Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Frau Pothmer, es geht nicht um die Aufkündigung der Dinge, die ein Parlament für wichtig hält, und nicht darum, wie ein Parlament eingeschätzt wird.

Im Übrigen: Wenn Sie das Amt des Ministerpräsidenten meinen, dazu gibt es eine eindeutige Vertretungsregelung. Wenn wir diese Geschäftsordnungsdebatte noch etwas fortsetzen, haben wir wahrscheinlich den Effekt, dass er dann hier ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

(Zuruf von der SPD: Schade!)

Wir kommen zur Abstimmung über den von Frau Pothmer gestellten Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer diesem Antrag entsprechend den Ministerpräsidenten herbeizitieren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist damit abgelehnt.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Nach Enthaltungen ist nicht gefragt worden!)

Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 18 und 19.

(Unruhe - Mehrere Abgeordnete ver- lassen den Plenarsaal)

- Wenn Sie die Tagesordnungspunkte nicht interessieren, dann verlassen Sie den Plenarsaal, aber tun Sie es bitte so, dass wir weiter beraten können. Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 18 und 19, die ich vereinbarungsgemäß zusammen aufrufen möchte.

(Anhaltende Unruhe)

- Stellen Sie bitte die Verabschiedungsszenen ein, auch da hinten an der Besucherloge! Ist es möglich, die Unterhaltungen nach draußen zu verlagern?

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wir können doch das alles nach Goslar verlagern!)

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung: Stärkung des Katastrophenund Zivilschutzes in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2937

Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung: Stärkung des Katastrophenund Zivilschutzes in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3029

Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Coenen, der den Antrag der CDU-Fraktion einbringen wird. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits im Oktober-Plenum habe ich für meine Fraktion angekündigt, dass wir das Thema Katastrophenschutz und Zivilschutz in Niedersachsen wieder auf die Tagesordnung bringen. Mit ihrem Antrag „Stärkung des Katastrophen- und Zivilschutzes in Niedersachsen“ vom November 2001 hat die CDU-Landtagsfraktion Wort gehalten. Wir haben Ihnen ein konkretes 14-Punkte-Programm vorgelegt. Ich erwarte, dass dieses Programm in den Ausschüssen abgearbeitet wird.

„Der Katastrophenschutz ist in einem beklagenswerten Zustand.“ Diese Feststellung hat keine CDU-Politikerin bzw. kein CDU-Politiker aus Niedersachsen oder auf Bundesebene getroffen, sondern Frau Gudrun Schaich-Walch, SPD, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, in der Frankfurter Rundschau vom 21. Dezember 2001.

Helfer aus den Bereichen Feuerwehr und Hilfsorganisationen, mit denen die CDU-Fraktion in regelmäßigem Kontakt steht, klagen über Abstimmungsprobleme zwischen den zuständigen Behörden, unzureichende Warn- und Alarmierungssysteme, Kürzungen im Bereich Aus- und Fortbildung sowie veraltetes Material. Dementsprechend heißt es in einem Artikel der Nordwest-Zeitung vom 15. Dezember 2001 über den Zustand der Ausrüstung im Bereich der freiwilligen Feuerwehr in Oldenburg: „Ausrüstung im Katastrophenfall eine Katastrophe! Helfer klagen über veraltetes Material.“ Dem ist meiner Meinung nach nichts mehr hinzuzufügen.

Diese Zustandsbeschreibung trifft auf die Ausrüstung aller Hilfsorganisationen Niedersachsens im Bereich Katastrophenschutz zu. Mitte der 90er-Jahre wurde in Deutschland neben notwendigen Anpassungen in der Sicherheitspolitik ein beispielloses Programm zur Demontage der zivilen Verteidigung sowie des Zivilschutzes umgesetzt,

das 1998 von der rot-grünen Bundesregierung fortgesetzt und verschärft wurde. Insgesamt wurden die Ausgaben des Bundes für den Bereich Zivilschutz um ca. 65 % reduziert. Dieses Einsparvolumen wurde weder ganz noch ansatzweise durch Mehrausgaben und Investitionen der Länder abgefedert.

