkt.

(Busemann [CDU]: Und was spielen Sie für eine Rolle? Sie sind doch auch Opposition, nicht?)

- Hören Sie doch einmal zu, lieber Kollege! Deshalb spreche ich ja auch als Oppositionsabgeordneter. Ich habe die gesamte Woche über verfolgt, wie hier im Prinzip die Legende gestrickt worden ist, dass die Regierungsvertreter - der Ministerpräsident und andere - gezielt das Parlament im Stich ließen. Ich habe einen faden Beigeschmack dabei. Schauen Sie sich einmal die verschiedenen Landesparlamente mit den unterschiedlichen Mehrheiten und das Verhalten bei solchen – sage ich einmal - Veranstaltungen von nationaler Bedeutung an. Der Verkehrsgerichtstag ist die auf dem Verkehrssektor rechtspolitisch bedeutendste Veranstaltung, die wir in Deutschland haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage Sie allen Ernstes: Glauben Sie, dass Wahlkampf um jeden Zweck von den Leuten nicht bemerkt wird?

(Unruhe bei der CDU)

Ich frage mich allen Ernstes, ob diese Art, die Teilnahme von Herrn Gabriel an dem Verkehrsgerichtstag hochzustilisieren,

(Unruhe bei der CDU - Glocke des Präsidenten)

nicht dazu beiträgt, das Ansehen der parlamentarischen Demokratie insoweit zu beschädigen, als der Eindruck entsteht, dass die zu kurz Gekommenen - in dem Fall Herr Wulff, der gerne Ministerpräsident wäre, aber es nicht ist - sauer darüber sind, dass sie nicht die gleiche Präsentation finden. So sind aber nun einmal die Rollen verteilt. Ministerpräsident ist Herr Gabriel.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Lassen Sie mich ein positives Beispiel dagegen setzen: Wir haben gestern eine Auseinandersetzung über die Schulpolitik geführt, in der die Opposition deutlich gemacht hat, wie katastrophal das Ergebnis der Gabriel‘schen Politik ist. Das ist eine

inhaltliche Auseinandersetzung. So muss man den Ministerpräsidenten angreifen, aber nicht durch diese Show-Veranstaltung, die Sie hier bieten.

(Lachen bei der CDU und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Möhrmann, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wulff, ich habe mich nur zu Wort gemeldet, weil ich den Eindruck,

(Möllring [CDU]: Was sagen Sie denn zur rot-roten Koalition hier?)

den Sie versucht haben zu erwecken, den auch Frau Pothmer versucht hat zu erwecken,

(Möllring [CDU]: Waren Sie jetzt doch da?)

zerstreuen möchte. Es geht nicht darum - das will ich ausdrücklich sagen -, dass derjenige, der am lautesten schreit, Recht hat.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Also haben Sie nicht Recht! Möllring [CDU]: Sie sind ja illoyal!)

- Herr Wulff, das gilt für alle Seiten. Das wissen Sie genauso gut wie ich.

Es geht auch nicht darum - weil Sie die Schülerinnen und Schüler angesprochen haben -, ob ein Ministerpräsident ein Parlament ernst nimmt oder nicht. Es geht darum, ob dieses Parlament den Verkehrsgerichtstag, über dessen Bedeutung Herr Schwarzenholz gesprochen hat, ernst nimmt,

(Möllring [CDU]: Rot-rote Koaliti- on!)

und welche Schlussfolgerungen die einzelnen Fraktionen daraus ziehen. Ich verstehe das, was Sie gesagt haben, und ich will nicht ausschließen, das ich, wenn ich dort säße, hier vorn vielleicht das Gleiche erzählen würde.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Man muss das ernst nehmen, was man sagt! - Möllring [CDU]: Heißt das, Sie würden mal so und mal so reden?)

Daran sehen Sie schon, wie es ist: Wenn es - was es wahrscheinlich nicht geben wird, wie ich das einschätze - einen Ministerpräsident Wulff gegeben hätte, und der wäre gefragt worden, ob er möglicherweise bei einer Plenarsitzung fehlt, um da oder dort ein Grundsatzreferat zu halten, ich vermute, er hätte sich nicht anders entschieden. Ich will Ihnen auch sagen, warum ich das vermute, Herr Wulff. Da gibt es den 350. Geburtstag der Kaufmannsgilde in Peine.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: 19.30 Uhr!)

Da schreibt die Peiner Zeitung, dass Herr Wulff zugesagt hat.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: 19.30 Uhr!)

- Diese Veranstaltung beginnt um 18 Uhr. Der Ministerpräsident hat, weil er wusste, dass eine Plenarsitzung stattfindet, diese Veranstaltung abgesagt.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Hat Herr Plaue Ihnen das nicht gesagt? - Weitere Zurufe von der CDU)

Ich sage nur: Das alles muss man mit bedenken, wenn man versucht, Herr Wulff, das zu einem Grundsatzproblem zu machen. Es geht lediglich um die Einschätzung. Da haben Sie Ihre Gründe, warum Sie das anders einschätzen.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie waren doch gar nicht im Ältestenrat! Möllring [CDU]: Um 19.30 Uhr kann er doch in Peine sein!)

Frau Pothmer, es geht nicht um die Aufkündigung der Dinge, die ein Parlament für wichtig hält, und nicht darum, wie ein Parlament eingeschätzt wird.