Auch die Niedersächsische Landesregierung hat in den 90er-Jahren die notwendigen Investitionen im Bereich des Katastrophenschutzes vernachlässigt. Neben rein haushaltspolitischen Effekten hat diese Sparpolitik eine gefährliche Teilauflösung elementarer Strukturen der Gefahrenabwehr zur Folge. Stichworte hierfür sind der nur noch rudimentär vorhandene und jetzt wieder aufzubauende Warndienst, der Verzicht auf eine organisierte Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung sowie der Abbau von Personal-, Helfer- und Materialressourcen. Darunter hat vor allem die Motivation der ehrenamtlichen Helferschaft in den Katastrophenschutzorganisationen zu leiden.

Durch diesen Prozess ist über Jahre angesammeltes wertvolles Wissen verloren gegangen. Die Sanitäts- und Betreuungseinheiten des Katastrophenschutzes stehen seit dem 11. September 2001 offensichtlich neuen Bedrohungen mit zum Teil unzureichenden Ausstattungen und Ausbildungen sowie zum Teil musealen Fahrzeugparks gegenüber und fühlen sich nicht selten schutz- und hilflos.

Ein besonders relevantes Problem sind die mangelhaften Kooperationsstrukturen und die zum Teil komplizierten Kompetenzverteilungen auf und zwischen den unterschiedlichen Ebenen und Stellen, in deren Kompetenz der Katastrophenschutz fällt. So müssen beispielsweise bei einer Gefahrenabwehr bei Bio- und Strahlengefährdung neben dem originären Katastrophenschutz die dort mitwirkenden Organisationen - Rettungsdienst, Feuerwehr, Umweltund Strahlenschutzbehörden sowie viele andere Institutionen - kompetent und zielgenau zusammenwirken.

In Niedersachsen wird die Rechtslage dadurch verkompliziert, dass in Katastrophenfällen zwei Ministerien zuständig sind, nämlich das Innenministerium für das Katastrophenschutzwesen und das Sozialministerium für den Rettungsdienst.

(Adam [SPD]: Aber Sie wissen doch, dass es gar nicht anders geht!)

Es ist daher notwendig, die Zuständigkeit für Katastrophenfälle im Innenministerium zu bündeln, die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Landkreisen sowie zwischen und unter den Ländern und die Zusammenarbeit zwischen Landes-, Bundes- und europäischer Ebene zu verbessern.

Bei besonders komplexen und besonders großen Gefahrenlagen muss die Kooperation aller Betroffenen durch eine kompetente Gesamtkoordination, z. B. durch eine gemeinsame Koordinierungszentrale, erfolgen. Darüber hinaus muss eine sach- und fachgerechte Ausstattung der Katastrophenschutzeinheiten sowie eine Optimierung der Kooperation in allen Teilbereichen der Gefahrenabwehr erfolgen sowie in die Aus- und Fortbildung investiert werden.

Diese Aufgaben haben entgegen der Behauptung der SPD-Fraktion weder Landes- noch Bundesregierung bewältigt. Nach Einschätzung des Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes fehlen allein für die Bewältigung der bisherigen Aufgaben der deutschen Feuerwehren im Katastrophenschutz 25 Millionen Euro.

Für die Neuorientierung der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes wird ein Investitionsbedarf in mehrstelliger Milliardenhöhe angesetzt. Nach Einschätzung von Sachverständigen benötigt der im Aufgabenbereich des Bundes liegende Zivilschutz im Hinblick auf den veralteten Zustand der vorhandenen Geräte und Fahrzeuge eine einmalige Wiederaufbauspritze von mindestens einer halben Milliarde Euro.

Es reicht daher nicht aus, Landes- und Bundesregierung für ihre Bemühungen zu loben, wie es seitens der SPD-Fraktion getan wird. Vielmehr steht das Land in der Pflicht, die eigenen Bemühungen zur Stärkung des Katastrophenschutzes in Niedersachsen zu verstärken und gegenüber der Bundesregierung auf eine massive Förderung des Zielschutzes hinzuwirken. Denn bei der Verbesserung des Bevölkerungsschutzes geht es um drei elementare Bereiche: Koordinierung, Kooperation, Kommunikation. Dies sind die Kernpunkte der Nachbesserung.

Der von der CDU-Fraktion bereits im November 2001 eingereichte Antrag „Stärkung des Katastrophen- und Zivilschutzes in Niedersachsen“ hat zumindest eines bereits bewirkt: Die SPD-Fraktion ist bei diesem Thema aufgewacht und hat nach Veröffentlichung des Antrags der

CDU-Fraktion einen Antrag nachgeschoben, der zwar denselben Titel wie der CDU-Antrag trägt, der jedoch inhaltlich keine konkreten Maßnahmen zur Stärkung des Katastrophen- und Zivilschutzes in Niedersachsen enthält.

Der Antrag der SPD-Fraktion ist ein Jubelantrag, der sich darauf beschränkt, die Politik von Landesund Bundesregierung im Bereich des Katastrophenschutzes zu preisen und schönzureden.

(Beifall bei der CDU - Wulff (Osna- brück) [CDU]: Wie immer!)

Das Vorbringen der SPD-Fraktion, im Bereich des Katastrophenschutzes sei auf Landes- und Bundesebene alles Notwendige getan worden, um auf neue Herausforderungen reagieren zu können, ist reines Wunschdenken. Die Realität, wie sie insbesondere von den Feuerwehren und Hilfsorganisationen Niedersachsens, mit denen wir ausführlich gesprochen haben, wahrgenommen wird, sieht ganz anders aus.

Zwei abschließende Bemerkungen zum vorliegenden SPD-Antrag. Als ich zur Schule ging, bekam man für Abschreiben eine Fünf, und die Arbeit wurde eingezogen. Wenn man schon kein Geld ausgeben will, dann sollte man wenigstens gute Ideen haben. Wie sagte doch die Parlamentarische Staatssekretärin ganz richtig? - Der Katastrophenschutz ist in einem beklagenswerten Zustand.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Adam!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Coenen, ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal mit dem Landesfeuerwehrverband gesprochen haben. Wir haben es gestern Nachmittag gemacht.

(Frau Schliepack [CDU]: Ach, ganz schnell noch!)

- Frau Kollegin, wenn Sie die Medien ein bisschen verfolgt hätten, dann wüssten Sie, dass es im Feuerschutz und im Brandschutz in der ganzen Republik große Probleme gibt.

(Frau Schliepack [CDU]: Auch in Niedersachsen!)

Verantwortliche Politiker sollten ganz schnell handeln. Wir haben gehandelt und haben uns gestern mit dem Landesfeuerwehrverband zusammengesetzt. Sicherlich werden wir diese Frage, Herr Kollege Coenen – Sie wissen, worüber ich spreche – auch im Innenausschuss noch intensiv zu behandeln haben.

(Zuruf von Coenen [CDU])

- In dieser Frage sind wir überhaupt nicht auseinander. – Das Gespräch mit dem Landesfeuerwehrverband lief gestern so ab, dass wir in der Einschätzung der Situation nicht auseinander lagen. Die Diskrepanz, die Sie hier aufzuzeigen versucht haben – so habe ich Sie zumindest verstanden -, bestand nicht.

Wir sollten, was den Katastrophenschutz angeht, vorsichtig sein und unser Land nicht unsicher reden und den Bürgern nicht suggerieren, es werde nicht alles getan, damit sie in ihren Häusern und ihrem Wohnumfeld sicher leben können. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes können sich auf Feuerwehr, auf Rettungsdienste und Katastrophenschutz verlassen. Das ist auch bekannt. Die politische Aufgabe ist es - darin liegen wir nicht auseinander -, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Uns liegen, meine Damen und Herren, zwei Anträge zur Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes vor, die die gleiche Überschrift tragen, wobei wir uns aber auch einmal die Frage stellen sollten, ob wir uns überhaupt über den Zivilschutz zu unterhalten haben. Denn der Zivilschutz kommt bei kriegerischen Auseinandersetzungen – so darf ich das einmal nennen – zum Tragen. Wir haben diese Bezeichnung ebenso übernommen wie Sie. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir uns in erster Linie über den Katastrophenschutz und nicht über den Zivilschutz zu unterhalten haben.

Uns liegen, meine Damen und Herren, also zwei Anträge vor, die zwar identische Überschriften tragen, sich inhaltlich aber deutlich voneinander unterscheiden.